Parlamentskorrespondenz Nr. 705 vom 20.06.2023

Verfassungsausschuss: Grünes Licht für Terrorinhalte-Bekämpfungs-Gesetz

Mehrheitliche Zustimmung zum Einsatz von Videotechnologie in Verwaltungsverfahren

Wien (PK) – Mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und SPÖ hat der Verfassungsausschuss heute grünes Licht für das Terrorinhalte-Bekämpfungs-Gesetz gegeben. Aufgrund einer EU-Verordnung geht es unter anderem um die Verpflichtung für Hostingdienste, terroristische Inhalte auf Basis von Behörden-Anordnungen innerhalb einer Stunde zu löschen. Als zuständige Behörde zur Erlassung von Entfernungsanordnungen wird dafür die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) festgelegt. Mittels Abänderungsantrag änderten die Koalitionsparteien das Datum für das Inkrafttreten nunmehr auf 1. September 2023.

Für die Möglichkeit des Einsatzes von Videotechnologie in Verwaltungsverfahren und bei Verwaltungsgerichten sowie für eine Erweiterung des "Postlaufprivilegs" sprachen sich ÖVP, Grüne, SPÖ und FPÖ aus. Die Bestimmungen zur Videotechnologie haben sich in der Pandemiezeit in der Praxis bewährt, so Verfassungsministerin Karoline Edtstadler.

Den Bericht zur "Agenda 2030" bzw. den Entwicklungszielen der UNO nahmen die Abgeordneten mit breiter Mehrheit – ohne die Stimmen der FPÖ - zur Kenntnis. Einstimmig wurde beschlossen, den Bericht auch im Plenum zu debattieren.

Terrorinhalte-Bekämpfungs-Gesetz mit Geldstrafen bis zu 1 Mio. €.

Laut einer EU-Verordnung sind Hostingdienste verpflichtet, terroristische Inhalte auf Basis von Behörden-Anordnungen innerhalb einer Stunde zu löschen und weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die Verbreitung derartiger Inhalte zu unterbinden. Die sich aus dieser Verordnung für Österreich ergebenden Verpflichtungen werden nun in einem eigenen "Terrorinhalte-Bekämpfungs-Gesetz" geregelt (2083 d.B.). Demnach soll die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) die zuständige Behörde zur Erlassung von Entfernungsanordnungen sein, wobei eine Zusammenarbeit mit der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) vorgesehen ist. So wird der Verfassungsschutz etwa dazu verpflichtet, die KommAustria unverzüglich zu informieren, wenn er Kenntnis über terroristische Online-Inhalte erlangt.

Hostinganbieter, die einer Entfernungsanordnung nicht innerhalb einer Stunde nachkommen, droht eine Geldstrafe von bis zu 1 Mio. €. Sie werden unter anderem dazu verpflichtet, sich unverzüglich für einen Zustelldienst anzumelden. Auch wer über unmittelbare Terrordrohungen nicht die zuständige Strafverfolgungsbehörde informiert, keinerlei Maßnahmen zur Verhinderung der öffentlichen Verbreitung terroristischer Inhalte über seinen Dienst ergreift oder keinen wirksamen und zugänglichen Beschwerdemechanismus bereitstellt, muss mit hohen Strafen – bis zu 500.000 € – rechnen. Inkrafttreten sollte das Gesetz ursprünglich am 1. Juli 2023 bzw. – was die Straftatbestände betrifft – unmittelbar nach dessen Kundmachung im Bundesgesetzblatt. Mit einem Abänderungsantrag änderten die Koalitionsparteien im Ausschuss das Inkrafttreten auf 1. September 2023. Damit soll auf die verzögerte parlamentarische Behandlung reagiert und gleichzeitig auch der künftig zuständigen Behörde eine angemessene Vorbereitungszeit eingeräumt werden, so Wolfgang Gerstl (ÖVP).

Georg Bürstmayr (Grüne) erörterte, es gehe bei der Umsetzung insbesondere um Pflichten für Hostingdiensteanbieter und um Maßnahmen gegen rechtswidrige Inhalte auf Internetplattformen. Für die dafür zuständige KommAustria sei hinsichtlich der erforderlichen Löschung innerhalb einer Stunde die Mitgliederzahl aufgestockt und die Finanzierung an einen 24/7-Betrieb angepasst worden.

Als richtig und gut bezeichnete Alois Stöger (SPÖ) das Gesetz. Er hinterfragte aber, warum die KommAustria einen 24/7-Dienst einrichten soll, zumal in anderen Ländern diese Aufgaben Staatsdienst-Einheiten übernehmen würden, die solche Dienste bereits hätten. Genau darum soll eben die DSN die Inhalte beleuchten und die Vorschläge an die KommAustria weiterleiten, meinte dazu Gerstl.

Gegen die Vorlage wandte Herbert Werner (FPÖ) ein, dass er die EU-Verordnung für überschießend halte und einmal mehr ein "zahnloser Papiertiger" entstehen würde. Zur eigentlichen Terrorbekämpfung gebe es aus seiner Sicht weder zusätzliches Personal, noch erhalte der DSN zusätzliche operative Möglichkeiten. Neben Datenschutzbedenken, die er äußerte, hielte er es für sinnvoll, das Innenministerium neuerlich einzubinden, um eine bessere Lösung zu finden.

Demgegenüber bezeichnete es Medienministerin Susanne Raab als ein Rätsel, wieso man Terrorbekämpfung ablehnen könne. Die polizeilichen Aufgaben wie Einstufung und Prüfung würden auch bei selbiger bleiben. Die KommAustria habe die Verpflichtung, mit den Plattformen zu kommunizieren. Das sei der Grund, die Meldestelle dort einzurichten. Die DSN wiederum habe die Aufgabe, die Inhalte terroristischer Natur an die KommAustria weiterzugeben. Zudem erachte sie auch die Umsetzung für die operative Ebene als effizient, so Raab.

Henrike Brandstötter (NEOS) sprach sich dafür aus, sich künftig auch anzusehen, wie die KommAustria weiter gestärkt werden könne. Johannes Margreiter (NEOS) sieht speziell eine Bestimmung in der Vorlage skeptisch, nach der die DSN die ihr übermittelten Daten nahezu ohne Beschränkung weiterverarbeiten könne. Hier vermisse er etwa eine bestimmte Frist zur Entfernungsanordnung. Demgegenüber brachte Friedrich Ofenauer (ÖVP) vor, bei den Bestimmungen gehe es lediglich um "Waffengleichheit" für die DSN und um die entsprechenden technischen Möglichkeiten.

Einsatz von Videotechnologie in Verwaltungsverfahren

Im Zuge der Corona-Pandemie erhielten Behörden und Verwaltungsgerichte die Möglichkeit, Verwaltungsverfahren bzw. Verwaltungsstrafverfahren unter bestimmten Umständen auch unter Einsatz von Videotechnologie durchzuführen, etwa wenn Zusammenkünfte vor Ort pandemiebedingt nicht möglich oder nicht geboten waren. Diese Bestimmungen sollen nun, in etwas abgewandelter Form, ins Dauerrecht übernommen werden (2081 d.B.). Zudem wird mit dem Gesetzentwurf der langjährigen Forderung Rechnung getragen, Anbringen wie etwa Einsprüche gegen Bescheide, die im elektronischen Verkehr eingebracht wurden, hinsichtlich des Fristenlaufs mit Postsendungen gleichzustellen.

Mit dem Einsatz von Videotechnologie soll insbesondere die Verfahrenseffizienz gefördert werden, wie in den Erläuterungen hervorgehoben wird. In diesem Sinn sollen Behörden auch nur einzelne Personen per Video zu Verhandlungen zuschalten können, dürfen diese also auch "hybrid" abhalten. Betroffenen muss grundsätzlich jedoch die Möglichkeit geboten werden, persönlich zu erscheinen, etwa wenn sie keine entsprechende technische Ausrüstung haben. Außerdem ist in Verwaltungsstrafverfahren jedenfalls das Grundrecht auf ein faires Verfahren zu gewährleisten und das Erfordernis der Öffentlichkeit zu beachten. So sollen beispielsweise auch Zeug:innen und Beteiligte möglichst persönlich vorgeladen werden, es sei denn, der Beschuldigte hat darauf verzichtet.

Was elektronische Anbringen betrifft, gelten diese künftig auch dann als rechtzeitig eingebracht, wenn sie am letzten Tag der Frist versendet wurden. Derzeit müssen sie am Tag des Fristablaufs vor Ende der Amtsstunden bei der Behörde bzw. beim Gericht eingetroffen sein, während bei Inanspruchnahme der Post oder anderer Zustelldienste das "Postlaufprivileg" zum Tragen kommt, also die Tage zwischen der Übergabe von Schriftstücken und dem Einlangen bei Behörden nicht in die Frist einzurechnen sind. Versender:innen bleiben aber nach wie vor dafür verantwortlich, dass das Anbringen bei der Behörde ankommt und nicht im Übermittlungsweg "verloren" geht. Außerdem steht es Behörden weiterhin frei, E-Mails als zulässige Übermittlungsform auszuschließen, sofern sie Bedenken hinsichtlich der Manipulierbarkeit des Versendungszeitpunkts haben.

Wichtig sei aus seiner Sicht, dass es zur Videoverhandlung ein Widerspruchsrecht der Verfahrensparteien gibt, hob Georg Bürstmayr (Grüne) hervor. Mehrfach abgesichert sei das weiterhin bestehende Recht auf mündliche Verhandlungen. Bei einfachen oder kurzen Terminen soll eine Videoverhandlung mit Einverständnis der Betroffenen stattfinden können.

Johannes Margreiter (NEOS) schloss sich grundsätzlich an, vor allem begrüßte er die Angleichung betreffend den Fristenlauf bei Rechtsmitteln im Verwaltungsverfahren. Kritisch sieht er allerdings die legistische Qualität der Umsetzung und bemängelte, dass Begriffe durcheinandergebracht würden. Nicht klar erschließe sich ihm etwa, ob auch für Großverfahren eine digitale Abwicklung möglich sein soll.

Positiv und als Schritt in die richtige Richtung erachtet Herbert Werner (FPÖ) unter anderem die Gleichstellung von postalischen und elektronischen Anbringen. Datenschutzbedenken gelte es aus seiner Sicht nochmals anzuschauen, aber der Nutzen der Materie überwiege. Christian Drobits (SPÖ) sprach ebenso seine Zustimmung aus. Im Hinblick auf das Widerspruchsrecht regte er etwa eine Auflistung an, welche Ämter und Behörden die Videoverhandlungen nicht durchführen, damit sich Betroffene orientieren können.

Die für Verfassung zuständige Ministerin Karoline Edtstadler benannte hinsichtlich der Videoverhandlungen das Ziel der Effizienz der Verfahrensführung als ein wichtiges. Sie wies dazu aber auch auf die Widerspruchsmöglichkeit der Verfahrensparteien hin.

Österreich im SDG-Umsetzungsranking an 5. Stelle

Dem Bericht zur "Agenda 2030" bzw. den Entwicklungszielen der UNO (Sustainable Development Goals, SDGs) zufolge liegt Österreich im internationalen Vergleich weltweit bei der Umsetzung an 5. Stelle (III-939 d.B.). Maßnahmen im Rahmen des COVID-19-Gesetzes gegen Armut und andere pandemiebedingte Entlastungsinitiativen von Bund und Ländern werden im Bericht als Teil der österreichischen Vorkehrungen zur Erreichung der Entwicklungsziele im Land genannt. Für Investitionen in die Schwerpunktbereiche Digitalisierung, Ökologisierung und Gesundheit habe man die noch bis 2025 laufende COVID-19-Investitionsprämie für Unternehmen auf 14 Prozent verdoppelt, um nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum nach der Pandemie sicherzustellen.

Global aktuelle SDG-Themen sind dem Bericht zufolge die Resilienz gegenüber multiplen Krisen wie kriegerische Konflikte, aber auch die Energie- und Klimakrise, die Teuerung und die steigende Ungleichheit. Als entscheidende Faktoren für die Bewältigung von Herausforderungen und die Nutzung von Chancen der nachhaltigen Transformation wertet die Regierung insbesondere die Digitalisierung und Innovation, dabei wiederum das Innovationspotenzial von Unternehmen sowie die notwendigen Skills für das 21. Jahrhundert.

Eine tendenziell positive Entwicklung in Österreich sieht die Bundesregierung beim SDG 1 zur Armutsbekämpfung. Als gravierendes Umweltproblem hingegen wird die voranschreitende Bodenversiegelung in Österreich genannt. Im Rahmen des Mobilitätsmasterplans 2030, mit dem die Regierung bis 2040 einen klimaneutralen Verkehrssektor erreichen will, soll auch der Zuwachs an versiegelten Flächen eingedämmt werden.

Die Entwicklung des Bildungsstandes in den letzten Jahrzehnten zeigt laut Bericht einen allgemeinen Anstieg des Bildungsniveaus der österreichischen Bevölkerung; vom Kindergarten bis hin zum Lebenslangen Lernen habe es anteilsmäßige Zuwächse gegeben. Hinsichtlich Gleichstellung von Frauen und Männern bestehe aber noch großer Handlungsbedarf in Österreich. So liege der Gender Pay Gap im EU-27 Vergleich auf hohem Niveau.

Der Bericht diene der Bestandsaufnahme, insbesondere zu den Fortschritten, die Österreich in der Umsetzung der SDGs gemacht habe, meinte Irene Neumann-Hartberger (ÖVP). Diese wichtigen Themen sollten auch Platz im Plenum haben, sprach sie sich dafür aus, den Bericht auch dort zu diskutieren. 

Christian Lausch (FPÖ) ortet trotz positiver Ziele wie etwa sauberes Wasser und Wirtschaftswachstum insgesamt eine Machtverschiebung hin zu den Vereinten Nationen, insofern könne er dem Bericht nicht zustimmen. Von einer Machtverschiebung könne keine Rede sein, meinte Astrid Rössler (Grüne). Sie sehe Fortschritte bei der Erreichung der SDGs, erkundigte sich aber auch bei Ministerin Edtstadler nach Verbesserungsbedarf, etwa bei Ökosystemleistungen und natürlichen Ressourcen. Henrike Brandstötter (NEOS) thematisierte, dass das Vertrauen in das politische System wenig gestiegen sei. Auch seien Frauen weiterhin mit struktureller Gewalt konfrontiert und der Gender Pay Gap sei weiterhin zu groß. Christian Oxonitsch (SPÖ) warf die Frage auf, in welcher Form das Parlament eingebunden sei und erkundigte sich nach der Erstellung des Berichts für 2024.

Keine Machtverschiebung werde es in Richtung Vereinte Nationen geben, entgegnete Bundesministerin Karoline Edtstadler in Richtung der FPÖ. Für den Bericht 2024 haben die Arbeiten bereits begonnen, so Edtstadler, die dazu auf eine etablierte Gesprächs- und Einbindungskultur hinwies. Bei einigen SDGs sehe man tatsächlich Entwicklungen, die noch nicht in die richtige Richtung gehen. Insgesamt stehe Österreich aber am fünften Platz, europäisch gesehen auf Platz vier. Der Bericht stelle eine Bestandsaufnahme dar, der auch jene Lücken aufzeige, wo man besser werden müsse. Die Einbindung des Parlaments erfolge über die Parlamentsdirektion, bekräftigte die Ministerin. (Schluss Verfassungsausschuss) mbu