Parlamentskorrespondenz Nr. 711 vom 21.06.2023

Karner: Exekutive braucht erweiterte Überprüfungsmöglichkeiten für Messengerdienste

Aussprache über aktuelle Themen im Innenausschuss des Nationalrats

Wien (PK) – Innenminister Gerhard Karner hat heute im Innenausschuss des Nationalrats erneut auf die Notwendigkeit verwiesen, der Polizei technische Möglichkeiten zur "Überprüfung" von Messengerdiensten in die Hand zu geben. "Wir brauchen keinen Staatstrojaner und keinen Bundestrojaner", aber wenn die Polizei in manchen Bereichen "blind" sei, müsse man sich etwas überlegen, bekräftigte er im Rahmen einer Aussprache über aktuelle Themen. Wolle man, dass die Exekutive die Bevölkerung schütze, müsse man ihr ein entsprechendes – verfassungskonformes – "Handwerkszeug" geben und darauf vertrauen, dass sie damit ordnungsgemäß umgehe. Das sei auch so im Regierungsprogramm vereinbart, hielt Karner fest.

Was die bekannt gewordenen Anschlagspläne rund um die Pride-Parade in Wien betrifft, bedankte sich Karner ausdrücklich noch einmal bei allen am Einsatz Beteiligten. Die Behörden seien nicht nur ermittlungstaktisch "am Punkt gewesen", sondern auch bei der Informationspolitik "wohlüberlegt, gut dosiert und sensibel vorgegangen", unterstrich er. Laut DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner und Sektionschef Mathias Vogl gibt es auch mehrere Projekte und Gesprächsrunden, die sich mit Hasskriminalität gegen LGBTIQ-Personen und möglichen Präventionsmaßnahmen befassen.

EU-Asylpolitik: Karner begrüßt "politischen Kompromiss"

Positiv bewertete der Innenminister auch die jüngste Einigung auf EU-Ebene im Bereich der gemeinsamen Asylpolitik. Er halte das Ergebnis zwar nicht für einen Durchbruch oder historisch, die Beschlüsse seien aber ein wichtiger und notwendiger Schritt, um das "kaputte" Asylsystem in Europa zu verbessern. Nach dem "hart errungenen" politischen Kompromiss müsse nun hart weiterverhandelt werden, um die vereinbarten Punkte "in ein Regelwerk zu gießen", betonte Karner, wobei er sich durchaus zuversichtlich zeigte, dass das gelingen wird.

Unter anderem geht es dem Innenminister zufolge darum, jene, die keine Chance auf Asyl haben, "rasch aus dem Verfahren zu bringen", und die Zusammenarbeit mit Drittstaaten zu verbessern, damit sich die Flüchtlinge gar nicht erst über den gefährlichen Weg über das Mittelmeer machen. Allein im vergangenen Jahr seien nach offiziellen Statistiken rund 2.500 Menschen im Meer ertrunken, skizzierte er. Auch könne es nicht sein, dass in einem EU-Binnenland wie Österreich in einem Jahr 112.000 Asylanträge gestellt würden.

Zur von NEOS-Abgeordneter Stephanie Krisper angesprochenen Bootstragödie in Griechenland merkte Karner an, er vertraue darauf, dass die Europäische Kommission und die griechischen Behörden die Geschehnisse überprüfen. Die Notwendigkeit, sich von österreichischer Seite explizit für eine unabhängige Untersuchungskommission einzusetzen, sieht er nicht.

Gute Zusammenarbeit mit Ungarn

Als "exzellent" bezeichnete Kartner die Zusammenarbeit zwischen der österreichischen Exekutive und den ungarischen Behörden. Ungarn sei ein Nachbarland Österreichs, da brauche es eine grenzüberschreitende polizeiliche Kooperation. Es sei aber auch wichtig, dass die EU Ungarn dahingehend auf die Finger schaue, ob die EU-Verträge eingehalten werden, unterstrich er gegenüber Grün-Abgeordnetem Georg Bürstmayr. Was die Freilassung Dutzender Schlepper durch Ungarn betrifft, sei ihm von ungarischer Seite versichert worden, dass nur seit längerem in Haft sitzende Personen vorzeitig entlassen worden seien und keine im Zuge der "Operation Fox" gefassten Personen.

Hauptzielrichtung der "Operation Fox" sei es, Schlepperei zu bekämpfen, betonte Karner. Alle dabei eingesetzten österreichischen Exekutivbeamt:innen würden in Sachen Grund- und Menschenrechte genauso geschult wie andere Polizist:innen, die in Ländern wie Ungarn oder Serbien im Grenzschutz tätig seien. Auch gebe es "eine klare Meldeschiene", wenn der Einsatz von Zwangsmitteln nötig sei. Aufgegriffene Personen würden an Ungarn übergeben. Karner zufolge konnten im letzten Jahr knapp 150 Schlepper an der ungarischen Grenze zu Serbien gestoppt werden.

Die Zahl der derzeit in der Grundversorgung befindlichen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge bezifferte Karner mit 1.729, Bund und Länder zusammengerechnet. Für die Frage der Obsorge sei das Justizministerium zuständig. Ein Großteil der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge haben sich 2022 ihm zufolge aber dem Asylverfahren entzogen. Dass die Zahl der Asylanträge in Österreich zuletzt generell zurückgegangen ist, führt Karner nicht zuletzt darauf zurück, dass Schlepper auf Maßnahmen wie Grenzkontrollen reagieren.

Personalhöchststand bei der Polizei

Gegenüber FPÖ-Abgeordnetem Werner Herbert räumte Karner ein, dass nicht alle Polizeischulen "voll sind". So gebe es etwa in Wien, Vorarlberg und Tirol zu wenig Polizeischüler:innen. Man habe gemeinsam mit der Personalvertretung aber ein umfangreiches Paket geschnürt, um die Polizei-Ausbildung attraktiver zu machen. Konkret verwies der Innenminister etwa auf eine Erhöhung der Gehälter für Polizeischüler:innen und die Möglichkeit, während der Ausbildung den Führerschein zu machen. Zudem werde während der zweijährigen Ausbildung ein Klimaticket bereitgestellt. Auch sei ein Tattoo an sichtbarer Stelle kein automatischer Ausschließungsgrund mehr. Karner verwies in diesem Zusammenhang etwa auf Personen, die sich einen Ehering oder die Geburtsdaten ihrer Kinder tätowieren lassen haben. Polizist:innen, die für den Beruf werben, erhalten laut Karner Prämien. Ungeachtet freier Kapazitäten an den Polizeischulen habe man derzeit aber einen Personalhöchststand bei der Polizei, erklärte der Innenminister, wobei er konkret etwa auf zusätzliches Personal beim Cyber-Crime-Kompetenzzentrum und beim Verfassungsschutz hinwies.

Als Ziel der angekündigten Kriminaldienstreform nannte Karner, die Expertise in den Regionen zu verbessern, insbesondere im Bereich der Bekämpfung von Cyber-Kriminalität. Es werde aber nicht bei jeder Bezirkspolizeidienststelle ein regionales Kompetenzzentrum geben. Laut einem Vertreter des Ministeriums geht es etwa darum, dass Handy-Auswertungen vor Ort vorgenommen werden können. Die speziell geschulten Kriminalbeamt:innen sollen in einem gewissen Ausmaß aber weiterhin auch Streifen- und Nachtdienste machen. Über die genaue Ausgestaltung der Reform wird noch verhandelt.

Kriminalität: "Corona-Loch" wurde 2022 wieder geschlossen

Was die Kriminalitätsentwicklung betrifft, hielt Karner fest, dass im vergangenen Jahr das "Corona-Loch" wieder geschlossen wurde. Nach einem deutlichen – coronabedingten – Rückgang 2019 und 2020 habe es 2022 wieder annähernd dieselbe Zahl an Anzeigen gegeben wie 2019. Besonders stark gestiegen sei – wie bereits in den Vorjahren – die Cyber-Kriminalität, hier war ein Plus von rund 30 % zu verzeichnen. Auch das Thema Extremismus fordere das Innenressort "extrem", erklärte Karner, und zwar sowohl was Islamismus als auch Rechtsextremismus und die Staatsverweigerer-Szene betrifft.

Auf eine Frage von SPÖ-Abgeordneter Sabine Schatz informierte Karner darüber, dass sich die Vorlage des Rechtsextremismusberichts weiter verzögert und dieser voraussichtlich erst Anfang 2024 vorliegen wird. Der Auftrag soll im Juli vergeben werden, nachdem eine erste Ausschreibung aufgrund nicht ausschreibungskonformer Angebote wiederholt habe werden müssen. Zur Harmonisierung des Abzeichen- und des Symbolegesetzes ist laut Innenminister eine Arbeitsgruppe im Justizministerium eingerichtet.

FPÖ sieht Ausweitung von Überwachungsmöglichkeiten skeptisch

Zuvor hatte Grün-Abgeordneter Georg Bürstmayr anhaltende Grundrechtsverletzungen beim Schutz von EU-Außengrenzen angesprochen. Er wolle den österreichischen Beamt:innen nicht unterstellen, selbst gegen UN-Recht zu verstoßen, sagte er, er sieht aber die Gefahr eines österreichischen Beitrags zu Rechtsverletzungen durch Ungarn. Seine Frage, ob es Informationen darüber gibt, wo die geflüchteten Menschen, die mit österreichischer Hilfe in Ungarn aufgegriffen wurden, geblieben sind, blieb allerdings offen. Asylanträge könnten diese angesichts der bekannten Zahlen wohl nicht gestellt haben, meinte Bürstmayr.

Kritisch zur Einigung auf EU-Ebene in Sachen Asyl äußerte sich NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper. Sie bezweifelt, dass es tatsächlich zu Verbesserungen kommen wird, wenn an den EU-Außengrenzen keine gemeinsame EU-Asylbehörde tätig werde, sondern "die gleichen Player wie bisher". Sie fragt sich außerdem, welchen "Mehrwert" eine Inhaftierung von Kindern und Jugendlichen bringen soll. SPÖ-Abgeordneter Maximilian Köllner machte auf rund 80.000 Aufgriffe von Flüchtlingen allein im Burgenland im vergangenen Jahr aufmerksam.

Was die Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten des Verfassungsschutzes betrifft, zeigte sich FPÖ-Abgeordneter Hannes Amesbauer skeptisch. Die FPÖ sei zwar immer gesprächsbereit, wenn es darum gehe, der Polizei Instrumentarien in die Hand zu geben, "um Situationen zu entschärfen", meinte er. Da er das gesamte Innenministerium aber "in der Hand der ÖVP" sieht, befürchtet er, dass zusätzliche Instrumente dazu genutzt werden könnten, "um kritische Bürger:innen auszuspionieren". Sein Fraktionskollege Christian Ries gab zu bedenken, dass in Österreich eine fundierte Ausbildung im Bereich der Wirtschaftskriminalität fehle. (Fortsetzung Innenausschuss) gs