Parlamentskorrespondenz Nr. 720 vom 22.06.2023

Hauptausschuss nominiert Mitglieder der Kontrollkommission Verfassungsschutz

Wien (PK) - Der Hauptausschuss nominierte in seiner heutigen Sitzung die fünf Mitglieder der unabhängigen Kontrollkommission Verfassungsschutz. Die Jurist:innen Reinhard Klaushofer, Monika Stempkowski, Theo Thanner, Christof Tschohl und Ingeborg Zerbes sollen für eine Funktionsperiode von zehn Jahren in das Gremium gewählt werden, das künftig die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) kontrolliert. Die Mitglieder müssen noch vom Nationalrat mit einer Zweidrittelmehrheit gewählt werden.

Genehmigt hat der Hauptausschuss außerdem die Entsendung von Angehörigen des Bundesheers und der Polizei zu Missionen in den Irak, nach Moldau und Deutschland.

Kommission soll Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst kontrollieren

Aufgabe der Kontrollkommission ist es, die gesetzmäßige Aufgabenerfüllung der für den Verfassungsschutz zuständigen Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst sowie der entsprechenden Organisationseinheiten der Landespolizeidirektionen durch begleitende Kontrolle sicherzustellen. Die Mitglieder der Kontrollkommission sind laut Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz unabhängig und weisungsfrei. Den Vorsitz führt je ein Mitglied für ein Jahr.

Zuletzt wurde die Zahl der Kommissionsmitglieder von drei auf fünf aufgestockt, um eine Einigung zwischen den Parlamentsfraktionen zu erleichtern. Eigentlich hätte die Kontrollkommission bereits vor mehr als einem Jahr eingerichtet werden sollen.

Sowohl die Koalition als auch die FPÖ hatten Wahlvorschläge eingebracht, die sich nur in einem Namen unterschieden. Die FPÖ wollte statt der Juristin Monika Stempkowski den Büroleiter des freiheitlichen Dritten steirischen Landtagspräsidenten, Gunther Peternell, für das Gremium nominieren. Stempkowski erhielt somit im Ausschuss die Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS. Die übrigen vier Mitglieder schlägt der Hauptausschuss einstimmig zur Wahl vor.

Reinhard Klaushofer ist Leiter des Fachbereichs Öffentliches Recht an der Paris Lodron Universität Salzburg. Monika Stempkowski ist Universitätsassistentin am Institut für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Wien und Psychologin. Der Jurist Theo Thanner leitete bis 2021 die Bundeswettbewerbsbehörde und lehrt nun am Institut für Recht der Wirtschaft der Universität Wien. Der auf IT-Recht sowie Grund- und Menschenrechte spezialisierte Nachrichtentechniker und Jurist Christof Tschohl ist wissenschaftlicher Leiter des Research Institute – Digital Human Rights Center. Ingeborg Zerbes ist stellvertretende Leiterin des Instituts für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Wien.

Von den NEOS übte Stephanie Krisper scharfe Kritik am Prozedere rund um den Wahlvorschlag. Dass die DSN seit fast eineinhalb Jahren arbeite und das Parlament erst jetzt zu einer Entscheidung über die Kontrollkommission komme, sei "demokratiepolitisch ein Desaster und peinlich für das Parlament". Krisper warf den anderen Parteien "Postenschacher" vor. Man habe versucht, die jeweils eigenen Kandidat:innen für die Kommission zu nominieren. Die lange Dauer der Verhandlungen sei auf parteipolitische Interessen zurückzuführen. Die NEOS hingegen würden für jene Personen stimmen, die sie am kompetentesten finden. Rückblickend müsse man sich für den Prozess genieren, so Krisper, die sich dennoch erfreut zeigte, dass nun immerhin ein Wahlvorschlag zustande komme.

Auch Reinhold Einwallner (SPÖ) zufolge sei es "kein Ruhmesblatt", dass der Prozess so lange gedauert habe. Gegen die Unterstellung des parteipolitischen Postenschachers verwehrte er sich jedoch vehement. Seine Partei habe von Anfang an eine Person ins Spiel gebracht, die eine klare Kompetenz mitbringe. Einwallner bezeichnete die Kontrollkommission als Kernstück der Reform des Verfassungsschutzes, die parlamentarische Kontrolle und damit einen großen Qualitätssprung ermöglichen werde.

Auch Georg Bürstmayr (Grüne) wollte den Vorwurf des Postenschachers nicht gelten lassen. Die Grünen seien gegen die Usance, dass jede Partei "ihre Person" in ein Gremium nominiert. Er sei froh, wenn die Kommission endlich ihre Arbeit aufnehmen könne und bezeichnete sie als wichtiges Instrument, das sich das Parlament geschaffen habe. Für Wolfgang Gerstl (ÖVP) sei es wichtig, dass es nun zu einer Wahl der Mitglieder komme, damit die DSN einer Kontrolle unterliege. "Es ist, wie es ist", sagte er mit Blick auf den Nominierungsprozess.

Werner Herbert (FPÖ) ortete keinen Postenschacher, sprach sich aber dafür aus, in der Kommission eine möglichst breite Darstellung der politischen Richtungen zu erreichen. Er verstand nicht, warum die Grünen sich gegen den von der FPÖ vorgeschlagenen Kandidaten wehrten.

Zustimmung zu Entsendungen in den Irak und Regelung der Befugnisse

Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS stimmte der Hauptausschuss der Entsendung von Soldat:innen zur NATO-Mission Irak (NMI) zu (234/HA). Bis zu zehn Mitglieder des Verteidigungsministeriums und bis zu 50 weitere Angehörige des Bundesheeres sollen bis Ende 2024 zu der nicht-exekutiven militärischen Ausbildungs- und Beratungsmission der NATO in den Irak entsandt werden. Die NMI unterstützt den Irak beim Aufbau eines Sicherheitssektors, der für die Bewältigung gegenwärtiger und künftiger Herausforderungen, insbesondere den Kampf gegen Terrorismus, gerüstet sein soll. Die Entsendung wird voraussichtlich rund 1,6 Mio. € kosten und aus dem Verteidigungsbudget bedeckt.

Ebenfalls mit breiter Mehrheit grünes Licht gab der Hauptausschuss für eine Verordnung über die Befugnisse und Mittel der zur NATO Mission Irak (NMI) entsandten Soldat:innen (233/HA). Weil die österreichischen Expert:innen im Rahmen der Mission Befugnisse ausüben dürfen, die über die bloße Selbstverteidigung hinausgehen, müssen diese mit der vorliegenden Verordnung festgelegt werden. Konkret werden die entsandten Personen etwa zur Verarbeitung personenbezogener Daten, zur Verkehrslenkung und –steuerung, zu Personenkontrollen, zu vorläufigen Festnahmen, zur Sicherstellung von Fahrzeugen, Waffen, Munition und Sprengstoffen, zur Beendigung von Angriffen und zu Maßnahmen zum Schutz der Mission befugt.

Verteidigungsministerin Tanner betonte, dass die Sicherheitslage im Irak unmittelbare Auswirkungen auf Europa und auf Österreich habe. Es sei daher wichtig, sich im Kampf gegen Terrorismus und für Sicherheit und Stabilität in der Region einzusetzen, auch um Fluchtursachen zu bekämpfen. Experten aus dem Verteidigungsressort führten aus, dass sich die Gesamtlage im Irak in den vergangenen Jahren einigermaßen stabilisiert habe. Es habe eine Regierungsbildung gegeben, auch die österreichische Botschaft sei wieder geöffnet. Für die NATO-Mission, bei der sich Österreich beratend beteiligen werde, gebe es außerdem umfassende Sicherheitsmaßnahmen.

Christian Hafenecker (FPÖ) begründete seine Ablehnung der Entsendung damit, dass man "keine Experimente auf anderen Kontinenten" eingehen solle, sondern sich stattdessen auf Missionen im Westbalkan konzentrieren sollte. Auch Robert Laimer (SPÖ) zeigte sich besorgt über die österreichische Vertretung in Missionen im Kosovo sowie in Bosnien und Herzegowina, wo Österreich "höchste außenpolitische Verantwortung" habe. Mit Blick auf die Entsendung zur NATO-Mission in den Irak erkundigte er sich nach der Vereinbarkeit mit der österreichischen Neutralität. Es gebe keine neutralitätsrechtliche Problematik, erläuterte ein Experte.

Auch David Stögmüller (Grüne) und Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) unterstrichen, dass der Fokus der österreichischen Einsätze in der Balkanregion liegen müsse. Sie erkundigten sich vor diesem Hintergrund nach weiteren Einsätzen und dem Personalstand. Die Personalfrage im Bundesheer sei eine unglaublich drängende, betonte auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. Es gelte daher, sich in den Budgetverhandlungen für eine attraktivere Bezahlung einzusetzen, um mehr Personen insbesondere für Auslandseinsätze zu gewinnen.

Entsendungen nach Deutschland und Moldau

Einstimmig zur Kenntnis genommen hat der Hauptausschuss die Entsendung von Grundwehrdienern ins Ausland zu einer Übungsmaßnahme im Bereich der militärischen Landesverteidigung. An der Übung von Transportaufgaben im alpinen Umfeld in Deutschland diesen Herbst sollen insgesamt bis zu 45 Personen aus dem Verteidigungsressort teilnehmen. Über die 35 Grundwehrdiener unter ihnen muss die Verteidigungsministerin dem Hauptausschuss berichten (231/HA). Für Klaudia Tanner ist die Übung von großer Bedeutung mit Blick auf die Erweiterung der Fähigkeiten und auf die internationale Vernetzung.

Die Entsendung von Mitarbeiter:innen von Polizei und Bundesheer zur EU-Partnerschaftsmission nach Moldau (EUPM Moldova) genehmigte der Hauptausschuss mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS. Konkret sollen bis zu fünf Polizist:innen und drei Angehörige des Bundesheeres sowie vier weitere Mitglieder des Innenministeriums und bis zu 50 weitere Angehörige des Bundesheeres bis Ende 2024 entsandt werden (232/HA). Für Österreich werden für die Entsendungen insgesamt rund 540.000 € an Kosten anfallen.

Die zivile Partnerschaftsmission der EU wurde im April 2023 für zwei Jahre eingerichtet und soll unter anderem das Krisenmanagementsystem Moldaus stärken und bei der Bewältigung hybrider Bedrohungen in den Bereichen Cybersicherheit und Abwehr ausländischer Informationsmanipulation unterstützen. Die Expert:innen der Mission sind unbewaffnet. Die Beteiligung an der Mission sei ein klares Zeichen für ein kontinuierliches Engagement in der Region, betonte die Verteidigungsministerin.

Unterstützung äußerten Harald Troch (SPÖ) und David Stögmüller (Grüne). Beide hoben hervor, dass Moldau nicht nur außenpolitisch durch Russland unter Druck stehe, sondern auch mit der Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine eine große Leistung vollbringe.

Christian Hafenecker (FPÖ) führte aus, dass seine Fraktion ein Problem mit der Entsendung habe, weil es unter anderem um Unterstützungsleistungen in der Cybersecurity gehe – einem Bereich, in dem es in Österreich bereits an Expert:innen fehle. Auch Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS), der zwar Zustimmung signalisierte, interessierte sich näher für die konkreten Aufgaben der entsandten Personen.

Die Verteidigungsministerin und ein Experte aus ihrem Ressort stimmten zu, dass es beim Fachpersonal im Cyberbereich großen Aufholbedarf gebe. Österreich werde sich daher voraussichtlich mit seiner Expertise in der politischen Beratung in der Mission einbringen. (Schluss) kar