Parlamentskorrespondenz Nr. 914 vom 13.09.2023

Sozialausschuss: Schrittweises Auslaufen der Förderung für die geblockte Altersteilzeit bis 2029 von ÖVP, Grünen und NEOS beschlossen

Bildungsbonus für arbeitslose Personen in Schulungsmaßnahmen wird deutlich ausgeweitet

Wien (PK) – Seit dem Jahr 2000 gibt es in Österreich die aus öffentlichen Mitteln geförderte Altersteilzeit, die in zwei Varianten – kontinuierlich oder geblockt – in Anspruch genommen werden kann. Da die geblockte Variante in ihrem Wesen einer vorzeitigen Alterspension entspreche, soll sie nicht weiter aus Mitteln der Versichertengemeinschaft finanziert und deren Förderung ab 1. Jänner 2024 schrittweise bis 2029 eingestellt werden, heißt es in der Begründung eines dazu vorliegenden Initiativantrags der Regierungsfraktionen. Die darin vorgeschlagene Novellierung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes  wurde in der Fassung eines Abänderungsantrags mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS heute im Sozialausschuss beschlossen. Damit einher geht auch die Neuregelung und Ausweitung des Bildungsbonus ab 2024, der im Fall von Schulungs- und Wiedereingliederungsmaßnahmen zusätzlich zum Arbeitslosengeld ausbezahlt wird.

Während die NEOS die Änderungen bei der Altersteilzeit ausdrücklich unterstützten, lehnten die Vertreter:innen von SPÖ und FPÖ das Vorhaben ab. Damit werde die "arbeitnehmerfeindliche Politik der Regierung" weiter fortgesetzt, kritisierte etwa Rainer Wimmer (SPÖ). Die dazu vorliegenden Anträge der Opposition fanden allesamt keine Mehrheit.

Blockvariante der Altersteilzeit soll nicht mehr mit öffentlichen Mitteln gefördert werden

Die Altersteilzeit wurde ursprünglich eingeführt, um einen gleitenden Übergang in die Pension zu ermöglichen. Sie kann fünf Jahre vor dem Regelpensionsalter angetreten und über einen Zeitraum von fünf Jahren in Anspruch genommen werden. Die Arbeitnehmer:innen, die ihre Arbeitszeit zwischen 40 % und 60 % reduzieren können, bekommen 50 % des Entgeltverlustes abgegolten. Im Gegenzug erhalten die Arbeitgeber:innen vom AMS das Altersteilzeitgeld.  Begründet wird das Auslaufen der Förderung für die geblockte Altersteilzeit von ÖVP und Grünen nun damit, dass diese keine wesentlichen arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen erfülle, sondern vielmehr den Charakter einer vorzeitigen Alterspension habe (3159/A ).

Der von ÖVP und Grünen im Ausschuss eingebrachte Abänderungsantrag sieht für die Blockzeitvariante den stufenweisen Entfall der Abgeltung der Aufwendungen vor, um die Anreize für dieses Modell zu verringern. Von 2024 bis 2027 soll der abzugeltende Anteil von derzeit 50 % auf 20 % sinken (pro Jahr um 7,5 Prozentpunkte) und danach pro Jahr um 10 Prozentpunkte. Für Altersteilzeitvereinbarungen ab 2029 gebührt somit kein Altersteilzeitgeld mehr. Ermöglicht werden soll auch eine flexiblere Gestaltung des Arbeitszeitausmaßes über den Zeitraum der Altersteilzeit hinweg. Die Arbeitszeit muss mindestens 20 % und darf höchstens 80 % der vorherigen Normalarbeitszeit betragen. Mit dieser Änderung sollen Schwankungen innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von sechs Monaten erlaubt werden, sofern diese insgesamt über die Gesamtlaufzeit hinweg ausgeglichen werden.

Bildungsbonus wird durch neugestalteten Schulungszuschlag ersetzt

Der zweite Punkt der Novelle betrifft den sogenannten Bildungsbonus, der Arbeitslosen zusätzlich zum Arbeitslosengeld und zum allgemeinen Schulungszuschlag von derzeit 2,27 € pro Tag gebührt, wenn sie eine mehr als viermonatige Umschulung oder Weiterbildung absolvieren. Er soll neu gestaltet und ins Dauerrecht übergeführt werden. Konkret sieht der Gesetzentwurf ab 2024 einen dreistufigen Schulungszuschlag vor, der den derzeitigen Zuschlag und den Bildungsbonus ersetzt und in Stufe 1 weiterhin bei 2,27 € (zuzüglich Valorisierung) liegen wird. Dauert eine Umschulungs- oder Weiterbildungsmaßnahme mindestens vier Monate, soll sich dieser Grundbetrag verdreifachen, bei mindestens zwölf Monaten ist eine Verfünffachung in Aussicht gestellt. Allerdings darf die Gesamtleistung – Arbeitslosengeld, Ergänzungsbetrag, Familienzuschläge, Schulungszuschlag – in Stufe drei den Betrag von täglich 46,67 € (1.400 € im Monat) nicht überschreiten. Andernfalls wird der Schulungszuschlag gekürzt, wobei mindestens der dreifache Grundbetrag zustehen soll. Sowohl der Grundbetrag als auch der Grenzbetrag sollen jährlich an die Inflation angepasst werden.

Laut Abänderungsantrag sollen Zuschussleistungen Dritter während der Teilnahme an AMS-Maßnahmen ausdrücklich ermöglicht werden. Um Umgehungskonstruktionen auszuschließen und Scheindienstverhältnisse zu Ausbildungseinrichtungen zu verhindern, wird festgelegt, dass die ASVG-Geringfügigkeitsgrenze (aktuell ca. 500 €) nicht überschritten werden darf.

Kocher: Kontinuierliche Form der Altersteilzeit wird weiter ausgebaut

Alle Expert:innen seien sich darin einig, dass eine weitere Finanzierung der geblockten Form der Altersteilzeit durch die öffentliche Hand nicht mehr gerechtfertigt sei, gab Bundesminister Martin Kocher zu bedenken. Man müsse die Mittel der Arbeitslosenversicherung dort einsetzen, wo man den stärksten Hebel habe. Durch die Erhöhung des Bildungsbonus erwarte er sich, dass mehr arbeitssuchende Menschen an Schulungsmaßnahmen teilnehmen können, was angesichts des Fachkräftemangels von besonderer Bedeutung sei.

De facto handle es sich um eine Abschaffung der geblockten Altersteilzeit, beklagte Rainer Wimmer (SPÖ), der generell auf zahlreiche Verschlechterungen für die Arbeitnehmer:innen in den vergangenen Jahren hinwies. Seine Fraktionskollegin Gabriele Heinisch-Hosek stellte mit Bedauern fest, dass von der Maßnahme vor allem die Frauen betroffen seien, die ohnehin schon mit der Anhebung des Frauenpensionsalters konfrontiert seien. Im Jahr 2022 hätten im Referenzzeitraum Jänner bis September durchschnittlich 36.204 Personen pro Monat Altersteilzeitgeld bezogen, und zwar mehr als doppelt so viele Frauen wie Männer. Davon nahmen 8.458 die geblockte Variante in Anspruch, ist dem dazu vorliegenden SPÖ-Entschließungsantrag zu entnehmen (3093/A(E) ).

Auch im Entschließungsantrag der FPÖ wird davor gewarnt,  "Experimente" auf dem Rücken von Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen zu machen. Gesundheitlich beeinträchtigten Arbeitnehmer:innen würde somit nur mehr der Weg in die Invaliditätspension bzw. der Gang in die Arbeitslosigkeit bleiben (3110/A(E) ).

Markus Koza (Grüne) führte gegenüber SPÖ-Abgeordneten Rainer Wimmer ins Treffen, dass die Verschlechterungen für die Arbeitnehmer:innen von der Vorgängerregierung in die Wege geleitet wurden. Seine Partei habe sich im Gegensatz dazu immer für sozialpolitische Verbesserungen eingesetzt, die jetzt unter anderem in der Ausweitung der kontinuierlichen Altersteilzeit zur Ausdruck kommen würden. Diese werde nämlich weiter ausgebaut, gestärkt und flexibler gestaltet. Er hoffe, dass sie dadurch noch stärker genutzt werde. Ganz wichtig war ihm die Neugestaltung des Bildungsbonus, der in das Dauerrecht übernommen wird. Dieser werde zehntausenden arbeitssuchenden Menschen zugutekommen, die sich in Schulungsmaßnahmen befinden.

Begrüßt wurde die Abschaffung der geblockten Altersteilzeit von den NEOS, die sich jedoch eine raschere Umsetzung ohne Übergangszeiten gewünscht hätten. Ziel der Altersteilzeit sei es schließlich, ältere Beschäftigte durch eine Arbeitszeitreduktion länger im Erwerbsleben zu halten, erklärte Gerald Loacker (NEOS). Dieses Ziel werde aber nur durch eine kontinuierliche Altersteilzeit erreicht. Er betrachtete seinen eigenen Entschließungsantrag damit als miterledigt (3126/A(E)).

SPÖ und FPÖ fordern verstärkte Maßnahmen gegen die Teuerung

Angesichts der aktuellen Teuerung habe sich die ohnehin bereits prekäre Situation für arbeitslose Menschen erneut verschärft, legen die Sozialdemokrat:innen in einem Entschließungsantrag (2846/A(E) ) dar. Um der Armutsgefahr dieser Menschen und ihrer Familien entgegenzuwirken, brauche es ein Bündel an Maßnahmen, ist Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ) überzeugt. Das von seiner Partei geforderte Paket umfasst unter anderem die Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 % des letzten Einkommens, eine jährliche Valorisierung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe sowie eine Verdreifachung des Familienzuschlags, der seit Einführung des Euro nicht mehr erhöht worden sei. Aufgrund der hohen Inflation habe etwa auch das Arbeitslosengeld bereits um 15 % an Kaufkraft verloren.

Bereits im Juni 2022 hat die FPÖ unter dem Titel "Kostenlawine stoppen – Entlastung für Österreich" ein umfassendes Forderungspaket zur Bekämpfung der Teuerung vorgelegt. Von einer Halbierung bzw. Streichung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und Treibstoffe über eine automatische Valorisierung des Arbeitslosengeldes bis hin zu einer deutlichen Senkung der Lohnnebenkosten und einer Abschaffung der CO2-Steuer reichten die verlangten Maßnahmen. Diese Forderungen finden sich auch in einem weiteren Antrag, in der der Regierung vorgeworfen wird, den Wohlstand und die soziale Sicherheit der Österreicher:innen zu zerstören und immer Menschen in die Armut zu treiben (3550/A(E) ). Christian Ragger will dabei vor allem bei den Lebensmittelkonzernen ansetzen, die aufgrund der hohen Gewinnmitnahmen für einen Großteil der Inflation in Österreich verantwortlich seien. In dieser Frage sei vor allem Wirtschaftsminister Kocher gefordert, war er überzeugt.

Beide Anträge wurden mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt. (Fortsetzung Sozialausschuss) sue