Parlamentskorrespondenz Nr. 915 vom 13.09.2023

Sozialausschuss will Abwicklung des Kinderzuschusses praxistauglich machen

Anträge der Opposition zu Kammern, Pensionssystem und Recht auf Bargeldzahlung vertagt

Wien (PK) – Der Sozialausschuss nahm heute eine Präzisierung zur Abwicklung des Kinderzuschusses für einkommensschwache Haushalte vor. Ein Initiativantrag der Koalitionsfraktionen mit dem Ziel einer besseren Anwendbarkeit der Regelungen in der Praxis wurde mehrheitlich, mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und Grünen, beschlossen. Dabei geht es vor allem um Bestimmungen, die dazu dienen sollen, eine Doppelförderung zu vermeiden.

Vertagt wurden eine Reihe von Anträgen der SPÖ, der FPÖ und der NEOS zum Thema Pensionen. Die SPÖ will durch eine "Schutzklausel" sicherstellen, dass auch für das Guthaben am Pensionskonto in den letzten beiden Jahren vor einem Pensionsantritt ein entsprechender Schutz vor Inflationsverlusten gilt. Auch die Freiheitlichen wollen Wertverluste bei Pensionen durch Inflation und Aliquotierung vermeiden. Die SPÖ fordert zudem eine Deckelung der zu erwartenden substantiellen Inflationsanpassung des Jahres 2024 im Falle von "Luxuspensionen". Aus Sicht der NEOS sollte sich ein Pensionsgipfel der Frage der steigenden Pensionszuschüsse des Bundes annehmen.

Die FPÖ sieht ungerechtfertigte Privilegien der Arbeiterkammer und der Wirtschaftskammer und will die Kammern zu einem Solidarbeitrag verpflichten. Außerdem bekräftigt sie ihre Forderung nach einer Absicherung des uneingeschränkten Rechts auf Bargeldzahlung. Auch diese Anträge wurden vertagt.

Nachbesserungen beim Kinderzuschuss für einkommensschwache Haushalte

Angesichts der aktuellen Teuerung hat das Parlament vor dem Sommer einen besonderen Kinderzuschuss für armutsgefährdete Haushalte beschlossen. Unter anderem erhalten Bezieher:innen von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld sowie Alleinerzieher:innen und Alleinverdiener:innen mit niedrigem Einkommen bis Ende 2024 für jedes Kind eine monatliche Sonderzahlung von 60 €. Um Doppelförderungen zu vermeiden, sieht das Gesetz spezielle Regelungen vor, die nun einem Gesetzesantrag der Koalitionsparteien zufolge adaptiert werden sollen (3547/A). Bei der Vorbereitung der Umsetzung auf Länderebene habe sich gezeigt, dass das bisherige Modell nicht praktikabel sei, begründete Markus Koza (Grüne) den Antrag. Vor allem gehe es um Personen, die neben Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe auch Sozialhilfeleistungen beziehen. Auch beim Kriterium Hauptwohnsitz solle nachgebessert werden und der tatsächliche Aufenthaltsort gelten.

SPÖ-Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek sagte, aus Sicht der Sozialdemokrat:innen sollte ein Rechtsanspruch geschaffen werden und nicht noch eine weitere Förderung. Michael Bernhard (NEOS) meinte, er verstehe die Intention der Koalitionsparteien, Familien zu unterstützten, die Umsetzung sei jedoch im Detail fragwürdig.

FPÖ fordert das Aus für "Privilegien" der Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer

Die FPÖ übt in einem Entschließungsantrag scharfe Kritik an der Arbeiterkammer (AK) und der Wirtschaftskammer (WKO) und fordert ein "Ende von Privilegien, Parteipolitik, Spitzengagen und Zwangsmitgliedschaft" (3549/A(E)). Konkret geht es laut FPÖ-Abgeordneter Dagmar Belakowitsch darum, die Arbeiterkammerumlage und die Wirtschaftskammerbeiträge zu evaluieren und zu senken, die Gehälter und Funktionsgebühren für die AK- und WKO-Spitze durch eine Angleichung an das Gehaltsschema des öffentlichen Dienstes zu reduzieren und eine "Opting-out"-Möglichkeit von der Pflichtmitgliedschaft zu erlauben. Nur so würden sich die Kammern zu tatsächlichen Service- und Vertretungseinrichtung weiterentwickeln, argumentierte sie. Zudem sollte ein "Solidarbeitrag" aus den Rücklagen der Arbeiterkammer und der Wirtschaftskammer an ihre Mitglieder zur Abfederung der Teuerung erfolgen.

Für ÖVP-Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer enthält der Antrag der FPÖ eine Reihe von ungerechtfertigten Unterstellungen und falsche Annahmen, etwa was die Rücklagen betreffe. Diese könnten nicht einfach ausbezahlt werden, wie der Antrag es darstelle, da sie bereits zweckgebunden für Leistungen seien, die den Mitgliedern der Kammer zugutekommen. Markus Koza (Grüne) sprach von einem "neoliberalen Antrag der FPÖ", der sich im Grunde gegen das bewährte System der Kollektivverträge richte, das starke Kammern als Vertragspartner voraussetze. SPÖ-Abgeordneter Mario Lindner sah in dem Antrag einen versteckten Angriff auf die Möglichkeit für Arbeitnehmer:innen, ihre Rechte über die Arbeiterkammer durchzusetzen.

Gerald Loacker (NEOS) übte hingegen scharfe Kritik an den beiden Kammern, deren Führung ein "gesetzlich geordneter Missstand" sei. Das Fehlen einer effektiven Kontrollmöglichkeit führe dazu, dass die "Zwangsbeiträge" der Mitglieder in großem Umfang "vernichtet" würden. In dieselbe Kerbe schlug sein Fraktionskollege Michael Bernhard. Die Verwendung der Geldmittel der Kammern sei völlig intransparent. Eine freiwillige Mitgliedschaft könnte hier als Korrektiv wirken, meinte Bernhard.

Opposition sieht Handlungsbedarf bei Pensionen

Im Sozialausschuss standen mehrere Anträge zum Pensionssystem auf der Tagesordnung, die von den Abgeordneten der Koalition nach kurzer Debatte vertagt wurden.

Die SPÖ will eine "Schutzklausel" im Allgemeinen Pensionsgesetz verankern (3543/A). Sie soll sicherstellen, dass auch das Guthaben am Pensionskonto in den letzten beiden Jahren vor Pensionsantritt um den für Pensionserhöhungen maßgeblichen Anpassungsfaktor aufgewertet wird, wenn dieser höher ist als der eigentlich vorgesehene Aufwertungsfaktor, heißt es im Antrag. Angesichts der hohen Inflation gelte es, die Kaufkraft der erworbenen Pensionskonto-Gutschriften zu erhalten und Anpassungen nicht erst zeitverzögert vorzunehmen, argumentierte SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch. Derzeit komme es bei der Inflationsanpassung zu einer Verzögerung von zwei Jahren, was insbesondere jene Versicherten benachteilige, die in den kommenden beiden Jahren ihre Pension antreten, kritisiert er.

Auch die Freiheitlichen thematisieren die zeitverzögerte Aufwertung der Pensionskontogutschriften und die Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung. Um einen Wertverlust durch Inflation und Aliquotierung zu verhindern, fordern sie eine tatsächliche und vollständige Inflationsanpassung auf dem Pensionskonto, die Abschaffung der Aliquotierung bei Pensionsanpassungen nach Pensionsantritt und einen Ausgleich für die bisher durch die Aliquotierung betroffenen Bezieher:innen (3112/A(E)).  Die FPÖ-Sozialsprecherin meinte, angesichts der aktuell hohen Pension müsse jetzt für eine entsprechende Anpassung gesorgt werden.

Beschließt das Parlament nichts Gegenteiliges, werden die Pensionen im Jahr 2024 automatisch mit dem gesetzlichen Anpassungsfaktor von 9,7 % erhöht. Die SPÖ fordert in einem Entschließungsantrag (3541/A(E)) allerdings eine Deckelung für "Luxuspensionen". Maximal solle das Pensionsplus im kommenden Jahr demnach 9,7 % der ASVG-Höchstbeitragsgrundlage betragen. Wer ein Gesamtpensionseinkommen von mehr als 5.850 € (auch aus mehreren Pensionen zusammengerechnet) bezieht, soll lediglich einen Fixbetrag von 585 € erhalten, führte SPÖ-Abgeordneter Muchitsch aus.

NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker fordert die Einberufung eines Pensionsgipfels mit Pensionsexpert:innen und Vertreter:innen aller Parlamentsparteien (3037/A(E)). Dabei sollen Maßnahmen zur Abmilderung der stark steigenden staatlichen Pensionszuschüsse ausgearbeitet werden. Österreich stehe vor einer "pensionenbedingten" Budgetkrise, warnte Loacker. Obwohl die Lage ernst sei, bleibe die Regierung untätig.

Ernst Gödl (ÖVP) und Markus Koza (Grüne) verwiesen darauf, dass der Ministerrat bereits eine Einigung über die Pensionserhöhung für 2024 erzielt habe. Er erwarte einen angemessenen Ausgleich für Inflationsverluste, betonte Gödl. Zur Forderung nach einem Pensionsgipfel verwies Koza auf die Expertise der Altersicherungskommission, die aus seiner Sicht zweifellos in der Lage sei, Antworten auf die Herausforderungen zu finden, vor denen das Pensionssystem stehe. FPÖ-Sozialsprecherin Belakowitsch war der Forderung nach einem Pensionsgipfel, der bestehende Probleme anspreche, nicht abgeneigt. Indiskutabel seien für sie aber Forderungen, die zu Verschlechterungen führen würden. Für NEOS-Abgeordneten Loacker ist die Forderung nach einer "Schutzklausel" für Personen, die bald in Pension gehen werden, nicht gerechtfertigt. Profitieren würden alle, die bereits viele Beitragsjahre hätten, und die bereits von mehreren Aufwertungen des Pensionskontos profitiert hätten. Jüngere Arbeitnehmer:innen würden hingegen schlechter gestellt.

FPÖ pocht auf uneingeschränkte Bargeldzahlungen

Die FPÖ beharrt auf der Forderung nach dem Recht auf uneingeschränkte Bargeldzahlungen, die nicht zuletzt im Sinne der Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen wichtig seien. Nachdem die Forderungen bereits einmal abgelehnt wurden, hat die FPÖ gleichlautende Anträge dazu im Sozialausschuss (3501/A(E)) sowie im Gesundheitsausschuss und im Konsumentenschutzausschuss eingebracht. Die FPÖ fordert unter anderem, die Cent- und Euro-Münzen in ihrem aktuellen Bestand zu erhalten und Geschäfte bzw. Dienstleister zur Annahme von Bargeld zu verpflichten und einen uneingeschränkten Bargeldzahlungsverkehr verfassungsrechtlich zu verankern. Auch dieser Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt. (Schluss Sozialausschuss) sox


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