Parlamentskorrespondenz Nr. 1042 vom 11.10.2023

Sozialausschuss: Debatte über Lohn- und Sozialdumping und Arbeitsschutz

Berichte der Finanzpolizei und der Arbeitsinspektion mit breiter Mehrheit angenommen

Wien (PK) – Lohn- und Sozialdumping sowie Arbeitsschutz standen heute im Sozialausschuss im Mittelpunkt der Debatte über die – schließlich mit den Stimmen aller Fraktionen außer der SPÖ angenommenen - Tätigkeitsberichte der Finanzpolizei für das Jahr 2022 und der Arbeitsinspektion für die Jahre 2021 und 2022. So habe die Finanzpolizei im Jahr 2022 insgesamt über 4,5 Mio. € an Geldstrafen in ihrem Auftrag, Lohn- und Sozialdumping zu bekämpfen, beantragt. Auf 48,7 % wiederum haben sich laut Arbeitsinspektion Übertretungen der gesetzlichen Vorschriften zum Arbeitsschutz vergangenes Jahr erhöht.

Seitens der SPÖ wurde zu den Lohn- und Sozialdumpingkontrollen etwa eine aus ihrer Sicht fehlende Umsetzung einer EU-Richtlinie kritisiert. Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher betonte, dass alle EU-Vorgaben umgesetzt worden seien und dass es eine ganz klare Linie gegen Lohn- und Sozialdumping gebe.

Finanzpolizei: 362 Anzeigen wegen Unterentlohnung im Vorjahr

2022 stellte die Finanzpolizei 362 Fälle von unter dem heimischen Kollektivvertrag entlohnten Arbeitnehmer:innen bei in Österreich tätigen Betrieben fest. Das geht aus ihrem vorjährigen Tätigkeitsbericht (III-973 d.B.) hervor. Im Jahr 2022 konnte die Finanzpolizei allerdings nicht alle geplanten Unternehmensüberprüfungen durchführen, wird im Bericht erwähnt. Als Gründe dafür werden eine große Zahl neuer Mitarbeiter:innen und das EU-Mobilitätspaket genannt. Letzteres habe aufgrund rechtlicher und organisatorischer Änderungen Sanktionierungen beziehungsweise zielführende Kontrollen im Transportbereich faktisch das gesamte vergangene Jahr verunmöglicht. Für 2023 stellt ein wesentliches Element der Risikoanalyse zur Kontrolltätigkeit laut Bericht das Lohnniveau in Österreichs Nachbarstaaten dar.

Anlass-, branchen- und saisonbezogene Schwerpunktkontrollen nahm die Finanzpolizei 2022 etwa bei einreisenden Betriebsfahrzeugen an den Grenzen zu den Nachbarstaaten Ost- und Südösterreichs sowie in der Baubranche und bei Unternehmen aus Staaten mit niedrigerem Lohnniveau vor. Überprüfungen gab es außerdem bei Unternehmen mit COVID-19-Förderungen.

Sowohl Alois Stöger als auch Ausschussvorsitzender Josef Muchitsch (beide SPÖ) bemängelten, dass aufgrund einer Säumigkeit bei Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie im gesamten Bereich Straßenverkehr bzw. Transwortwesen keine Kontrollen durchgeführt hätten werden können. Es gelte, der Finanzpolizei schneller die Instrumente in die Hand zu geben, um effizient und zielorientiert prüfen zu können und dafür zu sorgen, dass genügend Personal zur Verfügung stehe. Markus Koza (Grüne) wies darauf hin, dass der Strafrahmen im Jahr 2022 höher ausfalle als in der Vergangenheit. Die rechtskräftigen Strafen für 2022 würden bereits 2,4 Mio. € betragen, insofern scheinen aus seiner Sicht die Kontrollen jedenfalls nicht weniger wirksam zu sein. Dagmar Belakowitsch (FPÖ) ortet zudem "schweren Betrug" in Form von Scheinfirmen, bei denen dieselben Adressen immer wieder auftauchen würden. Es gelte, hier Maßnahmen zu setzen, dass sich Scheinfirmen nicht mehr lohnen.

Arbeitsminister Martin Kocher zufolge seien hier alle EU-Vorgaben umgesetzt worden. Er schätzt die Strafen mittlerweile als abschreckender und rechtlich sicherer ein als zuvor, wobei es gelte, den Bericht 2023 für eine solide Aussage dazu abzuwarten. Der Kampf gegen Scheinfirmen sei in einem anderen Gesetz geregelt als jener gegen Lohn- und Sozialdumping, man könne aber auch hier über verschärfte Regelungen diskutieren. Das AMS tue jedenfalls alles, Rückforderungen und Anzeigen umzusetzen, wenn Scheinfirmen Leistungen bezogen haben.

Übertretungen beim Arbeitsschutz steigen auf 48,7 %

Auf 48,7 % haben sich laut Arbeitsinspektion Übertretungen der gesetzlichen Vorschriften zum Arbeitsschutz vergangenes Jahr erhöht. 2021 orteten die Arbeitsinspektor:innen bei 42,5 % der Kontrollen arbeitsschutzrechtliche Verstöße. Im Berichtszeitraum 2019/20 offenbarten lediglich 37,3 % der Kontrollen entsprechende Missstände. Die meisten Übertretungen 2021/22 betrafen den technischen und hygienischen Bereich, also beispielweise Brandschutz und Arbeitsmittel. 2022 wurden in 1.003 Fällen Strafanzeigen erstattet (2021: 883). Bei ihren Kontrollen nahmen die Arbeitsinpektor:innen 2022 34.463 Arbeitsstätten (2021: 25.948), 8.890 Unternehmen auf Baustellen (2021: 10.633) und 2.510 auswärtige Arbeitsstellen (2021: 1.487) bei insgesamt 49.253 Kontrollen (2021: 41.592) unter die Lupe.

Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher betont vor diesem Hintergrund die hohe Bedeutung gesundheitlicher Schutzmaßnahmen in der Arbeitswelt, um Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle zu vermeiden. In seinem Vorwort zum Bericht (III-1023 d.B.) geht der Minister auch auf die 2022 erfolgte Novellierung des Arbeitnehmer:innschutzgesetzes ein. Um dem Personalmangel in der Arbeitsmedizin beizukommen, kann nunmehr ein arbeitsmedizinischer Fachdienst unter betriebsärztlicher Leitung eingesetzt werden.

Aus Sicht von Johann Weber (ÖVP) sei 2022 wieder ein verhältnismäßig "normales" Jahr für die Arbeitsinspektion nach der Pandemie gewesen. Die Kontrollen seien sehr wichtig, müssten aber immer mit Augenmaß durchgeführt werden, damit es nicht zu "Schikanen" für die Betriebe komme. Gerald Loacker (NEOS) ortet demgegenüber einen Anstieg bei den Übertretungen, zugleich sei aber die Zahl der Kontrollen gesunken. Auch Petra Wimmer (SPÖ) sieht mit dem Bericht große Probleme aufgeworfen, wonach es offenbar an Qualität mangle, was die Kontrollen betrifft. Der Grund ist aus ihrer Sicht, dass es zu wenig Personal dafür gebe, also etwa 50 Planstellen fehlen würden. Zudem seien sowohl bei der Zahl der Arbeitsunfälle als auch bei der Zahl der Berufserkrankungen massive Anstiege zu verzeichnen.

Zwischen 2021 und 2024 gebe es einen Zuwachs an Planstellen bei der Arbeitsinspektion, erörterte Arbeitsminister Kocher. Er berichtete zugleich von vielen Pensionierungen und Schwierigkeiten bei der Nachbesetzung, wofür nun ein Schwerpunkt gesetzt worden sei. Die Zahl der Arbeitsunfälle sei zwar gestiegen, aber im Verhältnis zur Steigerung der Anzahl an Beschäftigten gesunken, so der Minister. Nachdem Corona als Berufserkrankung anerkannt wurde, sei die gestiegene Zahl in diesem Bereich auf einen Effekt der Pandemie zurückzuführen. Kocher schätzt die Arbeitsinspektion insgesamt als "gut aufgestellt" ein. Im Bericht 2023 werde sich zeigen, dass selbiges dann wieder ein "normales" Jahr nach der Pandemie gewesen sein wird. (Fortsetzung Sozialausschuss) mbu


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