Parlamentskorrespondenz Nr. 1373 vom 07.12.2023

Sozialausschuss billigt höheren Pensionsbonus für längeres Arbeiten

Bund übernimmt außerdem Teil der Pensionsbeiträge bei Zusatzverdienst neben Pensionsbezug

Wien (PK) – Wer über das Regelpensionsalter hinaus weiterarbeitet, wird künftig einen höheren Pensionszuschlag bekommen. Konkret wird der jährliche Bonus von 4,2 % auf 5,1 % erhöht. Ein entsprechender Gesetzesantrag der Koalitionsparteien hat heute unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrags mit ÖVP-Grünen-Mehrheit den Sozialausschuss des Nationalrats passiert. Bezogen werden kann der Pensionsbonus für maximal drei Jahre. Außerdem wird der Bund – vorerst für zwei Jahre befristet – einen Teil der Pensionsbeiträge von Beschäftigten übernehmen, die neben der Pension erwerbstätig sind. Ziel des Vorhabens ist es, dem bestehenden Fachkräftemangel zu begegnen und einen Anreiz für längeres Arbeiten zu schaffen.

Geschlossen abgelehnt wurde der Gesetzentwurf von der Opposition, wobei SPÖ und NEOS insbesondere die Beitragsübernahme von Pensionsbeiträgen durch den Bund hinterfragten. Das sei systemwidrig, argumentierten sie. Außerdem werden ihrer Meinung nach davon vor allem Berufsgruppen profitieren, die keine schwere körperliche Arbeit leisten müssen. Als Beispiel nannte SPÖ-Abgeordneter Alois Stöger etwa Rechtsanwält:innen, Apotheker:innen oder Ärzt:innen, in deren Richtung nun Geld umverteilt werde. Die FPÖ hält die vorgeschlagenen Maßnahmen demgegenüber für völlig unzureichend: Sie fordert eine deutlich höhere Entlastung für Personen, die nach dem Pensionsantritt weiterarbeiten.

Anträge der Oppositionsparteien zum Pensionsbereich wurden abgelehnt bzw. vertagt, wobei es unter anderem um die Senkung von Lohnnebenkosten bei der Beschäftigung von Pensionist:innen, Einschränkungen beim vorzeitigen Pensionsantritt und Maßnahmen zur Erhöhung der Beitragseinnahmen der Pensionsversicherung ging.

Toleranzgrenze bei Zuverdienst

Konkret müssen Pensionist:innen, die neben der Pension erwerbstätig sind, in den nächsten beiden Jahren nur für jenen Teil des Zuverdiensts Pensionsbeiträge leisten, der über der doppelten Geringfügigkeitsgrenze – 2024 voraussichtlich rund 1037 € – liegt. Für den restlichen Teil springt der Bund ein, was eine Entlastung von bis zu 106,28 € für die Betroffenen bedeutet. Von der Regelung umfasst sind nicht nur ASVG-Versicherte, sondern auch der GSVG- und BSVG-Bereich. Allerdings gilt die Beitragsübernahme nur für Bezieher:innen einer Eigenpension, wie mit einem von ÖVP und Grünen eingebrachten Abänderungsantrag klargestellt wurde. Beim Pensionsbonus gilt einschränkend, dass die Pension insgesamt 94,28 % der gesamten Bemessungsgrundlage (derzeit: 91,76 %) nicht überschreiten darf.

Für Personen, die eine Korridor- bzw. eine Schwerarbeitspension beziehen, wird mit dem Koalitionsantrag (3743/A) überdies eine Toleranzgrenze beim erlaubten Zuverdienst eingeführt. Ein Überschreiten der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze (2024 voraussichtlich 518,44 €) soll demnach künftig nicht mehr automatisch zum Wegfall der Pensionsleistung führen, sofern die Überschreitung nur geringfügig (jährlich nicht mehr als 40 % der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze) ist. Für das Kalenderjahr 2024 wird diese Toleranzgrenze damit voraussichtlich bei rund 207 € liegen.

Im Sinne der Bewusstseinsbildung sieht die Initiative darüber hinaus vor, die schon bestehende jährliche Pensionskontoinformation für ältere Beschäftigte gesetzlich zu regeln, wobei auch dieser Passus mit dem Abänderungsantrag zum Teil neu formuliert wurde. Aus der Information soll hervorgehen, welche konkrete Auswirkung ein unterschiedliches Pensionsantrittsalter auf die Pension des bzw. der Versicherten hat. Überdies soll auf die Möglichkeit eines persönlichen Beratungsgesprächs hingewiesen werden. Nicht mehr verbindlich vorgeschrieben werden Hinweise auf Angebote zur Gesundheitsvorsorge.

Schadenersatz für Teilzeitbeschäftigte

Um die bereits bestehende Pflicht von Arbeitgeber:innen zu unterstreichen, Teilzeitbeschäftigte über im Betrieb frei werdende Arbeitsplätze mit höherer Arbeitszeit – oder neue Vollzeitstellen – zu informieren, wird darüber hinaus ein Schadenersatzanspruch von jeweils 100 € für betroffene Teilzeitbeschäftigte eingeführt. Bei den Anspruchsvoraussetzungen für Altersteilzeit soll sich eine zwischenzeitlich längere selbstständige Tätigkeit in Hinkunft nicht mehr nachteilig auswirken.

SPÖ ortet Systembruch

Ablehnend zum Antrag der Koalitionsparteien äußerte sich unter anderem Abgeordneter Alois Stöger (SPÖ). Er halte diesen "für höchst problematisch", sagte er und sprach von "mehreren Systembrüchen". Außerdem glaubt er, dass vor allem Berufsgruppen wie Rechtsanwält:innen, Apotheker:innen und Ärzt:innen von der Beitragsübernahme durch den Bund profitieren werden. Auch komme es zu einer Umverteilung von der Sozialversicherung in Richtung Finanzministerium, da die Betroffenen durch den Wegfall von Pensionsversicherungsbeiträgen höhere Steuern zahlen müssten.

Auch mit der künftig gesetzlich vorgeschriebenen Pensionskonto-Information kann Stöger wenig anfangen. Er befürchtet unzuverlässige Auskünfte, zumal es regelmäßig Gesetzesänderungen gebe, die Auswirkungen auf die Höhe der Pension haben. Er selbst habe drei unterschiedliche Auskünfte erhalten, obwohl seine Pension aufgrund durchgängiger Versicherungszeiten seit dem 14. Lebensjahr "watscheneinfach zu rechnen" sei.

Ausdrücklich ablehnend steht die SPÖ einer Erhöhung des gesetzlichen Pensionsalters gegenüber. Stattdessen schlagen Abgeordnete Heinisch-Hosek und ihre Fraktionskolleg:innen eine Personaloffensive in den Bereichen Gesundheit, Kinderbildung und Pflege vor, um die Einnahmen der Pensionsversicherung zu erhöhen (3724/A(E)). Zudem brauche es geeignete Anreize, um das faktische Pensionsantrittsalter anzuheben, und Maßnahmen, um Frauen aus der "Teilzeitfalle" herauszuholen. SPÖ-Abgeordnete Verena Nussbaum plädierte in diesem Sinn für einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem 1. Lebensjahr.

FPÖ hält Vorschläge für praxisfremd

Für völlig unzureichend erachtet die FPÖ den von den Koalitionsparteien vorgelegten Gesetzesantrag. Das, was vorliege, sei "ganz ganz ganz wenig", sagte Abgeordneter Peter Wurm. Die Vorschläge seien praxisfremd und würden die Grundproblematik nicht lösen. Auch seine Parteikollegin Dagmar Belakowitsch bezweifelt, dass die Beitragsübernahme jemanden veranlassen wird, neben der Pension weiterzuarbeiten. Lediglich der höhere Pensionsbonus wurde von ihr positiv bewertet.

Wurm wies darauf hin, dass die Wirtschaft "händeringend" Personal suche, wie man an der langen Fachkräftemangel-Liste sehe. Ihm zufolge versuchen auch viele, in der Pension weiterzuarbeiten, spätestens nach einem Jahr, wenn die ersten Sozialversicherungs- und Finanzamtsnachzahlungen kommen, würden sie aber "das Handtuch werfen". Er kenne auch viele Krankenschwestern und Kellner:innen, die gerne zehn oder fünfzehn Stunden in der Pension weiterarbeiten würden, meinte Wurm, es gehe nicht nur um bestimmte Berufsgruppen.

Die FPÖ selbst hat schon mehrfach einen Entschließungsantrag (3113/A(E)) mit eigenen Vorschlägen vorgelegt, der jedoch auch heute wieder von den anderen Fraktionen abgelehnt wurde. Unter anderem wird darin eine Reduktion der Lohnnebenkosten für Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen bei Beschäftigungsverhältnissen nach dem Pensionsantritt sowie eine zumindest vierteljährliche Valorisierung der Geringfügigkeitsgrenze gefordert. Zudem soll ein Förderpaket jene Wirtschaftsbranchen unterstützen, die dringend nach qualifiziertem Personal suchen, damit dorthin Pensionist:innen in den Arbeitsmarkt zurückgeholt werden.

NEOS fordern Einschränkungen beim vorzeitigen Pensionsantritt

Scharfe Kritik am Entwurf übte auch NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker. Er hätte es ja verstanden, wenn jemand, der neben der Pension arbeite, künftig gar keine Pensionsbeiträge mehr zahlen müsse und dafür auch keine höhere Pension bekomme, sagte er, aber keine Beiträge zu zahlen und trotzdem eine Höherversicherung zu erwerben, ist für ihn "der Gipfel". Es sei außerdem wohl nicht "der Bauarbeiter", dem die Beitragsübernahme zugutekommen werde, vielmehr würde Geld zu Berufsgruppen umverteilt, die keine körperlich anstrengende Arbeit leisten und damit leichter in der Pension weiterarbeiten könnten.

Bei der Pensionskonto-Information sieht Loacker darüber hinaus die Gefahr, dass die Versicherten diese als verbindlichen Bescheid werten könnten. Wenn es schon derartige Informationen gebe, wäre es seiner Ansicht nach überdies wünschenswert, darin auch Betriebspensionen und die staatlich geförderte Zukunftsvorsorge aufzunehmen, damit Betroffene einen umfassenden Überblick über ihre voraussichtlichen Pensionsansprüche erhalten. Skeptisch sieht Loacker überdies den "Strafbeitrag" für Teilzeitbeschäftigte, die nicht über Vollzeitstellen informiert werden.

In eigenen Anträgen sprechen sich die NEOS unter anderem für die Einführung einer Flexipension nach schwedischem Vorbild (3124/A(E)) sowie Einschränkungen beim vorzeitigen Pensionsantritt (3693/A(E)) aus. Demnach sollten Beschäftigte – ergänzend zu den bestehenden Voraussetzungen – künftig nicht mehr vor dem Regelpensionsalter in Pension gehen dürfen, wenn ihre Pension so niedrig wäre, dass sie Anspruch auf eine Ausgleichszulage hätten. Auch die Einführung einer Teilpension könnte man sich Loacker zufolge überlegen.

Der Antrag betreffend Einschränkungen beim vorzeitigen Pensionsantritt fand über die NEOS hinaus allerdings keine Unterstützung. Dieser würde vor allem teilzeitbeschäftigte Frauen treffen, begründete etwa SPÖ-Abgeordneter Alois Stöger seine Ablehnung. Vom Ausschuss vertagt wurden der Antrag zur Flexipension und der SPÖ-Antrag betreffend Sicherung des Pensionssystems.

ÖVP und Grüne sehen Anreiz für längeres Arbeiten

Seitens der Koalitionsparteien verteidigten ÖVP-Klubobmann August Wöginger und Grünen-Sozialsprecher Markus Koza den Gesetzentwurf. Sie sind zuversichtlich, dass damit ein Anreiz geschaffen wird, während der Pension weiterzuarbeiten. Derzeit würden viele davon Abstand nehmen, weil der Zuverdienst nicht nur steuerpflichtig sei, sondern man auch Pensionsbeiträge leisten müsse, sagte Wöginger. Hier biete man nun eine "praxisorientierte Lösung" an, die, wie er glaubt, auch von Beschäftigten im Pflegebereich oder im Tourismus angenommen werden wird.

Zu den Vorschlägen der FPÖ und der NEOS merkte Koza an, man müsse "verfassungsrechtliche Schranken" berücksichtigen. Es sei nicht möglich, Pensionist:innen bei Steuern und Abgaben anders zu behandeln als andere Erwerbstätige. Zudem befürchtet er eine Verdrängung junger Menschen vom Arbeitsmarkt, sollten die Pensionsbeiträge für erwerbstätige Pensionisten zur Gänze – also auch für Arbeitgeber – entfallen. Koza hob zudem hervor, dass die von der Koalition vorgeschlagenen Maßnahmen evaluiert werden sollen.

Was den Pensionsbonus betrifft, hielt Wöginger fest, dass dessen Höhe nun an die Höhe der Pensionsabschläge angeglichen werde. Damit könne man seine Pension künftig um insgesamt mehr als 15 % erhöhen, wenn man bis zum 68. Lebensjahr weiterarbeite. (Schluss Sozialausschuss) gs