Parlamentskorrespondenz Nr. 1386 vom 12.12.2023
Bautenausschuss: Heiße Diskussion um Mietpreisdeckel von ÖVP und Grünen
Wien (PK) – ÖVP und Grüne haben sich auf einen Mietpreisdeckel geeinigt. Während die Maßnahme bereits im August angekündigt wurde, dauerten die Verhandlungen schließlich bis kurz vor dem letzten Nationalratsplenum dieses Jahres. Konkret sollen die Mieterhöhungen von Kategoriemieten, Richtwertmieten und gemeinnützigen Wohnungen begrenzt werden. Nicht von der Beschränkung betroffen sein sollen freie Mietverträge. Für die im Mietrechtgesetz geregelten Kategoriemieten sollen die Erhöhungen 2024 entfallen.
Rechtlich basiert dies auf einem Abänderungsantrag zum 3. Mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetz, der heute im Bautenausschuss eingebracht wurde (3558/A). Während der bisherige Gesetzesentwurf Verfassungsbestimmungen enthielt, kommt das Gesetz in Form des Abänderungsantrags ohne diese aus und kann vom Nationalrat mit einfacher Mehrheit noch diese Woche beschlossen werden.
ÖVP und Grüne wollen mit den Maßnahmen Linderung für die Bevölkerung schaffen. Die Opposition stimmte unter heftiger Kritik gegen den Gesetzesentwurf. Es handle sich um ein "Mietpreisdeckelchen", kritisierten SPÖ und FPÖ. Den NEOS hingegen geht der Eingriff zu weit und die soziale Treffsicherheit fehle. Der Mietpreisdeckel passierte den Bautenausschuss daher nur mit den Stimmen von ÖVP und Grüne. Abgelehnt wurden hingegen mehrere Forderungen der Opposition zu einem Mietenstopp.
FPÖ: Verpasste Chance für Mieter:innen und Bauwirtschaft
Positiv anerkannte Philipp Schrangl (FPÖ) die vorgesehenen rechtlichen Vereinheitlichungen. Es werde abgegangen von verschiedenen Terminen. Erhöhungen würden einheitlich am 1. April stattfinden, hielt er fest. Aus Sicht der FPÖ komme der 5-%-Deckel aber zu spät und bringe nichts, daher gebe seine Fraktion keine Zustimmung zu dem Gesetz. Eine große Chance sei verpasst worden, um sowohl Mieter:innen als auch die Bauwirtschaft zu entlasten, merkte er an.
Die Kritik der Opposition war nicht nur inhaltlicher Natur. Schrangl bezeichnete die kurzfristige Einbringung des umfassenden Abänderungsantrags als "husch-pfusch". Gegenüber ÖVP und Grünen hielt er fest, dass nicht an die FPÖ herangetreten worden sei, um über einen gemeinsamen Gesetzestext zu sprechen. Er zeigte Gesprächsbereitschaft, unter der Voraussetzung einer Novelle des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) betreffend Anlegerwohnungen.
SPÖ und FPÖ geht "Deckelchen" nicht weit genug
Andreas Kollross (SPÖ) warf den Regierungsparteien Untätigkeit vor. Sie hätten zugesehen, wie die Mieten zwischen 15 und 25 % gestiegen sind. Der Gesetzesentwurf berücksichtige die massiven Mieterhöhungen der letzten Jahre nicht. Er appellierte daher dafür, Mieterhöhungen wieder rückgängig zu machen. Aus Sicht von Maximilian Lercher (SPÖ) wird durch das Gesetz "keine einzige Miete niedriger". Der Vorschlag greife nicht in den freien Bereich ein und habe minimale Effekte für Mieter:innen. Bei freien Mietverträgen würden Vermieter:innen bis zu 17 € pro Quadratmeter verlangen, kritisierte Selma Yildirim (SPÖ). Junge Leute könnten sich nicht mehr leisten, auszuziehen. Auch für die FPÖ sprach Schrangl von einem "Mietdeckelchen".
SPÖ appelliert, Regelungen beim gemeinnützigen Wohnbau zu überdenken
Die Regelungen kämen zu spät, seien unausgegoren und würden jene schwächen, die günstigen Wohnraum zur Verfügung stellten, kritisierte Josef Muchitsch (SPÖ). Verwundert zeigte sich Muchitsch darüber, dass die Regelung beim gemeinnützigen Wohnbau auch den Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag umfasse. Er befürchtete, dadurch die Anreize zu Investitionen in den Klimabereich zu reduzieren, und warnte vor geringeren Investitionen. Diejenigen, die höchste Mieten verlangen, seien hingegen ausgenommen, da freie Mietverträge nicht unter die Deckelung fallen, betonte Muchitsch. Daher gebe es von der SPÖ keine Zustimmung.
Das "Deckelchen" mache nur ein paar Euro im Monat aus, so Andreas Kollross (SPÖ) in Bezug auf die Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge (EVP-Beiträge). Dadurch würden Mittel für Maßnahmen im Bereich der erneuerbaren Energien fehlen, kritisierte er. Maximilian Lercher (SPÖ) forderte ebenso Nachbesserungen bei den Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen. Das Modell bringe ein "Deckelchen", von Beträgen von unter 2 Euro pro Quadratmeter im gemeinnützigen Bereich, hielt Selma Yildirim (SPÖ) fest.
Die Kostenneutralität im WGG ermögliche, keinen Deckel einzuziehen, argumentierte Kollross. Muchitsch appellierte daher, die Regelung zum EVP-Beitrag bis zum Beschluss des Nationalrats zu überdenken. Philipp Schrangl (FPÖ) verwies ebenfalls auf das Kostendeckungsprinzip beim gemeinnützigen Wohnbau.
NEOS sehen Eingriff in Mietverträge zulasten einer Seite
Das Ansinnen sei grundsätzlich zu begrüßen, denn Haushalte seien durch hohe Wohnkosten in wirtschaftliches Bedrängnis geraten, meinte Johannes Margreiter (NEOS). Seine Kritik galt der Umsetzungsform. Die Verpflichtung der Bundesregierung, zu helfen, werde auf private Vermieter:innen abgewälzt, führte er aus. Vermieter:innen würde so der notwendige wirtschaftliche Ertrag für weitere Investitionen und thermische Sanierungen fehlen. Die Idee der Wertsicherung schaffe Adäquanz und Ausgeglichenheit zwischen den Vertragsleistungen beider Seiten. Nun soll ein Eingriff zulasten einer Seite erfolgen, kritisierte er. Zudem hielt er die Maßnahme für nicht sozial treffsicher und problematisch für die Bauwirtschaft. Durch die Novelle werde das Wohnrecht zu einer "Blackbox mit unvorhersehbaren Judikaturfolgen". Margreiter sprach sich für eine Neukodifizierung des Wohnrechtes aus, um dieses anwenderfreundlich und rechtssicher zu gestalten. Obwohl die NEOS dem Gesetz nicht zustimmen, anerkannte Margreiter die Vereinheitlichungen.
ÖVP und Grüne wollen Linderung schaffen und Vereinheitlichungen umsetzen
Während die Regelung den NEOS zu weit gehe, sei die Begrenzung für die SPÖ nicht weit genug, fasste Nina Tomaselli (Grüne) zusammen. Aus ihrer Sicht wurde daher eine ausgewogene Regelung getroffen. Pünktlich zum Jahreswechsel könne der Nationalrat den Mietpreisdeckel am Freitag beschließen. Formell brachte Tomaselli dazu den Abänderungsantrag ein. Würde kein Mietpreisdeckel eingezogen, so warnte Tomaselli vor einer Erhöhung der Richtwertmieten 2025 um 11,6 %. Gegenüber Schrangl (FPÖ) hielt sie fest, dass dieser die Mietpreisbremse bereits im Vorfeld als "indiskutabel" bezeichnet habe, weshalb keine Diskussion mit seiner Partei gesucht worden sei.
Für die einen zu viel, für die anderen zu wenig, für die ÖVP ein "kluger Weg der Mitte", betonte auch Andreas Ottenschläger (ÖVP). Die Wertsicherung werde nicht abgeschafft, für die Bauwirtschaft werde damit ein Signal für weitere Investitionen gegeben. Durch das neue System ab 2027 werde eine faire Aufteilung zwischen Mieter:innen und Vermieter:innen geschaffen, hielt Ottenschläger fest. Gegenüber der SPÖ verwies er auf zahlreiche Sanierungstöpfe und Mittel aus dem Finanzausgleich. Eine Abschaffung der Wertsicherung wäre ein negatives Signal für die Investitionsfreudigkeit der Vermieter:innen gewesen, sagte er zu Muchitsch.
Angesichts der starken Auswirkungen der Mietpreisentwicklungen auf die betroffene Bevölkerung, wolle man mit dem Gesetz Linderung schaffen. Zudem würden die Maßnahmen zu Vereinheitlichung führen und langfristige Regelungen umsetzen, betonte Johann Singer (ÖVP). Bei der rechtlichen Umsetzung sei auf die Ausgewogenheit Bedacht genommen worden, so Singer, damit Sanierungen weiterhin ermöglicht werden.
Fakt sei, der Mietpreisdeckel umfasse 75 % aller Wohnungen, betonte Nina Tomaselli (Grüne). Darin wohnen 2,5 Millionen Österreicher:innen, die nun von der Linderung der "horrend gestiegenen" Wohnkosten profitieren würden. Es gehe um mehr als nur um einige Euro, hielt sie der SPÖ entgegen. Der Mietpreisdeckel führe in einigen Bereichen zu einer Ersparnis von einer ganzen Monatsmiete, so ihre Berechnung. Bei der SPÖ-Kritik zum gemeinnützigen Wohnbau erkannte sie einen Widerspruch. Während einerseits gefordert werde, sämtliche Mieten zu bremsen, würde andererseits argumentiert, dass das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz keine Begrenzung zulasse.
Die Inflationsentwicklung der letzten Jahre sei eine große Belastung für die Mieter:innen gewesen, unterstrich Justizministerin Alma Zadić. Die Deckelung würde künftige Spitzen abfedern, da sich diese nicht mehr unmittelbar niederschlagen.
Mietpreisbremse bringt Vereinheitlichungen im Mietrecht
Bisher wurden Kategoriemieten erhöht, wenn der Verbraucherpreisindex gegenüber dem letzten Änderungszeitpunkt um mehr als fünf Prozent gestiegen ist. Aufgrund der aktuellen Inflation habe dies zu mehrfachen Erhöhungen pro Jahr geführt, heißt es in der Begründung zur Gesetzesnovelle. Künftig sollen Änderungen ausschließlich mit 1. April stattfinden. Im Jahr 2024 soll die Wertanpassung der Miete entfallen. In den Jahren 2025 und 2026 sollen aus Gründen der sozialen Verträglichkeit die Effekte der Inflationsspitze bei 5 % gekappt werden. Dementsprechend soll die nächste Valorisierung der Kategoriebeträge wie bei den Richtwerten am 1. April 2025 stattfinden.
Richtwertmieten wurden bisher alle zwei Jahre am 1. April anhand der Veränderung des Jahresdurchschnittswerts des Verbraucherpreisindex des Vorjahrs gegenüber dem Ausgangswert angepasst. Künftig sollen die Richtwerte aber jährlich valorisiert werden – das nächste Mal am 1. April 2025. Für 2024 wäre ohnedies keine Erhöhung vorgesehen gewesen, unterstrich Singer (ÖVP). Für die Valorisierung zum 1. April 2025 soll also ausschließlich die Veränderung des VPI-Jahresdurchschnittswerts aus 2024 gegenüber dem von 2023 maßgeblich sein. Auch hier soll ein Deckel von 5 % für die Valorisierungen 2025 und 2026 gelten.
Bei den gemeinnützigen Wohnungen soll die Erhöhung auf 5 % gedeckelt werden. Am 1. April 2024 können sich die Beträge gegenüber dem letzten Änderungszeitpunkt also um nicht mehr als 5 % erhöhen.
Ab 2027 soll die Valorisierung der Mieten anhand der Durchschnittsinflation der letzten drei Jahre berechnet werden und der 5 % übersteigende Teil bei der Anpassung nur zur Hälfte berücksichtigt werden, erklärte Tomaselli (Grüne) das System. Damit könne man eine weitere Spitzen abfedern, sollte die Inflation in der Zukunft erneut kräftig anziehen, so Tomaselli.
Oppositionsanträge zu Mietenstopp abgelehnt
Abgelehnt wurden im Bautenausschuss mehrere Oppositionsanträge, die darauf abzielten, die außerordentlichen Mietpreissteigerungen abzufedern, wie Selma Yildirim (SPÖ) erklärte. Die SPÖ hatte gefordert, die gesetzlich vorgesehene Erhöhung der Richtwertmieten, der Kategoriebeträge und weiterer mietrechtlicher Beträge bis 31. März 2026 auszusetzen (3090/A). Zudem hatte die SPÖ einen sofortigen Mietenstopp gefordert (3431/A(E)). Dazu sollten die Indexierungen der Richtwert- und Kategoriemieten vom 1. April 2023 zurückgenommen und sämtliche Mieten bis Ende 2025 eingefroren werden. Mit einer Forderung nach einem Maßnahmenpaket für leistbares Wohnen drängte die SPÖ neben einem Mietenstopp auch auf eine umfassende Wohnrechtsreform (3562/A(E)). Auch die Freiheitlichen hatten einen Mietenstopp gefordert. FPÖ-Bautensprecher Philipp Schrangl schlug dafür im Rahmen eines Entschließungsantrags Sofortmaßnahmen vor (3432/A(E)). Demnach sollen die Richtwert- und Kategoriemieten bis inklusive 2026 eingefroren werden. Anschließend soll es eine maximale Indexierungsmöglichkeit von 2 % geben.
Während sich SPÖ und FPÖ gegenseitig bei den Anträgen unterstützten, fanden sie keine Zustimmung der Regierungsparteien. Lediglich mit dem Antrag zum Maßnahmenpaket für leistbares Wohnen stand die SPÖ alleine da und erhielt keine weitere Zustimmung. Schrangl sprach sich in diesem Zusammenhang gegen ein Universalmietrecht aus.
FPÖ für Rücknahme der Mieterhöhungen bei Wiener Gemeindebauten
FPÖ-Bautensprecher Philipp Schrangl forderte mittels Entschließungsantrag die Rücknahme der Mieterhöhungen des Jahres 2022 im Wiener Gemeindebau (3157/A(E)). Er trat für eine Evaluierung ein, ob eine rückwirkende Rücknahme möglich sei. Laut Nina Tomaselli (Grüne) ist eine Rücknahme nicht geplant. Der Antrag wurde vertagt. (Fortsetzung Bautenausschuss) gla
Format
Links
- 3090/A - 3. Mietrechtliches Inflationslinderungsgesetz
- 3562/A(E) - Wohnen in der Krise – umfassendes Maßnahmenpaket für leistbares Wohnen
- 3157/A(E) - Evaluierung einer bundesgesetzlichen Rücknahme der Mieterhöhungen des Jahres 2022 im Wiener Gemeindebau
- 1/A-BA - Ausschuss für Bauten und Wohnen
- 3432/A(E) - Mietenstopp statt ÖVP-Klientelpolitik für Vermieter
- 3431/A(E) - Mietenstopp jetzt
- 3558/A - 3. Mietrechtliches Inflationslinderungsgesetz – 3. MILG