Parlamentskorrespondenz Nr. 36 vom 23.01.2024

Rechnungshofausschuss: Nachhaltigkeit des Pensionssystems und Reform der Sozialversicherungsträger auf dem Prüfstand

Rauch: Pensionssystem bleibt langfristig finanzierbar

Wien (PK) – Die Nachhaltigkeit des österreichischen Pensionssystems vor dem Hintergrund steigender Lebenserwartung und sinkender Geburtenraten stand im Zentrum einer Gebarungsprüfung des Rechnungshofs, die heute im Rechnungshofausschuss debattiert wurde. Darin ortet das Prüforgan Handlungsbedarf, insbesondere was die Funktionalität der Alterssicherungskommission und den stark steigenden Bundesbeitrag zu den Pensionen betrifft, wie Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker im Ausschuss betonte. Sozialminister Johannes Rauch teilte diese Einschätzungen, sah die Finanzierbarkeit des Pensionssystems jedoch im Kontext der österreichischen Wirtschaftsleistung als gesichert an.

Weiters stand ein Prüfbericht zur 2018 beschlossenen Fusionierung der Sozialversicherungsträger auf der Tagesordnung. Demnach seien die von der damaligen Bundesregierung angekündigten Einsparungen in der Höhe von 1 Mrd. € nicht zu verzeichnen und von vornhinein "nicht plausibel" gewesen, wie Kraker ausführte.

Beide Berichte des Rechnungshofs wurden einstimmig zur Kenntnis genommen. Als Auskunftspersonen standen den Abgeordneten die stellvertretende Vorsitzende der Alterssicherungskommission und Präsidentin des Österreichischen Seniorenbundes, Ingrid Korosec, und Bernhard Wurzer, Generaldirektor der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), zur Verfügung.

Rechnungshofbericht zur Nachhaltigkeit des Pensionssystems

Der Rechnungshof sieht das österreichische Pensionssystem vor einer großen Herausforderung. Es müsse angesichts steigender Lebenserwartung und sinkenden Geburtenraten einerseits ein angemessenes Leistungsniveau für Pensionistinnen und Pensionisten und andererseits leistbare Beiträge der Erwerbstätigen sowie eine vertretbare Belastung des Bundeshaushalts sicherstellen. Ob und wie dies insbesondere seit der Pensionsreform der Jahre 2003 und 2004 gelungen ist, war ebenso Gegenstand einer Gebarungsprüfung des Kontrollorgans wie die Einschätzung der mittel- und langfristigen Nachhaltigkeit des Pensionssystems (III-1038 d.B.). Der überprüfte Zeitraum umfasste insbesondere die Jahre 2017 bis 2021.

Kritik übte der Rechnungshof insbesondere an der 2017 gegründeten Alterssicherungskommission, die ihren gesetzlichen Auftrag in wesentlichen Punkten nicht umsetze. Er empfiehlt dessen Handlungsfähigkeit etwa durch eine rechtzeitige Bestellung der Vorsitzführung sicherzustellen und dessen Kriterien zur Beurteilung der Nachhaltigkeit zu aktualisieren. Zudem plädiert der Rechnungshof im Bericht für eine klare Strategie bei gesetzlichen Änderungen - insbesondere hinsichtlich der Steuerung des Pensionsantrittsalters - und für Disziplin bei Pensionsanpassungen. Zudem spricht er sich für eine abgestimmte Zielvorstellung zur Entwicklung des Bundeshaushalts unter Berücksichtigung des stark steigenden Beitrags des Bundes zum Pensionssystem aus. Gerade dieser wachsende Beitrag könne in Kombination mit anderen budgetären Belastungen (Energiekrise, Teuerung etc.) die Finanzierbarkeit des Bundeshaushalts gefährden, wie aus dem Bericht hervorgeht. Bei sorgfältiger Weiterentwicklung sei das österreichische Pensionssystem jedoch durchaus eine geeignete Basis für die angemessene Versorgung älterer Personen mit vertretbaren finanziellen Belastungen für die erwerbstätige Bevölkerung und den Bundeshaushalt.

Sozialminister Rauch hält "Untergangsstimmung" für unangebracht

"Handlungsbedarf" ortete auch Sozialminister Johannes Rauch im Ausschuss, hielt jedoch eine "Untergangsstimmung" für unangebracht. Das österreichische Gesundheitssystem könne dem internationalen Vergleich standhalten und leiste einen wesentlichen Beitrag zum sozialen Frieden im Land. Die demographischen Entwicklungen, die FPÖ-Abgeordneter Wolfgang Zanger ansprach, sorgten zwar für höhere Belastungen für den Bundeshaushalt, was jedoch im Kontext eines ebenfalls gewachsenen BIP differenziert zu betrachten sei. Das Pensionssystem bleibe langfristig finanzierbar, so Rauch.

Eine zentrale Maßnahme dafür sei die Angleichung des faktischen Pensionsantrittsalters an das gesetzliche. Um dies zu erreichen, gelte es etwa altersadäquate Arbeitsmodelle zu schaffen, wie Rauch ausführte. Relevant sei auch ein Ausbau der Kinderbetreuungsplätze, um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu schaffen und somit vor allem Frauen über einen längeren Zeitraum in der Erwerbstätigkeit zu halten. Dies wäre auch ein Mittel den "Gender Gap" bei den Pensionen zu verringern, wie Karin Greiner (SPÖ), Ulrike Maria Böker (Grüne) und Gerald Loacker (NEOS) erfragten. Die Anhebung des Pensionsantrittsalters von Frauen und die Einführung des Frühstarterbonus wirken laut Rauch ebenfalls in diese Richtung und leisteten einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung von Altersarmut bei Frauen.

Die Kritik des Rechnungshofs an der Alterssicherungskommission teilten sowohl Sozialminister Rauch als auch Lukas Brandweiner (ÖVP), Wolfgang Zanger (FPÖ), der im Zusammenhang mit der Besetzung des Vorsitzes von einem "politischen Kuhhandel" sprach, und Gerald Loacker (NEOS), für den die Kommission "zum Kren reiben" war. Rauch gestand ein, dass man in der Frage des Vorsitzes säumig sei, ging jedoch von einer Klärung der Situation noch vor dem Sommer aus.

Auch die als Auskunftsperson geladene stellvertretende Vorsitzende der Alterssicherungskommission und Präsidentin des Österreichischen Seniorenbundes, Ingrid Korosec, bemängelte den fehlenden Handlungsspielraum der Kommission. Zehn von 14 Mitgliedern seien Arbeitnehmer- bzw. Arbeitgebervertreter:innen und vier würden Ministerien angehören. Korosec sprach sich ebenso wie der Rechnungshof und die genannten Abgeordneten für eine vermehrte Besetzung der Kommission mit Expert:innen etwa aus der Versicherungsmathematik aus. Auch Korosec sah das Pensionssystem langfristig gesichert und regte Maßnahmen zur Steigerung der Vollzeiterwerbstätigkeit von Frauen, zum Ausbau altersgerechter Arbeitsplätze und zur Qualifizierung von Arbeitslosen an.

Fusion der Sozialversicherungsträger unter der Lupe

In einem weiteren Bericht widmet sich der Rechnungshof der 2018 vom Gesetzgeber beschlossenen Fusion der Sozialversicherungsträger (III-822 d.B.). Prüfungsziele waren die Beurteilung der angestrebten Reduktion des Verwaltungsaufwands, der Fortschritte zur Harmonisierung von Leistungen und der organisatorischen Integration. Zudem wurde die finanzielle Lage der fusionierten Sozialversicherungsträger unter besonderer Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie analysiert. Der überprüfte Zeitraum umfasst die Jahre 2018 bis 2020.

Die Verbreiterung der Risikogemeinschaft und das Ziel, die Handlungsfähigkeit der Sozialversicherungsträger zu erhöhen sowie Synergien zu nutzen, wären grundsätzlich positiv zu beurteilen, resümiert der Rechnungshof. Das Vorhaben einer Einsparung von 1 Mrd. € wäre jedoch nicht ausreichend begründet, um es der Steuerung der Sozialversicherungsträger zugrunde zu legen. Angesichts des Auseinanderfallens der tatsächlichen Entwicklung des Verwaltungsaufwands und der Prognosen gemäß Sozialversicherungs-Organisationsgesetz (SV-OG) empfiehlt der Rechnungshof, andere Maßnahmen zur Zielerreichung zu setzen oder die Ziele zu adaptieren.

Der Integrationsfortschritt sei je nach Themenbereich und Träger unterschiedlich ausgefallen und die Fusionsbemühungen hätten zur Zeit der Gebarungsprüfung noch angedauert, so der Bericht. Auch ein bundeseinheitlicher Gesamtvertrag im ärztlichen Bereich sei noch nicht absehbar gewesen. Im Falle einer Nichteinigung regt der Rechnungshof eine Umgestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen an. Aufgrund des SV–OG fehlten zudem Kontrollgremien für die Sozialversicherungsträger und deren Dachverband. Die Prüfmaßstäbe für die ab Jänner 2020 eingeführte Wirtschafsprüfung seien hinter jenen der 2019 abgeschafften Kontrollversammlungen zurück geblieben, kritisiert der Rechnungshof. Er regt die gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung solcher Kontrollgremien an. Zudem spricht sich das Prüforgan unter anderem für eine klare Zielsetzung insbesondere zu allfälligen Einsparungen und zum weiteren Vorgehen sowie eine nachvollziehbare Erfassung von Kosten und Nutzen aus.

Ausschussdebatte über "falsches Erwartungsmanagement" bezüglich Einsparungen

Im Ausschuss betonte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker, dass die 2018 von der damaligen Bundesregierung angekündigte 30 % an Einsparungen bei Personal und Sachaufwand bzw. 1 Mrd. € bei den Kosten von vornherein nicht plausibel gewesen sei. Die Sozialversicherungsträger hätten sich keinerlei Einsparungsziele gesetzt und so seien auch im Überprüfungszeitraum eher Mehraufwendungen als Einsparungen zu verzeichnen gewesen. Auch der Personalstand sei durch die Fusion nicht verringert worden. Sozialminister Rauch pflichtete Kraker bei und sprach von einem "falsch aufgesetzten Erwartungsmanagement" der damaligen Bundesregierung. Die angekündigte 1 Mrd. € an Einsparungen sei auch schon 2018 in Zweifel gezogen worden, antwortete Rauch den SPÖ-Abgeordneten Philip Kucher und Michael Seemayer. ÖVP-Mandatar Johann Singer zeigte sich "froh" über die aus seiner Sicht gelungene Strukturreform und betonte ebenso wie Christian Lausch (FPÖ), dass die damals geschaffenen gesetzlichen Rahmenbedingungen weiterentwickelt und die Leistungsharmonisierung vorangetrieben werden müsse.

Bezüglich der Personalsituation antwortete Bernhard Wurzer, Generaldirektor der ÖGK, David Stögmüller von den Grünen, dass mittlerweile bereits 15 % der Führungskräfte des mittleren und oberen Managements eingespart und 18 leitende Angestellte auf vier reduziert worden seien. Wurzer betonte, dass die Versicherungsträger mit diesem Personalstand auch zusätzliche Aufgaben wie die COVID-19-Pandemie zu bewältigen gehabt hätten. Dem vom Rechnungshof aufgezeigten und von Ralph Schallmeiner (Grüne) angesprochenen bundeseinheitlichen Gesamtvertrag im ärztlichen Bereich müssten alle neun Ärztekammer zustimmen, um einen Abschluss zu erreichen. Dafür dürfe es in den Verhandlungen "keine Verlierer" geben, was laut Wurzer eine "Harmonisierung nach oben" bedeuten werde.

Weiters interessierten sich Philip Kucher (SPÖ) und David Stögmüller (Grüne) für rund 20 Mio. € an Beratungsaufträgen, die laut Rauch ohne Einbindung der Fachsektionen ausschließlich im Kabinett der ehemaligen Bundesministerin Beate Hartinger-Klein abgewickelt worden seien. Rauch sprach von einem "unfassbaren Vorgang", da diese 20 Mio. € ohne Ausschreibung an ein einziges Unternehmen gegangen und keinerlei Akten dazu mehr verfügbar seien. (Fortsetzung Rechnungshofausschuss) wit