Parlamentskorrespondenz Nr. 221 vom 06.03.2024

Leerstandsabgabe: Verfassungsausschuss schickt Gesetzesnovelle in Begutachtung

Wien (PK) – Im Zuge der Präsentation des Wohnpakets zur Ankurbelung der Bauwirtschaft hat die Regierung auch in Aussicht gestellt, Ländern die Einhebung von Leerstandsabgaben zu erleichtern. Heute hat der Verfassungsausschuss des Nationalrats einen entsprechenden Gesetzesantrag der Koalitionsparteien in Begutachtung geschickt. Vier Wochen – bis zum 3. April – haben die rund 60 angefragten Stellen und Organisationen demnach Zeit, Stellungnahmen zum von ÖVP und Grünen eingebrachten Entwurf abzugeben. Damit ändert sich auch der Fahrplan für die Verhandlungen mit der Opposition, ursprünglich wollten ÖVP und Grüne die Verfassungsnovelle bereits im März beschließen.

Diskutiert hat der Verfassungsausschuss heute außerdem über die Ausweitung sozialer Grundrechte, die österreichische Neutralität und die Archivierung von Regierungskommunikation wie Chats, E-Mails und SMS. Entsprechende Anträge der Opposition wurden allerdings vertagt.

Mehr Kompetenzen der Länder bei Einhebung der Leerstandsabgabe

Konkret schlagen ÖVP und Grüne vor, Artikel 11 der Bundesverfassung hinsichtlich des Kompetenztatbestands "Volkswohnungswesen" zu adaptieren und "die Erhebung öffentlicher Abgaben zum Zweck der Vermeidung der Nicht- oder Mindernutzung" von Wohnungen künftig ausdrücklich in die Hände der Länder zu legen (3944/A). Damit wollen sie bestehende kompetenzrechtliche Unklarheiten beseitigen. Dabei geht es nicht nur um Leerstandsabgaben, sondern etwa auch um Freizeit- oder Zweitwohnsitzabgaben, wie in den Erläuterungen festgehalten wird.

Der Beschluss auf Durchführung einer Ausschussbegutachtung fiel einstimmig, wiewohl sowohl FPÖ als auch NEOS Leerstandsabgaben skeptisch gegenüberstehen. Demnach werden neben Ländern, Gemeinden und Ministerien u.a. auch die Interessenvertretungen, die Volksanwaltschaft, der Rechnungshof und die Landesrechnungshöfe sowie die Mietervereinigung (MVÖ) und der Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen (GBV) ausdrücklich zur Abgabe einer schriftlichen Äußerung eingeladen. Davon unberührt bleibt die generelle Möglichkeit, Stellungnahmen zu in Verhandlung stehenden Gesetzesvorschlägen über die Parlamentswebsite abzugeben.

Was das weitere Procedere betrifft, informierte Ausschussvorsitzender Jörg Leichtfried die Abgeordneten, dass der Gesetzentwurf aufgrund der vom Nationalrat vergangene Woche beschlossenen Fristsetzung zwar auf die Tagesordnung der nächsten Nationalratssitzung am 20. März kommt, aber wieder an den Ausschuss rückverwiesen werden soll. Damit erhält dieser mehr Zeit zur Vorberatung und kann die Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens berücksichtigen. Da für die Verfassungsnovelle eine Zweidrittelmehrheit nötig ist, braucht es die Zustimmung entweder der SPÖ oder der FPÖ.

NEOS und FPÖ werten Leerstandsabgabe als Vermögensteuer

In der Debatte wies Agnes Sirkka Prammer (Grüne) darauf hin, dass das Gesetzesvorhaben Teil eines größeren Pakets sei. Mit der Verfassungsnovelle wolle man den Ländern ermöglichen, Leerstandsabgaben in einem größeren Umfang als bisher einzuheben. Es sei sinnvoll, ungenutzte Wohnungen dem Wohnungsmarkt zuzuführen, meinte sie.

Dem schlossen sich auch ihre Fraktionskollegin Astrid Rössler und ÖVP-Abgeordneter Johann Singer an, wobei Rössler vor allem auf bestehende Probleme für Gemeinden verwies. Diese seien derzeit gezwungen, neue Flächen als Bauland auszuweisen, weil viele Zweitwohnsitze und leerstehende Wohnungen bzw. vorhandene Bauflächen nicht genutzt würden, skizzierte sie. Singer hofft, Wohnungsbesitzer:innen durch Leerstandsabgaben stärker zu motivieren, Wohnungen dem Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen.

Skeptisch zum Gesetzesvorhaben äußerten sich hingegen die NEOS. Ob Leerstandsabgaben verfassungsrechtlich halten, hänge letztendlich zwar von deren konkreter Ausgestaltung ab, sagte Johannes Margreiter, er hat aber erhebliche Bedenken. So ist eine Leerstandsabgabe für ihn nichts anderes als eine Vermögensteuer, mit der das Immobilienvermögen privater Personen besteuert werde. Es wäre nicht zulässig, diese so hoch anzusetzen, dass Immobilienbesitzer:innen gezwungen sind, Wohnungen auf den Markt zu bringen, meinte er. Zudem hält er wenig von einer "Zersplitterung des Rechts" durch unterschiedliche Regelungen in den einzelnen Bundesländern.

Auch die Alternative, Leerstandsabgaben nicht steuerrechtlich, sondern über Verwaltungsstraftatbestände zu regeln, hält Margreiter schwer für umsetzbar. Dazu bräuchte es eine allgemeine Vermietungspflicht, die vor dem Verfassungsgerichtshof aber wohl keinen Bestand haben werde.

Um mehr leistbaren Wohnraum zu schaffen, will Margreiter demgegenüber die gemeinnützigen Bauträger und die Gemeinden in die Pflicht nehmen und gleichzeitig Anreize für die Vermietung privater Wohnungen setzen. Viele würden Vermietungen scheuen, weil sie eine Veranlagung durchführen müssten, glaubt er. Dem könnte man dadurch begegnen, dass man Einkünfte aus einer privaten Vermietung steuerfrei stelle.

Auch FPÖ-Abgeordneter Harald Stefan steht Leerstandsabgaben kritisch gegenüber. Er handle sich dabei um eine "eigentumsfeindliche Maßnahme", sagte er. In diesem Sinn wundere er sich, dass die ÖVP das unterstütze. Stefan bezweifelt zudem einen Lenkungseffekt: Wer es sich leisten könne, eine Wohnung leer stehen zu lassen, werde es sich weiter leisten, wer nicht, vermiete jetzt schon. Ebenso warnte er vor einem erheblichen bürokratischen Aufwand bei der Erfassung von Leerständen.

SPÖ begrüßt parlamentarische Diskussion

Ausdrücklich begrüßt wurde die parlamentarische Diskussion hingegen von SPÖ-Abgeordneter Selma Yildirim. Es gehe um ein gesellschaftspolitisch relevantes Thema, wobei die Rechtsfragen sehr komplex seien, erklärte sie. Die SPÖ wolle eine verfassungskonforme Lösung, die effektiv und wirkungsvoll sei. Viele Wohnungen würden seit Jahren leer stehen, teilweise auch aus Spekulationsgründen. Es sei unzumutbar, dass aufgrund der Wohnungsknappheit eine Dreizimmerwohnung zum Teil schon 1.700 € brutto koste. Yildirim verwies zudem auf "Hilfeschreie" von vielen Gemeinden. Achten muss man ihr zufolge darauf, dass kein Wildwuchs entstehe. Auch gelte es Datenschutzfragen zu klären.

NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak kritisierte, dass ursprünglich nur eine Begutachtungsfrist von 11 Tagen vorgesehen gewesen sei, und begrüßte in diesem Sinn die nunmehr vereinbarten vier Wochen. Ein "ordentlicher Vorgang" wäre es seiner Meinung nach aber gewesen, zunächst einen Ministerialentwurf auszuarbeiten, diesen regulär vier bis sechs Wochen in Begutachtung zu schicken und erst dann einen Gesetzentwurf im Parlament einzubringen.

SPÖ fordert Weiterentwicklung des Grundrechtekatalogs

Vom Verfassungsausschuss bereits zum zweiten Mal mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt wurde ein Entschließungsantrag der SPÖ (3685/A(E)), der auf eine Weiterentwicklung des Grundrechtekatalogs abzielt. Obwohl ÖVP und Grüne im Regierungsprogramm eine Wiederaufnahme von Allparteienverhandlungen zur Erarbeitung eines umfassenden österreichischen Grundrechtekatalogs und die Prüfung einer allfälligen Erweiterung des Grundrechtsschutzes vereinbart hätten, gehe in der Sache nichts weiter, kritisiert SPÖ-Verfassungssprecher Jörg Leichtfried. Insbesondere drängt die SPÖ darauf, soziale Grundrechte zu verankern. Man wolle nochmals an die Regierung appellieren, ihr eigenes Vorhaben anzugehen, begründete SPÖ-Abgeordneter Christian Oxonitsch die erneute Debatte im Ausschuss.

ÖVP-Abgeordnete Michaela Steinacker hielt der SPÖ entgegen, dass es bereits soziale Grundrechte in Österreich wie ein Recht auf medizinische Behandlung oder auf Pensionsleistungen gebe. Schließlich sei die EU-Grundrechtecharta Maßstab für gerichtliche Entscheidungen. Dadurch komme es auch zu Weiterentwicklungen. Im Übrigen habe auch der Österreich-Konvent keine abschließende Lösung zu diesem Thema gefunden, sagte Steinacker.

Generell skeptisch beurteilt die FPÖ die Schaffung sozialer Grundrechte. Die Forderung klinge zwar "auf den ersten Blick toll", sagte Werner Herbert, wie so oft liege aber "der Teufel im Detail". Seiner Ansicht nach gibt es in Österreich ein gutes Gleichgewicht bei den Grundrechten, man dürfe durch neue Rechte nicht bestehende Grund- und Freiheitsrechte beschränken.

FPÖ mahnt von Regierung konsequente Neutralitätspolitik ein

Ebenfalls zum zweiten Mal vertagt wurden die Beratungen über einen Entschließungsantrag (2420/A(E)), mit dem FPÖ-Chef Herbert Kickl und seine Fraktionskolleg:innen eine konsequente Neutralitätspolitik einmahnen. Werde Österreich in Folge des "ukrainisch-russischen Krieges" nicht länger als neutraler Staat wahrgenommen, könnte das im Falle einer Ausweitung des Konflikts verheerende Folgen für die Österreicherinnen und Österreicher haben, warnt die FPÖ und appelliert in diesem Sinn an die Regierung, sich als Vermittlerin zu positionieren und keine "neutralitätswidrigen EU-Maßnahmen" mitzutragen. Auch eine Untersagung von Truppen- und Waffentransporten durch heimisches Staatsgebiet, die Anhebung des Verteidigungsbudgets und die Wiedereinführung von acht Monate Grundwehrdienst gehören zum von der FPÖ vorgelegten "5-Punkte-Plan", der von Abgeordnetem Werner Herbert im Ausschuss nochmals vorgestellt wurde.

Sowohl Michael Hammer (ÖVP) als auch Selma Yildirim (SPÖ) werteten den Antrag als populistisch. Das Bekenntnis der SPÖ zur Neutralität sei ungebrochen, bekräftigte Yildirim, die "Scheindebatten" der FPÖ seien aber "nicht auszuhalten". Zudem sei der Antrag widersprüchlich und strotze vor Feindseligkeit gegenüber der EU.

NEOS drängen auf Änderung des Bundesarchivgesetzes

Bereits im Juni 2021 haben die NEOS einen Entschließungsantrag zur Änderung des Bundesarchivgesetzes eingebracht (1727/A(E)). Ihrer Meinung nach braucht es gesetzliche Änderungen, um sicherzustellen, dass tatsächlich alle beruflichen Nachrichten von obersten Staatsorgangen nach ihrem Ausscheiden ins Staatsarchiv gelangen. Als Beispiele werden etwa berufliche SMS und E-Mails von Regierungsmitgliedern genannt. Derzeit würden die Lieferungen nur unvollständig erfolgen, zudem habe das Staatsarchiv keine Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten bei Missachtung der Lieferpflicht, kritisiert Nikolaus Scherak. Auch jüngste Medienberichte hätten gezeigt, dass es dringend einen Sankionsmechanismus bräuchte, hielt er im Ausschuss fest.

SPÖ-Abgeordneter Christian Drobits verwies darauf, dass die SPÖ schon im Jahr 2020 einen entsprechenden Antrag eingebracht habe und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler seinerzeit versprochen habe, sich dieses Themas anzunehmen. Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz habe im Untersuchungsausschuss gesagt, sein Handy sei sein Handy, und was er lösche, stehe ihm zu, es sei aber wichtig, dass die berufliche Kommunikation von Regierungsmitgliedern dokumentiert werde, unterstrich Drobits. Es könne nicht sein, dass es zu einem Beratungsvertrag von 10,6 Mio. € keine Dokumentation gebe. Er drängte in diesem Sinn darauf, das Bundesarchivgesetz umfassend zu überarbeiten.

Seitens der ÖVP sprach sich Michael Hammer dafür aus, das Thema sachlich und breit zu diskutieren und nicht auf einzelne Berichte über geschredderte Unterlagen zu fokussieren. Für wichtig hält er es, dass die geltenden Bestimmungen eingehalten werden. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs