Parlamentskorrespondenz Nr. 650 vom 17.06.2024
Neu im Innenausschuss
Wien (PK) – Mit einer Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) wollen ÖVP und Grüne einerseits die Möglichkeiten der Sicherheitsbehörden für Durchsuchungen und Überwachungen erweitern und andererseits den behördeninternen und –externen Informationsaustausch zur Strafrechtspflege an die modernen Kommunikationsmöglichkeiten anpassen (4132/A). Vorgesehen ist unter anderem die Wiedereinführung des Einsatzes von Kennzeichenerkennungsgeräten mit angepassten datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs von 2019 hatte die damalige Ermächtigung zur Datenerfassung- und Speicherung als zu weitgehend eingestuft. Außerdem sollen die Befugnisse der Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit der besonderen Durchsuchungsanordnung erweitert werden. Diese soll künftig nicht mehr nur im Rahmen bestimmter Großveranstaltungen erlassen werden können, sondern auch bei "besonders gefahrengeneigten" Einrichtungen.
Mit der vorgeschlagenen Novelle ist zudem eine von den Sicherheitsbehörden gemeinsam geführte Datenverarbeitung ("Aktenindex") vorgesehen, um im Sinne der Datenrichtigkeit die eindeutige Zuordnung von Aktenvorgängen zu bestimmten Personen sicherzustellen. Geplant ist auch die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die sichere elektronische Kommunikation zwischen den Sicherheitsbehörden und unter anderem Gerichten, Staatsanwaltschaften und Vollzugsbehörden. Außerdem soll es etwa bei Geiselnahmen, Katastrophenfällen oder Staatsbesuchen möglich werden Bild- und Tondaten in Echtzeit an die Landesleitzentralen und an das Lagezentrum des Innenministeriums (BMI) zu übermitteln.
Einsatz von Kennzeichenerkennungsgeräten
Ein zentrales Element der vorgeschlagenen Novelle ist die Ermächtigung der Sicherheitsbehörden zum Einsatz von Kennzeichenerkennungsgeräten. Diese sollen für Zwecke der sicherheits- und kriminalpolizeilichen Fahndung Daten zur Identifizierung von Fahrzeugen (KFZ-Kennzeichen sowie Type, Marke und Farbe des Fahrzeuges) verarbeiten dürfen. Die Regelung soll es den Sicherheitsbehörden ermöglichen, gesuchte Fahrzeuge zu erkennen, zu identifizieren und als gefahndet zu verifizieren.
Die Erfassung soll ausdrücklich auf fahrzeugbezogene Daten, die für die Ermittlung erforderlich sind, eingeschränkt sein, wie aus der Begründung hervorgeht. Der automatische und nahezu zeitgleiche Abgleich mit Daten aus nationalen und internationalen Fahndungsevidenzen ist lediglich anhand der ausgelesenen KFZ-Kennzeichen vorgesehen. Nur im Falle einer Übereinstimmung zwischen dem erfassten Kennzeichen und einem in einer Fahndungsevidenz gespeicherten Kennzeichen, sollen die ermittelten Daten weiterverarbeitet werden dürfen. Andernfalls seien diese Daten automatisch und sofort zu löschen, wird in der Begründung klargestellt. Allenfalls bildlich erfasste Personen sollen unkenntlich gemacht werden, noch bevor das Bild den Sicherheitsbehörden zur Kenntnis gelangt. Weitere Regelungen betreffen zusätzliche Verhältnismäßigkeitsprüfungen insbesondere bei stationären Einsätzen, die länger als 72 Stunden innerhalb einer Woche dauern, sowie die Kontrolle des Einsatzes durch den Rechtsschutzbeauftragten des Innenministers.
Mehr Befugnisse bei Durchsuchungen
Die derzeitigen Befugnisse der Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit der besonderen Durchsuchungsanordnung greifen laut Begründung der Novelle zu kurz. Die bestehende Einschränkung der Geltungsdauer der Anordnung auf den Zeitraum der Abhaltung einer Großveranstaltung könne eine unter Umständen angezeigte Absicherung der Veranstaltungsstätten vor und nach der Abhaltung verhindern. Eine Befugnis für andere Einrichtungen und Anlagen, die besonders anfällig für die Begehung gefährlicher Angriffe sind, fehle aktuell gänzlich.
Daher soll mit der Novelle die Möglichkeit der Erlassung einer besonderen Durchsuchungsanordnung auch für solche Einrichtungen ermöglicht werden, wenn die sicherheitspolizeiliche Gefährdungseinschätzung ergibt, dass es dort zu Angriffen gegen Leib und Leben einer größeren Zahl von Menschen – laut Begründung etwa zehn - kommen kann. Dies soll auch für befürchtete Gewaltakte gelten, die sich gegen die Freiheit oder das Eigentum von circa zehn Personen richten. Als "besonders gefahrengeneigt" könnten etwa Flughäfen, Bahnhöfe, U-Bahn-Stationen oder sonstige Einrichtungen kritischer Infrastruktur sowie deren unmittelbares Umfeld eingestuft werden, wie aus der Begründung hervorgeht.
Bei Vorliegen einer entsprechenden Gefährdungseinschätzung soll die Sicherheitsbehörde ermächtigt werden, zeitlich und örtlich begrenzte Verordnungen zu erlassen. Dadurch soll der Zutritt zur betreffenden Einrichtung von der Bereitschaft des Einzelnen abhängig gemacht werden, seine Kleidung, mitgeführte Behältnisse oder gegebenenfalls sein Fahrzeug durchsuchen zu lassen. Damit sei jedoch keine Befugnis zur Ermittlung personenbezogener Daten verbunden, wird in der Novelle festgehalten. Die Verordnung sei aufzuheben, sobald keine Gefährdung mehr zu befürchten ist, und tritt jedenfalls eine Woche nach ihrem Wirksamwerden außer Kraft. Bei Verweigerung der Durchsuchung soll kein Anspruch auf Erstattung eines allfälligen für den Eintritt oder die Beförderung bezahlten Ticketpreises gegenüber dem Bund bestehen.
Mehr Befugnisse soll die Polizei auch im Telekommunikationsbereich erhalten. So ist etwa die Ermöglichung sogenannter "WHOIS"-Anfragen geplant, um im Anlassfall die Daten eines Homepage-Betreibers bei der Registrierungsstelle zu erfragen und in weiterer Folge vom zuständigen Betreiber die IP-Adresse sowie Name und Anschrift des IP-Adressen-Benutzers in Erfahrung zu bringen. Weiters soll klargestellt werden, dass bei der Lokalisierung einer technischen Einrichtung der geografische Standort und die zur internationalen Kennung des Benutzers dienende Nummer (IMSI) ohne Mitwirkung des Anbieters festgestellt werden.
Gemeinsame Datenverarbeitung der Sicherheitsbehörden
Die polizeiliche Protokollierung und Dokumentation ist bisher nicht als gemeinsame Datenverarbeitung aller Sicherheitsbehörden ausgestaltet, sondern als lokal geführte Aktenverwaltung, wie aus der Begrünung der Novelle hervorgeht. Jede Sicherheitsbehörde hat somit grundsätzlich nur Einblick in die Akten und Dokumentationen des eigenen Zuständigkeitsbereichs. Die Exekutive verfüge daher über keinen gesamthaften Zugang zu Dokumentationsvorgängen zu einer bestimmten Person, was etwa bei unterschiedlichen Schreibweisen von Namen die Verlässlichkeit der Daten beeinträchtige. Dies könne nicht nur die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden wesentlich erschweren, sondern etwa aufgrund von Verwechslungsgefahren auch die Rechte von Betroffenen beeinträchtigen.
Mit der Novelle ist daher eine von den Sicherheitsbehörden gemeinsam geführte Datenverarbeitung ("Aktenindex") vorgesehen, um im Sinne der Datenrichtigkeit die eindeutige Zuordnung von Aktenvorgängen zu einer bestimmten Person sicherzustellen. Dazu soll es zulässig sein, ausgewählte Daten zu Verdächtigen, Beschuldigten und Verurteilten im Rahmen eines Index verfügbar zu haben.
Datenverarbeitungen sollen von mehreren Sicherheitsbehörden geführt werden können, wenn dies wegen eines sprengelübergreifenden Einsatzes erforderlich ist. Insbesondere das im Innenministerium (BMI) eingerichtete Lagezentrum soll zur Datenverarbeitung gemeinsam mit den lokalen Sicherheitsbehörden für diese Zwecke berechtigt werden.
Damit werde weder eine eigenständige Ermittlungsermächtigung geschaffen noch der direkte Zugriff auf den gesamten Akten- und Dokumentationsbestand der Sicherheitsbehörden ermöglicht, wird in der Begründung klargestellt. Vielmehr sollen nur bestimmte Daten, die bereits im Rahmen der Protokollierung und Dokumentation der Tätigkeiten der Sicherheitsexekutive verarbeitet werden, in einer als Aktenindex generierten Datenverarbeitung angezeigt werden. In diesem Sinne dürfen laut Begründung ausschließlich Namen, Geschlecht, frühere Namen, Aliasdaten, Staatsangehörigkeit, Geburtsdatum, Geburtsort, Wohnanschrift, bereichsspezifische Personenkennzeichen (bPK), Namen der Eltern, Grund des Einschreitens, Verwaltungsdaten sowie ein Hinweis auf bereits vorhandene erkennungsdienstliche Daten aus dem Aktenbestand in den Aktenindex übernommen werden. Durch die Verarbeitung des bPK soll eine eindeutige personenbezogene Zuordnung sichergestellt werden.
Elektronische Akteneinsicht
Nicht zuletzt die Corona-Pandemie habe bei den Sicherheitsbehörden Bedarf an einem verstärkten Einsatz von elektronischen Kommunikationswegen aufgezeigt, wird in der Begründung zudem ausgeführt. Daher sieht die Novelle auch die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die sichere elektronische Kommunikation im Bereich der Strafrechtspflege vor. Die elektronische Kommunikation im Bereich der Strafrechtspflege zwischen den Sicherheitsbehörden und den Gerichten, Staatsanwaltschaften, Vollzugsbehörden sowie etwa Rechtsanwält:innen soll künftig im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs erfolgen, sofern die technischen Möglichkeiten dafür bestehen. Dies solle eine Vereinfachung der Verwaltung bei gleichzeitiger Gewährleistung einer sicheren elektronischen Kommunikation ermöglichen.
Ermöglichung von Echtzeitdatenübertragungen
Zur Verbesserung des Informationsflusses soll es den Sicherheitsbehörden zudem künftig ermöglicht werden, Bild- und Tondaten in Echtzeit an die bei den Landespolizeidirektionen (LPD) angesiedelten Landesleitzentralen und an das Lagezentrum des BMI zu übermitteln. Diese sollen unmittelbar Informationen über laufende (Groß-)Einsätze erhalten, wenn dies zur Wahrnehmung ihrer Aufgabe der Unterstützung bei der Koordinierung von Einsätzen erforderlich ist. Genannt werden in der vorgeschlagenen Novelle etwa Geiselnahmen, Katastrophenfälle, oder Staatsbesuche.
Übermittelt werden sollen nur von den Sicherheitsbehörden rechtmäßig ermittelte Daten . Bild- und Tondaten, welche die Sicherheitsbehörden auf Grundlage der Straßenverkehrsordnung (z.B. durch Verkehrskameras) erfassen, seien daher nicht umfasst. Zudem sollen diese ausschließlich in Echtzeit übermittelt und beim Empfänger nicht aufgezeichnet werden dürfen. Diese Einschränkung trage dem Umstand Rechnung, dass die Echtzeitübertragung im Vergleich zur Datenspeicherung das gelindere Mittel (Grundsatz der Datenminimierung) und damit einen geringeren Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz darstelle, wird in der Begründung erklärt.
Schließlich soll es durch die Novelle ermöglicht werden, die Daten hilflos aufgefundener Personen zu speichern, um deren Identität auch im Falle einer erst später erfolgenden Abgängigkeitsanzeige klären zu können. (Schluss) wit