Parlamentskorrespondenz Nr. 260 vom 04.04.2025

Landwirtschaftsausschuss: Soll Glyphosat verboten werden?

Wien (PK) – Die Forderung nach einem Verbot des zur Unkrautbekämpfung eingesetzten Wirkstoffs Glyphosat stand im Mittelpunkt eines Hearings mit Experten im heutigen Landwirtschaftsausschuss. Ausgangspunkt der Diskussion war das Volksbegehren "Glyphosat verbieten" (3 d.B.). Nach Ansicht der 121.734 Unterstützer:innen soll ein ausnahmsloses Glyphosatverbot sofort umgesetzt werden. Es gehöre nicht nur aus der heimischen Nahrungsmittelproduktion, sondern auch aus importierten Lebensmitteln restlos verbannt.

Den Abgeordneten standen als Experten der Biochemiker und Experte für Pestizide und Chemie der Umweltschutzorganisation Global 2000 Helmut Burtscher-Schaden, der Landwirt Hans Gnauer sowie der ehemalige fachliche Geschäftsführer der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) sowie einstige Direktor des Bundesamts für Ernährungssicherheit Thomas Kickinger zur Verfügung. Sie legten ihre Meinung zu den Vorteilen und zu den Nachteilen des Wirkstoffs dar. Burtscher-Schaden sprach sich für ein Verbot von Glyphosat angesichts von dessen Langzeitfolgen und der krebserregenden Wirkung aus. Gnauer berichtete aus seiner Praxis über den Vorteil des Glyphosateinsatzes im Ackerbau. Kickinger wiederum erläuterte seine Einblicke in das Zulassungsverfahren von Glyphosat. Die ebenfalls nominierte Umwelt- und Klimaexpertin der Arbeiterkammer Wien Iris Strutzmann war verhindert.

Ein im Zuge der Debatte von den Grünen eingebrachter Entschließungsantrag fand keine Zustimmung bei den anderen Fraktionen. Sie forderten, dass die Wirkstoffe Glyphosat sowie Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) verboten werden. Ebenso sollen Pestizide, die diese Wirkstoffe enthalten, die Zulassung entzogen werden. PFAS-Substanzen seien nicht abbaubar und dementsprechend in der Umwelt angereichert, argumentierten die Grünen.

In der anschließenden Aussprache äußerte sich auch Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig zu dem Anliegen des Volksbegehrens. Österreich habe im EU-Rat aufgrund eines Auftrags des Parlaments gegen eine Verlängerung der Zulassung von Glyphosat gestimmt, sei aber überstimmt worden, erklärte er. Ein Alleingang im Hinblick auf ein Totalverbot ist aus seiner Sicht nicht möglich, in Österreich würden aber weitest mögliche Einschränkungen gelten. Das Totalverbot in Luxemburg ist ihm zufolge inzwischen vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben worden.

Burtscher-Schaden: Landwirtschaft hat ein systemisches Problem und ist in einer "Pestizidfalle"

Glyphosat werde von der WHO als krebserregend eingestuft und er würde daher ein Verbot von Glyphosat unterstützen, sagte Helmut Burtscher-Schaden in seinem Eingangsstatement. Der EU-Pestizidverordnung nach dürften Wirkstoffe, auch wenn sie nur wahrscheinlich krebserregend eingestuft werden, nicht zugelassen werden. Das gegenteilige Ergebnis bei dem EU-Zulassungsverfahren sei daher wissenschaftlich nicht haltbar. Die Gefährlichkeit für die menschliche Gesundheit liege am außergewöhnlichen toxikologischen Profil dieser Chemikalie. Dies zeige sich auch daran, dass Glyphosat gleichzeitig als Rohrreiniger, Herbizid oder Antibiotikum patentiert sei. Es gebe Hinweise, dass es neben der krebserregenden Wirkung auch hormonelle Auswirkungen auf die Fortpflanzungsfähigkeit habe und es ein erhöhtes Risiko für Parkinson sowie Störungen aus dem Autismusspektrum gebe. Die entsprechenden Studien seien unzureichend in das Zulassungsverfahren eingeflossen, kritisierte er. Global 2000 habe deswegen gemeinsam mit anderen Organisationen eine Klage beim Europäischen Gerichtshof eingebracht. Dieses Verfahren sei sehr umfassend, "ziehe" sich seit mittlerweile 1,5 Jahren und es sei frühestens Ende 2026 mit einer Entscheidung zu rechnen.

Als "kreditschädigend" bezeichnete Burtscher-Schaden eine Aussage von Abgeordneter Bettina Zopf (ÖVP). Diese zitierte aus einem Fernsehinterview, wonach Burtscher-Schaden Glyphosat als einen der "harmlosesten Wirkstoffe" bezeichnet habe. Er könne ausschließen, dass er so etwas jemals gesagt habe, sagte Burtscher-Schaden darauf. Glyphosat habe eine geringe akute Toxizität, dies sage aber nichts über dessen krebserregenden oder neurotoxischen Wirkungen.

In der Europäischen Union gebe es das beste Zulassungsverfahren für chemische und natürliche Pestizidwirkstoffe. Die Verfahren würden unabhängig, objektiv und transparent erfolgen. Dies sei aber beim Zulassungsverfahren von Glyphosat nicht erfüllt worden. Vielmehr sei dabei "verdammt viel schief" gelaufen, meinte Burtscher-Schaden gegenüber Christoph Steiner (FPÖ). Es sei die Risikobewertung nicht entsprechend objektiv erfolgt. So sei die europäische EFSA im Unterschied zur WHO zum Ergebnis gekommen, dass Glyphosat nicht krebserregend sei, sagte der Experte zu Lukas Hammer (Grüne). Vom Europaparlament sei auch ein Plagiatsgutachten zu den Bewertungen in Auftrag gegeben worden. Die WHO-Krebsforschungsagentur sei jedenfalls die "wissenschaftlich und regulatorisch höchste Instanz". Bei dieser würden Expert:innen aus der ganzen Welt zusammenkommen und eine Entscheidung zu Stoffen treffen.

Hinsichtlich der Auswirkungen auf die Artenvielfalt und die Umwelt sei Glyphosat wie auch andere Pestizide sehr problematisch, erklärte der Experte Olga Voglauer (Grüne). Es gebe ein systemisches Problem und die Landwirtschaft sei in einer "Pestizidfalle". Sie würde Stoffe einsetzen, die auch ihr selbst schaden.

Gnauer für bodenschonende Feldbearbeitung

Angesichts des Klimawandels müssen die Böden und Erträge nachhaltig gesichert werden, erklärte der Landwirt und nach eigenen Angaben auch "Anwender" von Glyphosat Hans Gnauer. Dazu müsse der Boden als Puffersystem im Klimawandel angepasst werden. Es brauche hier unter anderem gute Fruchtfolgen, die Förderung des Bodenlebens, eine bodenschonende Bearbeitung und eine ausgewogene Düngung. Um einen solchen Bodenaufbau zu schaffen, sei Glyphosat ein Werkzeug dazu. Dieses setze er effizient, gezielt und am Punkt ein. Das Ergebnis sei, dass mehr CO2 in den Böden als Humus gespeichert werden kann. Dies bedeute mehr Wasserspeichervermögen und in Folge eine Stabilisierung der Erträge. Bodenbearbeitung würde das Bodenleben stärker beeinträchtigen als Dünger und Chemie, plädierte Gnauer für Direktsaat. Durch den Einsatz von Glyphosat sei zudem weniger Toxizität auf den Feldern möglich, zitierte er ein Studienergebnis.

Beim Projekt "Bodenpioniere" seien fortgeschrittene mit herkömmlichen Wirtschaftsweisen verglichen worden, erklärte er auf die Nachfrage von Klaus Lindinger (ÖVP). Durch die andere Art der Bewirtschaftung sei es möglich, dass die Bodenstruktur und ‑fruchtbarkeit verbessert, die Wasserspeicherkapazität erhöht und dadurch auch Starkregenereignisse stark abgepuffert werden.

Auch wenn Glyphosat verboten wird, würde man es nicht los werden, meinte der Experte zu Klaus Mair (ÖVP). Auch durch Prozesse in Kläranlagen werde Glyphosat produziert. Grund dafür seien wasserenthärtende Stoffe beim Wäschewaschen.

Glyphosat dürfe zur Kulturvorbereitung und bis fünf Tage nach der Saat eingesetzt werden, antwortete Gnauer zu der Frage von Elisabeth Feichtinger (SPÖ) nach den Einsatzarten in Österreich. Das Produkt selbst komme aber nie in Kontakt mit dem Wirkstoff, betonte er. Nach der Abtötung des Unkrauts durch Glyphosat würden in seiner Bewirtschaftungsweise die Kulturen ohne Bodenbearbeitung eingesät. Dies sei wichtig, da alle Eingriffe in die Böden das Bodenleben zerstören würden. Die Habitate der Bodenlebewesen seien wichtig, da sie als Infiltrationsräume für Wasser dienten. Dadurch würde Erosion verhindert, die massive Auswirkungen auf die Erträge habe. Die Böden und deren Ertragskraft müssen für künftige Generationen gesichert werden, forderte Gnauer.

Kickinger: EU-Zulassungsverfahren sinnvoll wegen Komplexität

Thomas Kickinger hob in seinem Statement die Bedeutung EU-weiter Zulassungsverfahren hervor und ging auf das umfassende Zulassungsverfahren für Glyphosat ein. Die Verfahren seien grundsätzlich sehr transparent, würden wissenschaftsbasiert erfolgen und die Mitgliedsstaaten seien einbezogen. Die Risikobewertung von Glyphosat sei sehr umfassend gewesen. Rund 100 Expert:innen hätten bei dessen 32-monatigen Zulassungsverfahren mitgearbeitet und über 2.000 Studien seien eingeflossen. Diese seien zum Ergebnis gekommen, dass "keine kritischen Problembereiche von Glyphosat betreffend Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt festgestellt wurden". Auf dieser Basis sei Glyphosat und in Folge auch die einzelnen Pflanzenschutzmittel in den einzelnen Mitgliedsstaaten zugelassen worden, erklärte Kickinger gegenüber Karin Doppelbauer (NEOS).

Das System der Zulassungsverfahren in der EU funktioniere gut und sei sehr umfassend. Solch aufwendige Verfahren seien nur sehr schwer durch einzelne Mitgliedsstaaten durchführbar, meinte der Experte zu der Frage von Christoph Steiner (FPÖ) über mögliche Folgen eines österreichischen Alleingangs.

Auf die Frage nach Alternativprodukten zu Glyphosat, meinte Kickinger zu Albert Royer (FPÖ), Manuel Pfeifer (FPÖ), Klaus Lindinger (ÖVP) und Heinrich Himmer (SPÖ), dass ihm keine entsprechenden Produkte bekannt seien. Zudem beantwortete der Experte Nachfragen von Bernhard Höfler (SPÖ) zum Ablauf der Zulassungsverfahren.

Debatte der Fraktionen

Es gelte, die Bedenken der 122.000 Unterstützer:innen ernst zu nehmen, erklärte Klaus Lindinger (ÖVP). Die Diskussion müsse auf der Basis wissenschaftlicher Fakten erfolgen. Glyphosat werde nur dann eingesetzt, wenn es unbedingt notwendig sei, betonte er. Es werde daher in der konventionellen Landwirtschaft in großen Teilen kein Glyphosat eingesetzt. Zudem kritisierte er das Hinterfragen der Objektivität der EFSA durch den Experten Burtscher-Schaden. Glyphosat hemme das Wachstum von Pflanzen und es gebe derzeit keinen alternativen Wirkstoff. Insgesamt müsse der Pflanzenschutz im Sinne der Ernährungssicherheit sichergestellt werden, forderte Lindinger.

Das Verbot eines einzelnen Wirkstoffs greife zu kurz, meinte Elisabeth Feichtinger (SPÖ) und wies auf beabsichtigte Maßnahmen durch das im Regierungsprogramm verankerte Pestizidkapitel hin.

Olga Voglauer (Grüne) kritisierte den Einsatz von Glyphosat. Alle Pestizide, die Glyphosat oder Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) enthalten, sollen verboten werden, forderte sie mittels Entschließungsantrag. Ebenso sollen auf EU-Ebene den Wirkstoffen an sich die Zulassung entzogen werden. Die Abgeordnete kritisierte das Argument, wonach Glyphosat einen bodenschonenden Anbau ermögliche. Die biologische Landwirtschaft würde das Gegenteil beweisen und ohne Glyphosat gut auskommen. (Fortsetzung Landwirtschaftsausschuss) pst/gs