Bundesrat Stenographisches Protokoll 623. Sitzung / Seite 78

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der des Bundesrates sollten zweifellos die Möglichkeit nützen, an dieser Generaldebatte teilzunehmen.

Es kann uns niemand daran hindern, uns, wenn auch außerhalb unserer Geschäftsordnung – es liegt von uns ein Vorschlag vor, daß das auch innerhalb der Geschäftsordnung möglich sein sollte –, jetzt schon mit diesem Thema zu beschäftigen. Das wird auch bei uns seine Zeit brauchen. Und da gebe ich Ihnen sogar recht, ich möchte das nicht unbedingt 14 Tage nach dem Nationalratsbeschluß beschließen müssen, wenn wir nicht jetzt darüber außerhalb der Geschäftsordnung nachzudenken und zu debattieren beginnen. Es wird Zeit sein, diese Initiative grundsätzlich zu überprüfen, nachzudenken, vielleicht auch das eine oder andere zu verbessern. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Nur: All das, was Sie an Gefahren und negativen Möglichkeiten in Ihrer dringlichen Anfrage und deren Begründung formuliert haben, ist darin nicht zu finden. Sie werden sehen, daß es ein guter Schritt in Richtung finanzielle Disziplin in einer stabilen Zukunft ist und sonst nichts. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.20

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zum Wort gemeldet ist Herr Dr. Böhm. – Bitte.

17.20

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich versuche, jetzt wieder den Boden der Sachlichkeit zu betreten.

Unsere dringliche Anfrage betreffend den Konsultationsmechanismus und den Bundesrat versteht sich im größeren Zusammenhang der sogenannten "Bundesstaatsreform". Ich spreche bewußt von "sogenannter Reform", ist doch schon höchst fraglich, ob die von der Bundesregierung im Juni 1994 vorgeschlagene Neuordnung der Kompetenzverteilung überhaupt als eine echte Bundesstaatsreform einzustufen ist. Nimmt man Begriffe nämlich ernst, kann als "Reform" doch zweifellos nur eine Veränderung zum sachlich Besseren hin verstanden werden. Wäre aber die vorgesehene Regierungsvorlage einer Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle in diesem Sinne überhaupt ernsthaft als qualitativer Fortschritt zu bewerten? Wäre sie wirklich ein Ausbau unseres föderalistischen Systems, das anerkanntermaßen und unbestrittenermaßen im internationalen Vergleich mit echten Bundesstaaten an sich schon äußerst unterentwickelt ist? (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Eine Bundesstaatsreform, die ihren Namen verdient, müßte ja das grundlegendste Reformvorhaben seit der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle von 1929 und seit dem Beitritt Österreichs zur EU darstellen. Daß übrigens der Beitritt zur EU, der den Status der österreichischen Bundesländer nochmals um eine Ebene reduziert hat, an sich bereits die umfassendste Änderung unserer Bundesverfassung bedeutete, wurde ja ungeachtet der gerade deshalb und nur deshalb obligatorischen Volksabstimmung – der einzigen, die wir bisher diesbezüglich hatten – in einer demokratietheoretisch wie -politisch höchst bedenklichen Vorgangsweise vor dem Volk völlig verschleiert! Eben dieser Funktions- und Kompetenzverlust verstärkte ja den Ruf nach Kompensationen zugunsten der Länder.

Aber zurück zur Regierungsvorlage: Die nachteiligen Auswirkungen der bisher vorgesehenen Kompetenzverschiebungen auf die Aufgaben der gesetzgebenden Körperschaften und die parlamentarischen Kontrollrechte sind so evident wie exorbitant. Das gilt schon für die politische Kontrolle des Nationalrates, die unbestrittenermaßen nur gegenüber der Vollziehung des Bundes besteht. Sie entfällt in weiten Teilen endgültig aber bereits dann, wenn die mittelbare Bundesverwaltung durch die autonome Landesverwaltung ersetzt werden sollte. So sehr das an und für sich gerade vom föderalistischen Standpunkt aus zu begrüßen wäre – diese Verschiebung von der mittelbaren Bundesverwaltung auf die Landesverwaltung – und so wenig uns daher auf den ersten Blick die verbleibende Funktion des Nationalrats in unserer Eigenschaft als Länderkammer zu interessieren braucht, wird doch zugleich auch daran deutlich, daß sich die Gewaltenteilung unverkennbar von der Legislative zur Exekutive verschiebt! Kontrollrechte, die


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