damaligen Bundesregierung vom Entlastungsfaktor her sozial nicht ausgewogen waren. Es wurde als eine der Äquivalentfinanzierungen für die Streichung der Vermögenssteuer und der Gewerbeertragssteuer, die Betrieben beziehungsweise den wirtschaftlich potenteren Bürgern unseres Landes diente, beschlossen, daß die Rücklagen für Jubiläumsgelder nicht mehr steuerlich geltend zu machen sind. Um das Verhältnis klarzustellen: Die Republik hat durch die Streichung der Vermögenssteuer und Gewerbeertragssteuer an Unternehmen, Vermögende, sagen wir, 100 gegeben und dadurch, daß die Rücklagen für Jubiläumsgelder nicht mehr steuerlich absetzbar sind, versucht, 10 zurückzubekommen. In solch einem Verhältnis steht das ungefähr.
Irgendwer, dem das nicht gepaßt hat, ging zum Verfassungsgerichtshof. Dieser hat diese Bestimmung aufgehoben. Das heißt, der gesamte gesellschaftliche Konsens ist abgebrochen worden. Wenn ich mir vorstelle, daß wir eine Steuerreform vorhaben, die viel mehr an Manövriermasse bewegen soll, bei der es steuerliche Nachlässe, aber auch Äquivalentfinanzierung geben muß, dann muß ich sagen, eine solche Steuerreform wird budgetär mittelfristig zu einem erheblichen Risiko. Das muß man auch in aller Öffentlichkeit diskutieren, und man muß auch den Verfassungsgerichtshof auf seine gesamtgesellschaftspolitische Verantwortung hinweisen.
Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.
Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Herr Bundesminister! Könnte die Tatsache, daß der Verfassungsgerichtshof immer mehr Gesetze aufhebt, damit zusammenhängen, daß immer mehr Anlaßgesetzgebung betrieben wird und langfristige Strategien in den Hintergrund treten?
Präsident Ludwig Bieringer: Herr Bundesminister, bitte.
Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich glaube, gerade jene steuerpolitischen Gesetze, von denen ich gesprochen habe, waren nicht Gegenstand von Anlaßgesetzgebungen, sondern waren durchaus strategisch eingebettet, beispielsweise in die Steuerreform 1994.
Aber es mag schon sein, daß man, weil die Mindest-KöSt auch ein äquivalenter Bestandteil eines gesamten Paketes war, das so empfinden kann. Ich habe jedenfalls nicht vor, die Steuerreform 2000 als Anlaßgesetzgebung zu konzipieren, sondern als ein Reformwerk, das dort Erleichterungen schafft, wo es notwendig ist, dort Veränderungen schafft, wo wir das aus wirtschaftlichen Gründen brauchen – etwa beim Faktor Arbeit –, wo wir es aus langfristigen politischen Gründen brauchen – etwa bei der schrittweisen Ökologisierung des Gesamtsystems –, das aber letztendlich auch die soziale Ausgewogenheit der Steuergesetzgebung in Österreich gewährleistet. Ich habe jedenfalls nicht vor, sie so zu konzipieren, daß sie die Bezeichnung Anlaßgesetzgebung verdienen würde.
Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Stefan Prähauser zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.
Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Bundesminister! Werden Sie sich durch vereinzelte Aufhebungen von Steuergesetzen durch den Verfassungsgerichtshof zukünftig davon abhalten lassen, weiter für eine gerechtere Besteuerung und somit für eine gerechtere Verteilung der eingehobenen Steuergelder zu sorgen?
Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.
Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Die Steuerpolitik soll grundsätzlich sozial gerecht sein. Wie das ein Dritter beurteilt, ist zunächst nicht von besonderer Relevanz. Nur eines ist ganz wichtig, nämlich daß man nicht vergißt, daß, wenn vielleicht dort oder da ein Gesetz aufgehoben wird, dadurch unter Umständen das soziale Gleichgewicht der vorigen Maßnahmen irritiert wird, und darauf muß man bei nächster Gelegenheit im Hinblick auf sozialpolitische Ausgewogenheit Rücksicht nehmen.
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