Stenographisches Protokoll

709. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Mittwoch, 19. Mai 2004

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

709. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 19. Mai 2004

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 19. Mai 2004: 9.01 – 17.12 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht betreffend den Abbau von Benachteiligungen von Frauen (Berichts­zeitraum 2001–2002)

2. Punkt: Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität

3. Punkt: Übereinkunft über die Auslegung von Art. 12 Abs. 2 des Übereinkommens über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über die Militär­dienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Militärauszeichnungsgesetz 2002 geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körper­schaftsteuergesetz 1988, das Mineralölsteuergesetz 1995, das Schaumweinsteuerge­setz 1995, das Biersteuergesetz 1995, das Finanzstrafgesetz und die Bundesabgaben­ordnung geändert werden (Steuerreformgesetz 2005 – StReformG 2005)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ergänzende Regelungen über das Vorgehen der Zollbehörden im Verkehr mit Waren, die ein Recht am geistigen Eigentum verletzen, erlassen werden (Produktpirateriegesetz 2004 – PPG 2004)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 6

Fragestunde (102.)

Gesundheit und Frauen ................................................................................................ 6

Michaela Gansterer (1325/M-BR/04); Christoph Hagen, Elisabeth Kerschbaum, Johanna Auer


Bundesrat
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709. Sitzung / Seite 2

Johanna Auer (1330/M-BR/04); Martina Diesner-Wais, Mag. John Gudenus, Dr. Ruperta Lichtenecker

Mag. John Gudenus (1329/M-BR/04); Stefan Schennach, Reinhard Todt, Paul Fasching

Herta Wimmler (1326/M-BR/04); Christoph Hagen, Dr. Ruperta Lichtenecker, Adelheid Ebner

Roswitha Bachner (1331/M-BR/04); Ing. Hermann Haller, Dr. Peter Böhm, Dr. Ruperta Lichtenecker

Stefan Schennach (1334/M-BR/04); Roswitha Bachner, Sissy Roth-Halvax, En­gelbert Weilharter

Paul Fasching (1327/M-BR/04); Christoph Hagen, Stefan Schennach, Wolfgang Schimböck

Helmut Wiesenegg (1332/M-BR/04); Josef Saller, Mag. John Gudenus, Dr. Ru­perta Lichtenecker

Gottfried Kneifel (1328/M-BR/04); Ing. Siegfried Kampl, Elisabeth Kerschbaum, Albrecht Konecny

Dr. Erich Gumplmaier (1333/M-BR/04); Gottfried Kneifel, Ing. Siegfried Kampl, Dr. Ruperta Lichtenecker

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 30

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 30

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht der Bundesregierung betreffend den Abbau von Benachteili­gungen von Frauen (Berichtszeitraum 2001–2002) (III-255-BR/2004 d.B. sowie 7035/BR d.B.) ................. 31

Berichterstatterin: Herta Wimmler ................................................................................ 31

Redner:

Roswitha Bachner ........................................................................................................ 31

Karl Bader ..................................................................................................................... 34

Wolfgang Schimböck .................................................................................................. 36

Christoph Hagen .......................................................................................................... 39

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 41

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat ...................................................................... 43

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-255-BR/2004 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 45

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Mai 2004 betreffend ein Über­einkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (424 d.B. und 455 d.B. sowie 7036/BR d.B.) ................................................................................................................. 45

Berichterstatter: Günther Molzbichler ......................................................................... 45


Bundesrat
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709. Sitzung / Seite 3

Redner:

Dr. Franz Eduard Kühnel ............................................................................................. 45

Dr. Elisabeth Hlavac ..................................................................................................... 46

Dr. Peter Böhm ............................................................................................................. 48

Stefan Schennach .................................................................................................  51, 56

Adelheid Ebner ............................................................................................................. 52

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer .................................................................... 54

Christoph Hagen .......................................................................................................... 55

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. gegen den Be­schluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben ......................................................................................................................................... 57

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Mai 2004 betreffend Übereinkunft über die Auslegung von Art. 12 Abs. 2 des Übereinkommens über die Ver­minderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über die Militärdienst­pflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit (133 d.B. und 458 d.B. sowie 7037/BR d.B.) ................................................................................................................. 58

Berichterstatter: Ewald Lindinger ................................................................................ 58

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Mai 2004 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Militärauszeichnungsgesetz 2002 geändert wird (304/A und 459 d.B. sowie 7038/BR d.B.)                        58

Berichterstatter: Ewald Lindinger ................................................................................ 58

Redner:

Dr. Franz Eduard Kühnel ............................................................................................. 58

Günther Kaltenbacher ................................................................................................. 60

Bundesminister Günther Platter ................................................................................ 61

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................. 62

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 62

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Mai 2004 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuerge­setz 1988, das Mineralölsteuergesetz 1995, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Biersteuergesetz 1995, das Finanzstrafgesetz und die Bundesabgabenord­nung geändert werden (Steuerreformgesetz 2005 – StReformG 2005) (451 d.B. und 461 d.B. sowie 7039/BR d.B.) ........................................................................................ 62

Berichterstatter: Johann Höfinger ................................................................................ 62

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Mai 2004 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird (462 d.B. sowie 7034/BR d.B. und 7040/BR d.B.)             ............................................................................................................................... 62

Berichterstatter: Johann Höfinger ................................................................................ 63


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709. Sitzung / Seite 4

Redner:

Wolfgang Schimböck .................................................................................................. 63

Ludwig Bieringer .......................................................................................................... 65

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 68

Engelbert Weilharter .................................................................................................... 70

Staatssekretär Dr. Alfred Finz ...........................................................................  73, 119

Harald Reisenberger .................................................................................................... 75

Hans Ager ..................................................................................................................... 80

Stefan Schennach ...............................................................................................  84, 122

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 86

Dr. Erich Gumplmaier ................................................................................................. 89

Martina Diesner-Wais .................................................................................................. 92

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 93

Ing. Hermann Haller ..................................................................................................... 95

Günther Prutsch ........................................................................................................... 98

Josef Saller ................................................................................................................... 99

Reinhard Todt ............................................................................................................. 100

Ferdinand Tiefnig ....................................................................................................... 102

Werner Stadler ............................................................................................................ 104

Sonja Zwazl ........................................................................................................  106, 119

Helmut Wiesenegg ..................................................................................................... 108

Mag. Harald Himmer .................................................................................................. 110

Albrecht Konecny ...................................................................................................... 113

Mag. John Gudenus ................................................................................................... 116

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 124

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 124

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Mai 2004 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ergänzende Regelungen über das Vorgehen der Zollbehörden im Verkehr mit Waren, die ein Recht am geistigen Eigentum verletzen, erlassen werden (Produktpirateriegesetz 2004 – PPG 2004) (452 d.B. und 463 d.B. sowie 7041/BR d.B.) ............................................................................................................... 124

Berichterstatter: Hans Ager ........................................................................................ 124

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 125

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Karl Boden, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Vergabe von Fördermittel an Vereine (2187/J-BR/04)

Ana Blatnik, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissen­schaft und Kultur betreffend Volksgruppenförderungen (2188/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Abkommen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten über die Erfassung von Flugpassagierdaten auf transnationalen Flügen und deren Übermittlung an amerikanische Sicherheitsbehörden oder ein Schlag in das Gesicht des Europäischen Parlaments durch die EU-Außenminister (2189/J-BR/04)


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Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Rotes Kreuz Steiermark (2190/J-BR/04)

Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Förderun­gen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundes­land Steiermark (2191/J-BR/04)

Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leis­tungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2192/J-BR/04)

Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wis­senschaft und Kultur betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2193/J-BR/04)

Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2194/J-BR/04)

Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2195/J-BR/04)

Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2196/J-BR/04)

Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2197/J-BR/04)

Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2198/J-BR/04)

Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Förderungen, Aufwendungen, Pro­jekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2199/J-BR/04)

Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicher­heit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2200/J-BR/04)

Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2201/J-BR/04)

Herwig Hösele, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Steiermark (2202/J-BR/04)

Anfragebeantwortung

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kersch­baum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weisungen an die BH Gmünd (1982/AB-BR/04 zu 2173/J-BR/04)



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Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

 


Präsident Jürgen Weiss: Ich eröffne die 709. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 708. Sitzung des Bundesrates vom 17. Mai 2004 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Theodor Binna, Eva Kon­rad, Johann Kraml und Franz Wolfinger.

Fragestunde

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur Fragestunde. Ich beginne jetzt, um 9.01 Uhr, mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Gesundheit und Frauen

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir kommen zur 1. Anfrage, 1325/M, an die Bundesministe­rin für Gesundheit und Frauen.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Gansterer, um die Verlesung der An­frage.

 


Bundesrätin Michaela Gansterer (ÖVP, Niederösterreich): Guten Morgen! Sehr ge­ehrte Frau Minister!

1325/M-BR/2004

„Welche Maßnahmen setzen Sie als Frauenministerin, um die Stellung der Frau in Wirtschaft und Gesellschaft zu stärken?“

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Frau Bundesrat! Wir haben als Frauenministerium die Aufgabe, die Situation der Frauen in Österreich in einem umfassenden Maße zu verbessern. Wenngleich in den letzten Jahren und Jahrzehnten vieles passiert ist, ist immer noch eine Ungerechtigkeit vorhanden – nicht gesetzlich, denn es ist, Gott sei Dank, in der Zwischenzeit gelungen, auf gesetzlicher Ebene die Gleichstellung von Frauen und Männern zu erreichen, aber de facto hat sich in den Köpfen noch nicht alles so niedergeschlagen, wie es in den Gesetzen festgehalten ist.

Die Ungleichstellung ergibt sich zu einem großen Teil aus einem jahrzehnte- und jahr­hundertelangen Rollenverständnis, das Männern und Frauen zugedacht wurde und das in den letzten Jahrzehnten im Umbruch ist. Es ist vor allem dadurch gekenn­zeichnet, dass die Berufstätigkeit beider Elternteile auch in ländlichen Gebieten eine Selbstverständlichkeit geworden ist, dass aber die traditionelle Rollenverteilung in der Familienarbeit immer noch in hohem Maße an den Frauen hängen bleibt. Das heißt, die Maßnahmen, die wir setzen, müssen sich sowohl in Anreizmaßnahmen für die Wirt­schaft, für den Gesetzgeber als auch natürlich in bewusstseinsbildenden Maßnahmen niederschlagen.

Was die Anreizmaßnahmen anbelangt, so bemühen wir uns vor allem um Folgendes: Es geht um drei Bereiche – das muss man auch dazu sagen –: einerseits um gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Diesbezüglich ist die Ungerechtigkeit nach wie vor sehr hoch. Da ist einiges gelungen, was die Gehaltsgleichstellungen anbelangt.


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709. Sitzung / Seite 7

Der zweite Bereich ist die Frage des beruflichen Aufstiegs, der auch eng mit der Ver­einbarkeit von Familie und Beruf zusammenhängt.

Der dritte Grund ist die Berufswahl, die Mädchen immer noch stärker in schlechter bezahlte Berufe einsteigen lässt als Burschen.

Wir müssen daher sehr früh beginnen, einerseits mit der Information der Eltern, denn die Berufswahl von Kindern hängt immer noch sehr stark von der Beeinflussung durch die Eltern ab, aber auch mit der Information der jungen Mädchen. Wir müssen ihnen Anreize schaffen, sodass sie auch in ungewöhnliche Frauenberufe einsteigen, denn immer noch steigen nur 30 Prozent der Mädchen nicht in die drei Schwerpunkt­berufe – Sekretärin, Verkäuferin oder Friseurin – ein. Das ist bedrückend, wenn man weiß, wie viele Möglichkeiten es gibt. Es stünden 280 Lehrberufe zur Verfügung!

Wir müssen Frauen vor allem auch dazu ermuntern, in technische Berufe einzusteigen. Dazu gibt es einige Initiativen, insbesondere auch von den Technischen Universitäten. Diese konnten in nur wenigen Jahren den Frauenanteil von 11 Prozent auf in der Zwi­schenzeit mehr als 25 Prozent steigern. Dieser Anteil sollte aber noch weiter gesteigert werden.

Es gibt aber auch schon breite Information an den Schulen, vor allem über Lehrberufe, aber auch bei Berufsmessen. Frau Bundesminister Gehrer und ich arbeiten da sehr eng zusammen.

Der zweite große Bereich betrifft hauptsächlich den Wiedereinstieg in den Beruf nach einer allfälligen Familienpause. Wir wissen, dass 10 Prozent des Gehaltsunterschiedes darauf zurückgehen, dass Frauen ihren Beruf unterbrechen, wobei der Wiedereinstieg umso schwieriger wird, je länger die Unterbrechung dauert.

Wir bemühen uns daher – wir haben mit dem Kinderbetreuungsgeld ja auch die Mög­lichkeit eines höheren Zuverdienstes geschaffen –, hier den Anreiz zu geben, einen Fuß in der Tür zu lassen und den Kontakt zum Betrieb nicht zu verlieren. Wir wissen, dass in der technischen Entwicklung, auch in der bürotechnischen Entwicklung der Anschluss schwierig ist, weil sie sehr rasch voranschreitet. Das heißt, mit dieser Zuver­dienstgrenze kann die betreffende Frau Teilzeit arbeiten beziehungsweise Urlaubsver­tretungen und andere Aufgaben übernehmen und damit den Wiedereinstieg sicher­stellen.

Wir haben im Mutter-Kind-Pass auch einen Gutschein für ein Wiedereinstiegsseminar, ein Orientierungsseminar in der Kinderphase verankert, der ab Herbst von den Müttern in Anspruch genommen werden kann und der vor allem darauf hinzielt, die Familien­phase für die eigene Qualifikation, für die Weiterbildung, für eine eventuelle berufliche Umorientierung zu nutzen, denn viele Frauen nutzen diese Phase, um auch in einen anderen Beruf wieder einzusteigen.

Der dritte Bereich befasst sich vor allem mit dem Aufstieg von Frauen. Da geht es uns darum, Karrieren von Frauen zu unterstützen. Wir haben dafür ein sehr großes Mento­ring-Projekt ins Leben gerufen. Frauen sollen in allen Lebensbereichen gefördert wer­den, also nicht nur Spitzenmanagerinnen, sondern auch die Verkäuferin, die anstrebt, Filialleiterin zu werden. Und Frauen sollen dazu ermuntert werden, durchaus nach höheren Berufsqualifikationen zu streben.

Ich könnte Ihnen noch sehr viel erzählen, aber ich weiß, dass ich mich kurz fassen soll. Ich werde es bei der nächsten Frage kürzer machen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wird eine Zusatzfrage gewünscht?

 


Bundesrätin Michaela Gansterer (ÖVP, Niederösterreich): Welche Maßnahmen gibt es speziell für die Gleichstellung von Männern und Frauen im öffentlichen Dienst?

 



Bundesrat
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709. Sitzung / Seite 8

Präsident Jürgen Weiss: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundesrat! Im öffentlichen Dienst haben wir eine Reihe von Maßnahmen gesetzt. Diese Bundes­regierung hat sich in insgesamt zwei Ministerratsvorträgen zum Gender Mainstreaming verpflichtet, und wir haben diese Absichtserklärung auch in die Tat umgesetzt. Es gibt in der Zwischenzeit in allen Bundesministerien Gender-Mainstreaming-Arbeitsgruppen. Es gibt eine interministerielle Arbeitsgruppe, die diesbezügliche Zielsetzungen formu­liert.

Es gibt im öffentlichen Dienst in der Zwischenzeit selbstverständlich gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Es sind aber immer noch interne Frauenförderpläne notwendig, um Frauen Aufstiegschancen ermöglichen zu können.

Ich persönlich habe in den letzten 14 Monaten, seitdem ich Ministerin bin, von sechs Leitungsfunktionen fünf mit Frauen besetzt. Erst jetzt wurde eine, also die sechste, mit einem Mann besetzt. Wir haben darüber hinaus auch ein Cross-Mentoring-Programm in Angriff genommen, das zwischen den Ministerien den Aufstieg von Frauen unter­stützen soll.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Hagen.

 


Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Bundes­minister! Welche Entlastungen bringt die Steuerreform 2004 für Frauen?

 


Präsident Jürgen Weiss: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Die Steuer­reform 2004 ist erstmals in der Geschichte der österreichischen Gesetzgebung nach Gender-Aspekten nicht nur diskutiert, sondern geschaffen und auch dokumentiert worden. Wenn Sie die Erläuterungen zur Steuerreform lesen, so werden Sie darin ganz ausdrücklich den Gender-Aspekt am Ende des Vorblattes berücksichtigt sehen.

Da ist es uns vor allem gelungen, dass in hohem Maße geringe Einkommen begünstigt wurden, die meines Erachtens bedauerlicherweise zumeist von Frauen bezogen wer­den, aber es ist leider so. Das sind nicht unerhebliche Zahlen: Zu 85 Prozent kommt das nun Frauen zugute.

Darüber hinaus haben wir mit der Erhöhung des Alleinverdienerfreibetrages die Mög­lichkeit geschaffen, dass auch die Alleinerzieherinnen in hohem Maße davon profitie­ren. Wir haben mit der Erhöhung der Zuverdienstgrenze beim Alleinverdienerfreibetrag den Frauen die Möglichkeit gegeben, den Fuß dadurch in der Tür zu lassen, dass sie etwas mehr dazuverdienen können, dass sie damit tatsächlich nicht nur Hilfstätig­keiten, sondern eine gewisse Berufstätigkeit ausüben können.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Kersch­baum.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich bleibe beim Geld. Das Frauenbudget ist seit Mai 2003 in Ihrem Ressort angesiedelt. Seither ist es von 5 Millionen € pro Jahr auf 3,17 Millionen € im Jahr 2003 und 3,15 Millionen € im Jahr 2004 gesunken. Wo wird das Geld eingespart?

 


Präsident Jürgen Weiss: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Diese Zahlen stimmen schlicht und einfach nicht. Ich weiß nicht, ob Sie hier ausschließlich die För­derungen meinen oder welche Zahlen Sie ansprechen. Tatsächlich ist es gelungen, im ersten Jahr, nämlich im vergangenen Jahr, das Frauenbudget gleich zu belassen wie im Jahr 2002, im Förderwesen sogar etwas zu erhöhen, und zwar dadurch, dass es


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uns gelungen ist, eine Abteilung vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, näm­lich die Abteilung von Frau Mag. Schulmeister, in unser Ressort zu bekommen und damit auch dort Förderungen auszuschütten.

Wir hatten ansonsten, so wie alle Ministerien, auch die 3 Prozent-Bindung zu beach­ten, aber wir haben uns sehr bemüht, dass gerade im Frauenbereich keine Einschrän­kungen vorkommen. Ich werde mich auch im heurigen Jahr bemühen, manches, was möglich ist, zum Beispiel Frauengesundheit aus dem Gesundheitsbereich noch dazu zu nehmen, sodass wir uns im Rahmen des Frauenbudgets nicht mit Kürzungen kon­frontiert sehen.

Allerdings: Wir evaluieren jetzt die Projekte, die in den letzten zehn Jahren durchge­führt wurden. Ich habe mir erlaubt, einen Evaluierungsprozess anzuregen und gleich­zeitig, was es bisher nie gegeben hat, Richtlinien und Schwerpunktrichtlinien für die Förderungen zu entwickeln. Ich habe bedauerlicherweise feststellen müssen, dass es in den letzten 15 Jahren im Frauenministerium keinerlei Richtlinien für Förderungen gegeben hat. Ich habe das daher entsprechend veranlasst.

 


Präsident Jürgen Weiss: Die letzte Zusatzfrage dazu stellt Frau Bundesrätin Auer.

 


Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Frau Bundesminister! Sie haben jetzt sehr ausführliche Erklärungen abgegeben. Ich möchte aber trotzdem wissen: Warum lassen Sie es als Frauenministerin zu, dass durch die vorliegende Regierungsvorlage zum Gleichbehandlungsgesetz, wodurch in Hinkunft die Gleichbehandlungsanwalt­schaft ohne ausreichende personelle Aufstockung auch für Anti-Diskriminierungs- und Anti-Rassismusfragen zuständig sein wird, logischerweise die Durchsetzung von Frau­eninteressen erheblich gefährdet beziehungsweise qualitativ verschlechtert werden wird?

 


Präsident Jürgen Weiss: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundesrat! Auch das ist unrichtig, denn das Gleichbehandlungsgesetz, das heute Nachmittag im Ausschuss ... (Bundesrat Gruber: Reine Unterstellung!) – Ich sage nur, dass es unrichtig ist. Die Frau Bundesrat hat gesagt, dass es keine personelle Aufstockung geben wird. Vorgesehen ist in der Regierungsvorlage, die Bundesminister Bartenstein vorgelegt hat und die heute Nachmittag im Ausschuss diskutiert und hoffentlich auch beschlossen wird (Bundesrat Konecny: Gibt es den noch?), dass die Gleichbehand­lungsanwaltschaft beziehungsweise die Gleichstellungskommissionen mit vier A-Plan­stellen und vier C-Planstellen ausgestattet werden. Das sind insgesamt acht Dienst­stellen, die für die zusätzlichen Senate zur Verfügung stehen werden.

Es ist immer möglich, mehr Planstellen zu fordern. Wir werden auch vorschlagen, einen Evaluierungsprozess vorzusehen, der sicherstellt, dass je nach Inanspruch­nahme der Senate dann die personelle Besetzung gewährleistet ist.

 


Präsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gelangen zur Anfrage 1330/M. Ich bitte die Fragestellerin, Frau Bundesrätin Auer, um Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Frau Bundesministerin!

1330/M-BR/2004

„Was werden Sie auf europäischer, aber auch innerstaatlicher Ebene unternehmen, um Benachteiligungen für Frauen durch höhere Prämienzahlungen bei Versicherun-


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gen – z.B. Kranken- oder Pensionsversicherungen – zu beseitigen, ohne dass dadurch die Versicherungsunternehmen ihre Prämien für alle Versicherten extrem verteuern?“

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundesrat! Auf gesetzlicher Krankenversicherungsebene gibt es ja Gott sei Dank keinerlei Unter­schiede, was die Beitragszahlungen zwischen Männern und Frauen sowohl in der Krankenversicherung als auch in der Pensionsversicherung anbelangt. Meines Erach­tens bestehen die höheren Versicherungsprämien bei privater Krankenversicherung auch zu Unrecht, denn nicht alle höheren Risiken gehen auf geschlechtliche Unter­scheidung zurück, sondern sind vor allem auch von den Lebensumständen abhängig, auch vom Lebensstil.

Wir haben uns daher auch auf europäischer Ebene sehr darum bemüht, unterschied­liche Versicherungsprämien zu bekämpfen. Ich habe innerstaatlich an die österreichi­sche Versicherungswirtschaft ein Schreiben geschickt, auch mit dem Argument, dass man unter diesen Voraussetzungen vor allem für Frauen geringere Kfz-Haftpflicht­prämien einführen müsste, weil Frauen nachweislich weniger Autounfälle verursachen als Männer, was aber leider nicht dazu führt, dass die Prämien für Frauen geringer sind.

 


Präsident Jürgen Weiss: Gibt es eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Frau Bundesministerin! In den ver­gangenen Sitzungen des Bundesrates haben Sie sich immer wieder für die Pensions­harmonisierung eingesetzt. Warum haben Sie sich jetzt nicht zu Wort gemeldet, um die Harmonisierung zu forcieren?

 


Präsident Jürgen Weiss: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundesrat! Ich habe mich sehr wohl zu Wort gemeldet, allerdings nicht über die Medien, sondern dort, wo es sinnvoll ist, nämlich in den Gremien, die derzeit über die Pensionsharmo­nisierung beraten. Ich habe dort auch unsere Vorschläge eingebracht, die sich vor allem mit einem entsprechenden Ausgleich für Frauen im Bereich des Pensionskontos auseinander setzen. Ich habe in dieser Arbeitsgruppe betreffend Pensionen auch ein intensives Frauenpaket eingebracht. Es ist mein Stil, dass ich derartige Verhandlungs­wünsche und -forderungen nicht über die Medien kundtue – im Übrigen habe ich es auch schon in den Medien ein oder zwei Mal gesagt –, sondern dort einbringe, wo es sinnvoll ist. Sie können sicher sein, dass es im Rahmen der Pensionsharmonisierung auch ein umfassendes Frauenpaket geben wird.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Diesner-Wais.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Frau Ministerin! Welche Verbesserungen für Frauen konnten bei der Pensionssicherungs­reform 2004 erreicht werden?

 


Präsident Jürgen Weiss: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundesrat! Wir haben eine Reihe von Maßnahmen für Frauen gesetzt. Hier ging es vor allem darum, mit der Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes die Situation von Frauen, die durch Familienphasen immer wieder aus dem Beruf aussteigen, auch entspre­chend zu verbessern.

Ziel der Pensionssicherungsreform war es, die Einkommensschere von Männern und Frauen zu schließen. Wir haben erstens die pensionsbegründenden Zeiten für Fami­lienphasen von Frauen von 18 auf 24 Monate angehoben. Wir haben zweitens die


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Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Pensionszeiten für die Kinderbetreuung angehoben, und zwar kontinuierlich um jährlich 2 Prozent, sodass sie dann nicht 100 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes, sondern 150 Prozent betragen wird. Damit haben wir erstmals auch eine Entkoppelung vom Ausgleichszulagenrichtsatz er­reicht. Drittens haben wir, was den Durchrechnungszeitraum anbelangt, sichergestellt, dass Frauen pro Kind drei Jahre weniger an Durchrechnungszeitraum haben werden, und zwar unabhängig davon, in welchem Abstand die Kinder zur Welt kommen, sodass bei zwei Kindern minus sechs Jahre garantiert sind, also ein maximaler Durchrech­nungszeitraum von 34 Jahren, und bei drei Kindern neun Jahre beziehungsweise bei vier Kindern zwölf Jahre abgezogen werden.

Darüber hinaus war es uns auch ein Anliegen, dass vor allem Frauen über 50 von die­ser Pensionssicherungsreform nicht betroffen sind, wenn sie Kinder haben. Es ist mit dieser Durchrechnungszeitraum-Lösung gelungen, dass es bis 2010, 2012 auf Grund der Kindererziehung zu keiner Benachteiligung von Frauen kommen wird.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Mag. Gudenus.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesminister! Wird bei den zukünftigen Krankenversicherungsbeiträgen berücksichtigt werden, dass die Lebenserwartung der derzeitigen Arbeitsgeneration noch deutlich niedriger ist als die Lebenserwartung derjenigen, die im 21. Jahrhundert geboren werden?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Ich denke, dass das nicht notwendig ist. Es zeigt sich nämlich einerseits, dass der hohe medizinische Bedarf unabhängig von der Lebenserwartung in den letzten zwei bis drei Jahren des Lebens eintritt. Zweitens zahlen ja auch Pensionisten entspre­chende KV-Beiträge, sodass sich in diesem Zusammenhang an den KV-Beiträgen nichts ändern wird.

 


Präsident Jürgen Weiss: Die letzte Zusatzfrage stellt Frau Dr. Lichtenecker.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Frau Ministerin! Werden Ihrer Einschätzung zufolge zusätzliche Selbstbehalte im Gesundheitswesen Frauen stärker belasten?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Ich bin davon überzeugt, dass das nicht der Fall sein wird. Wir planen nämlich keine zusätzlichen Selbstbehalte, sondern lediglich mit der Einführung der E-Card die Abschaffung des Krankenscheines und damit auch die Abschaffung der Krankenscheingebühr. Das ist eine Summe von rund 45 Millionen €, die die Krankenversicherungen allerdings drin­gend brauchen. Daher haben wir die Krankenversicherungen aufgefordert, darüber nachzudenken, in welcher Form diese Krankenscheingebühr durch einen sozial gestal­teten Selbstbehalt ersetzt werden kann, der insbesondere auf chronisch Kranke bezie­hungsweise auf Familien mit mehreren Kindern Rücksicht nimmt.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir kommen zur 3. Anfrage. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Gudenus, um Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesminister! Meine Frage lautet:


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1329/M-BR/2004

„In welcher Höhe beziffern sich die voraussichtlichen Mehrkosten, welche vom österrei­chischen Gesundheitswesen Bezug nehmend auf den ‚Patiententourismus‘ zu leisten sind?“

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat Gudenus! Die genauen Mehrkosten kann ich Ihnen nicht nennen. Allerdings kann ich Ihnen die Zahlen von ausländischen Staatsbürgern sagen, die in Österreich Gesund­heitsdienstleistungen in Anspruch genommen haben. Sie belaufen sich auf ein sehr geringes Ausmaß und betragen etwas mehr als ein Prozent.

Von insgesamt 2 277 431 Krankenhausaufenthalten sind 37 420 auf Ausländer entfal­len, das sind 1,64 Prozent. Davon entfällt der weitaus größte Teil von rund 20 000 auf deutsche Staatsbürger, 5 000 auf Italiener, 2 500 auf Niederländer, rund 1 000 auf Schweizer und das Vereinigte Königreich England. Das heißt, sie sind primär im Wes­ten Österreichs angefallen, was wahrscheinlich auf Skiunfälle und auf die Versorgung der Südtiroler in Tirol zurückzuführen ist.

Es sind nur 729 auf Ungarn und 935 auf Liechtenstein entfallen. Das heißt, es ist nicht anzunehmen, dass hier Kosten anfallen, die nicht refundiert werden.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? (Bundesrat Mag. Gude­nus: Jawohl!) – Bitte.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Zwischenbemerkung: Die Asy­lanten fallen nicht ins Gewicht?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Was die Asylanten in Österreich betrifft – ich denke, das ist sehr wichtig –, hat es eine Studie meines Ministeriums über nicht krankenversicherte Personen gegeben, die noch von Bundesminister Haupt in Auftrag gegeben wurde. Da hat sich gezeigt, dass 98 Prozent der österreichischen Bevölkerung krankenversichert sind und 2 Prozent nicht. Unter diese 2 Prozent sind vor allem auch Asylanten gefallen. Wir haben in der Zwischenzeit sichergestellt, dass die Republik Österreich für diese Asylanten auch die Krankenver­sicherung übernimmt. Damit ist auch sichergestellt, dass medizinische Leistungen durch eine Krankenversicherung abgedeckt sind.

 


Präsident Jürgen Weiss: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Schennach.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! In Ihrer Beantwortung dieser Anfrage geht man hauptsächlich auf die Probleme ein. Sehen Sie nicht auch die Vorteile für eine europäische Patienten- und Patientinnen­mobilität?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Absolut, Herr Abgeordneter! Wir haben gerade in der vergangenen Woche beim Rat der Gesund­heitsminister in Cork, in Irland, intensiv auch über die Patientenmobilität in einem vergrößerten Europa diskutiert. Das ist auch ein Thema innerhalb der Europäischen Union. Es geht vor allem um medizinische Spitzenleistungen, die wahrscheinlich nicht in jedem europäischen Land notwendig sein werden, wie zum Beispiel unser Projekt MedAustron in Wiener Neustadt, das ein derartiges europäisches Projekt werden


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könnte. Es geht aber durchaus auch um eine leistungsorientierte Abrechnung im Rah­men dieser Mobilität.

Wir müssen dabei unterscheiden, ob es sozusagen ein unbeabsichtigter Krankheitsfall in einem Mitgliedstaat ist – das heißt, wenn ich auf Urlaub oder auf Reisen oder geschäftlich unterwegs bin und das nicht erwarte – oder aber ein beabsichtigter Krank­heitsfall, wenn ich bestimmte Leistungen in Anspruch nehme, wie es zum Beispiel jetzt schon bei Ungarn der Fall ist, was das Transplantationswesen anbelangt. Wir haben eine sehr gute Kooperation mit Ungarn, einerseits was Spenderherzen anbelangt, andererseits auch was Operationen anbelangt, die durchgeführt werden. Da geht es vor allem etwa darum, die entsprechende Leistung leistungsorientiert abzurechnen, und es geht etwa auch darum, Überkapazitäten für Länder anzubieten, die danach Bedarf haben, aber es geht auch um eine entsprechende Abrechnung.

Die Richtlinie, die sich derzeit damit beschäftigt, geht vor allem auch davon aus, dass die entsprechende Qualität der Leistung gesichert sein muss. Damit haben wir uns intensiv auseinander gesetzt.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Todt.

 


Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Frau Bundesminister! Sie haben in aller Öffentlichkeit gegen das ausgezeichnet geführte Hanusch-Spital der Wiener Gebiets­krankenkasse polemisiert. Wann werden Sie die längst überfällige Spitalsreform in Österreich beginnen?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Ich weise strikte zurück, dass ich „polemisiert“ hätte! Das würde ich nämlich nicht tun, sondern ich habe lediglich ... (Bundesrat Gruber: Das kennen wir aber anders! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich habe lediglich auf die Probleme hingewiesen, die dadurch in den Ausgleichsfonds getragen werden, dass das Hanusch-Krankenhaus als einzige Krankenanstalt einer Sozialversicherung Gelder aus dem Ausgleichsfonds bekommt, und zwar nicht wenig: Es waren jährlich zwischen 30 und 37 Millionen € – das sind immerhin rund eine halbe Milliarde Schilling –, und das über die letzten Jahre hinweg; insgesamt waren es etwas mehr als 200 Millionen €.

Ich habe nichts anderes getan als das, was viele andere Sozialversicherungen in den Bundesländern – und ich befinde mich hier ja im Ländergremium des Parlaments – moniert haben, dass nämlich die Krankenversicherungen Tirols, Vorarlbergs, Salz­burgs und Oberösterreichs in ein Spital einzahlen – in den Ausgleichsfonds –, das sie nie in Anspruch nehmen werden.

Darüber hinaus gibt es auch im Rechnungshofbericht – und ich bin überzeugt davon, dass sich auch dieses Gremium intensiv mit dem Rechnungshofbericht zum Hanusch-Krankenhaus auseinander gesetzt hat – entsprechende Kritik bezüglich der Kosten des Krankenhauses als auch bezüglich der dortigen Strukturen.

Ihre Frage nach der Krankenhausreform kann ich damit beantworten, dass die Ge­sundheitsreform im Plan ist. Wir haben bei den Gesundheitsdialogen, die im Anschluss an den Reformdialog und die Gesundheitskonferenz stattgefunden haben, eine breite Öffentlichkeit mit einbezogen. Wir sind jetzt dabei, diese Ergebnisse der Gesundheits­dialoge auch in entsprechende Gesetzestexte zu fassen, um damit in die Verhand­lungen mit den Bundesländern und vor allem auch mit den parlamentarischen Parteien zu gehen. Wir haben uns ja darauf geeinigt, dass wir diese Gesundheitsreform gemein­sam durchführen wollen, und es gibt demnächst auch einen Termin mit den Sozialpart­nern. Ich hätte diese Reform gerne schon etwas früher ansetzt, allerdings haben die Sozialpartner darum gebeten, nicht gleichzeitig sowohl die Pensionsharmonisierung als


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auch die Gesundheitsreform verhandeln zu müssen. Daher bin ich hier dem Wunsch der Sozialpartner nachgekommen.

Wie Sie sicher wissen, Herr Bundesrat, liegt die Verantwortung hinsichtlich der Kran­kenhausbetten und der Krankenhausstrukturen natürlich bei den Bundesländern. Da­her ist das nur mit den Bundesländern gemeinsam zu erarbeiten. Mein Haus bemüht sich seit Monaten nicht nur mit Briefen, Telefonaten und anderem darum, von den Bundesländern die entsprechenden Vorschläge zu bekommen. Leider ist dies bisher bei vielen Bundesländern noch erfolglos geblieben. Ich wäre Ihnen daher sehr dank­bar, Herr Kollege, wenn Sie diesem Bemühen bei den zuständigen Landesräten Ihrer Fraktion – bei meiner Fraktion tue ich dies selbst – ein bisschen Nachdruck verleihen könnten, damit sie mit ihren Vorstellungen auch meinem Wunsch in der Struktur­kommission nachkommen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Ich möchte zwischendurch kurz daran erinnern, dass Zu­satzfragen in einem unmittelbaren inhaltlichen Zusammenhang mit der Hauptfrage stehen müssen, und bitte, das zu berücksichtigen.

Die letzte Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Fasching.

 


Bundesrat Paul Fasching (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Bundesminister! An welchen bestehenden Forschungsprojekten auf EU- und WHO-Ebene wird Ihr Ressort teilnehmen, damit Berichte mit Datenvergleichbarkeit entstehen?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Wir haben vergangene Woche in Cork auch über das Thema der Datenvergleichbarkeit intensiv diskutiert, weil nur dann, wenn wir entsprechend vergleichbare Daten haben, die Auswirkungen von gesundheitspolitischen Maßnahmen tatsächlich auch gemessen werden können. Wir haben das nicht nur in Cork getan, sondern auch bei der OECD-Ministerratskonferenz in Paris, die ebenfalls vorige Woche stattgefunden hat. Das heißt, wir werden im Rahmen der OECD auch eine entsprechende Initiative setzen.

Ich habe darüber hinaus angeregt und auch im Text des OECD-Kommuniqués noch untergebracht, dass diese Daten auch geschlechterrelevant unterscheidbar sind. Das heißt, dass diese Daten nach Männern und Frauen getrennt gesammelt und verglichen werden können, weil es nämlich ganz wesentlich ist, unterschiedliche Entwicklungen im Gesundheitsbereich, aber auch unterschiedliche Dienstleistungen und Zugänge zum Gesundheitsbereich aufzuzeigen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir kommen zur 4. Anfrage. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Herta Wimmler, um Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Herta Wimmler (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Ministerin! Meine Frage lautet:

1326/M-BR/2004

„Wo werden die Schwerpunkte des nächsten Frauengesundheitsberichtes liegen?“

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundes­rätin! Auch hierüber könnte ich sehr lange reden. (Bundesrat Konecny: Das ist aber eine sehr kritische Frage! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich werde versuchen, es kurz zu machen.


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Wir haben den Frauengesundheitsbericht in Auftrag gegeben, der deshalb notwendig, um zu eruieren und darzulegen, in welcher Form die Ergebnisse des ersten Frauen­berichts schon Wirkung gezeigt haben. Wir haben in diesem Frauengesundheitsbericht vor allem eine Bestandsaufnahme der Entwicklung zwischen 1995 und 2005 in Angriff genommen, einen Vergleich der gesundheitlichen Lage der Frauen in allen Bundeslän­dern – es gibt hier ja wesentliche Unterschiede von Westen nach Osten –, einen Blick über die Grenzen, also auch einen Vergleich mit Deutschland und der Schweiz. Wir haben außerdem um die Beschreibung von Best-Practice-Modellen im Inland und im Ausland gebeten, und es geht auch um die Entwicklung konkreter Empfehlungen zur Umsetzung der Ergebnisse sowie um die Erarbeitung von Vorschlägen für eine Weiter­entwicklung der Frauengesundheitsberichterstattung.

Wir haben die Bedeutung dieses Frauengesundheitsberichts mit einem Gesundheits­dialog unterstrichen, der von rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern besucht war, also großes Interesse gefunden hat. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass die Auftragnehmerinnen des Frauengesundheitsberichtes dies als sehr positiv bezeichnet haben, es als Input für ihren Bericht als äußerst fruchtbar bezeichnet haben und mir dies vorige Woche auch mitgeteilt haben.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrätin Herta Wimmler (ÖVP, Steiermark): Wie hoch ist der Anteil an Ärztinnen mit Kassenvertrag in der Gynäkologie, und was gibt es für Maßnahmen zu einer Erhöhung diese Anteils?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundes­rätin! Generell beträgt in Österreich der Anteil von Frauen an Vertragspraxen nur rund 20 Prozent, das heißt, auch hier ist intensive Nacharbeit zur Gleichstellung notwendig. Bei den Gynäkologinnen ist es sogar ein noch geringerer Prozentsatz, es sind nur 14,8 Prozent, und das ist meines Erachtens unbefriedigend. Von den Prozentzahlen nenne ich hier folgende: Der geringste Prozentsatz findet sich verständlicherweise bei den Urologen mit 4,2 Prozent, die höchste Prozentzahl zeigt sich mit 40 Prozent bei den Kinderärztinnen.

Bei den Gynäkologinnen sind es nur 14,8 Prozent, was insbesondere deswegen unbe­friedigend ist, weil viele Frauen lieber zu einer Frau als zu einem Mann gehen würden. Wir haben daher bei der Verordnung zur Zulassung zu Kassenverträgen sichergestellt, dass Frauen zumindest zum Hearing vorgelassen werden und damit auch eine größere Chance haben, eine Kassenstelle zu erwerben.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Hagen.

 


Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Bundes­minister! Wird im nächsten Gesundheitsbericht auf den Faktor Prävention vermehrt Bedacht genommen werden?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Ganz sicher, Herr Kollege! Sie wissen ja in der Zwischenzeit, dass Gesundheitsförderung und Prä­vention meine Lieblingsthemen sind. Ich werde natürlich insbesondere auch beim Frauengesundheitsbericht darauf Bedacht nehmen.

Dabei ist anzumerken, dass Frauen generell gesundheitsbewusster als Männer leben, umgekehrt aber im Frauengesundheitsbericht ... (Bundesrat Gruber: Leichtes Hüs­teln! – Bundesrätin Bachner: So ist es!) Ich sage immer: Frauen sind in der Beziehung vernünftiger; Männer – lassen wir das. Männer sind entweder Vorsorgemuffel oder


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Hypochonder. (Beifall bei Bundesrätinnen von ÖVP und SPÖ.) Die Spezies dazwi­schen gibt es so selten. (Zwischenrufe.) Jetzt wird im Protokoll stehen: „Tumult im Bundesrat.“ (Heiterkeit. – Bundesrat Gruber: Wo nehmen Sie diese Erfahrungen her?) Ich bin umgeben von vielen Männern, Herr Kollege!

Wir werden natürlich auch besondere Schwerpunkte auf die Männergesundheit setzen. Es hat diesbezüglich schon eine Zusammenarbeit mit der Krebshilfe und mit anderen Selbsthilfeorganisationen gegeben.

Bedenklich ist allerdings, dass unter den Frauen die Zahl der Raucherinnen steigt – bei den Männern sinkt die Zahl der Raucher; da muss ich die Männer wirklich loben: Die Zahl sinkt bei den Männern, steigt jedoch bei den Frauen (Beifall der männlichen Bun­desräte) – mit allen negativen Begleiterscheinungen, denn Rauchen verursacht nicht nur Lungenkrebs, sondern bedauerlicherweise in hohem Maße auch Herz-Kreislauf-Schädigungen, und damit steigt auch die Zahl der Herzinfarkte bei Frauen. Daher sollten wir, denke ich, gerade auch im Frauenbericht darauf Bedacht nehmen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Nächste Zusatzfrage? – Frau Dr. Lichtenecker, bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Wie stehen Sie dazu, im nächsten Frauengesundheitsbericht einen Schwer­punkt Gender Budgeting zu setzen, das heißt, die Analyse der Ausgaben- und Einnah­menströme im Gesundheitswesen nach Geschlechterkriterien vornehmen zu lassen?

 


Präsident Jürgen Weiss: Frau Bundesminister, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundes­rätin! Wir haben uns das Gender Budgeting im Bereich der Frauensektion intensiv vor­genommen. Es gibt dafür auch schon eine Arbeitsgruppe, die die Parameter für das Gender Budgeting erstellt.

Ich war eigentlich der Überzeugung, dass es hier auf europäischer Ebene schon einige Erfahrungen gibt, musste aber feststellen, dass dem nicht so ist. Wir sind daher in Österreich – obwohl auch noch am Anfang – schon ein Stückchen weiter als andere Länder.

Diese Arbeitsgruppe, die eine interministerielle ist – auch das Finanzministerium arbei­tet mit –, ist gerade dabei, die Parameter zu entwickeln und an einem Projekt, das in unserem Ministerium angesiedelt wird, diese Kriterien auch auf ihre Brauchbarkeit zu überprüfen. Das heißt, das werden eben auch Gesundheitsprojekte sein. Die Entschei­dung ist noch nicht gefallen. Es könnte zum Beispiel das Förderungsprojekt für die Aids-Hilfe sein, und zwar, inwieweit sie Frauen und Männern zu Gute kommt, und es könnten auch andere Gesundheitsprojekte sein. Diese Projekte werden dann selbst­verständlich auch in unserem Ministerium nach Gender-Kriterien auch vom Budget her beurteilt und durchaus auch der Frauengesundheit dienen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Die letzte Frage dazu stellt Frau Bundesrätin Ebner.

 


Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Minister! Wie sieht die Gesundheitsvorsorge für ältere Frauen aus, und welche Maßnahmen werden dazu in Ihrem Ressort gesetzt?

 


Präsident Jürgen Weiss: Frau Bundesminister, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundes­rätin! Wir haben eine Reihe von Gesundheitsförderungsmaßnahmen für alle Bevölke­rungsgruppen gesetzt. Wir haben die Bereiche Ernährung, Bewegung, Stressvermei­dung, Unfallverhütung und klassische medizinische Vorsorge auch präsentiert und wol-


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len jetzt in zielgruppenspezifischen Angeboten die Menschen in ihrem Lebensumfeld treffen, also Kinder und Jugendliche, Erwachsene und Seniorinnen und Senioren.

Wenn Sie ältere Frauen ansprechen: Wir werden einerseits die gesundheitsfördernden Maßnahmen über die Seniorenorganisationen, über den ORF auch an die Betreffen­den heranbringen.

Zweitens werden wir für alle Altersgruppen entsprechende Gesundheitspässe ent­wickeln – den Mutter-Kind-Pass gibt es schon, jener für die Jugendlichen ist in der Erprobungsphase, der für die Erwerbstätigen und Seniorinnen und Senioren wird der­zeit gerade evaluiert –, weil es meines Erachtens sinnlos ist, die bisherige Gesunden­untersuchung von 19 bis 79 Jahre nach Schema F abzuhandeln. Hier sind sowohl der Oberste Sanitätsrat als auch der Hauptverband als auch eine Arbeitsgruppe in meinem Ressort dabei, untereinander austauschend diese Erfahrungen zu evaluieren und das Ganze sinnvoller zu gestalten.

Im Jänner 2005 werden alle Seniorinnen und Senioren mit ihrem Pensionsbescheid einen Gesundheitspass erhalten – zur Erinnerung auch mit Informationen über eine ge­sunde Lebensweise, über einen gesunden Lebensstil –, der sie auffordern soll, auch noch im vorgeschrittenen Alter die Gesundenuntersuchung bei ihrem praktischen Arzt wahrzunehmen.

Darüber hinaus bereiten wir gerade auch ein spezielles, EU-konformes Screening-Pro­gramm für Brustkrebs vor, und zwar in zwei Teilbereichen, einerseits jenseits der Donau in Wien und andererseits in Vorarlberg.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur nächsten Anfrage: 1331/M. Ich bitte die Fragestellerin, Frau Bundesrätin Roswitha Bachner, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Meine Frage:

1331/M-BR/2004

„Welche beschäftigungspolitischen Maßnahmen werden Sie anregen beziehungsweise setzen, um die dramatisch gestiegene Arbeitslosigkeit von Frauen endlich wieder zu senken?“

 


Präsident Jürgen Weiss: Frau Bundesminister, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundes­rätin! Gott sei Dank ist die Frauenarbeitslosigkeit in Österreich nicht dramatisch (Zwi­schenrufe bei der SPÖ), denn Österreich lag im Jahr 2003 mit einer internationalen Arbeitslosenquote von 4,4 Prozent deutlich unter dem EU-Schnitt von 8 Prozent. Nichtsdestotrotz, ich gebe Ihnen Recht: Jeder Arbeitslose ist ein Arbeitsloser zu viel. Ich glaube allerdings, wir müssen es auch im internationalen Kontext sehen. Wir haben in Österreich in den letzten Jahren erreicht, dass, zumindest was die Langzeitarbeits­losigkeit und die Arbeitslosigkeitsdauer anlangt, ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Die durchschnittliche Dauer einer Arbeitslosigkeitsperiode ist um fast drei Wo­chen zurückgegangen. Mit durchschnittlich 103 Tagen konnte die Dauer der Arbeits­losigkeit im Jahr 2003 gegenüber dem Vorjahr um weitere 4 Prozent gesenkt werden.

Wir haben uns vor allem bemüht, im Rahmen des Wiedereinstiegs spezielle Angebote für Frauen anzubieten, und zwar haben sich die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ganz wesentlich an Frauen und insbesondere an Wiedereinsteigerinnen nach Berufs­unterbrechungen ausgerichtet. Die Angebote zur Qualifizierung und Ausbildung wäh­rend und nach der Karenz werden weiter ausgebaut.


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Ich habe vorhin schon darauf hingewiesen, dass wir Frauen schon am Beginn der Karenzzeit an den Wiedereinstieg erinnern wollen, gegebenenfalls an eine Umorientie­rung und Neuorientierung. Für den Wiedereinstieg von Frauen ins Berufsleben standen im Jahr 2003 35 Millionen € zur Verfügung. Das wird auch im Jahr 2004 der Fall sein.

Österreich hat eine Beschäftigungsquote von 62 Prozent bei Frauen. Das liegt weit über dem EU-Durchschnitt, der bei 55, 56 Prozent liegt. Wir haben uns vorgenommen, bis 2005 auf 65 Prozent zu kommen, und wir werden sehr hart daran arbeiten.

In den arbeitsmarktpolitischen Zielvorgaben von Bundesminister Bartenstein an das AMS war einer der arbeitsmarktpolitischen Schwerpunkte die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – und damit auch alles, was in diesem Bereich möglich ist, unter anderem auch die Förderung von Kinderbetreuungsbeihilfen. Diese wurden in den beiden letzten Jahren mit insgesamt 14,1 Millionen dotiert, womit rund 25 000 Förderfälle finanziert wurden.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage? – Herr Ing. Haller, bitte.

 


Bundesrat Ing. Hermann Haller (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Ministe­rin! Mich würde noch einmal interessieren – obwohl Sie es schon erwähnt haben –, wie die Beschäftigungsquote der Frauen im Vergleich zu den anderen EU-Staaten aus­sieht.

 


Präsident Jürgen Weiss: Frau Bundesminister, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Ich kann es Ihnen ganz genau sagen: Für den April 2004 weist Eurostat für Österreich eine Frauen­arbeitslosenquote von 4,8 Prozent aus. Dieser Wert liegt deutlich unter dem EU-25-Durchschnitt von 9,9 Prozent. Lediglich Irland mit 4,1 Prozent, Großbritannien mit 4,2 Prozent und die Niederlande mit ebenfalls 4,8 Prozent weisen eine niedrigere beziehungsweise gleich hohe Frauenarbeitslosenquote auf. Das heißt, Österreich liegt nach Irland und Großbritannien gemeinsam mit den Niederlanden an dritter Stelle.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage? – Herr Dr. Böhm, bitte.

 


Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr verehrte Frau Bundesministe­rin! Mit meiner Frage beziehe ich mich auf ein zentrales Anliegen der Frauenpolitik: Gibt es in Österreich spezielle Angebote für Wiedereinsteigerinnen?

 


Präsident Jürgen Weiss: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Ja, Herr Bun­desrat, wir haben uns in Österreich sehr bemüht, parallel zur Entwicklung des Kinder­betreuungsgeldes auch Maßnahmen zu setzen, die ganz bewusst darauf Bedacht nehmen, Frauen auf Grund der Kinderbetreuungsphase nicht aus dem Arbeitsmarkt zu drängen.

 


Ich habe es vorhin schon angeschnitten: Mit unserem Orientierungsseminar, das wir jetzt im Rahmen des Mutter-Kind-Passes anbieten, wollen wir gemeinsam mit dem Arbeitsmarktservice schon am Beginn der Karenzzeit, also im ersten halben Jahr der Karenz, in einem eintägigen Seminar die Mütter auf Möglichkeiten aufmerksam machen, die sie einerseits schon während der Karenz nützen können und andererseits nach der Karenz in Anspruch nehmen können. Uns geht es darum – aus der Erfahrung wissen wir, dass viele Frauen nach der Kinderphase nicht in ihren Ursprungsberuf zurückkehren –, dass die Frauen diese Phase nützen, um gegebene Unzufriedenhei­ten im Ursprungsberuf zu eliminieren und in einen anderen Beruf einzusteigen. Wir haben uns vorgenommen, die Frauen wirklich intensiv auf die Möglichkeiten der Um­qualifizierung in der Karenzzeit hinzuweisen.


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Präsident Jürgen Weiss: Die letzte Zusatzfrage dazu stellt Frau Dr. Lichtenecker.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Frau Ministerin! Welche Maßnahmen setzt Ihr Ministerium zur Reduktion der Einkommensdisparitäten zwischen Männern und Frauen?

 


Präsident Jürgen Weiss: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Darauf könnte ich Ihnen jetzt eine Viertelstunde lang antworten, aber ich werde versuchen, es kurz zu machen.

Ich habe vorhin schon auf die drei Bereiche hingewiesen, die die Einkommensunter­schiede ausmachen, wobei wir immer genau unterscheiden müssen zwischen Ein­kommensunterschieden und Gehaltsunterschieden. 30 Prozent Einkommensunter­schied – das ist praktisch die Summe aller Männereinkommen dividiert durch die Köpfe der Männer, und die Summe aller Fraueneinkommen dividiert durch die Köpfe der Frauen, das ist nicht bereinigt um Teilzeitbeschäftigungen. Wenn wir von Gehaltsunter­schieden sprechen, so reden wir von bereinigten Gehältern, das heißt, berechnet auf jeweils 38 beziehungsweise 40 Stunden. Der Gehaltsunterschied lag im Jahr 2000 bei etwas über 21 Prozent und liegt jetzt bei 20,7 Prozent. Das ist eine Tendenz, die in die richtige Richtung geht, aber noch unbefriedigend ist. Wir müssen unbedingt schauen, dass wir die Einkommensschere verkleinern.

Wir haben bei den Gesamteinkommen vor allem die drei Bereiche Berufseinstieg, Be­rufsunterbrechung, Berufsaufstieg und auch die Gehaltsschere im Alter zu beachten.

Den Berufseinstieg habe ich vorhin genannt: Information über besser bezahlte Berufe, auch Ermunterung für Mädchen, dort einzusteigen.

Berufsunterbrechung: Das sind genau die Seminare, um den Frauen einen Wiederein­stieg sicherzustellen, und zwar einen nicht zu schlechteren Bedingungen, als sie sie vor dem Ausstieg hatten.

Berufsaufstieg: großes Mentoring-Programm.

Bezüglich der Seniorinnen sind vor allem die Bemühungen zu nennen, im Rahmen der Pensionsreform die Einkommensschere kleiner werden zu lassen, um sie letztendlich schließen zu können. Hier habe ich unter anderem vor, mit einem entsprechenden Pensionssplitting, das vor allem die Kindererziehungszeiten und die Familienzeiten berücksichtigt, mehr Einkommensgerechtigkeit im Alter sicherzustellen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur nächsten Anfrage: 1334/M. Ich bitte den Fragesteller, Herrn Bundesrat Stefan Schennach, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Frage an Sie:

1334/M-BR/2004

Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um jene Diskriminierungen für Frauen im Bereich Sozialhilfe zu beseitigen, die der Entwurf zum Arbeitsmarktreformgesetz be­inhaltet?“

Es geht um den Wegfall der Notstandsbeihilfe.

 


Präsident Jürgen Weiss: Frau Bundesministerin, bitte.

 



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Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Im genannten Gesetzentwurf wird der Bereich Sozialhilfe nicht behandelt. Ich kann Ihnen daher die Frage nicht beantworten.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Frau Minister! Sie selbst haben diesen Punkt öffentlich kritisiert und im Rahmen der Begutachtung gemeint, dass die Frauen, wenn das Partnereinkommen zu hoch ist, keine Notstandshilfe beziehen können. Sie selbst haben gemeint, dieses Negativum müsse beseitigt werden.

 


Präsident Jürgen Weiss: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Ich denke nicht, dass ich schon an Alzheimer leide, aber ich kann mich an eine derar­tige Kritik nicht erinnern! (Bundesrat Schennach: Dann darf ich sie Ihnen übergeben!)

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage? – Frau Bachner, bitte.

 


Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Ich stelle trotz­dem die Frage: Es ist längst überfällig, die frauendiskriminierende Bestimmung der Ein­kommensanrechnung bei der Gewährung von Notstandshilfe zu beseitigen. Wann werden Sie endlich Schritte setzen, um auch Frauen den berechtigten Anspruch auf Notstandshilfe zukommen zu lassen?

 


Präsident Jürgen Weiss: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundes­rätin! Diese Bestimmung ist sicher nicht frauenspezifisch, sondern geschlechtsneutral abgefasst. (Bundesrätin Bachner: Ja, aber es betrifft hauptsächlich Frauen!) Sie gilt im gleichen Fall selbstverständlich auch für Männer, wenn ihre Frau zu viel verdient. (Bun­desrätin Bachner: Wie viele davon gibt es?)

 


Präsident Jürgen Weiss: Es ist nur eine Zusatzfrage möglich.

Nächste Zusatzfrage? – Frau Roth-Halvax, bitte.

 


Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundes­minister! Welche Maßnahmen ergreifen Sie als Frauenministerin zur Bekämpfung von auftretender Frauenarmut?

 


Präsident Jürgen Weiss: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundes­rätin! Nicht nur die Einkommenssituation der Frauen im höheren Einkommensbereich, sondern natürlich auch die Frauenarmut und die Situation Gewalt in der Familie sind die drei Schwerpunktbereiche unseres Frauenministeriums.

Wir haben in den letzten Jahren, denke ich, wesentliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Frauenarmut gesetzt. Das Kinderbetreuungsgeld ist eine derartige Maßnahme, weil es einerseits sicherstellt, dass Frauen mehr bekommen als bisher, dass sie es über einen längeren Zeitraum bekommen, und weil die Frauen andererseits vor allem dazu­verdienen können in einem Ausmaß, dass sie auch als Alleinerzieherinnen – wir wis­sen, dass sich die Armut vor allem im Bereich der Alleinerzieherinnen manifestiert – mit dem Zuverdienst leben können.

 


Wir haben darüber hinaus im Rahmen der Steuerreform vor allem die geringeren Ein­kommen enorm begünstigt: Bis 14 500 € sind in Zukunft alle Einkommen in Österreich steuerfrei. Das betrifft leider in einem höheren Maße die Frauen als die Männer, aber das ist auch eine der Maßnahmen im Bereich der Bekämpfung der Armut.


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Präsident Jürgen Weiss: Die letzte Zusatzfrage dazu stellt Herr Weilharter.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! Wie sehen Sie die Entwicklung der Teilzeitbeschäftigung von Frauen?

 


Präsident Jürgen Weiss: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Ich sehe diese Entwicklung mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einer­seits ermöglicht die Teilzeitbeschäftigung vielen Frauen überhaupt erst einen zusätz­lichen Verdienst, ein zusätzliches Einkommen, andererseits wirkt sich Teilzeitbeschäfti­gung natürlich sowohl auf das eigene Einkommen als auch immer noch auf die Pensi­onsbeiträge, die man erwerben kann, aus.

Daher bin ich einerseits sehr froh, wenn es uns gelingt, den Anspruch auf Teilzeit bis zum 7. Lebensjahr des Kindes zu erreichen, andererseits müssen wir dazu aber auch begleitende Maßnahmen im Pensionsbereich setzen, sonst kann das zur Pensionsfalle für Frauen werden.

Daher müssen wir, denke ich, die Frauen informieren. Wir müssen aber auch das ent­sprechende Angebot schaffen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch im Vollzeitbereich möglich ist. Das heißt: auch die entsprechende Kinderbetreuung. Dies­bezüglich war ja die zuständige Staatssekretärin Ursula Haubner mit dem Kinder­betreuungsgipfel bereits aktiv. Sie wissen, es ist Länder- und Gemeindesache, Kinder­betreuungsplätze zur Verfügung zu stellen.

Die zuständige Bundesministerin Elisabeth Gehrer hat für Nachmittagsbetreuung an Schulen das entsprechende finanzielle Kontingent erhöht. Also vor allem wir Frauen in der Regierung sind sehr bemüht, den Frauen die Möglichkeit zu geben, einerseits Voll­zeit zu arbeiten und das mit Familie zu vereinbaren und andererseits die Phasen der Teilzeit, so sie auf Kinderbetreuung konzentriert sind, auch durch entsprechende pen­sionsrechtliche Absicherungen zu verbessern.

 


Präsident Jürgen Weiss: Ich bitte noch einmal, bei Zusatzfragen darauf zu achten, dass sie in einem Zusammenhang mit der Hauptfrage stehen sollen.

Wir gelangen zur nächsten Anfrage 1327/M. Ich bitte den Fragesteller, Herrn Bundes­rat Fasching, um Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Paul Fasching (ÖVP, Burgenland): Frau Bundesminister! Meine Frage lautet:

1327/M-BR/2004

„Haben die Maßnahmen des Arzneimittel-Pakets vom Herbst 2003 schon Auswirkun­gen im Bereich der Kostendämpfung gezeigt?“

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Ja, Gott sei Dank! Wir haben im vergangenen Jahr eine Steigerung im 1. Quartal von 9 Prozent bei den Arzneimittelkosten im Vergleich zum Jahr 2002 gehabt, also von 2,2 auf 2,3. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, mit dem Arzneimittelpaket eine Reduktion der Kostensteigerung auf maximal 3 bis 4 Prozent zu erreichen. Im 1. Quartal 2004 war die Steigerung 3,4 Prozent. Also wir liegen ganz im Plan, und ich bin sehr froh, dass wir das erreichen konnten.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wünschen Sie eine Zusatzfrage?

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
709. Sitzung / Seite 22

Bundesrat Paul Fasching (ÖVP, Burgenland): Wie weit sind die Vorbereitungen zur neuen Verfahrensordnung zur Aufnahme von Arzneimitteln in den Erstattungskodex gediehen?

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Erfreulicherweise sind sie sozusagen am Zielpunkt angelangt. Ich war vorige Woche, gestern und vorgestern im Ausland, aber meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben mir berichtet, dass die Geschäftsführung des Hauptverbandes nunmehr eine neue Ver­fahrensordnung beschlossen hat. Die, die sie mir vor zwei Monaten vorgelegt haben, war für mich inakzeptabel, weil sie nicht dem Verhandlungsergebnis des Arzneimittel­paketes entsprochen hat und teilweise auch nicht dem ASVG. Die Wirtschaftskammer hat sie auch abgelehnt.

Wir haben dann in intensiven Verhandlungen mit dem Hauptverband, glaube ich, eine Lösung gefunden, die von allen Beteiligten als positiv empfunden werden kann, und ich hoffe, dass sie, wenn ich in das Ministerium komme und sie vergleichen kann, unter­schriftsreif ist.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Hagen.

 


Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Bundesminister! Wann werden Sie auf EU-Ebene eine gemeinsame Initiative der Gesundheitsminister anre­gen, damit die deutlichen Gewinne der internationalen Pharmakonzerne auf Kosten der öffentlichen Gesundheitssysteme an die tatsächlichen Heilungserfolge angeglichen werden?

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Ich habe das schon vorige Woche getan, und zwar nicht nur innerhalb der EU, sondern auch innerhalb der OECD. Das war ein Thema. Es war ja erstmals vorige Woche in Paris ein Treffen aller Gesundheitsminister auf OECD-Ebene. Sie wissen, es ist ja an sich ein Wirtschaftsgremium, aber die Tatsache, dass die Gesundheitsminister gemein­sam mit den Finanzministern und den Wirtschaftsministern eingeladen wurden, zeigt, welche Relevanz der Gesundheitsbereich in allen öffentlichen Haushalten hat.

Ich habe dort auch in Frage gestellt, dass es hier eigentlich kein gemeinsames Vorge­hen gibt. Es gibt einen gemeinsamen Markt, lediglich im Arzneimittelsektor ist jedes Land sozusagen auf sich allein gestellt, und das macht es manchmal ganz schwierig, einen EU-Durchschnittspreis zu ermitteln, den wir ja in unserem neuen Arzneimittelpa­ket festgelegt haben. Ich bin hier durchaus auf positive Resonanz gestoßen. Wir haben auch sichergestellt, dass die OECD-Gesundheitsminister sich in Hinkunft regelmäßig treffen werden, sodass das auch ein Thema in Hinkunft sein wird.

 


Präsident Jürgen Weiss: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Schennach.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Zur Eindämmung der Arzneimittelkosten gibt es ja verschiedene Philosophien. Ich bin mir da selbst auch nicht ganz sicher. Eine davon ist die Reduzierung der Mehrwert­steuer von 20 auf 10 Prozent, so wie im Zusammenhang mit Wohnungen oder wie bei den Lebensmitteln. Wie sieht denn Ihre Meinung dazu aus? Was würde das an Einspa­rungen bringen?

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Im öffentlichen Bereich würde es praktisch keine Einsparungen bringen, weil die Kosten für die Mehrwertsteuer vom Bundesministerium für Finanzen refundiert werden. Allerdings gibt es immer einen veritablen Streitpunkt über die Höhe dieser Kosten. Also hier gehen die Meinungen der Beamten des Finanzministeriums und die Meinungen der Angestellten der Sozialversicherungen auseinander. Ich bemühe mich hier immer,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
709. Sitzung / Seite 23

moderierend zu wirken und auch die entsprechende Evaluierung dieser Summe sicher­zustellen. Im öffentlichen Bereich würde das kaum Auswirkungen haben.

 


Präsident Jürgen Weiss: Die letzte Zusatzfrage stellt Herr Schimböck.

 


Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Frau Bundesminister! In den nordischen Ländern und in der Schweiz werden große Kostendämpfungen erzielt durch die Erweiterung des Berufsbildes der Zahntechniker. Eine derartige Initiative hier im Haus wurde vor zwei Jahren leider abgeschmettert. Ihr Ressort hat zugesagt, ent­sprechende internationale Erhebungen durchzuführen. Gibt es diese Erhebungen bereits, und haben Sie vor, hier eine entsprechende Gesetzesinitiative zu setzen?

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Ich weiß, dass es derartige Erhebungen gegeben hat. Ich kann Ihnen aber im Moment nicht antworten, wie weit der Stand der Dinge ist, bin aber gerne bereit, Ihnen das schriftlich nachzureichen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Ich möchte dazu nur ergänzen, dass sich die Hauptfrage auf die Arzneimittelpreise bezogen hatte.

Wir gelangen zur nächsten Anfrage 1332/M. Ich bitte den Fragesteller, Herrn Bundes­rat Helmut Wiesenegg, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Minister! Herr Präsi­dent! Meine Frage lautet:

1332/M-BR/2004

„Wie hoch ist der erwartete Gesamtabgang in der Krankenversicherung 2000 bis 2005?“

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Der kumulierte Gebarungsabgang in der Krankenversicherung beläuft sich im Zeitraum 2000 bis 2002 auf 569,24 Millionen €. Laut vorläufiger Erfolgsrechnung 2003, aller­dings per Stichtag 15. Februar 2004, beträgt der Mehraufwand für das Geschäfts­jahr 2003 183,52 Millionen €. Laut Voranschlag 2004 wird für die Krankenversicherung im Geschäftsjahr 2004 ein Abgang von 134,58 Millionen € prognostiziert. Gemäß der Gebarungsvorschaurechnung 2005 beträgt der prognostizierte Gebarungsabgang der Krankenversicherung für das Jahr 2005 550,37 Millionen €. Da sind aber noch nicht die Auswirkungen der verschiedenen Maßnahmen berücksichtigt.

 


Präsident Jürgen Weiss: Haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Ich habe eine Frage in unmittelbarem Zu­sammenhang, und ich weiß, wovon ich rede, ich bin selbst im Vorstand eines Schwer­punktkrankenhauses.

Gnädige Frau Minister! Sie haben – „katastrophal“ verwende ich nicht – keine ruhm­reiche Bilanz in Ihrem Ressort zu verantworten. Der Verfassungsgerichtshof hat Ihre Finanzverschiebungsmodelle bei den Krankenversicherungen aufgehoben – wir spüren das tagtäglich. Wie lösen Sie die von Ihnen, so sehe ich das, verantwortete prekäre Finanzsituation im Gesundheitswesen konkret?

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Ich darf Sie einfach auf die historischen Tatsachen verweisen. Das, was der Verfas­sungsgerichtshof aufgehoben hat, habe nicht ich zu verantworten, sondern lag im Tätigkeitsbereich meines Amtsvorgängers Herbert Haupt. Aber auch er hat es nicht zu verantworten, es war nämlich ein Vorschlag der Sozialversicherungsträger, diese Finanzverschiebungen so durchzuführen.


Bundesrat
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Wir sind derzeit in intensiven Gesprächen. Der Hauptverband verhandelt mit den Sozi­alversicherungen über Einigungsmodelle, was die Rückzahlung der Kredite anbelangt. Der Verfassungsgerichtshof hat ja unterschiedlich aufgehoben. Es hat seit dem Er­kenntnis des Verfassungsgerichtshofes intensive Gespräche gegeben. Ich habe auch am vergangenen Sonntag wieder ein intensives Gespräch mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung des Hauptverbandes geführt, der neuerlich mit einem Modell an die Sozialversicherungsvertreter herangetreten ist. Ich baue hier auf die Selbstverwaltung und eine Entscheidung der Selbstverwaltung, die haltbar ist, auch dem Verfassungs­gerichtshof gegenüber. Ich denke, dass die Herren – es sind leider nur Herren, es sind keine Damen dabei – auf einem guten Weg sind, und hoffe doch, dass es hier zu einer gemeinsamen Lösung kommen kann.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Josef Saller.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Frau Bundesministerin! Wie bewerten Sie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zum Ausgleichsfonds?

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Das wäre entweder eine philosophische oder eine verfassungsrechtliche Frage. Ich habe das von allen Rechtsexperten, die mir zur Verfügung standen, prüfen lassen. Wir haben uns auch beim Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes erkundigt, inklusive dem Schrift­führer dieses Erkenntnisses. Alle konnten uns eigentlich nicht sagen, was damit ge­meint war.

Wir arbeiten jetzt daran, die Struktur des Hauptverbandes dem Erkenntnis entspre­chend neu zu gestalten. Federführend ist hier Herr Bundesminister Haupt als Gesamt­verantwortlicher für den Hauptverband. Ich bin allerdings mit dem Herrn Bundesminis­ter in guten Gesprächen, und ich denke, dass wir rechtzeitig mit der Gesamtreform und rechtzeitig vor dem In-Kraft-Treten des Erkenntnisses auch dem Parlament unsere Vorschläge präsentieren können.

 


Präsident Jürgen Weiss: Nächste Zusatzfrage: Herr Mag. Gudenus.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesminister! Wie sieht die aktuelle Finanzgebarung der Wiener Gebietskrankenkasse und ihr Gesamtabgang aus? (Bundesministerin Rauch-Kallat sucht in ihren Unterlagen. – Bundesrat Koneny: Falsche Frage!)

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Nein, ich wollte Ihnen nur die richtigen Zahlen nennen. (Bundesrat Konecny: Wieso, haben Sie auch falsche?) Die Erfolgsrechnung – ich würde sie nicht Erfolgsrechnung nennen –, der Gesamtabgang der Wiener Gebietskrankenkasse beträgt für das Jahr 2003 110 392 699 €, also rund 110 Millionen €. Für das Jahr 2004 wurde laut Voranschlag ein Bilanzverlust in der Höhe von rund 172 Millionen € prognostiziert.

 


Präsident Jürgen Weiss: Nächste Zusatzfrage stellt Frau Dr. Lichtenecker.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Frau Ministerin! Die Bundesländer und die Gemeinden leiden sehr unter der Steuerreform, die jetzt in Kraft treten wird, sofern wir das heute nicht zu verhindern wissen. Die Finanzierung des Gesundheitswesens nimmt eine zentrale Rolle in den Finanzausgleichsverhandlungen ein. Wie ist Ihre Position diesbezüglich?

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundes­rätin! Ich habe diesbezüglich schon im Februar mit dem Finanzminister Kontakt aufge­nommen und im März mit dem Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz Herbert Sausgruber ein entsprechendes Gespräch geführt. Wir möchten gerne im Zuge des Finanzausgleiches auch die Strukturen in der Entscheidungsfindung die Gesundheits-


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kosten betreffend verändern, und zwar durch die Schaffung von gemeinsamen Pla­nungs-, Steuerungs- und Finanzierungsinstrumenten sowohl für den intra- als auch für den extramuralen Bereich. Das heißt eine Koordination des Spitalsbereiches mit den niedergelassenen Ärzten und eine gemeinsame Steuerung und Finanzierung, um Dop­pelgleisigkeiten zu verringern, um Überangebote zu reduzieren und um ein besseres Service für die Versicherten und für die Patientinnen und Patienten zu erreichen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur nächsten Anfrage 1328/M. Ich bitte den Fragesteller, Herrn Bundesrat Gottfried Kneifel, um Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Gesundheits­ministerin! Meine Frage lautet:

1328/M-BR/2004

„Wie reagieren Sie als Gesundheitsministerin auf die von der WHO vorgestellte Studie, wonach im Jahr 2020 70 Prozent aller Todesfälle auf ungesunden Lebenswandel zu­rückzuführen sein werden?

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Ich befürchte, dass sie stimmt. Wir haben daher schon ganz am Beginn meiner Tätig­keit – das war auch der erste Teil der Gesamtgesundheitsreform – unsere Gesund­heitsförderungsbewegung präsentiert, die, wie ich vorhin schon gesagt habe, genau auf den Lebensstil der österreichischen Bevölkerung abzielt: Ernährung, Bewegung, Stressvermeidung, Unfallverhütung und klassische medizinische Vorsorge.

Wir haben das auch im September 2003 präsentiert und implementiert und sind auf einem sehr guten Weg, sowohl mit den schulischen Initiativen als auch mit den betrieb­lichen Gesundheitsförderungsinitiativen, als auch mit den Vorbereitungen für die Senio­ren.

Was mich besonders gefreut hat, war, dass ich jetzt bei diesen internationalen Treffen feststellen konnte, dass Österreich hier einmal mehr Trendsetter ist. Wir haben in Mailand vergangenes Jahr diese Gesundheitsförderungsbewegung präsentiert, und ich musste heuer in Cork feststellen, dass der amerikanische Gesundheitsminister Tommy Thompson nahezu die gleiche Kampagne macht wie wir. Die Amerikaner haben ge­nauso Fernsehspots mit denselben Themen wie der Fonds Gesundes Österreich.

Wir sind hier auf einem guten Weg. Es hat sogar der holländische Gesundheitsminister auf Grund unserer Präsentation gebeten, ob er Experten schicken kann, die sich unser Modell der Gesundheitsförderung anschauen und studieren. Darauf sind wir durchaus stolz.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wird eine Zusatzfrage gewünscht?

 


Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Welche Maßnahmen setzen Sie in Ihrem Ministerium zur Förderung des Ernährungsbewusst­seins, um drohende Übergewichtigkeit zu vermeiden? (Lebhafte allgemeine Heiterkeit.)

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Wir haben versucht, die Tintenburg in der Radetzkystraße 2 mit entsprechenden An­reizen auszustatten. Ich weiß nicht, ob deswegen Ihre Zusatzfrage kommt. Wir haben an alle Lifttüren entsprechende Schilder montiert mit der Aufschrift „Fitnessstudio Trep­penhaus“. Ich persönlich gehe mindestens einmal am Tag die zehn Stockwerke von der Garage in mein Büro zu Fuß. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der SPÖ.) Das sind genau 200 Stufen. Bedauerlicherweise treffe ich nie jemanden. Das beunruhigt mich. (Bundesrat Konecny: Sie gehen zu früh!) Ich ärgere


Bundesrat
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mich dann, wenn ich mit dem Lift fahre, was natürlich auch manchmal vorkommt, weil es doch etwas schneller geht – der Lift ist nämlich das Einzige, was in dem Haus wirklich funktioniert –, wenn dann ... (Ironische Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Von den klimatischen Verhältnissen in diesem Bau will ich gar nicht spre­chen. Im Sommer hat es um 10 Uhr 40 Grad und Ähnliches. Das ist schon eine enor­me Belastung für die Beamtinnen und Beamten, die dort arbeiten müssen.

Ich habe mir aber vorgenommen, wir werden, damit wir die Stiegenhäuser öffnen, im Herbst den ersten österreichischen Tintenburg-Lauf machen, der sich dann von Stie­genhaus zu Stiegenhaus ziehen wird und hoffentlich eine Attraktivität bekommen wird wie in New York der Empire-State-Building-Lauf. Vielleicht können wir das erreichen.

Ich habe darüber hinaus angeordnet, dass Äpfel für die Mitarbeiterinnen und Mitarbei­ter frei zur Verfügung stehen. Wir haben mit der Betriebsärztin auch ein Bewegungs­programm entwickelt, das wir gemeinsam mit dem Betriebsrat implementieren wollen, und wir werden gemeinsam mit anderen Ministerien – hier bemüht sich der Herr Staatssekretär Schweitzer sehr, ebenso das Bundeskanzleramt – auch ein Fitness­programm für unsere MitarbeiterInnen anbieten.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Ing. Kampl. – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundes­minister! Die Ärzte raten zu mehr Bewegung. Welchen Stellenwert räumen Sie in die­sem Zusammenhang der Initiative vom Staatssekretär für Sport „Fit für Österreich“ ein?

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Einen sehr hohen, Herr Bundesrat, das habe ich gerade erwähnt. Wir bemühen uns, in allen Minis­terien entsprechende Fitnessprogramme für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzubieten, damit der Bund einmal mehr beispielgebend auch für private Betriebe ist.

Ich möchte hier aber auch zum Beispiel die Initiative der Wirtschaftskammer Tirol, die gemeinsam mit der UNIQA eine Schwerpunktaktion für Klein- und Mittelbetriebe ge­setzt hat, lobend erwähnen. Großbetriebe tun sich da etwas leichter, Klein- und Mittel­betriebe wollen wir auch für diese Bewegung gewinnen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage: Frau Bundesrätin Kerschbaum.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Frau Ministerin! Ich finde eine Kampagne für die Gesundheitsförderung sehr spannend und finde es auch gut, wenn die Beamten Stiegen steigen, denke aber doch, dass zum gesunden Leben mehr gehört, etwa auch eine gesunde Ernährung. Das alles kostet aber Geld.

In diesem Zusammenhang meine Frage: Wie reagieren Sie als Gesundheitsministerin auf das Ergebnis des letzten Frauengesundheitsberichtes, in dem es heißt, dass Ge­sundheit und Krankheit in höchstem Maße sozial bedingt sind und Armut sozusagen weiblich ist?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundes­rätin! Ich reagierte darauf, indem ich gebeten habe – auch im Zusammenhang mit dem Frauengesundheitsbericht –, ganz besonders auf den Bereich der einkommensschwa­chen Gruppen Bedacht zu nehmen, und indem ich plane, demnächst auch mit den Sozialversicherungen über Initiativen bei einkommensschwächeren Bevölkerungsgrup­pen, was Vorsorge anbelangt, zu diskutieren.

Wir haben in Österreich ein enormes Gefälle, was die Lebenserwartung anbelangt, auf­zuweisen, und zwar sind es zwischen West und Ost drei Jahre. 600 Kilometer Entfer­nung und drei Jahre Unterschied bei der Lebenserwartung! In Vorarlberg und Tirol


Bundesrat
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leben die Menschen drei Jahre länger als in Wien, in Niederösterreich und im Burgen­land. Besonders betroffen ist da das Burgenland. Das hängt sehr stark mit den Ernäh­rungsgewohnheiten zusammen, aber leider auch mit den Trinkgewohnheiten. Es ist aber auch innerhalb von Wien ein Thema, und zwar ist es zwischen den einzelnen Bezirken ganz unterschiedlich. Diesen Punkt habe ich auch mit dem Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse Bittner besprochen.

Ich denke, da sollten wir gemeinsam mit den Sozialversicherungen vor allem im Be­reich der Prävention für einkommensschwache Familien etwas tun. Einkommensstarke Familien haben ein höheres Gesundheitsbewusstsein, haben auch die Mittel, sich Gesundheitsförderung zu finanzieren. Nicht umsonst boomen die Wellness-Tempel.

 


Präsident Jürgen Weiss: Die letzte Zusatzfrage stellt Herr Professor Konecny.

 


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Bundesminister! All das, was Sie hier referiert haben, ist unbestritten, ich halte es aber für einen einseitigen und kurz­sichtigen Zugang zu diesem Thema, wenn wir nur die selbst bestimmten Gesundheits­faktoren in Rechnung stellen. Sie wissen so gut wie jeder andere, dass Stress am Arbeitsplatz, Umweltbedingungen – das könnte man endlos aufzählen – in gleicher Weise für das persönliche Lebensgesundheitsschicksal eines Menschen verantwortlich sind.

Meine Frage: Welche Maßnahmen setzen Sie auf diesem Gebiet?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Wenn Sie die Umweltbedingungen ansprechen, so darf ich Ihnen sagen: Es hat eine Initiative mei­nerseits auch für den Arbeitsplatz gegeben. Wir haben in einer großen Enquete ge­meinsam mit der Wirtschaftskammer und der Bauernkammer vor allem das Thema „Pflanzen am Arbeitsplatz, Arbeitsumfeld verbessern“ diskutiert, und wir setzen vor allem in unserer betrieblichen Gesundheitsförderung darauf, Betriebe auch entspre­chend zu informieren und zu animieren, durch gesundheitsfördernde Maßnahmen die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verbessern.

Die Betriebe haben – ähnlich wie beim Umweltschutz vor 15 Jahren – auch erkannt, dass sich Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung rechnen. Das bringt nämlich motiviertere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dann effizienter arbeiten. Ich kann Ihnen aus meiner Erfahrung auch sagen, dass es kaum einen Betrieb gibt, den ich zu überzeugen versuche, dass er gesundheitsfördernde Maßnahmen setzen sollte, der sich dagegen wehrt oder stemmt.

Ich habe auch alle Fraktionen dieses Hohen Hauses eingeladen, über Gesundheits­botschafter in den Betrieben ihrer Wahlkreise für gesundheitsfördernde Maßnahmen zu werben. Wir stellen diesbezüglich gerne Materialien zur Verfügung, und ich bin sehr dankbar, wenn Abgeordnete und Bundesräte die Betriebe in ihrem Wahlkreis besuchen und sie darauf aufmerksam machen, welche gesundheitsfördernden Maßnahmen es gibt, und sie darauf hinweisen, welche Unterstützung es auch von Seiten der Kranken­versicherungen gibt.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur letzten Anfrage, zur Anfrage 1333/M. Ich bitte den Fragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Gumplmaier, um die Verlesung seiner An­frage.

 


Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Minister! Die Reform des Gesundheitssystems ist einer der Schwerpunkte Ihrer Regierungs­tätigkeit. In diesem Zusammenhang lesen wir in den Medien (Präsident Weiss gibt das Glockenzeichen) sehr häufig von Gesundheitsagenturen.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
709. Sitzung / Seite 28

Präsident Jürgen Weiss (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte Sie, die schriftlich eingereichte Frage zu verlesen.

 


Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (fortsetzend): Meine Frage lautet:

1333/M-BR/2004

„Gibt es das sagenumwobene ÖVP-Modell der Gesundheitsagenturen nun schon kon­kret?“

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Es ist nicht wirklich sagenumwoben, sondern es gibt im Regierungsprogramm eine Festlegung auf die Schaffung von Landesgesundheitsfonds, die wir im Zuge der Dis­kussion zur Gesundheitsreform in Landesgesundheitsagenturen oder Gesundheits­agenturen umbenannt haben, und zwar deswegen, weil es immer wieder zur Verwir­rung in der Diskussion geführt hat. Es gibt nämlich jetzt schon Landesfonds, das sind die Strukturfonds, und die Verwirrung zwischen Landesfonds und Landesgesundheits­fonds war eigentlich unangenehm, und daher haben wir nach einem neuen Terminus technicus gesucht, und das ist die Landesgesundheitsagentur oder Gesundheitsagen­tur. Diese Bezeichnung sagt auch mehr aus als das Wort „Fonds“. Das Wort „Fonds“ suggeriert immer nur eine Geldquelle oder einen „Geldsack“. Die Agentur soll ja auch tatsächlich steuern und koordinieren.

Wir haben dieses Modell am 22. März im Rahmen eines Gesundheitsdialoges im Bun­desministerium präsentiert. Es haben rund 150 Personen daran teilgenommen. Es wur­den sowohl die Konstruktion dieser Agenturen als auch die Arbeitsaufträge an diese Agenturen beziehungsweise die Arbeitsfelder dieser Agenturen diskutiert, und ich werde jetzt dieses Modell in den Bundesländern nicht nur mit den zuständigen Landes­gesundheitsreferenten – mit denen haben wir es ja im Rahmen des Strukturfonds diskutiert –, sondern auch mit den Landesfinanzreferenten und den Landeshauptmän­nern beziehungsweise -frauen durchbesprechen, um zu sehen, in welcher Form es auch tatsächlich mehrheitsfähig ist.

Für die Umsetzung brauchen wir nämlich zweierlei: einerseits ein Bundesgesetz und andererseits neun Artikel-15a-Verträge.

Wie Sie wissen, ist das nicht immer ganz einfach. Daher liegt mir sehr viel daran, über die Konstruktion größtmögliche Einigkeit mit den Landeshauptleuten zu finden, und diese „Tour des Capitales“, wenn Sie so wollen, diesen Besuch in den Landeshaupt­städten beginne ich demnächst.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Frau Bundesminister, Sie wissen sicher, dass gegen diesen Entwurf verfassungsrechtliche Bedenken geäußert wurden, und vermutlich kennen Sie auch das in Linz vorgestellte Gegenmodell der Gesundheitspartnerschaft der Arbeitsgemeinschaft der Krankenversicherungen. Sehen Sie die Möglichkeit einer Verbindung zwischen diesen Lösungsansätzen?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Die Gespräche, die ich angekündigt habe, dienen ja dazu, eine Lösung aus verschie­denen Modellen zu finden. Selbstverständlich bin ich bemüht, ein verfassungskonfor­mes Modell zu erstellen, und wir haben daher auch Verfassungsjuristen in die Vorbe­reitungen mit einbezogen.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
709. Sitzung / Seite 29

Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Wo sehen Sie Möglichkeiten für Optimierungen und Effizienzsteigerungen durch die Errich­tung von Gesundheitsagenturen?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Es gibt, glaube ich, eine Reihe von Möglichkeiten dazu. Gehen wir von der Ausgangs­lage aus: Die momentan sehr hohen Kosten resultieren nicht nur aus der demogra­phischen Entwicklung und aus dem medizinischen Fortschritt – auch das ist zu berück­sichtigen –, sondern vor allem auch daraus, dass beide Bereiche, nämlich Spitalsbe­reich und niedergelassener Bereich, getrennt geplant, finanziert und gesteuert werden. Das führt dazu, dass zum Beispiel versucht wird, kostenintensive Behandlungen dem jeweils anderen Bereich unterzuschieben. Dadurch kommt es zu Doppelgleisigkeiten, dadurch kommt es einerseits zum Teil zu Überkapazitäten und andererseits zu Versor­gungsmängeln.

Wir denken, dass die gemeinsame Planung, Steuerung und Finanzierung beider Sys­teme zu einer höheren Kosteneffizienz führen kann und führen soll, und das Ziel dieser Gesundheitsagenturen ist es, die notwendige medizinische Leistung in größtmöglicher Qualität für die Versicherten so angenehm wie möglich zur Verfügung zu stellen. Da wird es darum gehen, Überkapazitäten zu vermeiden, was zum Beispiel Großgeräte und anderes mehr anbelangt.

Eine große Hoffnung setze ich auch auf den ELGA, den Elektronischen Gesundheits­akt, der den Menschen begleiten soll und die Gesundheitsdaten auch entsprechend elektronisch zur Verfügung halten sollte. Da ist es mir wichtig, im Vorfeld der Schaffung dieses Elektronischen Gesundheitsaktes auch hier in diesem Hohen Haus sowohl mit dem Nationalrat als auch mit dem Bundesrat alle datenschutzrechtlichen Probleme zu diskutieren, damit diese an sich meines Erachtens sinnvolle gemeinsame Dokumenta­tion nicht an diesen Problemen scheitert.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach (den Vorsitz übernehmend): Zu einer Zusatzfrage hat sich Ing. Kampl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundes­minister! Wie soll mit dem von Ihnen geforderten Modell der Gesundheitsagenturen das Problem der Finanzierungsströme aus verschiedenen Quellen des Gesundheits­systems – Bund, Länder, Gemeinden, Krankenkasse, Eigenleistungen und so weiter – sowie das Problem der Forderung nach überregionaler Zusammenarbeit der Kranken­kassen gelöst werden?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Wir lösen dieses Problem dadurch, indem wir durch eine Zusammensetzung dieser Gesundheitsagenturen sicherstellen, dass alle Beteiligten zu einer Einigung kommen, und zwar im Sinne der Patientinnen und Patienten. Es geht mir darum, dass die Ver­antwortlichen des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Sozialversicherungen die Finanzierung und auch das Angebot sicherstellen, dass aber gleichzeitig der Pati­ent und die Patientin die Gesundheitsdienstleistung, auf die er oder sie Anspruch hat, in einem entsprechenden Maße und in einem zumutbaren Umfeld erhalten, und zwar sowohl in Bezug auf die Wegzeiten als auch in Bezug auf die Erreichbarkeit, als auch in Bezug auf allfällige Wartezeiten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
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Wir sind in Österreich bemüht, Wartezeiten hintanzuhalten. Ich denke, dass uns das im Großen und Ganzen dort, wo es auf reine Kapazitäten ausgerichtet ist, auch ganz gut gelingt. Dort, wo zum Beispiel Transplantationsorgane notwendig sind, kann man War­tezeiten selbstverständlich nicht verhindern.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die nächste Zusatzfrage kommt von Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Frau Bundesminis­terin! Analysen zeigen, dass das Problem bei der Finanzierung des österreichischen Gesundheitswesens unter anderem auch an der Einnahmenstruktur liegt. Wie stehen Sie zu der Thematik „Anhebung des Höchstbeitragssatzes“ beziehungsweise „Verbrei­terung der Beitragsgrundlage“?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundes­rätin! Wir haben im letzten Jahr, im Jahr 2003, auch unter diesem Aspekt bei den Einnahmen eine maßvolle Erhöhung vorgenommen. Wir haben mit der Harmonisierung der Beiträge für Arbeiter und Angestellte von 6,9 auf 7,3 für die Krankenversicherungen Mehreinnahmen in der Höhe von rund 100 Millionen € erreicht. Wir haben durch eine maßvolle Anhebung bei den Beiträgen für die SeniorInnen, also für die Pensionistinnen und Pensionisten, von zweimal 0,5 ebenfalls dem steigenden Bedarf der Krankenver­sicherungen Rechnung getragen. Darüber hinaus haben wir durch die Einführung des Allgemeinen Unfallversicherungsbeitrages von 0,1 Prozent ebenfalls Mehreinnahmen erzielt. Wir haben alles zusammen für das Jahr 2005 Mehreinnahmen in der Höhe von 400 Millionen € sichergestellt.

Ich denke, dass es jetzt notwendig ist, in einem zweiten Schritt auch an den Strukturen etwas zu verändern, denn wenn immer nur neues Geld zugeführt wird und ausreichend Geld im System vorhanden ist, dann wird die Bereitschaft zu Strukturbereinigungen relativ gering sein. Wie Sie wissen, bedürfen Strukturbereinigungen immer auch politi­scher Kraftakte, da sollten wir uns gar nichts vormachen. Es gibt ein gewisses Behar­rungsvermögen, das insbesondere dort besonders stark ausgeprägt ist, wo einzelne Gruppen von diesem System profitieren. Das ist zwar legitim, soll aber nicht in einem übermäßigen Maße stattfinden. Daher denke ich, dass wir jetzt den wichtigen Schritt der Strukturreformen gehen müssen, bevor wir an neue Einkommensquellen denken.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesminister.

Damit ist die heutige Fragestunde beendet.

Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Hinsichtlich der eingelangten, entspre­chend vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortung 1982/AB verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 GO-BR, die dem Steno­graphischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden. (siehe S. 5.)

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Bereits früher eingelangt und zugewiesen sind jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Vorlage der Bundesregierung, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.


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Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

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Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Auf Grund eines dem Herrn Präsidenten zugekommenen Vorschlages ist beabsichtigt, die Debatte über die Punkte 3 und 4 sowie 5 und 6 der Tagesordnung jeweils unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir werden daher im vorgeschlagenen Sinne vorgehen.

1. Punkt

Bericht der Bundesregierung betreffend den Abbau von Benachteiligungen von Frauen (Berichtszeitraum 2001–2002) (III-255-BR/2004 d.B. sowie 7035/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und gelangen zu deren 1. Punkt.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Wimmler. Ich darf sie um die Berichterstattung bitten.

 


Berichterstatterin Herta Wimmler: Geschätzte Frau Ministerin! Ich bringe den Bericht der Bundesregierung betreffend den Abbau von Benachteiligungen von Frauen aus dem Berichtszeitraum 2001–2002.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Verlesung des Aussschussantrages.

Der Ausschuss für Frauenangelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Mai 2004 den Antrag, den Bericht der Bundesregierung betreffend den Abbau von Benachteiligungen von Frauen (Berichtszeitraum 2001–2002) zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung und die Antragstellung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Bundesrätin Bachner. – Bitte.

 


10.38

Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Wie bereits erwähnt behan­deln wir heute den Bericht der Bundesregierung betreffend den Abbau von Benach­teiligungen von Frauen. Wohlgemerkt, der Berichtszeitraum umfasst die Jahre 2001 und 2002, das heißt, es ist schon eine Zeit lang her, denn wir schreiben mittlerweile 2004. Wir haben auch heute im Rahmen der Fragestunde schon sehr viele Fragen zu diesem Thema gestellt und auch Antworten bekommen, etwa wie es mit Förderungs­maßnahmen für Frauen ausschaut, damit die Gleichstellung von Frau und Mann in Zukunft besser funktionieren kann. Ich möchte daher gar nicht so sehr auf diesen Bericht eingehen, sondern mich mehr mit der heutigen Situation der Frauen, wie sie sich für uns darstellt, beschäftigen.


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Leider hat sich – und wir haben das soeben in der Fragestunde erkennen können – trotz gesetzter Maßnahmen, die ich gar nicht abstreiten möchte, nicht sehr viel an der Situation der Frauen geändert. In manchen Bereichen ist die Situation der Frauen so­gar noch prekärer geworden.

Im internationalen Vergleich – und das wurde heute auch schon erwähnt – schauen natürlich Österreichs Arbeitslosenzahlen immer noch gut aus. Da gebe ich Ihnen Recht, Frau Bundesministerin! Nur: Mir geht es nicht um den internationalen Vergleich, sondern um die Menschen, die in unserem Land leben, und da ist – und das haben Sie, Frau Bundesministerin, auch selbst bestätigt – jede Arbeitslose oder jeder Arbeits­lose um eine oder einen zu viel. Doch gerade die Zahl der arbeitslosen Frauen ist in der letzten Zeit gestiegen.

Was mir aber zusätzlich noch große Sorgen bereitet, ist die rasant steigende Zahl der atypisch Beschäftigten, also die Zahl der freien Dienstnehmerinnen, der neuen Selb­ständigen und vor allem der geringfügig beschäftigten Frauen. Diese Zahlen nehmen rasant zu, und das bedeutet, dass, auch wenn Gegenmaßnahmen gesetzt werden, die Frauen zusätzlich von Armut gefährdet sind.

Die in diesem Zusammenhang gesetzten Maßnahmen, um eben Familie und Beruf in Einklang zu bringen – und es zeigen die Zahlen, warum es Frauen nach wie vor nicht schaffen, entweder in Vollzeit plus Familie plus Kinderbetreuung arbeiten zu können –, sind zu wenig. Um Familie und Beruf wirklich in Einklang bringen zu können, werden wir noch zusätzliche Anstrengungen unternehmen müssen.

Frau Bundesminister! Sie haben sehr richtig gesagt – da kann ich Ihnen nur beipflich­ten –, der Kreislauf beginnt meist schon zu dem Zeitpunkt, an dem man als junger Mensch seine Berufswahl trifft. Die Bildungsentscheidung, die Frage der Qualifikation entscheiden in weiterer Folge in einem enorm hohen Ausmaß darüber, wie sich die Teilnahme am Erwerbsprozess gestaltet.

Die ungleiche Verteilung der Bildungschancen hat sich zwar in den letzten Jahrzehnten deutlich verringert, dennoch – und das haben Sie heute ganz deutlich ausgeführt – ist die geschlechtsspezifische Ausbildung nach wie vor stark ausgeprägt, und da müssen wir ansetzen, damit junge Frauen von der Entscheidung für typische Frauenberufe abkommen und sich auch für derzeit noch atypische Berufe entscheiden, um in Zukunft bessere Chancen zu haben.

Frauen gelingt es wesentlich seltener, ihre Berufsabschlüsse in höhere berufliche Posi­tionen umzusetzen. Bereits beim Berufseinstieg erhalten Frauen um 18 Prozent weni­ger Einkommen als Männer. Der Anstieg der Erwerbsbeteiligung der Frauen, der sehr wohl stattgefunden hat, findet jedoch in hohem Maße in geringer qualifizierten Dienst­leistungsberufen statt. Auf Grund des stark geteilten Arbeitsmarktes ist es nach wie vor möglich, die von Frauen verrichteten Arbeiten deutlich niedriger zu entlohnen als die von Männern.

Sehr geehrte Damen und Herren! Frauen sind auch häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen; das haben wir heute schon mehrfach gehört. Gerade für Frauen mit Betreu­ungspflichten ist es besonders schwierig, einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden. Auf Grund der diskriminierenden Anrechnungsbestimmungen – und ich bleibe dabei, obwohl ich weiß, dass die gesetzliche Grundlage natürlich für Mann und Frau gleich ist, was die Anrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe betrifft –ist der Prozentsatz der Männer, die um den Notstand „umfallen“, verschwindend im Vergleich zu den Frauen. Das heißt, da müsste etwas geschehen, weil die Frauen eben auf Grund dieser Anrechnungsbestimmungen bei der Notstandshilfe stark verlieren – und dadurch natürlich auch den Anspruch auf Arbeitslosenleistungen. In weiterer Folge ist


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das eine Kette bis hin zur Pensionierung, weil all diese Maßnahmen sich natürlich auch in der Pension auswirken.

Geschätzte Damen und Herren! Ein weiterer wesentlicher Punkt ist nach wie vor die zwischen den Geschlechtern ungleich verteilte Versorgungsarbeit. Diese ungleiche Verantwortung für die Versorgungsaufgaben spiegelt sich natürlich in der Situation der Frauen auf dem Arbeitsmarkt ganz deutlich wider. Die Frauen nehmen überwiegend reduzierte Arbeitszeiten in Anspruch, und schlechtere berufliche Positionen, berufliche Nachteile durch Berufsunterbrechungen sowie geringere Bewertung von weiblicher Arbeit führen im Endergebnis dazu, dass das Erwerbseinkommen von Frauen um ein Drittel niedriger ist als das der Männer.

Das natürlich wirkt sich letztendlich auch wieder – das ist ein ewiger Kreislauf – auf die Pensionen der Frauen aus.

Wir werden aber erst dann, sehr geschätzte Damen und Herren – und ich weiß, dass das einige nicht gerne hören –, andere Fakten in den Berichten vorfinden, aber auch in den Diskussionen hören, wenn wir anfangen, Frauen- und Familienpolitik zu trennen. Gerade in den letzten Jahren wurde das sehr oft vermischt. Es wurden Lobeshymnen gesungen, was denn nicht alles für Frau und Familie gemacht wurde. Ich sage Ihnen jedoch aus eigener Erfahrung: Alles, was für Familie gut ist, muss nicht unbedingt auch für Frau gut sein. Ganz im Gegenteil: Es gibt sehr wohl Maßnahmen, die familien­politisch gute Maßnahmen sind, aber in Wahrheit den Frauen schaden.

Ein Beispiel: das Kinderbetreuungsgeld. Natürlich hat das Kinderbetreuungsgeld auch positive Aspekte, aber – und das wurde in der Zwischenzeit durch eine OECD-Studie bestätigt – durch die lange Berufsunterbrechung – und Frauen werden durch das Kin­derbetreuungsgeld animiert, länger aus dem Erwerbsleben auszusteigen – sind Frauen letztendlich wieder benachteiligt. Lange Berufsunterbrechungen sind eben – und das kann man nicht wegdiskutieren, sonst wäre es eine verlogene Diskussion – die Haupt­ursache für die schlechte Situation der Frauen am Arbeitsmarkt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Deshalb ist es ganz wichtig, Frauen die Möglichkeit zu geben, und zwar von Beginn an, sich beruflich entfalten zu können. Das beginnt – wie schon erwähnt – bei der Ausbil­dung. Wenn sich dann Frauen auch für Familie entscheiden – und viele tun das ja, und zwar sehr gerne –, müssen eben die geeigneten Rahmenbedingungen geschaffen wer­den.

Frauen ist nicht unbedingt damit geholfen, wenn man ihnen Geld für die Kinderbetreu­ung gibt und sie damit noch länger vom Arbeitsmarkt fern hält. Frauen ist dann gehol­fen, wenn man ihnen ausreichend Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung stellt. Frauen ist dann geholfen, wenn ihnen ausreichend Ganztags-Kinderbetreuungsstellen zur Verfügung stehen. Frauen ist aber auch dann geholfen, und da müssen wir uns alle bei der Nase nehmen (Ruf bei der ÖVP: Ist auch den Kindern geholfen?) – o ja, auch den Kindern, weil das ja ein entsprechender Automatismus ist –, Frauen ist dann geholfen, wenn die Verantwortung für die Versorgungsarbeit wirklich gerecht zwischen den Geschlechtern geteilt wird.

Solange Frauen nach wie vor in einem enorm hohen Ausmaß diese Versorgungsarbeit übernehmen, werden sie nicht dieselben Chancen am Arbeitsmarkt haben wie die Männer! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Deshalb bin ich auch sehr dafür und eine Verfechterin dessen, dass auch die entspre­chenden Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit es auch den Männern mög­lich gemacht wird, ihren Anteil an der Versorgungsarbeit zu übernehmen. Dafür – das muss man fairerweise sagen – stimmen derzeit die Rahmenbedingungen oft auch


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nicht. Wenn sich nämlich – und da kann man noch so partnerschaftlich denken – die Frage stellt: Wer übernimmt die Versorgungsarbeit für einen bestimmten Zeitraum?, wird die Antwort fast immer die gleiche sein. Ich meine, wenn es um die finanzielle Existenz der Familie geht, wird sich, weil der Mann immer noch mehr verdient als die Frau, die Frage, wer zu Hause bleibt, wer die Versorgungsarbeit übernimmt, von vorn­herein gar nicht stellen.

Auch das sind wichtige Kriterien, und wir müssen daran arbeiten, dass es Männern wie auch Frauen leichter gemacht wird, hier auch partnerschaftliche Entscheidungen tref­fen zu können.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Es wäre eine lohnenswerte Aufgabe, all diese Voraussetzungen zu schaffen, damit Frauen und Männer dieselben Chancen am Arbeitsmarkt und im Leben haben. Frauen können einen wesentlichen Beitrag zu einem gut funktionierenden Wirtschaftskreislauf leisten. Warum lassen wir sie nicht? – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.49

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Bader. – Bitte.

 


10.49

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Gleich vorweg eine Anmerkung: Beim Bericht über den Abbau von Benachteiligungen von Frauen könnte man, wenn man eine punktuelle Aufnahme machen würde und das Präsidium anschaut, meinen, dass dieser Bericht in Zukunft überflüssig sein könnte. (Heiterkeit und vereinzelt Beifall.) Das aber nur als scherzhafte Anmerkung am Beginn.

Ich möchte zum Bericht über den Abbau von Benachteiligungen von Frauen vielleicht auch ganz kurz zu den Ausführungen von Frau Kollegin Bachner anmerken, dass es sicherlich nicht allein um den Arbeitsmarkt geht, sondern sehr wohl auch um die Erzie­hung unserer nächsten Generation, der Kinder. Das sollte schon einmal angemerkt werden.

Das Zweite, das ich zu Beginn anmerken möchte, ist, dass ich schon auf den Bericht, der heute zur Verhandlung vorliegt, eingehen möchte. Das ist meines Erachtens we­sentlich, und die SPÖ, die im Ausschuss ja dagegen gestimmt hat, ist uns die Antwort schuldig, warum sie das getan hat.

Insgesamt glaube ich doch, dass von der Regierung einiges weitergebracht wurde, und dafür auch einen recht herzlichen Dank an die Frau Ministerin, aber ich gebe zu und gebe Ihnen auch Recht, Frau Kollegin, es bleibt in diesem Bereich natürlich für die Zukunft noch viel zu tun.

Die Regierung ist aufgerufen, dem Parlament jedes zweite Jahr darüber zu berichten, welche Fortschritte es beim Abbau von Benachteiligungen von Frauen gegeben hat. In diesem Bericht, der uns vorliegt und der über 90 Seiten umfasst, werden zahlreiche Maßnahmen angeführt und wird anhand von ausgewählten Kennzahlen wie Einkom­men und Pensionen die Entwicklung der Lage der Frauen im Zeitvergleich dokumen­tiert.

Was die Kennzahlen in diesem Bericht angeht, so zeigen die Daten, dass die Einkom­mensunterschiede zwischen Frauen und Männern – und das haben Sie ja bereits angesprochen – immer noch sehr hoch sind. Sie sind also gegenüber dem Jahr 1999 zwar nicht gestiegen, aber dennoch ... (Bundesrätin Bachner: O ja, sie sind gestie­gen!) – Seit 1999 nicht!


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Beim mittleren Jahresnettoeinkommen hat sich der Unterschied ja erhöht: von 33 Pro­zent im Jahr 1997 auf 35 Prozent im Jahr 1999, und er ist dann gleich geblieben bis zum Jahr 2001.

Der Anteil der Alterspension für Frauen ist aufgrund der steigenden Erwerbstätigkeit gestiegen: von 35 Prozent im Jahr 1980 auf 49 Prozent.

Eine leichte Erhöhung gab es auch bei den Erwerbsquoten, wenngleich diese Erhö­hung nur geringfügig ausgefallen ist, und eine leichte Verbesserung gab es hinsichtlich der Elternkarenz. Prozentuell ist das zwar sehr hoch, aber ich möchte das jetzt nicht ansprechen, weil das insgesamt noch sehr niedrig ist und hier noch einiges zu tun bleibt.

Die ausgewählten Kennzahlen zeigen eindeutig, dass weiterhin Handlungsbedarf be­steht, um tatsächlich von der Erreichung einer Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern sprechen zu können. Daher wird es auch in Zukunft verschiedenster Maß­nahmen bedürfen, um die Benachteiligung von Frauen zu beseitigen.

Es sind im Bericht rund 85 Maßnahmen der Bundesministerien und des Kanzleramtes beschrieben; diese reichen von der Finanzierung von Studien über Veranstaltungen zu frauenspezifischen Themen bis zur Verankerung von Gender Mainstreaming. Auch wenn die Anzahl der Maßnahmen gegenüber dem letzten Bericht geringer ist, bedeutet das nicht gleichzeitig, dass weniger weitergebracht wurde. Ich meine nämlich, dass es in diesem Zusammenhang nicht unbedingt auf die Quantität der Maßnahmen, sondern auf deren Qualität ankommt.

Die meisten Nennungen kamen aus dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit und dem Bundes­ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Bei der Auswertung der Maßnahmen nach Themenbereichen finde ich es sehr positiv, dass der Themenschwerpunkt aktive Förderungsmaßnahmen im Bereich schulische und berufliche Weiterbildung einen sehr hohen Stellenwert hat. Die Gleichbehandlung im Arbeitsleben halte ich ebenfalls für sehr wesentlich; das wurde ja auch von der Vorrednerin angesprochen.

Das Wichtigste waren insgesamt Qualifizierungs- und Beratungsmaßnahmen sowie eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit. Legislative Maßnahmen betreffen rund 11 Prozent der Nennungen; also eine weniger häufige Maßnahmenart.

Bei der Gegenüberstellung der beiden letzten Berichte nach den Themenschwer­punkten ergibt sich, dass es in beiden Erhebungszeiträumen zu einem großen Anteil um Gleichbehandlung im Arbeitsleben und Gleichstellung am Arbeitsmarkt ging. Die Öffentlichkeitsarbeit hat ähnlich dominiert.

Nur ein paar Beispiele, die ich herausgreifen möchte: Im Bereich des Bundesministe­riums für soziale Sicherheit und Generationen kam es zum Abschluss von fünfjährigen Auftragsverträgen mit den Interventionsstellen gegen Gewalt in den Familien. Leider Gottes sind gerade im Berichtszeitraum die Betretungsverbote um 20 Prozent gestie­gen, aber die Interventionsstellen kontaktieren aktiv die betroffenen Frauen, nachdem sie von der Exekutive informiert werden, um mit diesen Frauen einen Sicherheitsplan zu erstellen und zu gewährleisten, dass für die Frauen und auch ihre Kinder in Zukunft Gewalthandlungen weitgehend ausgeschlossen oder zumindest verhindert werden können.

Da ist sehr viel Geld aufgewendet worden, das natürlich auch entsprechend sinnvoll eingesetzt ist.


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Eine Verbesserung der Situation pflegender Angehöriger wurde schon 1998 eingeführt. Hier wurde eine begünstigte Weiterversicherung bei der Pensionsversicherung für jene Personen geschaffen, die nahe Angehörige der Pflegegeldstufe 5, 6 und 7 betreuen und aufgrund dessen ihre Erwerbstätigkeit aufgeben mussten. Im Jahr 2001 wurde diese Maßnahme auf die Pflegestufe 4 und im September auf die Stufe 3 ausgeweitet. Das ist eine sehr sinnvolle Maßnahme.

Sie haben angesprochen, dass der Berufseinstieg nach der Ausbildung sehr entschei­dend ist für die weitere Karriere einer Frau. Ich denke, dass die Publikation „Mädchen können mehr“ sehr interessant und sehr wichtig ist, um die Berufsorientierung, die diesbezügliche Entscheidung für Mädchen und Frauen zu erleichtern. In dieser Pub­likation wurde ja besonders das Augenmerk auf nicht traditionelle Frauenberufe gelenkt.

Ich möchte auch ein Beispiel aus Niederösterreich anführen. Seit einigen Jahren zeich­net Niederösterreich frauen- und familienfreundliche Unternehmen aus. Diese Initiative mit dem Titel „Taten statt Worte“ ist sehr gut angenommen worden. Familienfreund­liche Maßnahmen, flexible Arbeitszeitgestaltung, Weiterbildungsmöglichkeiten für Frauen, Unterstützung für den Wiedereinstieg und so weiter werden hier besonders be­wertet und auch ausgezeichnet. Ich denke, es ist das eine Initiative, die sicherlich weiterzuempfehlen ist.

Da wir heute aber noch immer nicht von einer völligen Gleichstellung von Frau und Mann sprechen können, arbeitet auch die Bundesregierung mit verschiedenen anderen Maßnahmen intensiv weiter in diese Richtung. Vielleicht nur zwei Beispiele: Zum einen ist da die Steuerreform zu erwähnen, die heute auch noch zur Diskussion und Beschlussfassung steht und die besonders auf jene Gruppe Bedacht nimmt, die sehr stark armutsgefährdet ist. Das sind vor allem allein erziehende Frauen und Mütter. Ich darf hier nur das Beispiel einer Mutter mit zwei Kindern und einem Bruttoverdienst von 1 300 € nennen: Sie hat bisher 862 € an Steuern bezahlt und wird künftig keine Steuern bezahlen. Im Gegenteil: Es wird sogar eine Negativsteuer herauskommen.

Ich weiß schon, bei vielen atypischen Berufen ist das Einkommen nicht so hoch, aber insgesamt ist es ein Schritt in die richtige Richtung.

Auch die Elternteilzeit möchte ich noch kurz ansprechen, auch eine Forderung, die im Regierungsprogramm enthalten ist. Ich freue mich darüber, dass gestern im Familien­ausschuss da eine Einigung erzielt werden konnte und auch die SPÖ hier mitgeht, um eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erreichen.

Es bleibt also auch für die Zukunft noch viel zu tun, aber ich denke, dass die Beseiti­gung der Benachteiligung von Frauen nicht nur durch legistische Maßnahmen erreicht werden kann, sondern das Wesentlichste ist, dass wir das auch in unseren Köpfen umsetzen. Ich denke, dass wir uns da sicher einig sind und in Zukunft da auch einiges weiterbringen können. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.58

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte.

 


10.58

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben hier eine sehr umfassende Doku­mentation vorliegen: den Frauenbericht. Ich glaube aber, wir sollten vieles im Zusam­menhang mit der Situation der Frau insbesondere im Erwerbsleben hinterfragen. Mir als Wirtschaftstreibendem fällt auf, wie erschütternd die Arbeitslosenzahlen gerade im Bereich der weiblichen Beschäftigten sind. Wir wissen, dass im Vormonat die Arbeits-


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losenzahlen auf 240 556 geklettert sind; dazu kommen noch 40 000 in Schulung befindliche Arbeitslose, und von diesen zusätzlichen Arbeitslosen im Vergleich zum April 2003 – das sind mehr als 10 000 – sind acht von zehn Frauen.

Diese Zahl ist erschütternd und sollte uns sehr nachdenklich stimmen. Die vielen Arbeitslosen bedeuten nämlich – ich betrachte jetzt wieder die Gesamtzahl – natürlich auch einen riesigen Einnahmensausfall einerseits für den Staatshaushalt, andererseits aber auch für die Wirtschaft in Bezug auf die Nachfrage.

Wenn man die Arbeitslosigkeit nach dem Alter der Betreffenden analysiert, dann schaut das noch etwas schlimmer aus.

Während nämlich bei den männlichen Arbeitslosen zwischen 15 und 25 Jahren die Arbeitslosigkeit im Vergleich zur Ziffer des Vorjahres stagniert, ist sie bei den Frauen um 8,3 Prozent und im Haupterwerbsalter sogar um 11,7 Prozent angestiegen.

Dies bedeutet, wie gesagt, einen Einnahmensausfall in einer Höhe von 6,1 Milliar­den €, wenn man nur die Arbeitslosenunterstützung und die ausfallenden Beiträge addiert. Es kommt dadurch also zu einer unglaublichen Schwächung der Nachfrage.

Wenn wir uns die OECD-Studie „Kinder und Karriere – Vereinbarung von Beruf und Familie“ ansehen, dann müssen wir feststellen, dass diese eigentlich etwas weniger er­freulich ausschaut als die Vielzahl der im diskutierten Bericht angeführten Maßnahmen. In dieser OECD-Studie ist nämlich nachzulesen, dass nur ein Viertel der Frauen nach der Geburt eines Kinder wieder an denselben Arbeitsplatz zurückkehren, dass das sehr oft mit fehlenden Betreuungsmaßnahmen zusammenhängt und dass das Kinder­geld natürlich eine gewisse nachteilige Auswirkung auf die Frauenerwerbsquote hat – dankenswerterweise haben Sie, Frau Bundesministerin, diese Thematik vorher auch in dieser Weise beleuchtet. Wir hatten gestern in Oberösterreich, in Linz – ich komme ja von dort – den berühmten Zukunftsforscher Matthias Horx zu Gast, und dieser hat klar­gestellt, dass bei einem Produkt in Zukunft die eigentliche Arbeitsleistung immer mehr zurückgedrängt werden wird und dass es künftig vielmehr darum gehen wird, Wissen zu transportieren. Damit sind wir wieder an jenem Punkt angelangt, wo wir feststellen müssen, dass eben für jemanden, der für zehn Jahre oder länger aus dem Berufsleben aussteigt, ganz einfach die Rückkehr in dieses immer schwieriger werden wird.

Ich glaube, dieser Tatsache werden wir ganz sicher verstärkt Rechnung tragen müs­sen, und in diesem Zusammenhang ist es ganz wichtig – ich werde das vielleicht noch ein paar Mal erwähnen müssen –, Kinderbetreuungseinrichtungen zu schaffen. Ich habe mir hier die Zahl herausgesucht: Man gibt in Österreich für das Kindergeld unge­fähr das Sechsfache dessen aus, was für Kinderbetreuungseinrichtungen aufgewendet wird. Das zeigt eigentlich schon die großen Probleme, deren Lösung hier ansteht.

Es wurden heute schon mehrmals – auch von Ihnen, Frau Bundesministerin – die ver­schiedenen Aspekte der Teilzeitarbeit angesprochen. Einerseits ist diese sicherlich da oder dort im Familienverband eine gute Sache, aber andererseits wird Teilzeitarbeit zu­nehmend in einem eher weniger qualifizierten Bereich angeboten. Ich glaube, da sind ganz dringend Maßnahmen dahin gehend notwendig, auch im Bereich qualifizierter Arbeit Teilzeitangebote zu machen, denn sonst wird der Anteil an Frauen in den qualifi­zierten Berufen – der sich Gott sei Dank auch immer mehr entwickelt, wir brauchen uns nur die Zahl der Universitätsabgängerinnen anzusehen – ins Hintertreffen kommen, wenn es in diesem Bereich kein qualifiziertes Teilzeitangebot gibt.

Ein Punkt, der mir als Gewerbetreibendem besonders am Herzen liegt, ist folgender: Ich glaube, die ständig betriebene Offensive einerseits von Handelsriesen, anderer­seits aber auch Ihres Regierungskollegen Bartenstein, was die Ausweitung der Laden­öffnungszeiten betrifft, ist eine sehr familienunfreundliche Maßnahme, aber natürlich


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auch eine Maßnahme, die überhaupt darauf abzielt, den im kleinen Verband geführten Handelsbetrieb zurückzudrängen. Vor allen Dingen – darüber sollte wirklich jeder nach­denken, auch der Industrielle Dr. Bartenstein –: Es wird dadurch ja die Kaufkraft nicht mehr, und es findet dieser Einkaufstourismus – das kann ich sagen, denn ich wohne in einem Bundesland, wo wir jetzt auch eine sehr offene Grenze nach Norden haben – genauso statt, ob mit oder ohne erweiterte Ladenöffnungszeiten! (Bundesrätin Bach­ner: Richtig!)

Was die vielen Arbeitnehmerinnen betrifft, so muss ich sagen: Gerade in kleinen Han­delsbetrieben hat ja der Gewerbetreibende eine sehr große Nähe zu seinen Beschäf­tigten. Diese Frauen haben oft nicht nur das Problem der fehlenden Kinderbetreuungs­einrichtungen, denn – es sitzen ja viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister hier in diesem Saal – es ist anhand der Gemeindebudgets oft nur möglich, einen Kindergarten zu betreiben, aber nur in den wenigsten kleinen oberösterreichischen Gemeinden findet sich zum Beispiel eine Ganztagsbetreuung für Volksschüler, sondern diese Frauen, die dort mit Kindern leben, haben in der Regel nicht einmal die notwendige Verkehrsverbindung, um überhaupt rechtzeitig nach Hause zu kommen. Wir haben es da mit einem geschlossenen Kreislauf von Benachteiligung für die erwerbstätige Frau gerade im Handel zu tun.

Ich bitte daher gerade hier auch die Bundesregierung beziehungsweise Sie, Frau Bun­desminister, sich der Lobby der Frauen im Handel, aber auch der dort tätigen Gewer­betreibenden anzuschließen.

Ich komme nun auf einen Punkt zu sprechen, der einerseits sehr erfreulich ist, nämlich für jene Frauen, die sich selbständig machen. Das ist ganz beachtlich: Von den 4 600 Betriebsgründungen in Oberösterreich, die es im Vorjahr gab, entfallen immerhin 36,4 Prozent auf Frauen. Dort sieht es so aus, dass im Bereich von 22 der so genann­ten Fachgruppen und Innungen diese Entwicklung besonders deutlich wird, insbeson­dere – ich hebe da jetzt ein paar hervor – im Bereich der Friseurinnen und so weiter, der natürlich als klassisches Beispiel zu nennen ist, möchte ich sagen, aber zum Beispiel auch im Bereich der Hotellerie: Dort wurden 88 Prozent der im Vorjahr neu gegründeten Betriebe von Frauen gegründet! Auch in dem gesamten Bereich rund um die Körperpflege – Kosmetik, Fußpflege et cetera – waren es 86 Prozent, aber auch zum Beispiel im Bereich der Reisebüros waren im Vorjahr 75 Prozent der Neugründer Frauen.

Ich glaube, da ist eines natürlich ganz wichtig: Diese Bereiche sind sehr personalinten­siv, und dort ist der Punkt wieder folgender: Es hat eine interessante Umfrage der Wirt­schaftskammer Oberösterreich gegeben, wo man abgefragt hat, wo denn nun eigent­lich die Probleme dieser Frauen als selbständig Erwerbstätige liegen, und dabei hat sich wieder gezeigt: Die meisten sagen, dass sie 55 und mehr Arbeitsstunden in ihrem Betrieb verbringen, 40 Prozent sagen sogar, sie arbeiten mehr als 60 Stunden, und auf Seiten von 58 Prozent aller Neugründungen besteht der Wunsch nach Kinderbetreu­ungseinrichtungen mit erweiterten Öffnungszeiten. 66 Prozent der Befragten sagen sogar, sie würden sich das mehr kosten lassen.

Dazu ist es wiederum erforderlich – das ist hier ganz wichtig! –, jeder Österreicherin, jedem Österreicher einen Kindergarten-, einen Kinderbetreuungsplatz zu garantieren. Ich glaube, das sollten wir wirklich festschreiben. Angesichts der Tatsache, dass die Kindergarten-Milliarde leider nicht mehr existent ist, besteht hier meiner Ansicht nach wieder ein ganz großer Aufholbedarf. Das sollten wir in den Vordergrund stellen!

Abschließend danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und verbinde damit die Bitte an Sie, Frau Bundesministerin, der erwerbstätigen Frau, sowohl der selbständigen als


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auch der unselbständigen, den entsprechenden Stellenwert bei Ihrer weiteren Regie­rungsarbeit einzuräumen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.07

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hagen. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


11.07

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich bin schon der dritte Mann, der an diesem Rednerpult steht und über den Frauenbericht diskutiert (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Wo sind denn die Frauen der FPÖ-Fraktion?), aber ich glaube, dass es trotzdem gut ist, dass hier auch Männer dieses Thema anschneiden – es betrifft uns genauso wie die Frauen, und dies in mehrerlei Hinsicht.

Dieser Bericht ist sehr umfangreich, und es wurde hier schon einiges an Details aus diesem Bericht – die gut oder negativ sind, je nach Ansichtssache – diskutiert. Ich möchte dieses Thema hier etwas anders darlegen: Ich bin auch der Meinung, dass Frauen nach wie vor benachteiligt sind, speziell beim Einkommen aus Berufen in der Privatwirtschaft, wo eine Frau einfach ein geringeres Einkommen erhält als ein Mann, obwohl sie dieselbe Arbeit leistet. Das ist sicher ein Punkt, wo Handlungsbedarf besteht. Herr Dr. Bartenstein ist jetzt, glaube ich, die dritte Periode Arbeitsminister, und er sollte da endlich etwas vorwärts bringen. Ich glaube, dass es in seinem Interesse liegen würde, hier etwas nachzustoßen.

Frau Bachner hat es vorhin schon angesprochen: Es gibt selten gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Das ist ein Faktum! Es gibt aber auch Berufe, wo dies sehr wohl der Fall ist: Ich habe meine Lehre im kaufmännischen Bereich begonnen und habe als Einzel­handelskaufmann damals, wie man bei uns sagt – entschuldigen Sie das Wort –, einen „Schrott“ verdient. Im kaufmännischen Gewerbe verdient man einfach wenig! Das ist aber ein typischer Beruf, wo Frauen sehr häufig beschäftigt sind, genauso wie im Bereich der Friseurinnen.

Ich glaube, dass sich das natürlich auch auf die Statistik auswirkt, aber auch die vielen Teilzeitberufe und geringfügig Beschäftigten. Eine Statistik ist also immer so oder so zu sehen – es gibt ein nettes Sprichwort: Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast! – Man kann das immer differenziert betrachten, und daher bin ich mit solchen Zahlen immer sehr vorsichtig.

Es ist aber, wie gesagt, sehr wichtig, dass gleicher Lohn für gleiche Arbeit heraus­kommt. (Bundesrätin Bachner: Gleichwertige!) Im Beamtenbereich ist das ja gerecht so festgelegt. Es sollte natürlich auch bei der Pension und auch sonst überall eine Gleichstellung erfolgen. Ich sage aber natürlich sehr bewusst: Ich kann nicht auf der einen Seite fordern, dass ich ein dementsprechendes Einkommen habe, das genau gleich hoch ist wie das eines Mannes, aber auf der anderen Seite kürzer arbeiten. Das ist ganz klar, darüber muss man auch einmal nachdenken. Ich denke, das sind Punkte, die in diesem Zusammenhang fairerweise auch angesprochen werden müssen.

Kollegin Bachner und Kollege Schimböck haben das Kinderbetreuungsgeld angespro­chen. Ich sehe das nicht so negativ wie sie! Ich muss sagen: Ich sehe das sehr positiv, denn durch das Kinderbetreuungsgeld gibt es immer mehr Männer, die jetzt auch zu Hause – auf gut Deutsch gesagt; wir kennen ja diesen Ausdruck, der dafür immer wieder gebraucht wird – „an den Herd“ gehen; das heißt: die dieses Kinderbetreuungs­geld in Anspruch nehmen, zu Hause sind und dort auf die Kinder aufpassen. Meistens ist das dann der Fall, wenn die Frau einen Beruf hat, in dem sie mehr verdient als der


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Mann. Dann ist es natürlich klar und verständlich, aber es wird dadurch auch ganz klar, in welche Richtung es geht.

Wir müssen uns auch eines klar vor Augen führen: Es gibt immer mehr gut qualifizierte Frauen in hohen Positionen, in guten Positionen. Ich glaube, dass es sich dort mittler­weile schon durchgesetzt hat, dass eine Frau in einer Führungsebene ein ähnliches, wenn nicht sogar dasselbe Gehalt wie ein männlicher Kollege bekommt. Ich glaube, dass in diesem Bereich schon sehr große Fortschritte gemacht worden sind.

Ich möchte aber trotzdem noch auf eine Kollegin von mir bei der Gendarmerie zu spre­chen kommen, die derzeit das Kinderbetreuungsgeld in Anspruch nimmt und die zu mir gesagt hat, sie müsse arbeiten gehen, weil sie beziehungsweise ihre Familie einfach zwei Einkommen bräuchten und sonst nicht durchkämen. Sie wäre aber gerne zu Hause und würde die Kinder lieber nicht in eine Kinderbetreuungseinrichtung geben.

Ich glaube, dass es nicht das Allheilmittel ist, Tageskindergärten zu haben. Ich ver­stehe schon, dass man sie für gewisse Bereiche braucht: Wenn beide arbeiten gehen und nicht wissen, wohin mit den Kindern, dann braucht man das. Aber ich darf die Leute nicht gesetzlich in eine Situation hineinzwingen, wo sie die Kinder abgeben und dann arbeiten gehen. Ich glaube nicht, dass das das Richtige ist. Für ein Kind ist es schön und angenehm, wenn es daheim bei der Mutter oder beim Vater, also bei einem Elternteil sein kann und von diesem erzogen wird.

Ich glaube, dass sich das auch auf das Gemeinwohl der Gesellschaft positiv auswirkt, da man sich natürlich um seine eigenen Kinder wesentlich besser kümmert, als wenn man einen ganzen Hort hat und zu zweit auf 15, 20 Kinder aufpassen muss. Daher ist, glaube ich, von der Qualität her die Kinderbetreuung zu Hause natürlich wesentlich besser. Man muss das Ganze also schon mit Vorsicht genießen.

Eine kleine Ungerechtigkeit oder Ungleichheit möchte ich auch noch anführen. Ich komme noch einmal auf jene Berufe zu sprechen, wo Frauen Nachtdienst machen, und da noch einmal auf den Bereich der Gendarmeriebeamtinnen. Wenn ich heute schaue, wie die Situation in der Privatwirtschaft ist, so stelle ich fest, dass dort jemand, der 48 Nachtdienste macht, unter die Bestimmungen des Nacht- und Schwerarbeiterge­setzes fällt. Bei der Exekutive ist es so, dass diese Leute nichts bekommen. Die machen mehr als 48 Nachtdienste – auch viele Frauen, aber auch Männer –, kommen aber trotzdem nicht in den Geltungsbereich des Nacht- und Schichtarbeitergesetzes.

Sie kennen meine Forderung nach dem Exekutivdienstgesetz. Ich möchte diese Gele­genheit nutzen, um hier noch einmal zu deponieren, dass hier etwas getan werden muss, dass hier die Gleichstellung zwischen Privatwirtschaft und Beamtenbereich kom­men muss. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen sowie der Bundesrätin Bach­ner.)

Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Punkt ist, und ich möchte den Herrn Bundes­kanzler auffordern, hier Maßnahmen zu setzen, damit diese Ungerechtigkeit behoben wird. Es käme auch den Frauen zugute.

Alles in allem möchte ich sagen, dass das Geleistete, das wir auch aus diesem Bericht ersehen können, zu begrüßen ist, dass es aber noch sehr, sehr viel zu tun gibt. Ich sage daher: Lasst es uns anpacken! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundes­rätinnen der SPÖ.)

11.14

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
709. Sitzung / Seite 41

11.14

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Kollege Hagen hat hier die Be­merkung gemacht, dass er der dritte Mann in Reihe sei, der hier zum Thema „Frauen­bericht“ ans Rednerpult tritt und spricht – das ist ja begrüßenswert –, aber man muss auch feststellen, dass es schon so ist, dass die Forderung nach dem Gleichziehen von Frauen mit Männern auch für politische Positionen gilt und genauso für die geschlech­tergerechte Besetzung der Fraktionen – und damit sozusagen auch ein Auftrag für alle hier Anwesenden außer den Grünen ist, eine große Herausforderung aber insbeson­dere für die Fraktion der Freiheitlichen. (Ironische Heiterkeit des Bundesrates Hagen.)

Kollege Hagen! Die Einkommensunterschiede sind sehr wohl – ich verweise hiezu auf einen sehr spannenden Bericht, eine im Auftrag des Wirtschaftsministeriums erstellte Studie zum Thema Einkommensunterschiede, die uns kürzlich vorlag – auf Vollzeit­äquivalente gerechnet. Es werden also nicht Äpfel mit Birnen, sondern sehr wohl Äpfel mit Äpfel verglichen, und trotzdem gibt es diese Differenz. – Das sei hier nur nebenbei angemerkt.

Aber generell ist es, so denke ich, von zentraler Bedeutung, Wahlmöglichkeit anzustre­ben und auch für Wahlmöglichkeit zu sorgen. Es geht darum, Rahmenbedingungen im Beruf und bei Kinderbetreuungseinrichtungen zu schaffen, die gewährleisten, dass sich Frauen und Männer frei entscheiden können, was sie in einem bestimmten Zeitraum machen. Dazu bedarf es eines vielfältigen Settings.

Wir haben hier einen Bericht vorliegen, der Maßnahmen aufzählt. – Der Bericht ist nicht von den Beamtinnen und Beamten des Ministeriums erstellt worden, sondern wurde einer Forschungsinstitution, und zwar L&R, übertragen, die umfangreiche Erfah­rung in diesen Bereichen hat. – Dabei ist auffällig, dass sich die Zahl der Maßnahmen, die im Bericht angeführt wurden, von 107 auf 85 verringert hat. – Das ist der erste Punkt.

Was ich bei solchen Berichten vermisse, das sind Datenreihen. Den ersten ähnlichen Bericht, Frau Ministerin, gab es 1993/1994. Es sind jeweils maximal die Zahlen aus der letzten Periode vorhanden, aber nicht jene des gesamten Vergleichszeitraums. Daher also die Bitte an Sie, bei der nächsten Studie, die Sie in Auftrag geben, auch das erhe­ben zu lassen, denn ich denke, dass das eine sehr wichtige Sache ist.

Von zentraler Bedeutung sind natürlich die Indikatoren, die angeführt wurden und die heute schon im Bereich der Einkommensunterschiede, Pensionsbezugshöhen und so weiter angesprochen wurden. Jedoch ist dieses Indikatorenset, an dem man es fest­macht – Sie haben es heute bereits in Bezug auf den Gesundheitsbereich erwähnt und gesagt, dass daran gearbeitet wird –, weit auszudehnen. Setzen Sie eine ExpertInnen­gruppe ein, die sich damit und auch mit der Frage, welche Handlungen sich daraus ergeben, beschäftigt, denn dieses Setting ist etwas zu wenig und wiederum nur sozu­sagen fakultativ für eine Periode dargestellt.

Zum Bericht: Auf Seite 31 werden vom Bundesministerium für Inneres zwei Bereiche angeführt, und ein zentraler Punkt sind die Interventionsstellen gegen Gewalt in der Familie.

Letzte Woche war in Oberösterreich eine Tagung zu diesem Thema, die wirklich sehr interessant und spannend war. Fakt ist aber – und das zeigt sich auch bei meinen Kontakten zu dieser Institution in Oberösterreich –, dass diese Stellen an absolutem Personalmangel leiden. Daher erging auch eine entsprechende Aufforderung an das Ministerium. Dort hat man aber das Problem, dass die Mittel eingefroren werden bezie­hungsweise teilweise rückläufig sind, obwohl dieser Bereich wirklich auszudehnen wäre.


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Dazu ist anzumerken, gerade in diesem Zusammenhang: Es sind in diesen Beratungs­stellen zu 98 Prozent Frauen tätig – und die Gewalt, die verursacht wird, geht in der Regel von Männern aus. Es ist daher nicht einzusehen, warum man solche Stellen dann den Frauenmaßnahmen zurechnet! Das ist, denke ich mir, in gewissem Sinne eine Themenverfehlung. Das ist auch in anderen Bereichen ein Problem, aber beson­ders in diesem Zusammenhang erachte ich das als einen sehr zentralen Punkt.

Wenn Sie auf Seite 46 schauen, dann können Sie dort lesen, dass – und das halte ich für überzogen, und ich denke, da müsste man bei der Auftragsvergabe schauen, was die Kriterien sind und wie man erhebt – eine „Ergänzung der Lose-Blatt-Sammlung“ bei Anträgen an die Gleichbehandlungskommission als Maßnahme gesetzt wird. Das, den­ke ich mir, hat etwas zu tun mit New Public Management oder mit Verwaltungsreform, aber nicht wirklich mit einer Maßnahme. Das halte ich für etwas mager als Beleg.

Generell ist auffällig, dass es sehr viele Gesetzespassagen sind, die zwar natürlich be­grüßenswert sind, angesichts derer ich aber dennoch sagen muss, dass ich mir unter tatsächlichen Maßnahmen, die gesetzt werden müssen, schon etwas anderes vor­stelle.

Als ich die Seite 39 aufgeschlagen habe – und da würde ich bitten, die Korrekturlesung etwas voranzutreiben –, habe ich etwas verwundert geschaut und mir gedacht: Was ist das: „Harmonisierungsmöglichkeiten der Waldarbeit bei Frauen, Teil 2“? – Interessant. Okay. – In der nächsten Zeile steht dann: „Die erste bereits abgeschlossene Studie (Humanisierungsmöglichkeit ...“, was doch nicht nur ein Verwechseln der Buchstaben, sondern ein gänzlich anderer Inhalt ist. Damit kommt sozusagen auch eine gewisse „Wertschätzung“ der Materie gegenüber zum Ausdruck.

Noch einmal zurück zu den Indikatoren. Wichtig ist dieses Indikatorenset, wir brauchen das. Wie wir die verschiedenen Indikatoren in der BWL, im Controlling, auch in der Volkswirtschaftslehre haben, so brauchen wir das auch in diesem Bereich. Aber zentral ist – und die Ursachen dafür wurden heute schon von Frau Bachner in sehr umfang­reichem Ausmaß ausgeführt –: Wir brauchen in jedem Fall gleiche Chancen, gleiche Möglichkeiten für die Frauen! Dazu ist es notwendig, die gleichen Chancen im Berufs­leben herzustellen, insbesondere die Vereinbarkeit von Job und Familie für Frauen und Männer zu ermöglichen und den eigenständigen Pensionsanspruch für Frauen zu sichern. – Das sind die zentralen Punkte, um die finanzielle Unabhängigkeit von Frau­en auch abzusichern.

Da es in der Regel immer um Geld, um Geldströme, um Budgets geht – und das wäre eigentlich das wirklich Spannende –, möchte ich kurz auch auf das Thema Gender Budgeting eingehen. Es ist heute schon einmal kurz Thema gewesen. Was verbirgt sich denn hinter diesem Begriff?

Der Begriff „Gender Budgeting“ heißt nichts anderes als dass Ausgaben-Einnahmen-Ströme von Budgets nach Geschlechterkriterien analysiert werden – nach dem Motto: Wem kommt es direkt zugute? (Bundesrat Kritzinger: ... die Grünen ...!) – Ich muss Sie da jetzt enttäuschen: Das ist ein sehr neues Instrumentarium, und auf internatio­naler Ebene finden Sie es in Ländern wie der Schweiz, Australien, Kanada, auf Ebene der Organisationen finden Sie es bei der UNO, der OECD und der Weltbank. Auch in den Städten gibt es Ansätze dazu, beginnend in München und auch in Berlin!

Ich kann mit Stolz sagen, dass ich ein entsprechendes Konzept für Oberösterreich ent­wickelt habe und dieses Gender-Budgeting-Konzept in Oberösterreich umgesetzt wird. Oberösterreich wird damit zum Vorreiter, zur Vorreiterin unter den Ländern bezie­hungsweise in Österreich! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.) Doch das hat nichts mit Rot oder Grün zu tun, sondern das hat etwas mit Effizienz zu tun, Herr Kollege!


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Lege ich nämlich fest, dass Geschlechtergerechtigkeit hergestellt werden soll oder muss, dann brauche ich Indikatoren, die ich überprüfen kann, und muss mir die Ströme, insbesondere die ökonomischen, anschauen. Ihre Kollegen und Kolleginnen aus Oberösterreich sind sicherlich auch an Effizienz interessiert, daher kann dieses Projekt ja so bestehen. Genau dies ist ein Punkt, Frau Ministerin, weshalb ich denke, dass es wirklich sehr klug wäre, dieses Projekt auch auf Bundesebene voranzutreiben. Es war im Rahmen des Österreich-Konvents im Ausschuss X ein Thema, wo derzeit noch darüber diskutiert wird, wo das landen könnte.

Ein Budget nach Gender-Kriterien zu analysieren ist das eine, aber man kann es ge­nauso daraufhin analysieren, welche Auswirkungen es auf Arm und Reich, auf Jung und Alt, auf diese und die nächste Generation hat. Es gibt viele Kriterien, aber was ist ein zentrales? Deswegen möchte ich heute damit schließen, dass wir nicht immer – was durchaus löblich ist – nur einfach einen Bericht bekommen, sondern auch einmal einen Bericht erhalten, der mit vielen, zahlreichen Maßnahmen ausgestattet ist. Insbe­sondere sollten wir in Zukunft einen Bericht bekommen, in dem tatsächlich auch eine Analyse und die Implementierung von Maßnahmen zur Gender-Gerechtigkeit enthalten sind. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.24

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist nun die Frau Bun­desministerin. – Bitte.

 


11.24

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Präsiden­tin! Hohes Haus! Wir diskutieren heute – und ich danke für diese umfassende Diskus­sion – einen Bericht der Bundesregierung betreffend den Abbau von Benachteiligun­gen von Frauen und die Untersuchung von 85 Projekten, die von Bundesministerien durchgeführt werden. Es geht also im Prinzip nicht um den privaten Bereich, ich akzeptiere aber selbstverständlich und respektiere es, dass von einigen Bundesräten und Bundesrätinnen der Gesamtbereich der Diskriminierung andiskutiert wurde, denn man kann es natürlich nur sehr schwer trennen. Dieser Bericht allerdings beschäftigt sich, dem parlamentarischen Auftrag folgend, nur damit, welche Maßnahmen die Bun­desregierung gesetzt hat. Insofern ist der privatwirtschaftliche Bereich darin gar nicht enthalten.

Ich möchte aber trotzdem auf die Ausführungen des Kollegen Schimböck eingehen, der die Frage der qualifizierten Teilzeit angesprochen hat, die im privatwirtschaftlichen Bereich nicht in dem Maße vorhanden ist, wie gewünscht – im Bundesdienst Gott sei Dank sehr wohl, aber auch in den Landesdiensten. Da ist also der öffentliche Dienst absolut vorbildlich. Ich habe sogar Abteilungsleiterinnen, die Teilzeit arbeiten, also auch in gehobenen Positionen. Wir werden weiter nicht nur mit gutem Beispiel voran­gehen, sondern auch mit bewusstseinsbildenden Maßnahmen im privatwirtschaftlichen Bereich tätig sein. „Taten statt Worte!“ – Herr Kollege Bader hat es ja angesprochen – ist eine dieser Maßnahmen, mit denen frauenfreundliche Betriebe ausgezeichnet wer­den können, wenn sie auch im gehobenen Qualifikationsbereich Teilzeit anbieten.

Was die Kinderbetreuung anbelangt – Sie haben die Volksschulen in Oberösterreich, für die die Gemeinden keine Nachmittagsbetreuung anbieten, angesprochen –, möchte ich darum bitten, dass Sie auch das Angebot unserer Bundesministerin Gehrer be­kannt machen, an den Schulen Nachmittagsbetreuung für Kinder zu finanzieren, und diesbezüglich auch im Land – in den Bundesländern ist natürlich für die Landesschulen das Land zuständig – vorstellig werden. Für die Bundesschulen hat es die Frau Bun­desminister ja angeboten.


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Ich möchte auch noch kurz auf die Ausführungen der Kollegin Lichtenecker eingehen – ohne zu lange zu werden: Was die Interventionsstellen gegen Gewalt in der Familie anlangt, so sind es natürlich Maßnahmen für Frauen, sie sind aber nicht ausschließlich für Frauen, sondern zum Schutz von Frauen und Männern vor familiärer Gewalt. Diese Maßnahmen haben sich sehr positiv bewährt, wir haben in unserem Bereich sogar die finanziellen Mittel dafür erhöhen können; sie werden vom Bundesministerium für Inne­res und vom Frauenministerium gemeinsam finanziert. Ich weiß, es herrscht überall Personalmangel, auch in den Ministerien, man könnte gerade in solchen Bereichen sehr viel mehr einsetzen. Umgekehrt müssen wir positiv vermerken, dass sich diese Interventionsstellen hervorragend bewährt haben, nicht nur, was unmittelbare Gewalt anbelangt, sondern auch, was die gesetzlichen Maßnahmen anbelangt, die daraus resultieren müssen, weil die Jahresberichte dieser Interventionsstellen auch – das ist sehr positiv – auf die notwendigen gesetzlichen Maßnahmen hinweisen, die dann wie­derum an der Realität gemessen werden können.

Ich greife also Ihre Anregungen, Frau Abgeordnete, sehr gerne auf. Das Problem, dass die Datenreihen nicht vorhanden sind, werde ich gerne in Angriff nehmen, damit das vergleichbar ist, auch was die Parameter anbelangt. Ich bin ebenfalls nicht sehr glück­lich damit, sage ich Ihnen, ich habe ja ein historisches Erbe übernommen. Wir haben eine umfassende Berichtspflicht, die historisch entstanden ist. Ich habe daher den Auf­trag gegeben, bei uns im Haus zu überlegen, ob es nicht besser wäre, weniger, aber dafür aussagekräftigere Berichte zu erstellen, werde mich diesbezüglich auch mit allen Fraktionen des National- und des Bundesrates zusammensetzen, und darf vielleicht schon hier zu einem Gespräch darüber einladen, wie wir die Berichtsfülle eventuell in der Menge reduzieren, aber dafür umso aussagekräftiger gestalten können. Ich lade Sie auch herzlich zu einem persönlichen Gespräch über Ihre Anregungen für diesen Bericht ein. Zwar ist der nächste Bericht erst 2005 fällig, aber es ist sinnvoll, die Para­meter jetzt festzulegen, damit man dann auch danach abfragen kann.

Was das Gender Budgeting anbelangt, so habe ich heute schon gesagt, dass wir wirklich sehr daran interessiert sind, das umzusetzen. Danke auch für das oberösterrei­chische Beispiel! Ich möchte nur den Kollegen aus Tirol in Schutz nehmen: Natürlich würde ich mich freuen, hätte uns eine rot-grüne Regierung in Deutschland schon Bei­spiele geliefert, wie man es machen kann. Leider gibt es da nichts! (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Aber wir in Oberösterreich liefern das!)

Wir freuen uns, dass das die schwarz-grüne Regierung in Oberösterreich aufgreift. Sie sollen es sehen: Auch die schwarz-blaue Regierung in Wien, die Bundesregierung, hat sich dieses Themas angenommen. Ich habe Ihnen ja bereits von der Arbeitsgruppe, die auf Basis eines von mir eingebrachten Ministerratsvortrages eingerichtet wurde, be­richtet. Wir sind da ein gutes Stück weitergekommen, allerdings mit weniger internatio­nalen Beispielen als erhofft.

Ich bin zum Beispiel sehr froh darüber, dass ich bei der OECD in der vergangenen Woche diese Änderung durchgebracht habe. Es war nämlich ganz merkwürdig: Wenn man bei internationalen Tagungen noch in letzter Minute versucht, Änderungen durch­zubringen, ist das sonst meist sehr schwierig. Aber offensichtlich wurde das in den Vorbereitungsarbeiten vergessen, denn die dort sitzenden 40 Minister haben gleich ge­sagt: Ja, da können wir mitgehen! und diese österreichische Offensive sofort unter­stützt. Wir haben diese Änderung wirklich eine Stunde – oder eine halbe Stunde – vor Beschluss des Dokuments – wir haben es natürlich schon am Vortag angemeldet – tat­sächlich einstimmig durchbekommen. Darüber bin ich sehr froh!

Ich danke sehr herzlich für diese sachliche Diskussion. Es gab auch Kritik ob der 85 statt bisher 107 Maßnahmen, aber die Quantität sagt nichts über die Qualität aus. Der Bericht zeigt jedenfalls einmal mehr, dass der Weg zur tatsächlichen Gleichstellung


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von Frauen und Männern in Österreich noch ein weiter ist. Sie können sicher sein, ich werde diesen Weg konsequent weitergehen. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

11.31

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesminister. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Bericht der Bundesregierung betreffend den Abbau von Benachteiligungen von Frauen über den Berichtszeitraum 2001–2002.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Mai 2004 betreffend ein Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (424 d.B. und 455 d.B. sowie 7036/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Molzbichler übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Günther Molzbichler: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich erstatte den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Mai 2004 betreffend ein Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenz­überschreitende organisierte Kriminalität.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung, und ich komme sogleich zum Ausschussantrag.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Mai 2004 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, erstens, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben, und zweitens, gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Arti­kel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Geset­zen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen sogleich in die Debatte ein.

Als Erster ist Herr Dr. Kühnel zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


11.33

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt in der Staatenwelt bedauerlicherweise Staaten mit unterschiedlicher Qualität. Österreich gehört in dieser Rangordnung glücklicherweise zu den Top 10, Top 15.


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Warum? – Weil wir einerseits eine entwickelte Demokratie haben, andererseits bei uns die Gewaltentrennung im Montesquieuschen Sinne durchgeführt ist.

In den anderen Staaten, die nicht zu dieser Gruppe gehören, haben wir es einerseits mit Korruption zu tun, andererseits mit Richtern, Staatsanwälten, aber auch Untersu­chungsapparaten wie Polizei und so weiter, die sich in gewisse Abhängigkeiten bege­ben haben. Der Grund für das heutige Abkommen ist es, der organisierten Kriminalität in jeder Richtung den Kampf anzusagen.

Was ist das Ziel des heute hier zur Debatte stehenden Abkommens? – Dass die orga­nisierte Kriminalität effizient bekämpft werden kann, dass man in den unterschiedlichen Rechtssystemen gemeinsame Grundlagen für eine konzertierte Zusammenarbeit schafft, dass festgelegt wird, was eine strafbare Handlung ist, indem man versucht, einigermaßen einheitliche Tatbestände zu schaffen und die Begriffswelten aneinander anzupassen, damit dadurch eine justizielle Zusammenarbeit leichter und vor allem rascher erfolgen kann.

Die organisierte Kriminalität ist eine Geißel, die die Globalisierung in jeder Richtung nutzt. Was bedeutet das in der Praxis? – Es geht da darum, dass es eine Kriminalisie­rung verschiedener Erscheinungen gibt. Wenn sich jemand an einer kriminellen Grup­pe beteiligt, soll das unter Strafe gestellt werden. Natürlich sollen auch Vorgänge rund um die Erträge, das „Waschen“ des Geldes und so weiter, entsprechend definiert und ebenfalls unter Strafe gestellt werden, weiters wird der Korruption weltweit der Kampf angesagt.

Damit allein ist es aber sicher nicht getan. Es geht weiter darum, dass Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Korruption tatsächlich auch ergriffen werden, und nicht nur in Lippenbekenntnissen bei Sonntagsreden vorkommen, sondern dass hier effizient gearbeitet wird.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist, dass man auch versucht, die juristischen Personen einzubinden, denn es gibt ja bereits GesmbHs und Ähnliches, die sich mit derartigen Sachen intensiv beschäftigen. Als weiterer Schritt wird es dann notwendig sein, dass auch die Erträge aus diesen Tätigkeiten beschlagnahmt werden können, damit der Nutzen gering ist. Aus diesem Grund ist meine Fraktion dafür, diesem Abkommen zuzustimmen.

Wir sind aber auch noch aus einem anderen Grund daran interessiert, dass es sehr rasch geht: Nächstes Jahr, im Juli 2004, wird in Wien eine entsprechende Konferenz stattfinden, Österreich hat hier also sozusagen eine gewisse Vorbildwirkung. Darüber hinaus darf ich daran erinnern, dass Österreich ja auch Sitz der entsprechenden UNO-Organisation ist. Wir haben also diesbezüglich die doppelte Verpflichtung, beispiel­gebend zu wirken.

Daher stimmt meine Fraktion diesem Abkommen ohne jeden Vorbehalt zu. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Mag. Gudenus: Das ist sehr vernünftig!)

11.38

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Hlavac. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


11.38

Bundesrätin Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Auch die sozialdemokratische Fraktion wird dem Abschluss dieses Übereinkommens die Zustimmung erteilen. Wir halten das für ein sehr wichtiges Abkommen, mit dem die Politik gegenüber dem organisierten Verbrechen internationalisiert, auf einen einheitlichen Standard gestellt werden soll.


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Das ist zweifellos sehr wichtig, und zwar aus verschiedensten Gründen. Mein Vorred­ner hat schon einige genannt.

Zu den Gründen für das Wachsen der organisierten Kriminalität gehören sicherlich die Öffnung der Märkte, auch der Finanzmärkte; es ist der verstärkte Personenverkehr, es ist das Wohlstandsgefälle, dass dazu führt, dass Menschen in der Hoffnung, hierher kommen zu können und eine Arbeit erhalten zu können, missbraucht werden. Es ist weiters das Problem des Drogenhandels und des Waffenhandels zu nennen. Wir wis­sen von besonders abscheulichen Verbrechen im Zusammenhang mit dem Menschen­handel hier in Österreich, in einem Land, das an der Grenze der reichen Gebiete zu den armen Ländern liegt; wir erleben, dass Menschen über ihre Möglichkeiten, hier zu arbeiten oder auch weiter im Westen zu arbeiten, getäuscht werden und dann als Arbeitssklaven oder auch in der Prostitution enden.

All das sind sehr abscheuliche Verbrechen, und die Bekämpfung dieser Verbrechen ist uns natürlich ein Anliegen.

Es ist wichtig, dass gemeinsam gegen die organisierte Kriminalität vorgegangen wird. Es ist wichtig, einheitliche Standards zu erreichen. – Österreich hat im Laufe der letzten zehn Jahre in diesem Bereich schon viele Regelungen geschaffen, die dem ent­gegenkommen sollen.

Ein Thema in diesem Zusammenhang ist sicher die Geldwäscherei. Wir mussten „dank“ des anonymen Sparbuches immer darauf Acht geben, kein Misstrauen zu erwe­cken. All diese Dinge sind natürlich längst bereinigt, wir wissen aber, dass es nicht nur im Bereich der Bankenwelt um Geldwäscherei geht, sondern auch in vielen anderen Bereichen. Wenn man sich zum Beispiel ansieht, welche dubiosen ausländischen Unternehmen oder auch oft Privatpersonen große Liegenschaften in Wien oder auch in anderen schönen Gegenden in Österreich erworben haben, dann weiß man, dass die Geldwäscherei nicht nur über die Banken getätigt wird.

Es gibt dazu, wie gesagt, eine Reihe von Bestimmungen im Strafgesetzbuch, es gibt auch andere Regelungen im Bereich Versicherungsschutz, im Bereich Wertpapierauf­sicht, und daher denke ich, dass das alles recht gut geregelt ist.

Eine Bestimmung, die einmal sehr umstritten war, die ich aber für sehr wichtig halte, ist jene im Zusammenhang mit der Abschöpfung von Verbrechensgewinnen. Wir sind damals sehr weit gegangen und haben eine sehr umfassende Regelung getroffen, die auch kritisiert wurde, weil sie die Beweislast umkehrt und demnach Verbrechens­organisationen nachweisen müssen, dass sie das Geld ehrlich erworben haben. Diese Bestimmung war damals sehr umstritten, ich denke aber, dass sie heute keiner mehr in Frage stellt.

Offen bleibt die Verantwortlichkeit der juristischen Personen. Im Ausschuss wurde uns gesagt, dass bereits daran gearbeitet wird. Es ist das ein Thema, das vor allem in der Europäischen Union, aber auch international schon seit längerem behandelt wird. Es ist nicht ganz einfach für uns, weil es unserem Rechtssystem nicht entsprochen hat, aber ich denke, dass es möglich sein wird, zu einer sinnvollen Lösung zu kommen, denn es kann nicht sein, dass juristische Personen einer gerechtfertigten Verfolgung entkommen können.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich kann sagen, wir sind mit diesem Übereinkommen selbstverständlich einverstanden, ich möchte aber im Zusammenhang mit Verbrechensbekämpfung, speziell vor allem mit Terrorismusbekämpfung, eine Fra­ge anschneiden, die uns sehr beschäftigt; Kollege Konecny und ich wollen deshalb eine Anfrage an die Frau Außenministerin richten.


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Ich möchte aber auch Sie ansprechen, Herr Minister, da ich den Justizminister auch als einen der Hüter der Menschenrechte ansehe. Ich möchte Sie fragen, wie Sie dazu stehen und ob Sie nicht so wie wir auch der Meinung sind, dass im Rahmen des Rates der Außenminister eine skandalöse Entscheidung getroffen worden ist.

Es geht um das Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Erfassung von Flugpassagierdaten auf transnationalen Flügen und deren Übermittlung an amerikanische Sicherheitsbehörden. Dieses Über­einkommen ist, wie wir hören, von den EU-Außenministern unterzeichnet worden, ob­wohl das Europäische Parlament dagegen massive Bedenken geäußert und den Euro­päischen Gerichtshof angerufen hat.

Es geht darum, dass den USA in dieser Vereinbarung zugestanden wurde, 34 Passa­gierdaten abzufragen und diese dreieinhalb Jahre lang zu speichern. Dazu gehören Daten wie Adressen, Telefonnummern, Kreditkartennummern, Speisewünsche, Flug­routen. Das heißt, man versucht, sich ein sehr genaues Bild von Flugpassagieren zu machen. In welche Richtung das geht, ist eindeutig.

Was aber nicht geklärt ist, ist: Wer bekommt diese Daten? Was kann man mit diesen Daten machen? Was kann der Betroffene tun? Erfährt er überhaupt irgendetwas davon, dass über ihn Daten gesammelt werden? Kann er diese Daten in irgendeiner Weise anfechten? Kann er etwas richtig stellen? Was geschieht, wenn jemand durch einen unglücklichen Zufall in eine Rasterfahndung hineingerät? Wir wissen, dass die USA nicht zimperlich sind, wir erleben in diesen Tagen ja die Desillusionierung vieler Vorstellungen von der Menschenrechtssituation in den USA.

Ich frage mich daher, wie es kommt, dass nicht einmal die Entscheidung des Europäi­schen Gerichtshofes abgewartet wird, sondern der Rat der Europäischen Außenminis­ter dieses Abkommen schon unterzeichnet hat.

Meine Damen und Herren! Herr Justizminister! Wir sind bereit, Maßnahmen gegen die organisierte Kriminalität zu setzen, denn wir wissen, dass das ein sehr gefährlicher Be­reich ist und es sehr viele Menschen gibt, die darunter zu leiden haben, dass es eine unglaubliche Ausbeutung gibt, einen Missbrauch von Menschen. Wir sind der Auffas­sung, dass dem international und möglichst effizient entgegengewirkt werden muss, wir verwahren uns aber dagegen, dass unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung der Datenschutz außer Kraft gesetzt wird und die Menschenrechte in dieser Weise verletzt werden.

Es tut mir Leid, dass ich dieses Thema im Zusammenhang mit einer an sich sehr posi­tiven Maßnahme ansprechen muss, es ist uns aber sehr ernst, denn Datenschutz und Menschenrechte sind wichtige Werte und Rechtsgüter, die sich in Europa entwickelt haben und die wir zu schützen haben. Daher frage ich Sie, Herr Bundesminister: Wie stehen Sie zu diesem skandalösen Abkommen? (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.48

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Böhm. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


11.48

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Das heute von uns zu genehmigende Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität ist ein Versuch, den Mitgliedern der internationalen Staatengemeinschaft im Kampf gegen die grenzüberschreitende Krimi­nalität erstmals ein globales Rechtsinstrument bereitzustellen. Vor allem sollen damit – das wurde ja schon gesagt – weltweite Standards bei der Bekämpfung des organisier-


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ten Verbrechens und der internationalen Zusammenarbeit bei der Verfolgung und mög­licherweise auch schon Verhütung dieser Delikte vorgegeben werden.

Dazu dienen auch einheitliche Begriffsbestimmungen, insbesondere die Definition von Menschenhandel – schlimmerweise fast durchwegs Frauenhandel – und Schlepperei, ebenso aber auch der institutionelle Ausbau der grenzüberschreitenden Strafverfol­gung, die Vertiefung der Zusammenarbeit von Polizei- und Justizbehörden und die Intensivierung des Informationsaustausches und der technischen Hilfestellungen.

Die Europäische Union wird als solche selbst Vertragspartei dieses Übereinkommens, weil die Europäische Kommission die Vertragsverhandlungen insofern geführt hat, als die betreffenden Sachbereiche in die Zuständigkeit des Gemeinschaftsrechtes fallen.

In den Mitgliedstaaten, also auch in Österreich, ist dieses Übereinkommen als Rah­menregelung der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich nicht zugänglich. Es ist also kein Self-executing-Abkommen. Deshalb bedarf es an sich der Erlassung entsprechender Gesetze gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG zur Umsetzung und Ausführung der normativen Vorgaben dieses Staatsvertrages. Österreich hat sie im materiellen Strafrecht und im reformierten Strafprozessrecht freilich ohnehin bereits weitestgehend vorweggenommen.

Die zentrale rechtspolitische Devise des Übereinkommens ließe sich plakativ mit der Einsicht umschreiben, dass die international organisierte Kriminalität bekanntlich an nationalen Grenzen nicht Halt macht. Folglich bedarf es auch bei uns eines gewissen Umdenkens.

Die Strafrechtspflege gilt zwar zweifellos als Kernkompetenz der nationalstaatlichen Hoheits- und damit auch der Gerichtsgewalt – das ist österreichischer Grundkonsens und insbesondere auch die staatspolitische Ausgangsposition freiheitlicher Rechts­politik, und in diesem Sinne lehnen wir nach wie vor dezidiert eine europäische Staats­anwaltschaft, die österreichische Justizbehörden auf bloße Erfüllungsgehilfen reduziert, ab –, all das darf aber nicht über eine uns allen schmerzhaft bewusst gewordene Erfahrungstatsache hinwegtäuschen: Es führt heute kein Weg mehr daran vorbei, dass die effiziente Verfolgung organisierter Krimineller, die in mehreren Ländern aktiv sind, nicht nur eines Quantitäts-, sondern sehr wohl auch eines Qualitätssprunges der inter­nationalen Kooperation im Sinne verstärkter Rechtshilfe, zum Teil sogar echt grenz­überschreitender Fahndung und Strafverfolgung bedarf.

Erst all das schafft den nötigen und gebotenen Aktionsradius, also das Handlungsfeld und Spektrum, um den Vorsprung der längst global vernetzten kriminellen Organisa­tionen aufzuholen und ihre daraus bislang resultierende überlegene Handlungsmacht einigermaßen auszugleichen. Dafür ist es unabdingbar, eine transnationale, ja in gewisser Weise universelle Rechtsgrundlage zu schaffen, die koordiniertes grenzüber­schreitendes Vorgehen ermöglicht, schwere Straftaten einheitlich definiert, um die nationalstaatlich verzichtbaren formalen und sachlichen Barrieren abzubauen, die der innereuropäischen und auch der unter Umständen bereits nötigen außereuropäischen justiziellen Zusammenarbeit entgegenstehen – mit all den Bedenken, die Frau Kollegin Hlavac mit, wie ich meine, vollem Recht angesprochen hat!

Grundlegende Begriffsbestimmungen dieses Übereinkommens gelten der organisierten kriminellen Gruppe, den Erträgen aus Straftaten und den vorgesehenen Zwangsmaß­nahmen des Einfrierens, der Einziehung und der Beschlagnahme, insbesondere auch der schon erwähnten Abschöpfung der Verbrechensgewinne.

Im materiell-rechtlichen Teil, also dem Kernbereich des Übereinkommens, geht es im Wesentlichen darum, bereits die Beteiligung an einer organisierten kriminellen Gruppe für strafbar zu erklären, Geldwäsche und Korruption auch eigener offizieller Stellen für


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strafbar zu erklären, Geldwäsche und Korruption im Zusammenhang mit der organi­sierten Kriminalität, also Korruption auch eigener nationaler Stellen strafrechtlich zu sanktionieren und die notfalls auch strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Perso­nen zu verankern.

Diese zuletzt genannte Pflicht – auch das wurde heute bereits angesprochen – ist frei­lich im Einklang mit den Rechtsgrundsätzen der Vertragsstaaten umzusetzen, und das wirft auch für das österreichische Strafrecht ernsthafte Probleme auf, gingen wir doch bis heute grundsätzlich davon aus, dass Straftaten ausschließlich individuell zu verant­worten sind und daher nur natürlichen Personen, sei es auch in ihrer Organstellung oder Repräsentativfunktion für juristische Personen des Privatrechts oder des öffent­lichen Rechtes, zurechenbar sind.

Gewiss sind wir inzwischen auf Grund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben, insbeson­dere einiger EU-Richtlinien, vor allem jener gegen Geldwäscherei, aber auch anderer, bereits dazu verpflichtet, auch juristische Personen, also auch Gesellschaften, in die rechtliche Verantwortlichkeit für von ihnen ausgehende Delikte einzubeziehen, und zwar nicht nur in die zivilrechtliche oder administrative, sondern auch in die strafrecht­liche Haftung.

Dieses rechts- und kriminalpolitische Anliegen wird nun weltweit formuliert. Als klassi­scher, traditionell geprägter und daher wohl allzu konservativer Rechtstheoretiker ver­stehe ich durchaus die Bedenken aus Wirtschaftskreisen, die eine gegebenenfalls so­gar strafrechtliche Haftung juristischer Personen für strafrechtlich relevante Auswirkun­gen ihrer Tätigkeit nur dann akzeptieren wollen, wenn ein statutarisches Organ oder ein sonst auf die Gesellschaftsgebarung echte Ingerenz ausübender Repräsentant sich schuldig gemacht hat und strafrechtlich haftbar geworden ist.

Darüber hinaus teile ich aber dennoch die Einschätzung des Bundesministers für Jus­tiz, dass auch ein erhebliches Organisationsverschulden innerhalb einer juristischen Person, das ja seinerseits ihren verantwortlichen Organen zuzurechnen ist, dazu aus­reicht und es rechtfertigt, die juristische Person für strafrechtlich verpönte Folgen ihrer Tätigkeit im Rechts- und Geschäftsleben entsprechend haften zu lassen.

In all diesen Bezügen ist die Erweiterung der Pflicht zur Rechtshilfe und der Vorausset­zungen für die wechselseitige Auslieferung und Überstellung verurteilter Personen durchaus zu begrüßen.

Gleiches gilt für die Vertiefung der Zusammenarbeit von Polizei- und Justizbehörden bei gemeinsamen Ermittlungen und besonderen Ermittlungsmethoden.

So bedeutsam wie unerlässlich erscheinen mir nicht zuletzt die spezifischen Schutz­bestimmungen für Zeugen und Opfer von organisierter Kriminalität. Der intensivierte Informationsaustausch wie auch die Förderung von Ausbildung und technischer Hilfe werden die grenzüberschreitende Kooperation auf dem Gebiet der Strafverfolgung zweifellos entscheidend verbessern.

Festzuhalten ist nochmals, dass der österreichische Gesetzgeber die Anliegen und In­tentionen dieses Übereinkommens bereits heute weitestgehend erfüllt hat. Wir werden daher nur geringfügigen Bedarf an weiterer Anpassung unseres Straf- und Strafpro­zessrechtes und anderer gesellschafts- und versicherungsrechtlicher Vorschriften ha­ben. Das ist – das muss anerkennend hervorgehoben werden – der auf der Höhe der Zeit stehenden Rechtspolitik unseres Justizministeriums und seinen dafür zuständigen Referenten zu verdanken. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)


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Aus all diesen Gründen wird meine Fraktion der Ratifikation dieses UN-Übereinkom­mens vorbehaltlos ihre Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

11.58

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


11.58

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Auch die grüne Fraktion wird die­sem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organi­sierte Kriminalität selbstverständlich ihre Zustimmung geben. Keine Frage! Jede Form der Kriminalität ist abzulehnen, aber es gibt eine ganz besonders widerwärtige Form, eine gefährliche Form, eine vielfach Menschen verletzende Form, und das ist die organisierte Kriminalität, egal, wo und in welchen Bereichen sie stattfindet. Deshalb ist es umso bedeutender, dass die organisierte Kriminalität, egal, ob im Drogenbereich, im Waffenbereich, im Bereich des Menschenhandels oder im Bereich der Geldwäscherei, auch grenzüberschreitend stattfindet.

Herr Dr. Kühnel! Es ist immer schön, wenn wir uns auf die Schulter klopfen und uns sagen, wie toll wir sind, aber: Der Antikorruptionsbericht des Staates Italien hat damals massiv Kritik an Österreich geübt, nämlich dahin gehend, dass Österreich zu einer Drehscheibe für Geldwäscherei geworden sei. Wir haben vieles gemacht, trotz allem bedurfte es des Antikorruptionsberichtes des italienischen Parlaments – und zwar war das vor fünf, sechs Jahren –, dass der Geldwäscherei in Österreich – und ich sage nur ein Stichwort: „Treuhandgesellschaften“ und ähnlicher Ärger – ein Riegel vorgescho­ben worden ist. Dass wir uns jetzt automatisch zu den zehn besten Staaten der ganzen Welt zählen, ist ein bisschen verwegen. Auch wir hatten einige Probleme, das sollte man einfach sagen.

Das Zweite ist, es gibt die drei Zusatzprotokolle zu Waffen-, Menschenhandel und Schlepperei, wobei für mich – ich habe es schon im Ausschuss gesagt – eine der widerwärtigsten Sachen die Sklaverei und der Handel mit Frauen ist, der gerade in Österreich spektakulär an Bedeutung gewinnt. Ich sage nur: Niederösterreich, Burgen­land und Wien – steigende Verdachtsmomente, steigende Zahl an Anklagen und auch Verurteilungen. Wenn man sagt, es habe in den letzten Jahren nur 25 bis 90 Verurtei­lungen pro Jahr gegeben, dann vermute ich, dass die Dunkelziffer über 90 Prozent liegt.

Die Botschafterin Polens hat gesagt, was Polen gegen die Schlepper tut, die Mädchen aus der Ukraine, aus Weißrussland und dem übrigen Russland nach Polen schleppen. Es gibt dort Nummern und es gibt einen Schutz für die Damen und für die Frauen, die verschleppt wurden. Und es ist nicht so, dass die Frauen, denen die Pässe abgenom­men wurden, in Schubhaft genommen werden, nur weil sie melden, dass sie ver­schleppt wurden und dass sie zur Sexsklaverei gezwungen werden. Ich würde mir auch für Österreich eine Regelung wünschen, wonach jene Frauen, die sich melden, auch wenn sie keinen Pass haben und auch wenn sie in noch so zwielichtigen Lokalen zur Tätigkeit gezwungen werden, nicht zu fürchten brauchen, dass sie in eine Repres­sion kommen, etwa derart, dass sie in Schubhaft genommen und abgeschoben wer­den. Wenn wir ihnen nicht Schutz geben durch eine ganz unkomplizierte und schnelle Aufenthaltsgenehmigung, dann können wir diesen Sumpf bei Gott nicht trockenlegen.

Was noch dazukommt – und das gilt es international zu beachten –, ist natürlich der Organhandel. Da sind vor allem auch Kinder betroffen, Kinder in Südamerika, Kinder in Asien. Wenn in Inseraten aufscheint, was die Hornhaut eines Auges, was eine Niere


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kostet, dann zeigt das, dass die Formen dieser Kriminalität tatsächlich zu den wider­lichsten gehören. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Lassen Sie mich auch wie Frau Kollegin Hlavac ein Wort sagen – und das ist in diesen Tagen besonders bitter –: Dass wir Menschenrechte, bürgerliche Freiheits- und Grund­rechte haben, hängt mit der Erklärung von Virginia und mit der Französischen Revolu­tion zusammen. Wir verdanken Amerika ein Grundrechtesystem. Ohne die Erklärung von Virginia wären die Revolution von 1848 und der Verfassungsprozess von 1867 auch in Österreich nicht möglich gewesen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Na ja!) – Nicht in der Form. Ohne das Zusammenspiel Virginia und Französische Revolution wären wir möglicherweise heute noch in einer postfeudalen Gesellschaft, die sich erst die Demo­kratie erkämpfen muss. Das sind 100 Jahre, die sehr wichtig sind.

Es ist erschütternd, dass nun gerade dieses Amerika die Menschen- und Freiheits­rechte in einer derartigen Weise verletzt, ich erinnere nur an den Skandal von Guanta­namo, an die Vorkommnisse im Irak und in Afghanistan. Der 11. September, so schrecklich er war – aber es werden mehr Menschen in Amerika zum Tode verurteilt, wobei diese Verurteilungen mehr als fragwürdig sind; viele mexikanische Staatsbürger werden ohne Beiziehung eines sprachkundigen Rechtsbeistandes zum Tode verurteilt. Trotzdem, der 11. September war ein schreckliches Ereignis. Aber dass dieser 11. September in einer Weise missbraucht wird, um Grundrechte, Menschenrechte und bürgerliche Rechte einzuschränken, ist wirklich eine Schade. Und ich hoffe, dass dies auch die österreichische Bundesregierung so mutig wie die Schweizer Bundesregie­rung gegenüber den Amerikanern und Briten zum Ausdruck bringen wird. (Beifall bei den Grünen, der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Ich muss ehrlich sagen, ich war wirklich überrascht von der Vorgangsweise der Schweizer Regierung, denn das sind klare Worte. Das erwarte ich mir auch, Herr Minister, im Rahmen des Rates der Justizminister, dass Europa nicht jeder fadenschei­nigen Begründung nachgibt, damit nicht, wie auch Frau Kollegin Hlavac hier gesagt hat, Stück um Stück bürgerliche Grund- und Freiheitsrechte und Menschenrechte zurückgedreht werden.

Der 11. September war schrecklich, aber er kann nicht für alles herhalten. Es ist gut, dass Diktator Saddam Hussein weg ist, aber es ist schrecklich, was die Amerikaner im Irak machen und was sie in Guantanamo machen, sie setzen nämlich sogar die Haa­ger Konvention völlig außer Kraft. Man könnte darüber reden, wie weit sie im Zweiten Weltkrieg gegolten hat, aber dass man sich heutzutage über all diese Dinge hinweg­setzt, das kann nicht sein. Deshalb ist es wichtig, dass wir gegen die organisierte und grenzüberschreitende Kriminalität in all ihren Bereichen vorgehen und diesbezüglich zusammenarbeiten, aber wir sollten in anderen Bereichen genau so mutig sein. Man könnte sagen, auch das ist eine grenzüberschreitende Kriminalität, wenn ich Menschen aus einem Land ohne Verfahren in ein anderes, noch dazu in ein Drittland wie Kuba bringe, allerdings exterritorial, und ihnen jegliche Form der Menschenrechte vorent­halte. Das darf nicht sein. Wenn man A sagt, soll man das B sehen und es auch zum Ausdruck bringen. – Danke. (Beifall bei den Grünen, der SPÖ und den Freiheitlichen.)

12.07

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte.

 


12.07

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität ist zu begrüßen und auch zu unterstützen. Diese Zusammenarbeit gibt es zwischen Österreich und seinen


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Nachbarstaaten natürlich schon seit vielen Jahren. Trotzdem ist im Bereich der Sicher­heit und Verbrechensbekämpfung in den letzten Jahren zu wenig geschehen.

Internationale Regeln und Vereinbarungen, Standards bei der Ausrüstung der Exeku­tive, die diese Bekämpfung auch durchführen muss, bleiben wegen finanzieller Eng­pässe oft auf der Strecke. 22 483 Straftaten innerhalb des ersten Quartals 2004, ein Viertel mehr als im Vorjahr, zeigen die dramatische Situation dieser unerfreulichen Ent­wicklung in Niederösterreich. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das stimmt nicht!) Monat für Monat steigt die Kriminalität. Der dramatische Anstieg der Kriminalität und Personal- und Ausstattungsmangel stehen in unmittelbarem Zusammenhang. Die Bevölkerung wird immer wieder von Einbruchsserien heimgesucht, während es bei der Gendarmerie an Personal, Autos und Ausstattung mangelt.

Gendarmerieposten wurden reihenweise zugesperrt, das Exekutivpersonal aus den Orten abgezogen. (Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.) – Aber nicht so massiv wie in dieser Periode.

Die Politik des Sparens, Kürzens und Umorganisierens ist gescheitert. Seit dem Amts­antritt von Minister Strasser steigt die Kriminalität bedrohlich an. Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung ist auf einem Minimum angelangt, und die Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter der Exekutive stöhnen unter dem Personal- und Ausrüstungsmangel. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Reisenberger: Genauso ist es!)

Immer mehr Exekutivbeamte sind demotiviert, anfallende Überstunden können weder abgebaut noch ausbezahlt werden, und ganze Abteilungen sitzen in Büros fest, weil ihnen keine geeigneten Fahrzeuge zur Verfügung gestellt werden. Wir brauchen mehr Personal und nicht die Bereinigung des ohnehin vorhandenen Fehlbestandes. Wir brauchen eine Investitionsoffensive in die Ausstattung sowie eine Ausweitung der Prävention und Überwachungstätigkeit. Dies ist nur mit mehr Personal auf den Straßen und mit mehr Streifenfahrten möglich.

In besonders gefährdeten Bezirken und Regionen – ich möchte auch meinen Bezirk Zwettl dazu zählen – sollten besonders in den Nachtstunden drei Streifenfahrzeuge ständig unterwegs sein. (Bundesrat Dr. Kühnel: Bin ich da in der falschen Veranstal­tung?) In manchen Bezirken geht sich derzeit auf Grund des Personalnotstandes nicht einmal eine Streife aus. Wir sind bei der Kriminalität auch grenzüberschreitend.

Damit steht fest, dass der Kürzungskurs, den unser Herr Innenminister Strasser fährt, die Sicherheitssituation in unserem Bundesland eklatant verschlechtert hat. Es ist dies der falsche Weg, in Zeiten eines Anstiegs der Kriminalität ständig Personal und Budget in der Exekutive zu kürzen und gewachsene Strukturen zu zerschlagen. Gerade Nie­derösterreich hat größtes Interesse an einer intakten und vor allem regionalen, dezent­ralisierten Sicherheitsinfrastruktur.

Immer wieder kam es zu beschämenden Situationen an den österreichischen Grenzen. So waren Anfang Mai 60 Flüchtlinge in Gmünd über die tschechische Grenze gekom­men, die ohne Quartier und Versorgung auf der Straße bleiben mussten. Wie im „Stan­dard“ vom 1. Mai berichtet wurde, wurden sie nach der erkennungsdienstlichen Be­handlung mit dem Hinweis, dass es keine Quartiere gebe und sie sich selbst etwas suchen müssten, zum Bahnhof gebracht. In ihrer hilflosen Lage wurden die Flüchtlinge dann alleine gelassen.

In diesem Zusammenhang wurde Innenminister Strasser von unserem Nationalrat Par­nigoni auch eindringlich daran erinnert, dass Österreich nach der Genfer Konvention Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen zu erfüllen habe. Wenn wir uns nunmehr auch formal im Rahmen der Vereinten Nationen international zur Bekämpfung der grenz­überschreitenden Kriminalität bekennen, so müssen wir unsere Verpflichtungen auch


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einhalten und unsere derzeitigen Sicherheitsstandards verbessern und nicht dauernd kürzen. (Beifall bei der SPÖ, den Grünen und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

12.12

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


12.12

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich möchte mich zunächst für die De­batte bedanken, in der durchwegs Zustimmung zu diesem Gesetzesvorhaben bezie­hungsweise zu diesem internationalen Abkommen signalisiert wurde. Das Wesentliche ist bereits umgesetzt. Einiges bleibt noch zu tun, und das werden wir demnächst auch erledigen.

Insbesondere bedanke ich mich bei Herrn Bundesrat Dr. Kühnel, weil er doch namens seiner Fraktion ausdrücklich seine vorbehaltlose Zustimmung gegeben hat.

Ich bedanke mich aber auch bei Frau Bundesrat Dr. Hlavac. Sie haben sich vor allem mit dem Kampf gegen die Geldwäsche befasst. Das war völlig richtig, weil wir hier auch ein großes Problem haben, das rechtsstaatlich sensibel ist und sorgfältig umgesetzt werden muss.

Ich gehe natürlich auch auf die Frage der Übermittlung von Daten von Flugpassagieren ein, muss aber sagen, dass Sie selbst erklärt haben, dass Sie an die Frau Außenminis­terin eine solche Anfrage gerichtet haben. Ich möchte aber doch auch zu bedenken ge­ben, dass man einerseits den amerikanischen Behörden nicht vorwerfen darf, mit War­nungen zu sorglos umgegangen zu sein, und andererseits nicht gleichzeitig kritisieren sollte, nämlich schlechthin und pauschal kritisieren sollte, dass man sich nunmehr um mehr Informationen bemüht. Sie sehen gerade an dieser Debatte, wie schwierig es ist, den richtigen Mittelweg zu finden, der den Boden der Rechtsstaatlichkeit nicht verlässt, aber gleichzeitig auch dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung entspricht.

Ich teile voll die Bedenken des Herrn Bundesrates Schennach, der sich sehr kritisch mit der Position, der Haltung und den Handlungen der USA auseinander gesetzt hat. Ich glaube auch, dass man mit den USA ein offenes Gespräch, wenn ich so sagen darf, führen darf und muss, um in dieser Frage eine Klärung herbeizuführen.

Es ist schon richtig, dass die Grundrechte auch von Amerika entwickelt wurden. Aber letztlich wurden unsere Grundrechte schon auch primär von uns gestaltet. Bedauerlich und vielleicht auch zu ergänzen ist in diesem Zusammenhang auch, dass gerade die Grundrechte des Persönlichkeitsschutzes von Amerika Ende des 19. Jahrhunderts mit Impulsen versehen wurden, die wir dann alle übernommen haben, dass wir auch an die Wilson’schen 14 Punkte denken müssen und an die vielen internationalen Verein­barungen, an denen Amerika mitgewirkt hat. Wenn sich nun die USA in einer beson­ders schwierigen Situation befindet, sollten wir ein offenes und kritisches Gespräch unter Freunden führen und nicht nur Vorwürfe erheben, obwohl in diesem Fall Vor­würfe möglicherweise durchaus angebracht sind.

Zu den Ausführungen von Frau Bundesrat Ebner möchte ich sagen, es ist richtig, dass wir Personalnot zumindest in der Justiz haben. Aber Sie werden in den nächsten Mo­naten sehen, dass wir sehr darum kämpfen, ausreichend Personal zu bekommen. Die Justizwache ist überlastet. Der Herr Innenminister hat glücklicherweise 1 180 zusätz­liche Planposten bekommen. Herr Staatssekretär Finz weiß das natürlich, und er weiß auch, dass wir uns sehr bemühen, dass unser Personalstand in ähnlicher Weise aufge­stockt wird, damit wir diejenigen Täter, die vom Personal des Innenministers aufgegrif­fen werden und über die auf Grund der Beschlüsse der unabhängigen Untersuchungs-


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richter die Untersuchungshaft verhängt wird, in den Gefängnissen auch entsprechend verwahren können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Noch ist diesem Nach­holbedarf nicht entsprochen.

Ich bedanke mich auch bei Herrn Bundesrat Professor Böhm, der wie immer beson­ders profund auf die Thematik eingegangen ist, für die klaren Hinweise, dass die euro­päische Staatsanwaltschaft nicht die Lösung sein kann. Das ist ein Souveränitäts­verlust, der uns unnötigerweise abverlangt werden soll und dem wir nicht nachgeben sollten. Es hat uns noch niemand in der EU erklären können, wozu diese europäische Staatsanwaltschaft gut sein soll. Das ist eine Anmaßung, die wir nicht nötig haben, und zwar vor allem deshalb nicht, weil wir einen hoch entwickelten Rechtsstaat haben, der seine Sicherheit selbst besorgen kann und der auch in der Lage ist, Unrecht zu verfol­gen und zu sühnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir müssen auch zugeben, dass Nachholbedarf besteht, was die Ausgestaltung der Strafbarkeit juristischer Personen betrifft. Ich muss sagen, je mehr man sich in das Thema vertieft, umso mehr wird einem die Dringlichkeit dieses Nachholbedarfes klar. In vielen Fällen wird persönliche Schuld gesucht – ich meine das jetzt nicht aktuell, sondern prinzipiell –, wo insgesamt das Unternehmen eine Unterlassung und/oder ein Organisationsverschulden begangen hat, das für sich alleine gesühnt gehört und für den Rechtsschutz der Bevölkerung ausreichend wäre, ohne dass man in übertriebe­nem Ausmaße gegen Personen Schuldvorwürfe erheben müsste.

Nicht zuletzt bedanke ich mich auch bei Herrn Dr. Manquet – er ist hier –, der die schwierige juristische Arbeit geleistet hat. Ich freue mich, dass Sie alle diesem Gesetz zustimmen werden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.18

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Hagen.

 


12.18

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Vizepräsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ein Bericht über die organi­sierte Kriminalität lässt mich nicht ruhig sitzen. Ich muss auch noch das Wort dazu er­greifen und einige Sachen klarstellen oder als Insider hier einiges mitteilen. (Bundesrat Schennach: Nicht wieder die Schweiz, bitte!)

Die organisierte Kriminalität findet in mehreren Bereichen statt. Der Drogenhandel ist fest in türkischer und afrikanischer Hand, die gewerbsmäßigen Einbrüche mit reisen­den Tätern in der Hand der Ostbanden, der Frauenhandel ist fest in Ostbandenhand und in der Hand türkischer Tätergruppen, die Schleppertätigkeit: Ostbanden und ver­schiedene andere Staaten, die Geldwäsche: allgemein, Raubdelikte: mittlerweile schon bereits bis Portugal, die Täter kommen von überall her, um hier in Österreich Raube zu verüben. Ich könnte endlos fortsetzen, was alles in die organisierte Kriminalität hinein­fällt.

Gerade die EU-Osterweiterung hat diese organisierte Kriminalität mit reisenden Tätern begünstigt. Wir wissen alle, dass die Grenzen nicht mehr so dicht sind, wie sie eigent­lich sein sollten.

Wir wissen alle, dass in den ehemaligen Oststaaten und jetzigen neuen EU-Ländern die Kriminalitätsrate sehr hoch und auch die Verwaltung beziehungsweise die Exeku­tive teilweise etwas korrupt ist. Das hat man in Untersuchungen anlässlich des EU-Beitritts festgestellt. Man hat darüber hinweggesehen, aber fassen wir doch die Tat­sachen ins Auge: Es ist nicht alles Gold, was glänzt! Hier muss ich schon sagen, dass noch einiges auf uns zukommt und dass sämtliche Maßnahmen, die man treffen kann,


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um dem vorzubeugen oder dazu beizutragen, die Kriminalitätsaufdeckung beziehungs­weise -verfolgung möglichst zu beschleunigen, von Vorteil sind.

Ein kleines Beispiel: Heuer gab es allein in Wien schon mehr als 35 Banküberfälle, während es 2003 insgesamt 51 waren. Das ist ein klares Anzeichen von Zuwachs. Wenn man die Tätergruppen erwischt, sind es meistens organisierte Banden, die in Österreich die Banken ausrauben. Ein klarer Satz dazu: Je schneller man einen Täter oder eine Tätergruppe verfolgen kann und je einfacher auch über Grenzen hinweg, desto besser ist die Aufklärungschance. Ich meine, dass alle Mittel genutzt werden müssen, um die Verbrechensaufklärung zu verbessern.

Ich möchte mich bei Herrn Bundesminister Böhmdorfer ganz ausdrücklich für seine aktive und mutige Haltung in der Verbrechensbekämpfung bedanken. Es ist nicht selbstverständlich, dass sich ein Minister so weit hinauslehnt und so mutig dasteht, auch wenn er von vornherein genau weiß, dass er aus gewissen Richtungen Kritik einstecken wird müssen. Aber wo man Recht hat, hat man Recht, und ich muss Ihnen herzlich gratulieren, dass Sie zu Ihrer Meinung stehen, und das finde ich gut so. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Justizminister hat es angesprochen: Die Justizbeamten sind komplett über­lastet, um den Personalstand dort ist es ganz, ganz schlecht bestellt. Es ist schlimm, das ist mir klar.

Ich denke, dass es gewisse Bereiche im Staat gibt, wo man Personal einsparen kann, nämlich dort, wo die Apparate aufgebläht sind. Ich sage Ihnen aber eines: Im Bereich Sicherheit – und da gehört die Justiz dazu – darf nicht gespart werden, denn da wird es gefährlich, das sage ich Ihnen. Hier sind unsere Herren Minister beziehungsweise der Herr Bundeskanzler, der für die Beamten zuständig ist, und der Herr Finanzminister als Geldgeber aufgefordert, dem Rechnung zu tragen. Es geht darum, dem Herrn Justiz­minister das nötige Personal zur Verfügung zu stellen und auch entsprechend zu bezahlen, sodass diese Leute ein ordentliches Einkommen haben. (Beifall bei den Frei­heitlichen.)

Und zweitens geht es natürlich auch darum, dem Herrn Innenminister ausreichend Personal zur Verfügung zu stellen, damit er die Verbrechensbekämpfung auch wirklich durchführen kann. Wir konnten es gestern sehen: schöne neue Uniformen, in wunder­barem Blau gehalten, was mir besonders gut gefällt, aber schöne Uniformen alleine sind zu wenig. Ich denke, es muss eine gute Ausrüstung geben, und zwar sowohl in gesetzlicher Hinsicht, das heißt, die Gesetze müssen stimmen, ich muss eine Hand­habe haben, ich muss das nötige gesetzliche Werkzeug haben, aber auch das nötige Personal. Und dieses Personal muss zufrieden gestellt werden. Daher fordere ich hier noch einmal ein Exekutivdienstgesetz und bitte Herrn Minister Strasser, Bundeskanzler Schüssel und den Herrn Finanzminister, das voranzutreiben, weil die Zeit drängt. Es muss etwas geschehen, und ich meine, hier ist Not am Manne. Ich möchte das hier einfach noch einmal deponieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.23

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen? – Bitte, Herr Bundes­rat Schennach. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Schennach –: Wird das jetzt so eine Art Doppelconférence?)

 


12.24

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Herr Präsident! Schauen Sie nicht so säuerlich, nur weil ich mich noch einmal gemeldet habe. (Bundesrat Bieringer: Sie haben das Verhalten des Vorsitzenden nicht zu kommentieren!)


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Lieber Kollege Hagen! Ich kann das einfach ... – Selbstverständlich, Herr Kollege Bie­ringer! Ich wurde ganz neutral zur Wortmeldung gebeten.

Kollege Hagen! Ich kann das einfach nicht so stehen lassen. Es tut mir Leid. Ich ver­wahre mich dagegen, dass die neuen Beitrittsländer krimineller sein sollen als die alten EU-Mitgliedstaaten. Wieso soll Slowenien krimineller sein als Österreich? Oder Malta? Oder das Baltikum? Was sind das hier für Vorurteile? Es gibt neue Herausforderungen, denen müssen wir uns stellen, aber dass wir dadurch eine höhere Kriminalitätsrate hätten, weil die EU um zehn Staaten angewachsen ist, das ist ein derartiges Vorurteil, wie Sie es hier schon in Bezug auf die Schweiz geäußert haben, als Sie die Schweiz zum Kolumbien Europas erklärt haben. (Bundesrat Hagen: Realitätsverweigerung!) – Nein, es ist keine Realität!

Zum Zweiten, Herr Kollege Hagen: Es gibt einen Kriminalroman, dessen Titel dürfte Ihr Motto sein: „Fängt die Kleinen und lasst die Großen laufen“. Hinter jedem afrikanischen Drogenhändler – und die gibt es, da haben Sie Recht – steht zumindest ein Weißer, und dieser Weiße ist in zumindest 50 Prozent der Fälle ein Österreicher. (Bundesrat Dr. Kühnel: Und das wissen Sie so genau!?) Hinter den Schleppern, Herr Kollege Kühnel, stehen immer auch Österreicher, die Menschen geschleppt haben. Das sind nicht nur Türken, das sind nicht nur Kroaten oder wo immer Sie diese Leute zuordnen; wahrscheinlich sind es für Sie Russen, Türken und Jugoslawen und dazu noch die Afrikaner im Allgemeinen. Es gibt aber keine physische, genetische Vererbung von Kriminalität oder Nichtkriminalität.

Man muss immer fragen: Wer profitiert? Und an Menschenhandel, Geldwäscherei und Drogenhandel verdienen nicht die kleinen nigerianischen Dealer und nicht die kleinen Schlepper, sondern es gibt da ganz Große, die dahinter stehen. Und um die sollte es hier auch gehen! Und nicht darum, den zehn neuen Mitgliedsländern generell vorzu­werfen, besonders kriminell oder anfällig für Kriminalität zu sein. (Bundesrat Hagen: Das habe ich nicht gesagt! – Bundesrat Mag. Gudenus: Das stimmt auch!) Sie haben gesagt, dass die Kriminalität durch die EU-Erweiterung sprunghaft zunehmen wird. Und das weise ich zurück! Tut mir Leid. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.26

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nur zur Aufklärung: Ich habe die Wortmeldung des Kollegen Schennach nicht am Bildschirm gesehen und deshalb habe ich vielleicht verwirrt dreingeschaut. Ich bin aber heute im Übrigen sehr fröhlich. Das wollte ich nur festhalten.

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Mai 2004 betreffend ein Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüber­schreitende organisierte Kriminalität.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Weiters lasse ich über den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Art. 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, abstimmen.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Mai 2004 betreffend Übereinkunft über die Auslegung von Art. 12 Abs. 2 des Übereinkommens über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über die Militärdienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit (133 d.B. und 458 d.B. sowie 7037/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Mai 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Militärauszeichnungsgesetz 2002 geändert wird (304/A und 459 d.B. sowie 7038/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem geführt wird.

Berichterstatter zu Punkt 3 ist Herr Bundesrat Lindinger. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Ewald Lindinger: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Landesverteidigungsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Mai 2004 betreffend Übereinkunft über die Auslegung von Art. 12 Abs. 2 des Übereinkommens über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsange­hörigkeit und über die Militärdienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Landesverteidigungsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Mai 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, 1. gegen den Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben; 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Berichterstatter zu Punkt 4 ist ebenfalls Herr Bundesrat Lindinger. Ich bitte auch um diesen Bericht.

 


Berichterstatter Ewald Lindinger: Bericht des Landesverteidigungsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Mai 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Militärauszeichnungsgesetz 2002 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Landesverteidigungsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Mai 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.30

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vor uns liegt eine Materie, der wir, soweit ich das aus dem Ausschuss weiß, alle zu-


Bundesrat
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stimmen werden. Daher erlaube ich mir, meinen Vortrag kurz in zwei Teile zu gliedern. Beim ersten geht es eher um eine formale Sache. Es soll nämlich einem Abkommen, das sich mit der Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und der Mili­tärdienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit beschäftigt, ein Ergänzungs­abkommen, nämlich eine authentische Interpretation beigefügt werden.

Das heißt: Inhaltlich ist nichts gefragt. Es war bisher so, dass dieses Abkommen nur in seiner Gesamtheit gekündigt werden konnte. Verschiedene Länder haben jetzt ge­äußert, dass sie einzelne Kapitel, einzelne Teile dieses Abkommens eventuell kündi­gen möchten; und da hat man sich dazu entschlossen, relativ unbürokratisch vorzu­gehen, nämlich dem Generalsekretär des Europarates mitzuteilen, dass man einen Teil des Abkommens kündigen möchte und das soll dann, soweit ich das richtig gelesen habe, innerhalb eines Jahres auch tatsächlich in Kraft treten. Ob dann dieses Abkom­men die grenzenlose Übersichtlichkeit haben wird, sodass sich jeder auskennt, weil man ja immer wieder untersuchen muss, welche Staaten was noch anerkennen und was nicht, das wird sich in der Praxis erweisen. Jedenfalls wird meine Fraktion dieser Auslegung zustimmen.

Der zweite Teil des zusammengefassten Tagesordnungspunkts beschäftigt sich mit dem – grob gesagt – Militärauszeichnungsgesetz. Was ist der Grund für eine Novel­lierung beziehungsweise Ergänzung dieses Gesetzes? – Österreich hat sich im Jahre 1999, wenn ich mich richtig erinnere, damals noch unter einer rot-schwarzen Regierung, für das Europakorps entschieden, das nicht zu verwechseln ist mit dem NATO-Europakorps, also für das europäische Europakorps, wenn man so sagen kann. Damals war der Gedanke, dass ungefähr 60 000 Mann – sehr schnell einsatzbereit – der Europäischen Union zur Verfügung gestellt werden.

Österreich hat sich verpflichtet, hiezu auch seinen Anteil zu leisten, und dieser Anteil soll darin bestehen, dass wir Kräfte für internationale Operationen bilden und dass sich ungefähr 1 500 Mann und natürlich auch Frau zu einem bestimmten Zeitpunkt im Aus­land befinden können. Das ist allerdings eine Maximalanzahl. Um diese Soldatinnen und Soldaten zu gewinnen, damit sie einerseits rasch in den Auslandseinsatz gehen können, vorher eine entsprechende Ausbildung für diese Einsätze erhalten und weil bei Auslandseinsätzen die absolute Freiwilligkeit ein weiteres Kriterium ist, müssen ge­wisse Werbungsmaßnahmen gesetzt werden. Ich hoffe, dass diese Werbung in hohem Maße seriös ist und dass die Versprechen, die man diesen Soldatinnen und Soldaten macht, auch entsprechend eingehalten werden.

Als kleines Mosaiksteinchen dieser Werbungsanstrengungen – auch wenn man erst ab einem gewissen Alter Orden Bedeutung zumisst – soll nun jenen, die einen Auslands­einsatz machen wollen, nach einer bestimmten Zeit die Möglichkeit eingeräumt wer­den, eine Auszeichnung zu erhalten. Daher ist es notwendig, dass dieses Militäraus­zeichnungsgesetz novelliert wird. Diese Freiwilligen, die in das Ausland gehen, sollen einen besonderen Status erhalten. Sie sollen Vertragsbedienstete des Bundes mit Sondervertrag werden und solche waren bisher nicht vorgesehen.

Meine Fraktion stimmt selbstverständlich allem zu, was mit der europäischen Gemein­samen Außen- und Sicherheitspolitik verbunden ist, daher wird meine Fraktion auch diesem Gesetz, wie ich das auch schon vorhin gesagt habe, vorbehaltlos zustimmen.

Ich habe mich bemüht, sachlich zu dem Ganzen zu argumentieren und nicht alles hineinzuverpacken, was mir vielleicht einfällt. – In diesem Sinne danke ich für die Auf­merksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Gudenus.)

12.35

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kal­tenbacher. – Bitte, Herr Bundesrat.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
709. Sitzung / Seite 60

12.36

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wie bereits erwähnt, beschließen wir heute ein Übereinkommen über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über die Militärdienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit. Wir werden die­sem Übereinkommen unsere Zustimmung geben. Dagegen ist nichts einzuwenden und das ist parteiübergreifend positiv zu sehen. Gerade in Zeiten der Erweiterung, in Zeiten der Friedensdiskussion ist das unumgänglich.

Ich möchte aber doch dieses Plenum dazu nützen, zur Sicherheitspolitik einiges zu sagen, weil dies letztendlich zum betroffenen Personenkreis der Wehrpflichtigen passt. Sowohl bei den Wehrpflichtigen als auch beim Aktivpersonal herrscht derzeit Unsicher­heit. Am Montag segneten die 25 EU-Verteidigungsminister den Aufbau eigenständiger Militärsstrukturen, das heißt, eine gemeinsame Verteidigungspolitik ab. Die Frage lau­tet also: Welche Rolle spielt unser Bundesheer in diesen Strukturen? – Die klassische Territorialverteidigung hat schon längst ausgedient. Die neuen Herausforderungen lauten: Terrorbekämpfung, Teilnahme und Mitwirkung am Katastrophenschutz sowie an friedenserhaltenden Maßnahmen, jedoch keine Teilnahme an kämpferischen Aktivi­täten. Vor allem wäre das Papier der Bundesheerreformkommission interessant, wel­ches im Juni vorgelegt werden wird, um zu beurteilen, wie das in diese Strukturen passt.

Kürzlich fand in der Steiermark und in Kärnten die Großübung „Schutz 04“ statt. 12 500 Soldaten und Gendarmeriebedienstete der Bezirkshauptmannschaften übten Raumschutz sowie Begleitschutz der durch Österreich fahrenden internationalen KFOR-Kräfte, den Schutz vor Anschlägen und so weiter. Eine interessante Übung, die recht positiv verlaufen ist. Ich konnte mich vor Ort davon überzeugen, weil sie nämlich teilweise in unserer Region stattgefunden hat.

Es waren auch 42 Luftfahrzeuge im Einsatz, was besonders aufgefallen ist. Und damit komme ich zu einer Problematik, die spannend ist: Fliegerhorst Hinterstoisser in Zelt­weg – Herr Bundesminister, Sie wissen Bescheid, nicht wahr? Kürzlich wurden die F-5 eingeführt, der Eurofighter soll kommen. Wir waren dagegen, okay, aber man muss sich damit abfinden. Aber wie schaut die Situation vor Ort jetzt aus? – Ich meine, Sie wissen es am besten. Die Flieger werden Sie nicht in die Luft bekommen, schon gar nicht die F-5, geschweige denn den Eurofighter, weil Ihnen das technische Personal fehlen wird. Die entsprechenden Papiere liegen Ihnen vor, Sie kennen sie.

Erst vorige Woche habe ich mit den verantwortlichen Technikern und Offizieren spre­chen können. 1 300 Planstellen für das Kommando Internationale Operationen zu Las­ten von Planstellen in innerösterreichischen Ablaufstrukturen. Im Fliegerhorst Hinter­stoisser fehlen 48 Technikerplanstellen. Über den Aufstieg von Abfangjägern zu disku­tieren ist damit, wie gesagt, hinfällig. Sie werden sie nicht in die Luft bekommen, weil zu Gunsten der internationalen Kräfte umgeschichtet und dort Personal gebunden wird. – Damit werden Sie fertig werden müssen, wir werden die Probleme weiterhin aufzeigen.

Auch der Novelle zum Militärauszeichnungsgesetz werden wir gerne unsere Zustim­mung geben, weil, wie bereits erwähnt, unsere Soldatinnen und Soldaten im Ausland unter enormem Druck hervorragende Arbeit leisten und wir diesem Personenkreis quasi als Dankeschön auch solche Auszeichnungen zukommen lassen sollten.

Wir werden beiden Übereinkommen unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

 


12.40


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
709. Sitzung / Seite 61

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Platter. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


12.41

Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Meine Damen und Herren! Ganz kurz zu diesen beiden Materien, die heute be­schlossen werden sollen. Erstens: Ich bin froh darüber, dass wir im Bereich der Sicher­heits- und Verteidigungspolitik versuchen, nicht Parteipolitik zu machen, sondern hier parteiübergreifend Konsens erzielen wollen. Das ist auch derzeit in der Bundesheer­reformkommission der Fall, die heute bei dieser Debatte schon angeschnitten wurde. Dort ringen wir ebenfalls darum, dass wir einen gemeinsamen Konsens über die grund­sätzliche Ausrichtung des österreichischen Bundesheeres erzielen, was natürlich auf Grund der bestehenden Bedrohungslage die Ableitung davon ist. Diesbezüglich sind wir auf einem sehr guten Weg, heute findet ja wieder eine Klausurtagung statt.

Was die Militärdienstpflicht bei mehrfacher Staatsangehörigkeit betrifft, so darf ich Sie darüber informieren, dass das einerseits freilich eine Anpassung ist, eine EU-Anpas­sung, nämlich auf Wunsch des Europarates, aber zum anderen möchte ich Ihnen die Information geben, dass wir mit 35 Staaten bi- und multilaterale Abkommen darüber haben, dass im Falle von Mehrfachstaatsbürgerschaften der Präsenzdienst nicht mehr­fach abgeleistet werden muss. Ich glaube, dass das eine sinnvolle Angelegenheit ist.

Betreffend KIOP darf ich Ihnen ebenfalls eine kurze Information geben und diesen Punkt zum Anlass nehmen, Zwischenbilanz zu ziehen. Wir haben bisher 1 600 freiwil­lige Meldungen bei KIOP, 253 sind bereits positiv abgeschlossen worden, 918 sind noch im Eignungsverfahren, das heißt, wir sind hier ebenfalls auf einem sehr guten Weg, wenn man bedenkt, dass wir mit dieser Maßnahme, Kräfte für internationale Operationen, erst mit 1. Jänner 2004 begonnen haben.

Wir haben hervorragende Soldatinnen und Soldaten. Es ist auch wichtig, dass eine entsprechende Anerkennung gegeben wird. Anerkennung gibt es vor allem internatio­nal, wenn unsere Soldatinnen und Soldaten bei Auslandseinsätzen tätig sind, wo wir eben international ein hervorragendes Bild abgeben, weil wir mit unseren Soldatinnen und Soldaten eine sehr hohe Qualität haben. Es ist daher auch notwendig, dass die KIOP-Soldaten eine Auszeichnung bekommen.

Ich bedanke mich jetzt schon für die Zustimmung zu diesen beiden Gesetzesmaterien. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Schennach.)

12.43

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Mai 2004 betreffend Übereinkunft über die Auslegung von Artikel 12 Abs. 2 des Überein­kommens über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über die Militärdienstpflicht in Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
709. Sitzung / Seite 62

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Mai 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Militärauszeichnungsgesetz 2002 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Mai 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Mineralölsteuergesetz 1995, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Biersteuer­gesetz 1995, das Finanzstrafgesetz und die Bundesabgabenordnung geändert werden (Steuerreformgesetz 2005 – StReformG 2005) (451 d.B. und 461 d.B. sowie 7039/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Mai 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird (462 d.B. sowie 7034/BR d.B. und 7040/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 und 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu Punkt 5 ist Herr Bundesrat Höfinger. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Berichterstatter Johann Höfinger: Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme zum Bericht des Finanzaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Mai 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuerge­setz 1988, das Mineralölsteuergesetz 1995, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Biersteuergesetz 1995, das Finanzstrafgesetz und die Bundesabgabenordnung geän­dert werden (Steuerreformgesetz 2005 – StReformG 2005).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf daher zum Beschluss kom­men.

 


Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Mai 2004 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
709. Sitzung / Seite 63

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Berichterstatter zu Punkt 6 ist ebenfalls Herr Bundesrat Höfinger. Ich bitte auch um die­sen Bericht.

 


Berichterstatter Johann Höfinger: Bericht des Finanzausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 6. Mai 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf daher zum Beschluss kommen.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Mai 2004 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bun­desrat Schimböck stellt einen Kaktus vor sich auf das Rednerpult. – Bundesrat Dr. Kühnel: Aktionismus! – Beifall der Bundesrätinnen Bachner und Dr. Lichten­ecker.)

 


12.47

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie können das ruhig Aktionismus nennen. Ich glaube, man muss bei dieser Steuerreform ein sehr deutliches Zeichen setzen. Mir ist erinnerlich, dass in der Plenarsitzung des Nationalrates von Abgeordneten der FPÖ Vergissmeinnicht verteilt wurden. Es gab dort eine Mordsdebatte, auch um diese Ver­teilungsaktion. Präsident Khol hat damals sogar die Sitzung unterbrochen.

Was man damit genau gemeint hat, weiß ich nicht, aber eines ist mir ganz klar, Herr Dr. Kühnel: Diese Steuerreform werden viele Menschen in dieser Republik nicht ver­gessen, auch wenn die blauen Abgeordneten Vergissmeinnicht im Nationalrat verteilt haben. – Aber nun zum Thema.

Herr Staatssekretär, Ihr Ressortchef hätte eine einmalige Chance gehabt, nämlich die Architektur unserer Steuergesetzgebung wirklich völlig zu verändern. Man hätte eigent­lich an alle Betriebe denken müssen, die in dieser Republik viele Menschen beschäfti­gen. Es ist ein ganz interessantes Bonmot, dass Frau Cordula Frieser, Steuerexpertin und frühere Abgeordnete der ÖVP hier im Hohen Haus, gemeint hat, dass man bei dieser Steuerreform bei den 300 000 Unternehmungen in diesem Land auf 255 000 vergessen hat. Das sind nämlich jene, die nicht in Form von Körperschaften organisiert sind. Für diese gilt bekanntlich die Herabsetzung der Körperschaftsteuer von 34 auf 25 Prozent nicht.

Herr Staatssekretär, es ist Ihnen mit Ihrem Ressortchef wirklich ein Rekord gelungen, denn wir haben damit, wenn Sie den effektiven Steuersatz betrachten, also nach Ab­schreibungen, jetzt schon die meisten früheren Ostblockstaaten sogar unterboten. Ich würde mir nur eines wünschen, dass wir nämlich unsere Standards, Herr Staats­sekretär, die wir im Bildungswesen haben, die im wissenschaftlichen Bereich gegeben sind, die wir in der Infrastruktur für die Unternehmungen in diesem Land haben, nicht auch auf jene Standards hinunterfahren müssen, die in diesen früheren Ostblock­staaten herrschen. Das würde ich mir sehr wünschen.

Weil Sie erwähnt haben, dass hier verschiedene Möglichkeiten geschaffen wurden, möchte ich doch Universitätsprofessor Dr. Doralt zitieren, der gesagt hat: Dort, wo


Bundesrat
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709. Sitzung / Seite 64

Arbeitsplätze geschaffen werden, wo es um Investitionen geht, also um Investitions­begünstigung, sind wir langsam aber sicher das Schlusslicht in der Europäischen Union geworden. – Das ist nicht meine Meinung, sondern das hat Ihnen im Steuer-Hearing, glaube ich, sehr anschaulich Herr Universitätsprofessor Dr. Doralt erklärt.

Wie gesagt: Eine Chance wurde hier vertan. Man hätte viel machen können. Es geht vor allen Dingen darum, dass dort, wo beschäftigungsintensive Betriebe sind, der Fak­tor Arbeit zu entlasten gewesen wäre.

Rechnet man das hoch, von unten nach oben, Herr Staatssekretär, dann kommen Sie zu einer Steuer- und Abgabenlast von 89,5 Prozent. Und da hätte es eine Entlastung geben müssen. Es hätten viele Möglichkeiten bestanden, das Handwerk, das Gewerbe zu entlasten, und zwar dort, wo nicht rationalisiert werden kann, dort, wo die Produktivi­tät nicht erhöht werden kann.

Ich denke dabei an die Installationsbetriebe, an die Friseure, an die Hotellerie, an die Maler, an die Elektriker und so weiter – alles Betriebe, wo eben die Arbeitskraft noch vor Ort notwendig ist und Produktivität nicht durch Maschinen angehoben werden kann.

Ihr Ressortchef, Herr Staatssekretär, bastelt bekanntlich an seiner Dissertation; ich weiß nicht, ob diese Dissertation auch ein historisches Kapitel haben wird. Ich habe mir aber hier ein sehr historisches Zitat über „Neue Grundsätze der Sozialpolitik“ Anfang der dreißiger Jahre herausgesucht. Es lautet:

„Die heutige Form der Aufbringung der Mittel für soziale Zwecke der Arbeiter und An­gestellten belasten nur den, der Arbeiter und Angestellte hat und wer die Arbeiter aus dem Betriebe hinausgeworfen und durch Maschinen ersetzt hat, bekommt eine zehn- bis fünfzehnprozentige Investitionsbegünstigung dafür, daß er statt Menschen Maschi­nen eingestellt hat. Damit kommen wir dem Problem der sozialen Notwendigkeit auf die Dauer nicht nach, daß wir Löhne kürzen und streichen.“

Jetzt werden Sie staunen, wer das gesagt hat. Das war damals, es ist der „Reichspost“ entnommen, Engelbert Dollfuß, zu jener Zeit Bundeskanzler in diesem Land. Auch Dollfuß, der, so glaube ich, in der Österreichischen Volkspartei kein Unbekannter ist, hat damals schon klargestellt, wo Entlastungen stattfinden müssten.

Mir ist wenig Erfreuliches von diesem Politiker bekannt, aber ich denke, diesen Grund­satz sollte man wirklich in den Wirtschaftskammern, beim ÖVP-Wirtschaftsbund und so weiter ernst nehmen. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Wo, meine Damen und Herren, werden in diesem Land denn Arbeitsplätze geschaf­fen? – Ich habe mir, um gleich prophylaktisch einem Zwischenruf von Frau Präsidentin Zwazl zu begegnen (Heiterkeit bei den Grünen), die Mai-Statistik der Wirtschafts­kammer Österreich ausgedruckt.

Wie schaut es da aus? – Da gibt es jene Betriebe, die tausend Mitarbeiter und mehr in diesem Land beschäftigen. Es sind ganze 162. Diese haben noch im Jahr 2000 402 000 Arbeitnehmer beschäftigt. Und jetzt, Frau Präsidentin, beschäftigen diese Groß- und Größtbetriebe, über die sich jetzt diese ganzen Segnungen dieser Bundes­regierung – Gruppenbesteuerung, reduzierter Körperschaftsteuersatz – ergießen wer­den, nur noch 360 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Wir sehen also, dort, wo der Herr Bundesminister für Finanzen sein Füllhorn aus­schüttet, sind 42 000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Aber in jenen Unternehmungen, die kleinerer Struktur sind, werden in diesem Land Arbeitsplätze geschaffen. Das, so hätte ich es mir eigentlich gewünscht, sollte so eine Steuerreform berücksichtigen.


Bundesrat
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Weiters komme ich zu einem anderen Punkt, der es auch in sich hat, Stichwort „Grup­penbesteuerung“. Hier wurde ein steuerpolitisches Instrument geschaffen, das wohl weltweit sicherlich als einzigartig bezeichnet werden muss. Es gibt ein praktisches Beispiel: Wenn der Unternehmer Prinzhorn in Brandenburg 150 Millionen € investiert, dann werden ihm die Anlaufverluste, die er hat, um Arbeitsplätze in Brandenburg zu schaffen, hier gutgeschrieben. Diese werden hier bei seinen Gewinnen nicht mehr besteuert.

Nun ist es höchst löblich, wenn wir in Brandenburg Arbeitsplätze schaffen, aber eigent­lich sollte das der Fiskus in der Bundesrepublik Deutschland, in Afghanistan unterstüt­zen, wo immer auch Arbeitsplätze von österreichischen Unternehmen geschaffen wer­den. Es ist nicht ganz nachvollziehbar, wieso jene Unternehmen, die dort profitieren, hier keine Vorleistung erbringen müssen und es dem österreichischen Steuerzahler obliegen wird, diese unternehmerischen Tätigkeiten in verschiedensten Ländern – das wird dann weltweit sein – zu fördern und zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es hat eine ganz interessante Aussage zu dieser Steuerreform gegeben, auf die ich noch eingehen muss, Herr Staatssekretär. Ihr Ressortchef hat von der Selbstfinan­zierung dieser Steuerreform gesprochen. Ich weiß nicht, wie ernsthaft er wirklich Be­rechnungen angestellt hat, denn das Wifo hat diese so genannte Selbstfinanzierung sehr klar analysiert und herausgekommen ist, etwas salopp ausgedrückt, dass es sich hiebei um eine Art Mogelpackung handeln wird.

Da bitte ich jetzt Frau Bürgermeisterin Roth-Halvax, stellvertretend für alle hier anwe­senden Bürgermeister, ganz besonders aufzupassen. Bei dieser Steuerreform wird es zu keiner Selbstfinanzierung kommen, sondern es wird nach der letzten Wifo-Studie, die Ihnen sicherlich zur Verfügung steht, Herr Staatssekretär, diese Steuerreform, die eigentlich nur die großen Konzerne begünstigt, die österreichischen Gemeinden im Jahr 2005 264 Millionen € kosten. Aber das ist erst der Anfang. Sie wird im Jahr 2006 die österreichischen Gemeinden 484 Millionen € kosten; das wird sich dann im Jahr 2007 etwas absenken auf 416 Millionen €.

Nun frage ich Sie, insbesondere meine Herren Bürgermeister und Damen Bürgermeis­terinnen, wie Sie eigentlich den Betrieben, die in Ihrem Ort, in Ihrer Stadt Kommunal­steuern abliefern, mit so einem geschmälerten Gemeindehaushalt die notwendige Inf­rastruktur, einschließlich der Kindergärten für die Kinder der dort Beschäftigten, mit die­ser leeren Gemeindekasse bereitstellen wollen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Damit schließt sich für mich der Kreis. Es ist bei dieser Steuerreform darauf vergessen worden, Herr Staatssekretär, dass kleine und kleinste Unternehmen das wirtschaftliche Rückgrat dieser Republik sind.

Und deshalb auch kein Vergissmeinnicht, ich habe aus der Botanik auf etwas anderes zurückgegriffen, Herr Staatssekretär. Für mich bedeutet diese Steuerreform dürre Zeiten für kleine Betriebe in diesem Land. Und als kleinen Denkzettel und Erinnerung darf ich Ihnen diesen Kaktus überreichen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Der Redner überreicht Staatssekretär Dr. Finz den zuvor mitgebrachten Kaktus.)

12.57

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Bieringer. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.57

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schimböck, ein Kaktus ist nichts


Bundesrat
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Dürres, der lebt in der Wüste. (Ruf bei der SPÖ: Wüste Gobi!) Der lebt in der Wüste genauso, wie er bei uns lebt. Wenn Sie einen dürren Ast gebracht hätten, dann wäre das vielleicht zutreffender gewesen. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute so nah ist?

Herr Kollege Schimböck! Es freut mich, dass Sie schon so weit zurückgreifen müssen, damit Sie Ex-Bundeskanzler Dollfuß quasi als Zeugen anrufen können. Sind Ihnen lebende Zeugen schon ausgegangen? (Bundesrat Schennach: Zwazl! Roth-Halvax!) Müssen Sie da, was weiß ich worauf zurückgreifen? Das ist ein bisschen dürr, um bei dürren Zeiten zu bleiben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Unterschied zur SPÖ-Fraktion sagen wir, dass diese Steuerreform ein gutes, ein sehr gutes und gelungenes Werk ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

Diese Steuerreform, Herr Kollege Konecny, ist die größte Steuerreform seit Bestehen der Zweiten Republik. (Bundesrat Prutsch: Kapitalisten!) – Warten Sie ein bisschen mit Kapitalisten und Klassenkampf! Lassen Sie das dort, in den Zeiten, als Sie einen Dollfuß hatten, den Sie jetzt auf einmal wieder zitieren müssen, weil er Ihnen momen­tan ins Konzept passt!

Diese Steuerreform wird 3 Milliarden € an Entlastung bringen, das sind über 42 Milliar­den Schilling.

Diese Steuerreform kommt zum richtigen Zeitpunkt (Bundesrätin Kerschbaum: Vor der Wahl, ja! – Heiterkeit und Beifall bei den Grünen), und zwar deshalb, weil die Euro­päische Union bekanntlich am 1. Mai erweitert wurde und dadurch der Wettbewerb weitaus schärfer wird.

Diese Steuerreform ist jetzt deswegen richtig, weil sie Betriebe und Arbeitsplätze in Österreich hält. Diese Steuerentlastung ist jetzt richtig, weil wir in dieser beginnenden Aufschwungphase der Konjunktur das richtige Signal setzen, was etwa auch das Wirt­schaftsforschungsinstitut bestätigt, wenn es verlautet, dass durch diese Steuerentlas­tung der Wachstumsimpuls heuer um 0,4 Prozent und nächstes Jahr um 0,5 Prozent steigen wird. Diese Steuerentlastung stärkt das Wachstum und stärkt die Kaufkraft.

Meine Damen und Herren! Die Steuerreform dieser Bundesregierung ist fair und sozial gerecht. Warum? – Das müssen wir selbstverständlich durch Fakten belegen, und das werden wir auch, meine Damen und Herren! Es ist ein Faktum, dass diese Steuer­reform von 3 Milliarden € zu 50 Prozent – also genau zur Hälfte – zur Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Familien eingesetzt wird, und zur anderen Hälfte zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes und damit zur Schaffung von Arbeit. (Zwischenruf des Bundesrates Schimböck.) Das ist fair und sozial gerecht: Die Hälfte der Entlastungen kommt den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den Familien zugute, die zweite Hälfte der Stärkung des Wirtschaftsstandortes.

Meine Damen und Herren! Diese Steuerreform ist fair und sozial gerecht, weil sie gerade den kleineren und mittleren Einkommen die größte Entlastung bringt. Das sagt beispielsweise das Institut für Höhere Studien. Professor Felderer meint, die zwei Etappen der Reform der Einkommensteuer führe zu einer deutlichen Verringerung der Steuerlast für die österreichischen Steuerpflichtigen. Die erste Etappe begünstige ausschließlich Bezieher niederer und mittlerer Einkommen, die zweite Etappe werde zu einer deutlichen Verringerung der Steuerlast für alle Steuerzahler führen. – Sie haben es durch das IHS schwarz auf weiß: Die Steuerreform ist fair und gerecht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Es sind drei ÖVP-Kollegen Ihrer Meinung! Das ist nicht viel!)


Bundesrat
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Herr Kollege Konecny! Sie müssen die Fakten anerkennen! (Bundesrat Konecny: Ja! Es sind drei Ihrer Meinung! Das ist ein Faktum!) – Ich weiß schon, dass es Ihnen nicht ins Konzept passt. (Bundesrat Konecny: Das passt mir sehr ins Konzept! ... die Kolle­gen von der ÖVP!) Es gibt zurzeit nichts, was die Sozialdemokraten nicht schlecht machen, ganz egal, was es ist, aber hören Sie mir bitte zu! (Bundesrat Konecny: Natürlich, sonst hätte ich ja keine Zwischenrufe machen können!) – Sie gelangen ja auch noch ans Wort. Dann können Sie Ihre Meinung darlegen. (Bundesrat Konecny: Keine Sorge!) – Herr Kollege Konecny! In einer Demokratie muss man einen Anders­denkenden zumindest auch seine Meinung sagen lassen. Das würde Ihnen wohl nicht schlecht anstehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bun­desrat Konecny: Es sind schon zwei mehr! – Bundesrat Reisenberger – in Richtung ÖVP –: Wir werden ihn erinnern, bei seinen Zwischenrufen!)

Diese Steuerreform führt zu Steuerfreiheit von Lohn- und Einkommensteuer bei Jah­reseinkommen von bis zu 15 700 € brutto bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mern, von bis zu 13 500 € bei den Pensionistinnen und Pensionisten und von bis zu 10 000 € bei den Selbständigen. Es sind immerhin 2,5 Millionen Österreicherinnen und Österreicher, die nach dieser Reform ab dem Jahr 2005 keine Lohn- und Einkommen­steuer mehr bezahlen.

Ich frage Sie, ob das gar nichts ist, wie Sie immer behaupten wollen! – Ich meine, das ist ein großer Wurf, und dafür sind wir dieser Bundesregierung auch dankbar. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Gruber: Das ist traurig, weil ...!)

Diese Steuerreform ist fair und sozial gerecht, weil sie eben im Familienbereich gerade jene Familien entlastet, die dessen in besonderer Weise bedürfen. – Sie brauchen es einfach, meine Damen und Herren! Diese größte Steuerentlastung hilft der Arbeit, der Wirtschaft und damit Österreich. Das ist der Maßstab, den beispielsweise auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ – eine der renommiertesten Wirtschaftszeitungen der Welt – anlegt, wenn sie schreibt, dass Österreichs Regierung mit ihrem Entwurf zur Steuerreform ein großer Wurf gelungen sei. „Die vorgelegten Eckpunkt bringen dem Mittelstand deutliche Entlastungen.“  – Das ist das objektive Urteil einer der bekanntes­ten Zeitungen dieser Welt, meine Damen und Herren!

Diese größte Entlastung trägt dazu bei – und darauf sind wir stolz! –, dass die Belas­tung der Bürgerinnen und Bürger mit Steuern und Abgaben von derzeit etwa 44 Pro­zent im Jahr 2005 auf 42,3 Prozent sinken wird. Österreich wird durch diese Steuer­reform attraktiver, und die Bürger werden entlastet.

Die Wichtigkeit der Standortfrage lässt sich leicht erkennen, wenn man die Körper­schaftsteuer in den soeben der EU beigetretenen Nachbarländern ansieht. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist darüber hinaus auch wichtig, den Standort zu sicher, denn wenn in einer Region ein großer Betrieb den Bach hinuntergeht, dann ist das für Hunderte ein trauriger Anlass, der aber viele kleine und mittlere Betriebe mitzieht. Daher ist die Standortfrage für die Beschäftigung und für unsere Arbeitnehmer äußerst wichtig.

Herr Kollege Schimböck! Ich möchte auch ein Zitat bringen. Ich gehe aber nur bis zum 6. Mai zurück. Da stand in den „Salzburger Nachrichten“ zu einem Interview mit Hannes Androsch, der Ihnen ja wahrscheinlich besser bekannt sein wird als mir, Fol­gendes: „Androsch vermisst einen wirtschaftspolitischen Beitrag der Sozialpartner und geht auch mit der eigenen Partei scharf ins Gericht. SPÖ-Vorsitzendem Alfred Gusen­bauer habe er gesagt, ‚ich verstehe, dass man einige Zeit von der berechtigten Unzu­friedenheit der Menschen lebt, aber irgendwann muss man auch das Geheimnis der


Bundesrat
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709. Sitzung / Seite 68

Alternativen lüften.“ – So weit Hannes Androsch am 6. Mai in den „Salzburger Nach­richten“. Dem habe ich an und für sich nichts hinzuzufügen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einmal festhalten: Diese Steuerreform bedeutet eine Vereinfachung des Steuertarifs und eine Entlastung mit einem Volumen von 1,1 Milliarden €, eine Einkommensstärkung für Familien im Ausmaß von 250 Millionen € und Impulse für den Arbeits- und Wirtschaftsstandort Österreich zur Stärkung der Investitionen und Schaffung von Arbeitsplätzen im Aus­maß von 975 Millionen €. Insgesamt zahlen ab 2005 2,5 Millionen Österreicher keine Steuern mehr.

Herr Kollege Konecny! Wenn das kein großer Wurf ist, dann weiß ich nicht, welch gro­ßer Wurf Ihnen gelingen würde! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen. – Bundesrat Prutsch: Da siehst du ... bei welcher Einkommenssituation! Wer nichts hat, dem kann man nichts wegnehmen!)

13.09

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundes­rätin Dr. Lichtenecker das Wort. – Bitte.

 


13.09

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Im Bericht des Finanzaus­schusses hat sich diese Bundesregierung Ziele wie die Verbesserung der Standort­attraktivität, die Entlastung des Faktors Arbeit, die Setzung umweltschonender Maß­nahmen und die Verbesserung der Steuergerechtigkeit gesetzt. – Ich frage mich, wo das alles bleibt.

Im zweiten Satz dieses Berichtes haben Sie geschrieben, dass wirtschaftsfördernde und damit arbeitsplatzsichernde Maßnahmen gesetzt werden sollen. Wir haben jedoch eine Arbeitslosenquote, die sozusagen im negativen Sinne phänomenal ist. – Wo set­zen Sie denn tatsächlich diese Maßnahmen?

In diesem Bericht ist auch noch ein weiterer spannender Satz enthalten, der besagt, dass die Maßnahmen unterstützend auf den sich abzeichnenden Wirtschaftsauf­schwung wirken sollen. Die Frage lautet: Wo passiert das? – Die Daten des Wifo belegen klar, dass die Konjunktur ins Stocken geraten ist. Wo sind denn die Maßnah­men, die den Konjunkturaufschwung vorantreiben? (Zwischenbemerkung von Staats­sekretär Dr. Finz.)

Herr Staatssekretär! Ich lasse mir die Konjunkturpakete gerne noch einmal ausführen. Sie sind von uns aber auf Grund ihrer zu geringen Dimension beziehungsweise auch auf Grund der schlechten und schwachen Schwerpunktsetzung schon heftigst kritisiert worden.

Die Frage ist: Was geschieht denn in den verschiedenen Sektoren? – Letztendlich gibt es mehrere Bereiche, die das Bruttoinlandsprodukt bestimmen und festlegen: im Haus­haltssektor den Konsum, im Unternehmenssektor die Investitionen, die Staatsaus­gaben und natürlich auch die Exportwirtschaft. Dazu kommt, dass dieser gesamte Bereich natürlich auch von einer Form von Stimmung – von einer Grundstimmung – dominiert wird. Diese Regierung ist dafür verantwortlich, dass die Stimmung in diesem Land schlecht ist. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Sie ist schlecht! Betrachten Sie etwa den Konsum: Letzte Woche wurde die Aussage des Wifo in allen namhaften Blättern zitiert: Angstsparen greift um sich. Das ist doch erschütternd! Angstsparen ist ein Phänomen, das eintritt, wenn die Leute sozusagen noch Schlimmeres befürchten. Es ist logisch: Wenn gespart wird, dann wird weniger


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ausgegeben. Was passiert? – Der Konjunkturmotor wird nicht wirklich gestärkt und springt daher nicht an.

Aber woher kommt denn diese Angst? Haben denn die Leute noch mehr Angst, jetzt den Arbeitsplatz zu verlieren und noch weniger Einkommen zu haben? – Das ist doch ein klares Signal, angesichts dessen man handeln muss! (Bundesrätin Giesinger: Wollen Sie sagen, dass Sparen schlecht ist?)

Wo sind denn die Investitionen? – Es fehlen auch hier die Inputs, und der ganzen Unternehmensbranche fehlt auch der Optimismus der Konsumentinnen und Konsu­menten.

Der dritte Bereich, die Staatsausgaben: Wo sollen denn Staatsausgaben getätigt wer­den, wenn die Einnahmen fehlen? Angesichts der Steuerreform und der Mindereinnah­men, die heute schon vom Kollegen Schimböck angesprochen wurden, ist das eben sehr schwierig. Ich würde die Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern schon einmal bitten zu erklären, womit sie denn in ihren Bundesländern diese Mindereinnahmen aus­gleichen. (Staatssekretär Dr. Finz: Es gibt keine Mindereinnahmen!)

Herr Staatssekretär! In jeder Aussendung Ihres Ministers – vielleicht differieren da die Einschätzungen von Minister und Staatssekretär – sind diese Mindereinnahmen belegt. Das Problem ist, dass dann die Ressourcen, die finanziellen Mittel für die Investitionen in Infrastruktur, Forschung und Bildung, für die Ausgaben im Sozialwesen, aber natür­lich auch für Bereiche wie Gesundheitswesen, Altenbetreuung und so weiter fehlen. Das sind Bereiche, wo das Geld abgeht.

Zum letzten Punkt: Exporte. Wo sind denn die innovativen Exportförderungsmaßnah­men? – Die AWS ist die Hälfte der Zeit damit beschäftigt, Geschäftsführer zu bestellen, die dann wieder abgelöst werden und hohe Abfertigungen erhalten. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Uns Grünen fehlt eine tatsächliche Strukturreform! Wir hätten uns die Entlastung des Faktors Arbeit und auch der natürlichen Ressourcen beziehungsweise eine entspre­chende ökologische Reform des Steuersystems gewünscht und haben dazu auch Vorschläge eingebracht.

Herr Kollege Bieringer! Ich weiß nicht, woher genau Sie die Zahlen haben, die Sie ge­nannt haben. Es gibt jedoch zwei unterschiedliche Interpretationen: Eine davon besagt, dass der Unternehmenssektor doppelt so hoch entlastet wird wie der Haushaltssektor. Das ist, so denke ich, nicht richtig. Da hätte es eines Ausgleichs bedurft.

Die Belastungspakete der letzten Jahre haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, kranke Menschen, Pensionistinnen und Pensionisten viel mehr getroffen, als sie jetzt entlastet werden. Das ist ein Kritikpunkt, den diese Regierung, wie ich denke, sehr ernst nehmen sollte, und ein Bereich, an dem sie wesentlich stärker arbeiten sollte.

Zum Thema Senkung der Körperschaftsteuer auf 25 Prozent: Selbst konservative Öko­nomen bezweifeln, dass es notwendig gewesen wäre, die Steuer auf 25 Prozent zu senken. Faktum ist, dass man damit ein Dumping nach unten beginnt. Es wurde heute schon über Effektivsteuersätze gesprochen, und es war immer klar, dass Österreich da im unteren Bereich liegt.

Ein Problem wird sich in Zusammenhang mit dem ewigen Steuerdumping immer mehr stellen, und das betrifft auch unsere neuen EU-Mitgliedsländer: Es ist klar, dass die Steuereinnahmen sinken werden und sie damit auch weniger Ausgaben für die Be­reiche, die sie auch brauchen – für Bildung, Forschung, Soziales, Gesundheit und so weiter – tätigen können. Irgendwann werden auch die neuen Mitgliedsländer drauf-


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kommen, dass entweder die Sozialausgaben und die Ausgaben, die vom Staat getätigt werden, gesenkt oder die Einnahmen erhöht werden müssen.

Wo soll denn das hinführen? – Wir selber merken die Auswirkungen daran, dass wir uns in den Bundesländern überlegen können, woher wir in den nächsten Jahren das Geld nehmen könnten, um die Mindereinnahmen auszugleichen.

Herr Kollege Bieringer! Zur IHS-Studie: Ich weiß nicht, ob Sie sich diese genauer ange­schaut haben. Als Ökonomin und Expertin in diesem Bereich muss ich jedoch fest­stellen, dass keinerlei Rahmenbedingungen und Voraussetzungen, unter denen diese Daten durchgerechnet wurden, festgelegt wurden, und auch nicht, auf welchen Grund­lagen diese Studie beruht. Jeder ernsthafte Ökonom – und es gibt ja eine heiße Dis­kussion um diese Studie – fragt: Was sind denn die Rahmenbedingungen? Es kommt halt, so scheint es, auch immer darauf an, wer die Auftraggeber sind.

Bei der Körperschaftsteuer und deren Senkung stellt sich aber auch ganz generell die Frage – es sind ja bald Europawahlen –: Wohin geht denn dieses Europa – auch in Bezug auf das Steuersystem? Betrachtet man die Konvergenzkriterien, stellt sich die Frage: Ist das, was wir jetzt an Konvergenzkriterien haben, genug? Ist dieses Setting zufrieden stellend? Oder brauchen wir andere Indikatoren, die tatsächlich auch eine gesamtgesellschaftliche nachhaltige Entwicklung dokumentieren, nämlich einerseits im ökonomischen Sinn, aber auch im sozialen und ökologischen Sinn?

Ich denke, es ist durchaus an der Zeit, die Erweiterung der Konvergenzkriterien und als zentralen Punkt auch die Harmonisierung der Steuersysteme voranzutreiben. Es sind selbst seitens der EU auf höchster Ebene bereits Vorschläge zur Harmonisierung vorhanden, damit die Länder eine Bandbreite beziehungsweise einen niedrigsten und einen höchsten Satz haben, innerhalb derer sie wählen können.

Finanzminister Grasser ist am 11. Mai im „Standard“ mit dem Vorschlag der Steuer­autonomie für die Länder zitiert worden. Da stellt sich die Frage: Fangen wir dann im kleinen Land Österreich damit an? – So nett das ist ... (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) – Nein, es ist schon noch weitergegangen, Herr Staatssekre­tär! Ich glaube Ihnen, dass Sie dabei waren, aber vielleicht haben Sie das eine oder andere nicht so genau gehört, wie es dann zitiert wurde. Auch bei diesem Punkt muss man sagen: Das kann es nicht sein, da jetzt eine neue Ebene aufzumachen.

Gesamt gesehen hätten wir uns etwas anderes gewünscht. Wir haben auch die ent­sprechenden Vorschläge eingebracht. Ich ende mit dem, was ich schon in mehreren Bundesratssitzungen gesagt habe: Ich bin wirklich gespannt auf die Vorschläge von ÖVP und FPÖ aus den Ländern, wie Sie die Mindereinnahmen in Ihrem Land finanzie­ren und ausgleichen werden. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

13.19

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Weilharter. – Bitte.

 


13.19

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Ich möchte meine Ausführungen mit einem Wermutstropfen beginnen. (Bundesrat Lindinger: Mit der Steuerreform! – Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) Ich habe im Ausschuss schon erklärt und bedauert, dass bei den Ausschussberatungen für diesen großen Reformschritt, für das Steuer­reformgesetz, kein zuständiger Beamter aus dem Bundesministerium für Finanzen anwesend war. Ich hoffe, ich sage es einmal sehr salopp, dass es einfach so passiert ist. Vielleicht war man im Finanzministerium der Meinung: Weil es ohnedies ein perfek­ter, guter Reformschritt ist, wird man nicht dazu nein sagen können. Ich glaube und


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hoffe nicht, Herr Staatssekretär, dass es Ignoranz gegenüber dem Parlament, gegen­über dem Ausschuss war – wenn es so wäre, würde ich das sehr bedauern. (Beifall bei den Freiheitlichen, der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Bei der vorliegenden Gesetzesmaterie handelt es sich um die zweite Etappe der größten Steuerreform der Zweiten Republik. Und den Ausführun­gen der Vorredner von den Oppositionsparteien ist zu entnehmen, dass sie sich dage­gen aussprechen werden. Vor allem bei den Sozialdemokraten ist das klar, weil sie, würden sie zustimmen, damit eigentlich das Eingeständnis und Geständnis ablegen würden, dass sie es in ihrer 30-jährigen Regierungspolitik nicht geschafft haben, die Bezieher kleinerer Einkommen, die Steuerzahler zu entlasten. (Bundesrat Boden: Willst du behaupten, dass mit dem Gesetz das geschieht?) – Ich werde es belegen, Herr Kollege Boden.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie kennen ja den Ausspruch eines damaligen Bundeskanzlers, der gesagt hat: Ein paar Millionen Schulden machen mir weniger Sorgen als ein paar Arbeitslose. (Bundesrat Schennach: Das ist richtig! – Bundesrat Gruber: Jetzt haben wir beides! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Herr Kollege Boden, ich komme darauf.

Die Nachfolger des zitierten Bundeskanzlers waren Dr. Sinowatz, Dr. Vranitzky, Mag. Klima, und die haben eines geschafft: Sie haben Schulden und Arbeitslose hin­terlassen! (Bundesrat Boden: Und jetzt haben wir noch mehr!)

Da Kollege Schimböck die Zahlen angesprochen hat und Sie sagen, dass wir jetzt mehr haben: Ich habe hier vom AMS – unverdächtig – die Statistik, die Arbeitsmarkt­entwicklung: 1993 eine Arbeitslosenquote von 6,8 Prozent; 1996: 7 Prozent; 1997: 7,1 Prozent; 1998: 7,2 Prozent; 1999: 6,7 Prozent; 2000: 5,8 Prozent; 2001: 6,1 Pro­zent; 2002: 6,9 Prozent, 2003: 7 Prozent.

Das heißt, wir hatten – laut Statistik des AMS – unter Ihrer Verantwortung, als Sie der Regierung vorgestanden sind, prozentuell die höchste Arbeitslosenrate.

Als Vergleich dazu die Beschäftigungszahl 1998, also unselbständig Erwerbstätige: 3 076 667 Beschäftigte, 2003: 3 184 759 – rund 140 000 Beschäftigte mehr! (Rufe bei der SPÖ: Teilzeit!)

Meine Damen und Herren! Ich verstehe ja die Aufregung der SPÖ bei diesem Thema, weil es Ihnen eben unangenehm ist, wenn Sie mit Ihrer Vergangenheit konfrontiert werden. (Bundesrat Gruber: 300 000 geringfügig Beschäftigte! – Bundesrat Konecny: Aufregen tun sich die Österreicher! – Bundesrat Gruber: Du musst die ganze Wahrheit sagen! – Bundesrat Boden: Wie oft sollen sie die Freiheitlichen noch halbieren? Und ihr redet nach wie vor diesen Blödsinn nach!)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Boden, es steht auch außer Zweifel: In Ihrer Verantwortung, als Sie die Finanzminister und die Regierungschefs gestellt haben, hatte Österreich die größten Insolvenzen. – Das ist auch belegt. (Bundesrat Boden: Man braucht nur alles auf die anderen zu schieben!) – Herr Kollege Boden, ich denke dabei an die „Konsum“-Pleite, an das Schicksal vieler Tausender betroffener ehemali­ger „Konsum“-Mitarbeiter – nur ein Beispiel aus Ihrer Verantwortungszeit. (Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger.)

Es gäbe noch viele derartige Beispiele, Stichwort: Verstaatlichte – bis hin zu anderen sozialistischen Glanzleistungen im Bereich der Bank Burgenland. (Bundesrat Reisen­berger: Verkauf der Austria Tabak! Ausverkauf der österreichischen Industrie! – Wei­tere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Oder ein jüngeres Beispiel: im Bereich der steiermär­kischen Gebietskrankenkasse, der Wiener Gebietskrankenkasse. Wir könnten Hun-


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derte solche Beispiele Ihrer „Glanzleistungen“ aufzählen, meine Damen und Herren von der SPÖ. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundes­rätin Bachner: Die EStAG haben Sie vergessen beim Aufzählen!) – Finanzressort Ressel, SPÖ. Völlig korrekt, gutes Beispiel! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir heute keinen Einspruch erheben und diesem Steuerreformgesetz zustimmen (Bundesrat Konecny: Wieder 1 Prozent weniger! – Bundesrat Boden: Wieder im Liegen umgefallen!), dann sind wir dafür, dass eine Ein­kommensteuerbefreiung für Bezieher kleinerer Einkommen erfolgt – Arbeitnehmer bis 15 770 € brutto einkommensteuerbefreit, Pensionisten bis 13 500 € brutto einkommen­steuerbefreit (Bundesrat Lindinger: Dafür haben sie weniger Pension bekommen!), Selbständige bis 10 000 € steuerbefreit. Und das, Herr Kollege Boden, ist die Entlas­tung, ist die Antwort, die du haben wolltest. (Bundesrat Boden: Die Arbeiterkammer­wahl war das beste Beispiel! – Bundesrat Konecny: Was die Leute davon halten!) Das ist die Entlastung der Bezieher der kleineren Einkommen. Insgesamt 2 550 000 Men­schen, die keine Einkommensteuer mehr zahlen! (Bundesrat Gruber: Weil die Leute so wenig verdienen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege Gruber! Wer dieser Entlastung nicht zustimmt, spricht sich eigentlich gegen die Bezieher kleinerer Einkommen aus. (Bundesrat Gruber: Ist ja nicht wahr!) Sie sprechen sich mit Ihrer Haltung gegen 2 550 000 Menschen aus!

Zweiter Punkt – ein wesentlicher Schritt in diesem Steuerreformgesetz –: die Einkom­mensstärkung für die Familien, die Anhebung der Zuverdienstgrenze, die Kinderzu­schlagsstaffel bis hin zur Weiterentwicklung der Negativsteuer. Auch hier: Wer dieser Maßnahme nicht zustimmt, spricht sich gegen die Familie aus, nimmt eine familien­feindliche Position ein! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Deswe­gen rennen euch die Wähler so nach, oder?)

Meine Damen und Herren! Wenn wir heute gegen dieses vorliegende Gesetz keinen Einspruch erheben und zustimmen ... (Bundesrat Konecny: ... die Gruppenbesteue­rung nimmt eine Prinzhorn-feindliche Haltung ein, oder wie ist das?) – Warum zitieren Sie Prinzhorn? Nehmen wir auch Androsch! (Bundesrat Boden: Androsch ist in keiner Politik vertreten! Um den Androsch seid ihr uns wieder neidig!)

Meine Damen und Herren! Die dritte Gruppe, die Pendler. Sie reklamieren immer die Sorge hinsichtlich der Pendler für sich. Hier verhalten Sie sich mit Ihrer Position gegen die Pendler. (Bundesrätin Bachner: Was habt ihr da gemacht? – Und gleich darauf verdoppelt ihr die Benzinpreise!) – Die Pendlerpauschale, Frau Kollegin Bachner, wird um 15 Prozent angehoben, zur Abdeckung derartiger Mehrkosten oder Fahrtkosten. – Sie sind nicht dafür!

Ich behaupte, gerade die Anhebung der Pendlerpauschale um 15 Prozent ist eine rich­tige und wichtige Maßnahme (Bundesrätin Bachner: Wesentlich zu wenig!), von der Tausende Arbeitnehmer positiv betroffen sein werden.

Meine Damen und Herren! Wer diesen Zielen nicht zustimmen kann, der ist kein Arbeitnehmervertreter, sondern eher ein Arbeitnehmerver... – Sie verzeihen, ich werde das Wort nicht verwenden (Bundesrat Gruber: Die Arbeiterkammerwahlen haben et­was Gegenteiliges ...!), weil meine innere Freude so groß (Bundesrätin Bachner: Über die letzten Wahlerfolge, oder?), zu groß ist über diesen positiven Steuerreformschritt, weil viele Vorteile damit verbunden sind; Vorteile für die Arbeitnehmer, Vorteile für die Arbeitgeber, Vorteile für die Pensionisten, Vorteile für die Wirtschaft und deren Stand­ort, Vorteile für die Landwirtschaft – in Summe ein Vorteil für das Land und seine Men­schen.


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Und deshalb, meine Damen und Herren, wird meine Fraktion dieses Steuerreformge­setz sehr gerne und mit Freude mittragen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.28

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


13.28

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich möchte zunächst mit einer Entschuldigung begin­nen. Dass zum Fachausschuss kein Bediensteter des Finanzministeriums gekommen ist, ist mir politisch zuzuordnen, da ich den Bundesminister vertreten habe. Der ent­sprechende Beamte wurde natürlich eingeteilt, er ist jedoch zu spät vom Ministerium weggefahren und dann im Verkehr stecken geblieben. Wir werden in Zukunft Vorsorge dafür treffen, dass rechtzeitig jemand kommt.

Ich halte diese parlamentarischen Auskunftsrechte für sehr wichtig. Es war keinesfalls Ignoranz, und es tut mir wirklich Leid, dass das passiert ist. Ich habe erst spät davon erfahren, sonst hätte ich das sofort repariert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Hoher Bundesrat! Ich möchte zu einigen Punkten Stellung nehmen, die jetzt in der Debatte gekommen sind, damit nicht immer die gleichen Irrtümer wiederholt werden.

Investitionsbegünstigung: Eine Steuerreform soll eine steuerliche Entlastung bringen – das ist der Hauptzweck einer Steuerreform. Eine Steuerreform darf nicht mit einem Investitionspaket verwechselt werden.

Wir haben ja drei Konjunkturpakete gemacht. Allein das erste und zweite Konjunktur­paket haben folgende Entlastung gebracht – übrigens: Bei den Anführungen der Steuerreform muss man natürlich auch erwähnen: 3 Milliarden in zwei Etappen, und zusätzlich wurde im Jahr 2003 die 13. Umsatzsteuervorauszahlung bereinigt, die ein sozialdemokratischer Finanzminister namens Lacina eingeführt hat –: Wenn ich die 1,7 Milliarden von der 13. Umsatzsteuervorauszahlung mitrechne, dann ergibt das durch die Konjunkturbelebungspakete I und II im Jahr 2003 eine Gesamtentlastung von 2 722 Millionen. Allein die beiden Konjunkturpakete machen 612 Millionen im Jahr 2003, 565 Millionen im Jahr 2004, 537 Millionen im Jahr 2005 und 687 Millionen € im Jahr 2006 aus. Es gibt dazu eine Studie des Wifo, in der die Konjunkturbelebung extra bestätigt wird, nämlich dass wir diese Maßnahmen genau, zielgerichtet gesetzt haben.

Frau Bundesrätin Lichtenecker! Sie dürfen nicht immer nur einen Experten zitieren. Im Finanzausschuss hat es mehrere Experten gegeben, und bis auf einen, nämlich Kolle­gen Doralt, der das aus einer bestimmten Sicht beurteilt, haben alle anderen sehr posi­tiv von dieser Steuerreform gesprochen.

Ich möchte noch einmal versuchen, das Märchen zu beheben, dass die Ertragsanteile der Gemeinden sinken – ich habe das schon öfters hier ausgeführt. (Bundesrat Gru­ber: Das ist nachweisbar!) – Ich komme gleich darauf zurück. (Bundesrat Konecny: Herr Staatssekretär! Nur weil Sie es sagen, wird es nicht richtiger!)

Statistisch berechnet kosten die Ertragsanteile die Gemeinden im Jahr 2004 26 Millio­nen €, im Jahr 2005 229 Millionen € (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Dann schickt Ihr Minister falsche Zahlen aus!), im Jahr 2006 395 Millionen € und im Jahr 2007 327 Mil­lionen €. (Bundesrat Konecny: Ist das ein Lercherl?) – Herr Bundesrat Konecny, dazu kommt, dass wir eine konjunkturelle Entwicklung haben, dass außerdem der im Finanzausgleich festgelegte Verteilungsschlüssel, wie die Ertragsanteile verrechnet werden – da gibt es Vorschüsse, und dann kommt erst die Abrechnung –, zu folgender


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Entwicklung führt: Im Jahr 2003 hat die Überweisung – absolute Beträge – an die Ge­meinden 6 118 Millionen betragen; im Jahr 2004 sind es bereits 6 310 Millionen €, das ist eine Steigerung von 3,14 Prozent (Bundesrat Konecny: Was hat das eine mit dem anderen zu tun?); im Jahr 2005 werden es 6 373 Millionen sein, das ist eine Steigerung von 1 Prozent; und im Jahr 2006 eine Steigerung auf 6 509 Millionen (Bundesrat Ko­necny: Was hat das eine mit dem anderen zu tun?), das ist eine Steigerung von 2 Pro­zent. (Bundesrat Gruber: Herr Staatssekretär! Das sind Annahmen!) Mit diesen Mehr­einnahmen können natürlich die Aufgaben finanziert werden. Außerdem stehen wir vor den Finanzausgleichsverhandlungen. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny.)

Wir machen eine Steuerreform, durch die natürlich auch die anderen Gebietskörper­schaften Vorteile haben, denn es steigen dadurch das Wirtschaftswachstum und die Zahl der Arbeitsplätze. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Ja wann denn? – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Bundesrätin Lichtenecker! Sie haben gesagt, der Faktor Arbeit werde nicht ent­lastet. (Bundesrat Gruber: Christkindl, schau oba!) – Wieso eigentlich? Haben Sie es nicht gesehen: Wir haben eine Steuerreform, wirklich die größte aller Zeiten!? (Ironi­sche Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Konecny: Wissen Sie, der Letzte, der dieses Prädikat in Anspruch genommen hat, ist dann gleich gescheitert!) Unter Lacina hat die erste Reform 800 Millionen € betragen, die zweite 1,2 Milliarden €, unter Edlinger 1,2 Milliarden € – und unsere Steuerreform bewegt 3 Milliarden €! Das Dreifache von bisherigen Steuerreformen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen. – Zwischenruf des Bundesrates Konecny.)

Vor allem: Jeder Lohnsteuerpflichtige wird 2005 im Vergleich zum Jahr 2003 eine Ent­lastung von bis zu 679 € haben. Jeder Lohnsteuerpflichtige hat eine Entlastung von bis zu 679 € – mindestens 144 €! (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das ist ja keine Entlas­tung des Faktors Arbeit! – Bundesrat Konecny: Sie verwechseln Äpfel mit Birnen! Die Entlastung des Faktors Arbeit ist das nicht!) Also auch Spitzenverdiener werden davon betroffen sein.

Durch die erste Etappe 2004 wurden bereits 200 000 Personen entlastet; 2004 wurden 200 000 Personen entlastet! (Bundesrat Konecny: Sie sollten wenigstens die Slogan-Begriffe kennen!) – Hören Sie doch zu, Herr Bundesrat, dann können Sie besser argu­mentieren! (Bundesrat Konecny: Nein, weil Sie nicht von dem reden, wovon Sie behaupten, dass Sie reden!)

Durch die erste Etappe wurden bereits 200 000 Personen steuerfrei gestellt, durch die zweite Etappe werden zusätzlich 150 000 Personen steuerfrei gestellt (Bundesrat Konecny: Das hat nichts mit der Entlastung des Faktors Arbeit zu tun!), sodass von 5,9 Millionen ...

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Am Wort ist der Herr Staatssekretär. (Bundesrat Konecny: Er soll es gescheit gebrauchen!)

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz (fortsetzend): Ab 1. Jänner 2005 werden damit 2 550 000 überhaupt keine Steuer mehr bezahlen müssen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Gruppenbesteuerung. (Ruf bei der ÖVP: Hört, Hört, Genossen!) Die Gruppen­besteuerung tritt an die Stelle einer bestehenden Organschaftsregelung, die praktisch fasst nicht angewendet wurde, weil sie zu kompliziert war. Es war auch aus EU-recht­lichen Gründen eine Änderung notwendig, denn es gibt beim Europäischen Gerichtshof andere Länder betreffend schon Verfahren bezüglich Organschaftsregelung.

Was wollen wir mit dieser neuen Gruppenbesteuerung? – Wir wollen neue – es geht nicht um die bestehenden – Konzernzentralen in Österreich haben.


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Warum wollen wir Konzernzentralen haben? – Mit Konzernzentralen sind Forschungs­einrichtungen verbunden. Dort, wo die Konzernzentralen sind, werden erst zuletzt die Betriebsstätten zugesperrt. Das wollen wir damit erreichen. Und mit dieser attraktivsten Gruppenbesteuerungsregelung in Europa werden wir dieses Ziel auch verwirklichen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.36

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Reisenber­ger. – Bitte, Herr Bundesrat. (Präsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

 


13.37

Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Herren Präsiden­ten! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Ich glaube, der Herr Staatssekretär hat jetzt in einer unnachahmlichen Art versucht, uns etwas klarzu­machen, wovon er, denke ich, selbst nicht überzeugt ist. Anders kann man es nicht formulieren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich kann und will mich ganz einfach nicht daran gewöhnen, dass die Art dieser Regie­rung nicht anders ausschaut, als ein paar Entlastungen zu machen, diese großartig zu verkaufen, um dem Volk im Handumdrehen das Doppelte an Belastungen wieder zuzu­schanzen. Das kann es doch nicht sein, aber das erleben wir tagtäglich, seit es diese Regierung gibt! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich habe manchmal das Gefühl, beim Wort „Umwegrentabilität“ liegt für Sie die Beto­nung in erster Linie auf „Umweg“, um Rentabilität auf diesem Weg zu holen, denn be­züglich Entlastung des Faktors Arbeit sehe ich in diesen ganzen Bereichen null, nichts! Das ist offensichtlich ein Fremdwort. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Bieringer hat uns zuvor in seiner wirklich sehr „einfühlsamen“ Art über das gut, sehr gut gelungene, fair und sozial gerecht, wie er gemeint hat, gebundene Paket berichtet und gemeint: Nur kein Klassenkampf! – Kollege Bieringer, da bin ich ganz auf deiner Seite, ich befürchte nur, dass mit genau solchen Paketen wie diesem Steuerpaket und mit diesen Belastungspaketen, die in Wirklichkeit nur eine Seite entlasten, nämlich die Falschen, gezündelt und ein Klassenkampf, den ich bei Gott nicht befürworte, teilweise provoziert wird.

Das müssen wir uns schon auch anschauen – das ist in Zwischenrufen schon gesagt worden –, wenn du so stolz darauf bist, dass 250 000 keine Steuern mehr zu zahlen haben. Ich bin furchtbar traurig darüber. Wisst ihr warum? – Weil die so wenig verdie­nen, darum müssen sie keine Steuern mehr zahlen. Darauf kann man doch nicht stolz sein! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Das glauben Sie aber selber nicht!) – Nicht einmal ignorieren, solch eine Aussage kann ich nicht einmal ignorieren. Wenn man noch stolz darauf ist, den Menschen so wenig zu geben, dass sie keine Steuer zahlen, und das noch dazu hinausschreit, meine lieben Damen und Herren ... (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Fest weiterschreien, aber aufpassen, dass du noch genug Luft für später hast, denn es kommt noch einiges, wo du blasen kannst, Kollege.

30 Jahre SPÖ, vollkommen richtig, 30 Jahre SPÖ-dominierte Regierung. Ihr wart sogar ein paar Jahre dabei, gar nicht unwesentlich, lieber Kollege ... (Anhaltende Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

 


Präsident Jürgen Weiss (das Glockenzeichen gebend): Am Wort ist Herr Kollege Reisenberger.

 


Bundesrat Harald Reisenberger (fortsetzend): 30 Jahre sozial dominierte Regie­rung – ihr wart ein bisschen dabei, aber ihr schlaft jetzt noch immer, ihr wisst es nicht


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mehr – haben den sozialen Polster geschaffen (Beifall bei der SPÖ – Ruf bei der ÖVP: Schuldenpolster!), den wir heute brauchen, um das, was ihr in den paar Jahren kaputt gemacht habt, noch abfangen zu können! So schaut es aus, Herr Kollege! Vergessen Sie nicht: 30 Jahre, ganz richtig! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Man sieht leider Gottes – und Sie beweisen es uns tagtäglich wieder –, wie schnell solche Sachen zerstört werden können und zerstört werden. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich habe mir vorgenommen, die Zwischenrufe, die aus dieser Ecke kommen, nicht mehr wahrzunehmen, denn Ihre Fachkenntnis haben Sie uns heute schon ein paar Mal zur Kenntnis gebracht, und ich glaube, es macht nicht viel Sinn, sich damit auseinan­der zu setzen. Bleiben wir also bei den Punkten, die wichtig sind, bei den Themen, die jetzt relevant sind!

Wenn Sie die Arbeitslosenzahlen, nämlich 300 000 – und sie sind steigend –, als einen Erfolg verkaufen wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann verstehe ich die Welt nicht mehr. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es gibt eine Steigerung bei den Arbeitslosen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Die Stadt Wien hat am meisten Arbeitslose!) Nicht nur, dass jeder Arbeitslose einer zu viel ist, haben wir in den Zahlen, mit denen Sie immer wieder arbeiten, noch immer nicht alle erfasst. Die 300 000 stimmen also nicht. Wenn wir nämlich all diejenigen dazuzählen, die in Umschulung sind, und wenn ich dann noch diejenigen dazuzähle, die Teilzeit arbeiten – und das sind vor allem die Frauen, die hier gestraft werden, ich sage es nicht anders –, dann liegen wir weit, weit höher. Und da von einem Erfolg zu sprechen – ich weiß es nicht, für mich ist es jedenfalls keiner!

Sie haben heute gesagt, Kreisky sagte damals: Lieber Schulden als Arbeitslose! – Voll­kommen richtig! Nur was haben wir heute? – Wir haben Arbeitslose in einer immensen Zahl und die Schulden! Dank Ihnen, wunderbar! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundes­räten der Grünen. – Heftige Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Mir gefällt dieses Eck! Ich werde euch heute noch ein paar Zitate bringen, da werdet ihr noch lauter sein. Schaut, dass noch genügend Luft für nachher vorhanden ist! Ich frage mich, sind da jetzt wirklich so gute Schauspieler am Wort gewesen, oder tut man sich schon sehr schwer zu unterscheiden, was für die Menschen gut ist, was für Österreich gut ist und was nur für eine bestimmte Gruppe gut ist. (Zwischenruf des Bundesrates Fasching.) – Darum sind wir so ein Gremium, weil es nicht einer allein entscheiden kann, und darum müsst ihr es euch auch anhören.

Wenn wir uns diese Steuerreform ansehen und die Verteilung zwischen Unternehmen und ArbeitnehmerInnen und Pensionisten betrachten, kann man es ganz kurz und ein­fach sagen: Da ist etwas falsch gelaufen. Ich vermute, dass da nicht zufällig etwas falsch gelaufen ist, sondern es ist bewusst falsch gelaufen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Rund zwei Drittel des Gesamtsteueraufkommens wird durch den Faktor Arbeit er­bracht. Das ist bekannt und, so glaube ich, auch unbestritten. Da die Steuerreform die Entlastung in etwa halbe-halbe auf Arbeit und Gewinn verteilt, werden in Wirklichkeit die Gewinne doppelt so stark entlastet wie die Arbeit. Angesichts der EU-Osterweite­rung wäre eine deutliche Entlastung des Faktors Arbeit für den Wirtschaftsstandort Österreich besser gewesen.

Die Steuer- und Abgabenbelastung der schwarz-blauen Bundesregierung beträgt seit dem Jahr 2000 einschließlich der Pensionskürzungsreform zusammengerechnet 4 930 Millionen. Dem gegenüber stehen Entlastungen, Herr Staatssekretär, einschließ­lich der Steuerreform 2005 im Ausmaß von insgesamt 4 600 Millionen €. Auch das haben Sie nicht in Frage gestellt. Daher bleiben unter dem Strich immer noch 330 Mil-


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lionen € an Belastungen, die ab dem Jahr 2005 den Österreicherinnen und Österrei­chern an Kaufkraft fehlen werden.

Wenn wir heute schon gehört haben, dass immer mehr gespart wird, dass es ein Angstsparen gibt, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann vergessen wir doch dabei nicht: Es bleibt immer weniger im Geldbörsel am Wochenende, am Monatsende, wann auch immer. Und auch für mittlere Ausgaben muss heute schon der eine oder andere, unsere ältere Generation, die junge Generation, wo immer Sie hinschauen, ansparen. Man kann nicht mehr so leicht sagen, ich brauche dieses oder jenes, und das kaufe ich jetzt. Wir sind leider Gottes bereits wieder in dieser Richtung, dass man ansparen muss dafür. Und das haben Sie verursacht, meine sehr verehrten Damen und Herren von dieser Regierung!

Wenn die Anhebung der Zuverdienstgrenze erfolgt, beim Alleinverdienerabsetzbetrag mit einem Kind von 4 400 auf 6 000 €, so ist das schon okay, nur viel zu wenig, und das spüren die Leute, weil es in keinem Verhältnis mehr steht. (Bundesrat Weilharter: Deswegen sind Sie dagegen?! Weil es Ihnen zu wenig ist, sind Sie dagegen?!)

Wir können hier weiter aufzählen, noch und noch. Sie sollten irgendwann einmal be­merken, dass Sie hier auf dem falschen Dampfer fahren, Sie kriegen ja die Rechnun­gen in letzter Zeit tagtäglich auf den Tisch geknallt. (Bundesrat Ing. Kampl: Nicht in Kärnten!) – Auch in Kärnten, ich werde noch dazu kommen, aber sehr deutlich sogar auch in Kärnten!

Wenn wir uns die letzten Wahlen und speziell die letzten Arbeiterkammerwahlen an­schauen, dann werden Sie zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Menschen – auch jene aus euren Lagern – eh sehr lange gutmütig waren und gesagt haben, schauen wir uns das einmal an, aber die Situation heute so ist, dass sie bestenfalls sagen, ich gehe nicht wählen, diese Parteien kann ich nicht mehr wählen!

Dass sich die Freiheitlichen halbieren, das ist eine nette Geschichte, ich kann damit leben. Dass die ÖVP auch große Verluste hinnehmen muss, das ist ebenfalls nicht gerade etwas, was mich sehr kränkt. Speziell was Wien betrifft, muss ich euch sagen: Wenn der Spitzenkandidat der ÖAAB-Fraktion, Kollege Gajdosik, auf den man auch nicht gerade mit fürsorglichen Worten innerhalb der eigenen Partei eingegangen ist, nicht so einen großen persönlichen Einsatz gebracht hätte, dann wäre hier um einiges mehr noch passiert, denn das waren Stimmen für ihn persönlich. Dass der Verlust sich in Grenzen gehalten hat mit knapp 2,5 Prozent und nicht höher ausgefallen ist, ist ihm zu verdanken.

Ich glaube also, dass es hier absolut keinen Grund gibt zu jubeln oder zu sagen, es geht uns gut. Aber bitte wir müssen eines zur Kenntnis nehmen: Gerade die ÖVP hat schon etliche Male ein praktisches Beispiel dafür geliefert, wie man Verluste feiert: mit einer Stimmung, die gigantisch ist, mit einem Hurra, das gigantisch ist! Das haben wir auch bei der Arbeiterkammerwahl wieder gesehen. Feiert noch ein paar Mal weiter, wir freuen uns dann mit euch, wenn ihr noch weiter herunter mit den Prozenten kommt! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Böhm: Halten Sie hier eine Wahlrede?)

Ich glaube, wir sollten uns ein paar Zahlen in Erinnerung rufen, die diese Regierung auch mit ihren Produkten, die sie uns geliefert hat, beeinflusst hat: Burgenland: FSG vier Mandate dazu, ÖAAB zwei weg, Freiheitliche zwei weg (Bundesrat Bieringer: Was hat das mit der Steuerreform zu tun?); Kärnten: drei Mandate dazu, minus drei beim ÖAAB, minus drei bei den Freiheitlichen, Herr Kollege. Auch Kärnten ist also nicht „besser“! Ich könnte jetzt so weiter fortsetzen, aber ich kann jetzt nicht alle Bun­desländerergebnisse durchgehen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Erfreut bin ich natürlich speziell über Vorarlberg, wo wir einen Zuwachs von 14 Mandaten haben, während der


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ÖAAB neun Mandate und die Freiheitlichen fünf Mandate verloren haben. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unter dem Strich: 57 Mandate plus in Österreich für die FSG, 30 minus für ÖAAB und 41 minus für die Freiheitlichen – wie gesagt, auch in Kärnten. Das sollte schon zu denken geben! Ja, und das darf ich natürlich nicht ver­gessen: Auch bei den Grünen hat es schöne Gewinne gegeben. Sie haben es sich auch verdient, gar keine Frage! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn man versucht, ein bisschen zu analysieren, warum denn diese Wahl so aus­gegangen ist, warum die Menschen so gewählt haben, dann sieht man, es ist in erster Linie die Unzufriedenheit mit der Regierung, die diese Wahl sehr stark beeinflusst hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! 45 Prozent – das ist ja, glaube ich, nicht nichts – der ÖVP-Wähler der Nationalratswahl 2002 sind dieses Mal nicht zur Wahl ge­gangen. Weitere 15 Prozent haben direkt zur FSG gewechselt. Nur eine Minderheit der ÖVP wählenden ArbeitnehmerInnen von 35 Prozent hat sich bei der AK-Wahl für den ÖAAB entschieden.

Die Arbeitnehmer unterstützen die Forderungen, die wir als Kammer hier auch klar und deutlich formuliert haben. Und für über 91 Prozent der Arbeitnehmerinnen ist auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein wichtiges Anliegen. Ich sage das deswegen so bewusst, weil ich meine Ausführungen mit ein paar Zitaten beenden werde. Wir haben mit Dollfuß begonnen, wir werden ganz aktuell enden. (Bundesrätin Diesner-Wais: Die Zeit ist schon aus!) – Kommt schon noch, keine Sorge!

Wie ist es denn tatsächlich mit den Menschen bestellt, was haben sie tatsächlich für Sorgen? 96 Prozent der Menschen geht es eben um Lehrstellen und Ausbildungs­plätze. 93 Prozent wollen Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit – und die Arbeitslo­sen werden immer mehr. (Bundesrat Zellot: In Wien! In Wien!) Die Verschuldung steigt ebenso wie die Arbeitslosenzahlen. Für viele sind die Förderung der Weiterbildung und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein wichtiges Anliegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Vergangenheit hat man immer, speziell im Präsidentschaftswahlkampf, auf die Jugend gesetzt, gerade im Bereich der ÖVP. Das ist eine wichtige und gute Idee, nur: das ist bei der Arbeiterkammerwahl auch komplett in die Hose gegangen. Ich darf Ihnen mitteilen, dass sich mehr als drei Viertel, nämlich 77 Prozent, der WählerInnen unter 30 Jahren für die FSG entschieden haben. (Bundesrätin Roth-Halvax: Na wunderbar!) – Ja, das ist auch wunderbar, denn wir können der Jugend etwas anbieten! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben mit unseren Forderungen und mit jener Regierungspolitik, wie wir sie uns vorstellen würden, auch die älteren Kolleginnen und Kollegen erreicht und auch in dieser Gruppe einen Zugewinn von über 9 Prozent lukrieren können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwei Drittel der Wiener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer machen sich Sorgen darüber, dass die Zukunft in der EU eine ist, wo noch viel zu tun ist. Sie vermissen in diesem Bereich ganz einfach die Tätigkeit dieser Regierung, ja überhaupt die Kenntnisnahme dieses Umstands. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie haben uns in der EU mies gemacht!)

64 Prozent der Befragten haben den Eindruck, dass die Bundesregierung die Sorgen der ArbeitnehmerInnen überhaupt nicht ernst nimmt. Da sind Ihre Wähler oder Ihre ehemaligen Wähler, besser gesagt, auch sehr stark vertreten, auch die sind dieser Meinung. Und 74 Prozent der Arbeiter und 65 Prozent der Angestellten verlangen Maßnahmen gegen diese steuerlichen Belastungen, die tatsächlich tagtäglich kom­men.


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Schauen wir uns an, wie die Reaktion auf solche Wahlergebnisse ist! Da braucht man nicht davon auszugehen, was wir sagen, sondern da kann man auf Aussagen Ihrer Leute zurückgreifen. Ich nehme an, gerade im Bereich der ÖVP werden die Namen bekannt sein.

Amon, ein, glaube ich, nicht ganz unbekannter ÖVP-Mann sagt: Was falsch ist, ist, dass wir zu wenig die soziale Dimension in den Mittelpunkt rücken. – Er hat erkannt, worum es geht. Er fordert, die ÖVP solle zu ihren Wurzeln als soziale Integrationspartei zurückfinden. Amon hat auch gesagt, es habe das Bedürfnis gegeben, der Regierung die Meinung zu sagen. – Alles Zitate aus den letzten Tagen, meine sehr verehrten Damen und Herren der ÖVP.

Gajdosik, Spitzenkandidat in Wien – und ich habe schon gesagt: persönlich eine sehr integre Person, der euch wirklich vor dem Schlimmsten bewahrt hat –, sagt: Debatte um den Kassenvertrag hat geschadet. Diese dumme und unsägliche Geschichte, die von den Wirtschaftskammervertretern – Frau Präsidentin, ich nehme an, da hat er sie auch gemeint – losgetreten worden ist, hat uns als Fraktion geschadet. Diejenigen, die dieses Theater verursacht haben, sollten sich über politische Konsequenzen nun wirk­lich Gedanken machen. (Bundesrat Dr. Böhm: Ich habe gar nicht gewusst, dass die Ärzte Arbeitnehmer sind!) – Zu eurem Spitzenkandidaten komme ich dann auch noch, der hat auch ein nettes G’schichterl erzählt. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Der ÖAAB-Rebell Dirnberger, der einmal vom ehemaligen VP-Klubobmann, jetzigen Präsidenten des Nationalrates Khol als „siebenter Zwerg von links“ bezeichnet wurde, den er nicht einmal ignorieren würde (Zwischenruf der Bundesrätin Gansterer) – das ist menschenverachtend, so seid ihr, furchtbar! –, hat auf Anhieb drei Prozent gewon­nen. Na klar, denn mit so einem ÖAAB können sich auch viele ehemalige ÖAAB-Mit­glieder nicht abfinden! (Beifall bei der SPÖ.)

Dirnberger sagte ganz klar und deutlich am 17. Mai: Interessen der Arbeitnehmer am Altar der Willkür und Eitelkeit zu opfern, wie es sein Parteifreund Schüssel macht, ist für ihn untragbar. (Bundesrat Dr. Böhm: Dann soll er austreten!) – Darum ist er ja von euch weggegangen, lieber Freund! (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.)

Dirnberger sagt weiter ganz richtig – und das ist auch eine ganz wichtige Geschichte, ich habe immer schon unterschieden zwischen der FCG und dem ÖAAB, die FCGler sind nämlich wirklich noch Gewerkschafter, die vieles darüber stellen –: Der ÖAAB ist die Trutzburg der Beamten, die regierungskonform handelt und im Parlament jetzt ihren Mann in einer Person gefunden hat, die vor gar nicht langer Zeit im Sommer noch bei einer großen ÖGB-Demo gesagt hat: Ich werde keinem Beschluss zustimmen, der gegen die Arbeitnehmer ist, und diesen Bestimmungen schon überhaupt nicht! – Das ist eben der ÖAAB. Und das ist auch das, was viele nicht mehr wahrhaben wollen.

Bernhard Robotka, ÖAAB Salzburg, fordert den Rücktritt von Bartenstein, das kann ich auch verstehen.

Schützenhofer, ÖAAB Steiermark: Verzopftes Familienbild der ÖVP. Mich beschleicht das Gefühl, dass für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nur halbherzige Dinge passieren. Landeshauptleute zahlen im Hinterzimmer Groscherl aus. Das, hat er ge­meint, hat auch mitgespielt, dass man im Hinterzimmer wie bei einem Schnapsturnier Groscherl auszahlt. Genützt hat es bei den Wahlen sowieso nichts: Von den Wählern haben wir dann die Ohrfeige, die wir schon von links erhalten haben, nun auch von rechts bekommen!

Es gibt ein paar recht gescheite Leute, die sich hier gemeldet haben.

Der Tiroler Kammerpräsident – das ist, glaube ich, auch eine Person, die weit über Tirol hinaus bekannt ist – kritisiert die Ignoranz der ÖVP gegenüber der teuflischen


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Frustrationslawine, die man tagtäglich zu spüren bekommt. Das Ergebnis der AK-Wahlen sei zum Heulen, meint er. Die Reaktion der ÖVP darauf, nämlich dass alles in Ordnung sei und kein Grund zur Panik bestehe, sei zum Davonlaufen. (Bundesrat Dr. Böhm: Reformieren Sie gerade die ÖVP?) Über 300 000 Personen seien arbeits­los, hierauf müsse man mit Herz und Verstand und nicht mit Ignoranz reagieren, so Dinkhauser.

Er meint auch, dass es eine soziale Bankrotterklärung für die Sozialpolitik der ÖVP hier gibt. Seiner Partei empfiehlt Dinkhauser eine Rundumerneuerung. Die Hütte brennt – er hat es erkannt. Er redet von Handlungsbedarf und hat gemeint, der Herr Bundes­kanzler solle aufwachen.

Die Reaktion des Herrn Bundeskanzlers darauf: Er weist alle Verantwortung von sich. – Offensichtlich sind alle schlecht, außer ihm. Die Regierung hat so viele Ange­bote gemacht, nur alle anderen haben sie schlecht verkauft.

Das ist halt die Form, wie diese Regierung Politik macht, und so wird es auch jetzt bei der Steuerreform wieder versucht. – So wird es aber nicht weitergehen!

Sehr geehrter Herr Professor Böhm! Eines dürfen wir auch nicht vergessen: Kollege Römer, Spitzenkandidat in Wien, war bei der Pressekonferenz fertig. Das verstehe ich. Wenn er aber gesagt hat, wir haben so viel soziale Wärme, wir bekommen sie nur nicht rüber, dann muss ich sagen, sie ist mir bei euch noch nicht aufgefallen. Und angesichts dessen, was ich heute von euch wieder gehört habe, frage ich: Wo habt ihr sie ver­steckt?

Versucht, wieder ein bisschen auf den Boden der Realität zurückzukommen! Die eige­nen Leute sagen es euch bereits, ich glaube, wir brauchen nicht nur Zitate von Dollfuß aus der Vergangenheit heranzuziehen, es gibt genügend Aussagen dazu, die erst vor ein paar Tagen gemacht wurden.

Ich sage, ihr könnt weitermachen wie bisher. Die Menschen sehen es tagtäglich deut­licher, und wir freuen uns auf die nächsten Wahlen und die Antwort, die Sie bekom­men. – Danke schön. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

13.58

 


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ager. Ich erteile ihm das Wort.

 


13.59

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Werter Herr Staats­sekretär! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Nach der Wählerstromanalyse der Arbeiterkammerwahl sollten wir, glaube ich, wieder zu den Punkten 5 und 6 der Tages­ordnung zurückkehren, zum Steuerreformgesetz. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Aber es ist natürlich schon verlockend, dazu etwas zu sagen, und ich gratuliere zu der besonderen Wahl, überhaupt kein Thema. Man ertappt sich auch selber immer wieder dabei, dass man die gleichen Dinge den Kollegen zehnmal erzählt, obwohl sie sie schon gar nicht mehr hören wollen. Ich glaube, so ist es auch bei uns hier herinnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die zusammengezogenen Punkte 5 und 6, generell als Steuerreformgesetz betitelt, be­inhalten eine ganze Menge an Steuerentlastungen für Österreichs Bürger.

Bei allem Für und Wider, liebe Freunde, speziell jene von der Opposition, bei allem Verständnis für die Opposition, die vieles unter einem anderen Gesichtspunkt sieht und sehen muss – Oppositionsarbeit ist ein hartes Brot, das wissen wir, und ist nun einmal geprägt von Kritik und Misstrauen gegenüber den Regierungsparteien; das ist alles


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legitim –, muss ich sagen: Ich habe dann kein Verständnis mehr, wenn es darum geht, dass man einen Kompromiss finden sollte, wenn es um Steuerentlastungen, wenn es um das Wohl der Bürger draußen geht.

In diesem Zusammenhang gibt es viele Dinge, auf die ich noch zu sprechen kommen möchte und wo Kollege Bieringer schon vieles vorgezeichnet hat, aber in dem Tumult dieser Orgien ist es untergegangen. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Fakt ist, dass das die größte Steuerentlastung der Zweiten Republik ist, und zwar mit einem Volumen von über 3 Milliarden € beziehungsweise von über 42 Milliarden Schilling. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundes­rat Wiesenegg: Für die falschen Leute!)

Meine Damen und Herren! Man muss einmal mit der Mär aufräumen, dass das alles die „bösen“ Großunternehmer kriegen, wie es Kollege Schimböck gesagt hat. Er sprach von „Segnungen“ für die Großbetriebe, von Geschenken an die Großkonzer­ne. – Ich glaube, dafür gibt es ein Wort im Tirolerischen: Das ist einfach ein Quatsch! Das muss man so sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Fakt ist nämlich auch, dass die Hälfte der Steuerentlastung den Arbeitnehmern und den Familien zugute kommt. Das ist sehr notwendig, und dafür bin ich sehr. Die andere Hälfte kommt den Unternehmern zugute. Aber nicht alleine, denn was tut der ver­nünftige Unternehmer? Ich glaube, diesbezüglich sollten wir uns auch einmal auf einen Konsens einigen und sagen: Es gibt Unternehmer, die fahren ins Ausland und geben dort das Geld aus. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Nein, die gibt es! – Aber es gibt auch Lehrer, die in betrunkenem Zustand Auto fahren, es gibt Künstler, die stehlen, und was weiß ich auch immer (Heiterkeit bei den Grünen), und darüber wird eigentlich nie geredet. Doch es gibt eine Menge, Tausende Unternehmer, die vernünftig arbeiten, die fleißig arbeiten und die den Wohlstand in unserem Land aufrechterhalten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn der Unternehmer jetzt einmal ein bisserl was kriegt, so muss ich sagen: Es ist höchst an der Zeit, dass es so ist! Was macht er damit? – Er investiert wieder in seinen Betrieb. Das tun nämlich die Klein- und Mittelbetriebe. Wenn man heute etwa einem Gastwirt erklären will, es gebe Auslagerungen ins Ausland, so darf ich sagen: Der kann seine Küche nicht ins Ausland auslagern, denn da ist er mit seinem Schnitzel von Prag bis hierher zu lange unterwegs. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Kollege Bieringer hat von der Notwendigkeit und von der fairen Chance für die Betriebe und ihre Mitarbeiter gesprochen. Ich trenne das nie! In einem größeren, erweiterten Europa, wo wir viele Schwierigkeiten zu meistern haben, war das richtig. Hut ab, Herr Staatssekretär, muss ich sagen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich weiß schon, dass ihr das nicht gerne hört, weil man sieht, dass diese Dinge jetzt zu greifen beginnen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Uns geht es auch oft zu wenig schnell, und es könnte auch noch viel mehr sein, nur: Wenn heute jeder Steuer­zahler im Durchschnitt um 500 € weniger Steuer zahlt, so ist das doch etwas! Da muss ich sagen: Hut ab! Vielleicht sind es nächstes Jahr 700 € oder 800 €, dann werden wir das auch beklatschen. Aber es ist einmal ein Anfang gemacht worden. (Bundesrat Schennach: Wer sagt das? Woher hast du das?)

Das ist belegbar! (Bundesrat Schennach: Ich will nur wissen, woher du die Zahlen hast!) Ihr habt ganz andere Zahlen, ich weiß nicht, woher ihr die habt. (Neuerlicher Zwi­schenruf des Bundesrates Schennach.) Wir haben die Zahlen aus den ... (Zwischen­rufe bei der SPÖ.) Liebe Freunde, darauf komme ich dann noch zu sprechen, auf die Schätzungen und die wirklichen Zahlen und die wirkliche Wahrheit, die keiner allein gepachtet hat. (Bundesrat Schennach: Eh nicht! Ich will nur wissen, woher du deine


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Wahrheit hast!) Vielleicht könnten wir uns irgendwann einmal auf gemeinsame Zahlen einigen.

Wie gesagt, jetzt ist der richtige Zeitpunkt für diese Steuerreform. Dass trotz dieser gro­ßen Steuerreform, die allen Menschen in unserem Land zugute kommt, die Maas­trichter Stabilitätskriterien dennoch eingehalten werden, dafür können uns unsere rot-grünen Nachbarn in Deutschland – ich sage das, auch wenn Sie den Kopf schütteln – nur beneiden. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Unser Budgetdefizit wird steigen!) Das kann ich mir schon vorstellen, aber wir werden trotzdem die Maastrichter Stabilitäts­kriterien einhalten. Können wir uns darauf einigen? Aber unsere deutschen Nachbarn können momentan davon nur träumen!

Ich hoffe und bin eigentlich guten Mutes – ich glaube, das sollten wir alle sein –, dass sich die deutschen Nachbarn schnell erholen, weil wir alle da dranhängen, nicht nur der Tourismus, sondern auch die ganze Wirtschaft.

Mit der Senkung der KöSt wird der Wirtschaftsstandort Österreich gesichert. Das be­weisen immer wieder zahlreiche Betriebsansiedlungen, die jetzt in Österreich wieder vermehrt stattfinden.

An dieser Stelle muss ich die SPÖ wieder einmal ein bisserl kritisieren: Sie haben da einen Schwenk vollzogen, liebe Freunde, denn im Oktober 2003, also voriges Jahr, hat die SPÖ noch eine Senkung der KöSt gefordert, doch jetzt ist es ... (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ah so, eine andere KöSt ist es! (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Ja, aber nicht in diesem Ausmaß!) Das weiß ich nicht, aber im Grunde genommen hat die SPÖ das gefordert, jetzt aber will sie es nicht mehr haben. Das alles hat das gleiche Strick­muster, liebe Freunde! (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Nein!) Das geht so nicht! Das kaufen euch die Leute draußen auch nicht mehr ab. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe mir vorhin gedacht, ich sei hier in einer Vorlesung von Wirtschaftsexperten und von Wirtschaftsgrößen – so klang das hier. Wir sollten hier ganz vorsichtig argu­mentieren und nicht mit erhobenem Zeigefinger agieren.

Kollege Schimböck, Sie sollten nicht immer sagen: die Standards des Ostens. Kennen Sie die Standards des Ostens? – Es sind Welten zwischen dem ... (Bundesrat Schim­böck: Ein Siebentel sind die Löhne dort!) Ich möchte Ihnen nur einen gut gemeinten Rat geben: Gehen Sie einmal nachmittags drei Stunden in eine kleine Firma und arbei­ten Sie dort mit den in dieser Firma beschäftigten Leuten mit! (Bundesrat Schimböck: Ein Siebentel sind die Löhne dort!) Dann lernen Sie weit mehr, als wenn Sie den Leu­ten Dinge wie Prozentsätze vorhalten. Das bringt nichts, das sollte man lassen, denn den kleinen Betrieb interessiert ein Prozentsatz so sehr wie ein Kropf. Ich kann euch das sagen! Der hat seine Probleme, die müssen wir lösen, und wenn ich dem sage: 75 Prozent von dem einen und 73 Prozent von dem anderen!, dann sagt der mir: Höre auf mit dem Quatsch, das interessiert mich nicht! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­räten der Freiheitlichen.)

Noch etwas sollten wir alle tun, und zwar aufhören, den Neidkomplex zu schüren, was erfolgreiche Unternehmen betrifft. Ich sage euch von dieser Stelle aus: Wir brauchen in unserem Land erfolgreiche Unternehmer wie einen Bissen Brot und als Vorzeigeunter­nehmen! (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Danke.

Ich wünsche mir und hoffe, dass diese erfolgreichen Unternehmer in der nächsten Zeit auch viele Gewinne machen und diese wirklich gewinnbringend auch für ihre Mitarbei­ter investieren. Genau da werden die Arbeitsplätze gesichert – nur da! (Demonstrativer Beifall der Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bundesrat Wiesenegg: Im Unternehmen!) Richtig! Da werden Arbeitsplätze gesichert und geschaffen – und sonst nirgendwo! Ich sage euch auch: Nicht bei uns herinnen, nicht im Nationalrat, nicht bei der Gewerk-


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schaft, überall da wird kein einziger Arbeitsplatz gesichert! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage euch noch eines: Ob der Unternehmer klein oder groß ist, 3 oder 3 000 Mit­arbeiter hat, das ist Wurscht; wenn er ein anständiger Mensch ist und die bei ihm be­schäftigten Leute gut behandelt und seinen Gewinn wieder investiert, dann ist das eine gute Sache! (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.)

Zusammenfassend möchte ich sagen: Die Steuerreform bringt ein modernes Tarifsys­tem, entlastet Arbeitnehmer ... (Bundesrat Schennach: „Zur richtigen Zeit“!) Nein, wir sind immer für die Leute in Österreich da! Nach Kasachstan, das Sie vorhin erwähnt haben, können Sie gerne hinfahren, dort können Sie den Leuten etwas über Gruppen­besteuerung erzählen, doch die werden wahrscheinlich dabei einen Lachkrampf krie­gen.

Zurück zur Steuerreform. – Die Steuerreform bevorzugt Frauen. Man höre: bevorzugt Frauen! (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Geh, bitte!) – Das wird sich noch herausstel­len, Frau Kollegin! – Sie sichert Arbeitsplätze, sichert den Wirtschaftsstandort Öster­reich und entlastet da und dort Bauern und Pendler.

Die Bauern, liebe Freunde, müssen wir auch entlasten, vor allem von gewissen Din­gen. Ich weiß schon, das passt momentan nicht ganz in die moderne Geschichte hin­ein. Weil man den Bauern immer wieder vorwirft, sie seien Empfänger von Förderun­gen, muss ich sagen: Man muss dem einmal das gegenüberstellen, was ein Bauer leistet, das, was er an Stunden investiert, das, was er als wichtigen Beitrag für unser Sozialsystem und für andere Dinge mehr leistet. Die Bauern muss man auch einmal entlasten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Völlig untergegangen ist, dass der nicht entnommene Gewinn nicht mehr so wie in der Vergangenheit versteuert wird. Das alles sind Dinge, die ab jetzt den Unternehmen zugute kommen – aber nicht nur den großen Unternehmen, wie oft kritisiert wird. Das ist leicht gesagt, aber das sollte man nicht tun, denn letztendlich kommen all diese Dinge der gesamten Wirtschaft zugute. Man sollte aufhören, zu sagen, die Wirtschaft sind ein paar Leute, welche große Gewinne haben und mit großen Autos herumfahren. Ich muss sagen: Das ist auch Quatsch! Unternehmer sind auch die Leute, die dabei sind, wenn es um die Schaffung von Arbeitsplätzen geht, und sind dabei, wenn es um die Sicherung des Wohlstandes geht – gemeinsam mit den Mitarbeitern.

Zum Schluss kommend möchte ich sagen: Keine Opposition auf der Welt – ihr auch nicht, liebe Freunde! – macht alles richtig! Keine Regierung – wir momentan – auf der Welt macht alles falsch! Also hören wir auf die Menschen draußen und machen wir Schluss damit, alles zu verkomplizieren, den Leuten draußen immer ein X für ein U vorzumachen!

Ich sage noch etwas: Ich bin heute sehr optimistisch gestimmt, weil ihr alle gut aufge­legt seid. Das bestätigt mir, dass das eine gute Geschichte ist, die wir jetzt hoffentlich beschließen werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie ironische Hei­terkeit bei den Grünen.)

Wir alle sollten vielleicht unsere Regungen hier ein bisschen zügeln. Das alles ist zwar wunderschön, das Fernsehen ist auch da, da muss man natürlich ein bisschen Schall und Rauch erzeugen, aber letztendlich geht es bei all diesen Dingen um die Wirtschaft und eigentlich um Österreich. Freuen wir uns gemeinsam, dass das ein großer Wurf ist, dass das eine gute Geschichte ist!

Ganz zum Schluss darf ich noch zu der Euphorie, die hier angesichts der Arbeiterkam­merwahl hochgekommen ist, etwas sagen: Ich glaube, dass es gut ist, dass der Mensch relativ schnell vergisst. Ich glaube, ihr habt die Wahl aus dem Jahre 2000 und


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auch die danach schon vergessen, wo ihr – ich darf das auf Tirolerisch sagen – „die Hosen um die Knie herum gehabt“ habt.

Also ihr braucht jetzt gar nicht in Euphorie auszubrechen, wenn ihr ein paar Wahlen dazwischen gewonnen habt, denn die richtigen Wahlen kommen erst wieder, liebe Freunde. (Bundesrat Wiesenegg: Das sind keine richtigen Wahlen, die jetzt waren? Das muss man den Leuten draußen ausrichten!) Nein, nein, nein! Der Wähler wird entscheiden, wie ihr es gesagt habt! Der Wähler ist mündiger als wir glauben, und er wird sich seine eigene Meinung bilden. Auch wenn man es hier am Rednerpult noch so oft und noch so laut sagt, werden die Dinge dennoch nicht wahrer! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Bieringer spendet Beifall, in­dem er mit der flachen Hand auf die Bank schlägt.)

14.12

 


Präsident Jürgen Weiss: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schenn­ach. Ich erteile es ihm.

 


14.12

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Lieber Herr Kollege Bieringer, ich weiß, dass Sie sich an der Hand verletzt haben, aber dass Sie dann noch immer so pumpern, um noch mehr Stimmung zu erzeugen, na ja ... (Bundesrat Bieringer: Tut mir Leid, ich kann nicht klatschen!) Okay.

Lieber Kollege Ager, Sie haben – so wie Kollege Bieringer und auch wie der Herr Staatssekretär – anscheinend das Kreativstudio besucht, das Kreativstudio Schwarz-Blau, denn es kommen in Ihrem ganzen Text die Formulierungen vor: „zur rechten Zeit“, „die größte Steuerreform“, „für alle“ und so weiter. Gebetsmühlenartig wurde das hier vorgetragen. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.)

Aber „gebetsmühlenartig“ heißt: Bitte, glaubt es doch (Beifall und Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ) – es mag ja nicht stimmen! Man hat das Gefühl, dass irgendwie daran gearbeitet wird, dass es die Bevölkerung auch noch akzeptieren muss. Hans Ager hat gesagt, wenn das die Leute wissen ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Liebe Leute, die Zeitung „Die Presse“ schreibt: „Schweizer Regierung in der Krise. Volk sagt nein zu Steuerreform.“ – Wenn diese Steuerreform, so wie Hans Ager das vor­schlägt, den Leuten draußen zur Abstimmung vorgelegt werden würde, dann würde die „Presse“ schreiben: Österreichische Regierung in der Krise. Volk sagt nein zur Steuer­reform! – Das ist nämlich das, was wir derzeit wirklich erleben!

Über die letzten Wahlen – durch die es zu einem Wechsel in Salzburg und zu einer Än­derung in Kärnten kam – zu sagen, es seien keine richtigen Wahlen gewesen, wie Sie, Herr Kollege Ager, es getan haben, ist unglaublich. Die Arbeiterkammerwahlen und die Bundespräsidentenwahl, all das waren keine richtigen Wahlen? Da frage ich mich schon: Welche Wahlen in diesem Land können da noch die richtigen Wahlen sein, damit man glaubt, dass die Leute nicht mitgehen?! (Bundesrat Ager: Die Nationalrats­wahlen!) Ja, das ist die einzige Wahl, die dann noch zählt.

Meine Damen und Herren! 3 Milliarden € werden bewegt. Richtig, es ist noch nie so viel bewegt worden. Aber wenn 2,5 Millionen Leute davon nichts haben, dann fragt man sich: Wer bewegt da wohin und warum?

Nun zur Aussage „zur rechten Zeit“. – Bitte, Herr Kollege Ager, Herr Kollege Bieringer, Herr Staatssekretär Finz, was können denn die Malteser und die Balten dafür, dass ihr ein Jahr vor der nächsten Wahl eine Steuerreform macht? Was können die denn da­für? Warum müssen die jetzt dafür herhalten?


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Sie sagen jetzt: Wir konnten das erst nach der EU-Erweiterung machen! – Das hat doch damit nichts zu tun! Bei dieser Chiffre eines Kreativstudios kommt man sehr schnell auf den Wahrheitsgehalt!

Aber es ist, lieber Herr Staatssekretär, noch etwas gekommen. – Wir sind ja alle so vergesslich, wir sind leider alle so vergesslich, aber Folgendes wissen wir: Der Herr Staatssekretär ist zur Berühmtheit gelangt, weil er gesagt hat, auf diesem Bierdeckel (der Redner hält einen Bierdeckel in die Höhe) werden wir künftig unsere Steuererklä­rung machen. – Aber das hat noch niemand geschafft!

Es hat noch kein Steuerberater, wie immer er auch war, auf so einem Bierdeckel eine Steuererklärung gemacht. Das wäre nämlich eine Vereinfachung. Doch man muss zuerst einmal wissen, was der erste Basiswert ist. Das brauche ich vorerst einmal für die Finz’sche Steuerformel. Dazu muss ich wissen, wie hoch mein jährlicher Bruttolohn minus das 13. und 14. Monatsgehalt ist, wie hoch die Sozialversicherungsbeträge sind, was die Werbungskosten sind, was die Sonderausgaben sind. Ich weiß noch nicht ein­mal, welche Absetzbeträge ich geltend machen kann. Das alles soll sich auf diesem Bierdeckel ausgehen?!

Lieber Herr Staatssekretär Finz! Es haben sich Berufenere als Sie und ich darange­macht, eine Lohnsteuererklärung da zu machen, und sie alle sind gescheitert. Das geht nicht! Es geht nicht, und das tut mir Leid, denn es wäre schön gewesen, wenn alles so einfach geworden wäre.

Herr Staatssekretär! Sie wissen, ich kann manchmal auch moderat sein, aber bezüg­lich einer Sache kann ich nicht moderat sein: Mich wundert es, dass der Professionist Finanzstaatssekretär hier wiederholt – und selbst durch Zurufe auf den richtigen Weg geführt werdend – verweigert, zu erkennen, dass eine Einkommensteuersenkung und eine Entlastung des Faktors Arbeit miteinander nichts gemein haben. Sie haben hier zu erklären versucht, die Entlastung des Faktors Arbeit würde durch die Einkommensteu­ersenkung passieren. Das sind zwei verschiedene Dinge, wie Birnen und Äpfel! Dass ein Finanzstaatssekretär trotz wiederholten Einsagens und Zurufens einer wohlmeinen­den Opposition bei diesem Irrtum bleibt ... (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.) Sicher, das will man doch nicht, Frau Kollegin! Er ist ja unser Staatssekretär, von Österreich her gesehen.

Für die „kleinen Leute“ haben wir ohnehin schon viel getan, ist immer wieder gesagt worden. – Ganz so scheint es ja nicht zu sein! Das beweist auch das Ergebnis der Arbeiterkammerwahlen. Kollege Reisenberger hat ja das alles vorhin dargestellt.

Jetzt rufe ich auch einmal die Frau Präsidentin Zwazl als Zeugin auf. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Ich freue mich, dass Sie bei uns sind, wir müssen Sie hier nämlich als Zeugin aufrufen.

Kollege Ager, aber auch Kollege Bieringer haben gesagt, es ginge um den Wirtschafts­standort und da bräuchten wir die KöSt. – Bitte, seien wir doch ganz ehrlich: In einem ist die ÖVP nicht nur Europameister, sondern wahrscheinlich sogar Weltmeister, näm­lich in der Beherrschung der Klientelpolitik. Das macht euch in Europa sicher niemand nach! Und dass man das Wirtschaftsstandort-Argument immer für die eigene Klientel­politik hernimmt, das ist unlauter. (Ruf bei der ÖVP: Unsere Klientel ist Österreich!) Ja, ja, eure Klientel ist Österreich. Das ist gut! Das würde man beim Hans Ager im Gast­haus so kommentieren: Witz, komm heraus, du bist umzingelt! (Heiterkeit.) – Aber gut.

Kommen wir zur Entlastung der Unternehmen und der KöSt. – Ich glaube, über die fol­genden Zahlen, Frau Präsidentin Zwazl, brauchen wir nicht zu streiten; ich nehme aber jede Korrektur von Ihnen ohne Widerrede zur Kenntnis.


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Wir haben 263 527 Betriebe in Österreich. Also, insgesamt haben wir 328 000, aber 263 527 Betriebe sind weder eine Aktiengesellschaft noch eine GesmbH, noch eine Genossenschaft. – Das ist hoffentlich richtig. Frau Kollegin Zwazl hat noch mindestens sieben Redner vor sich, dann kann sie mir das bestätigen.

Von der Regelung der nicht entnommenen Gewinne profitieren 120 000 Betriebe. Jetzt bleiben aber noch immer 143 000 Betriebe in Österreich über – genau genommen, für die Rechnung Ihrer Frau Präsidentin: 143 527 Betriebe –, die weder von der ersten noch von dieser zweiten gnadenbringenden Steuerreform berührt werden. (Zwischen­ruf der Bundesrätin Zwazl.)

Ich verstehe, es kann nicht jeder Betrieb davon profitieren – die Aktiengesellschaften und die GesmbHs und die Genossenschaften. Ich verstehe, es kann nicht jeder profi­tieren, nur gibt es da sehr, sehr viele kleine Unternehmer, Frau Präsidentin, und die vertreten Sie doch! Die vertreten Sie! (Bundesrätin Zwazl: Ich freue mich, dass ihr end­lich einmal euer Herz für die kleinen Unternehmer entdeckt habt!)

In einem hat Kollege Ager – ich glaube, er war es – ja so Recht: Nicht der Nationalrat, auch nicht der Bundesrat, auch nicht der Landtag sichert und schafft Arbeitsplätze ... (Bundesrätin Roth-Halvax: Die Wirtschaft!) Die Wirtschaft! Wer ist denn das über­haupt? Sagen Sie nicht, der Leitl! Die vielen Unternehmer und – „gegendered“ – Unter­nehmerinnen (Beifall des Bundesrates Ager), die sich abmühen, schaffen Arbeits­plätze, aber noch jemand, Frau Roth-Halvax: Sie zum Beispiel in Ihrer Funktion, näm­lich die vielen Gemeinden, die Gemeinden, die die innovativste Kraft sind und die unmittelbarste Wirtschafts- und Beschäftigungssteuerung vornehmen.

Und bezüglich der Gemeinden ist es – Aussage Finanzministerium – nicht so, wie Sie sagen, Herr Staatssekretär, dass sich ein Füllhorn über die Gemeinden ergießen wird, sondern diese tragen mit 11,7 dazu bei – die vielen Gemeinden, die tatsächlich die Wirtschaft fördern und die Beschäftigung ankurbeln und die antizyklisch dann wirken, wenn man Arbeit und Wirtschaft braucht! Diese Steuerreform aber – und das ist ja das, was ich besonders bedauerlich finde – macht einen Schwenk. Sie agiert nämlich genau prozyklisch und nicht antizyklisch. Prozyklisch heißt, Arbeitslose in Kauf zu nehmen, und prozyklisch heißt, der Wirtschaft nicht zu dem Zeitpunkt beizustehen, da sie am meisten Unterstützung braucht.

Meine Damen und Herren! Elf Kantone in der Schweiz, egal, wer dort an der Regierung ist – und in der Regel waren diejenigen dort an der Regierung, die auch in der Bundes­regierung waren –, haben nein gesagt zum Vorschlag ihrer eigenen Regierung – im Sinne der Gemeinden und der Länder, die die Zeche auch für diese Steuerreform zah­len müssen. (Ironische Heiterkeit des Bundesrates Bieringer.)

Herr Kollege Bieringer! Sagen auch Sie im Sinne der Länder heute dazu nicht ja, denn die Länder werden es zahlen! Die Länder müssen diese Zeche zahlen, ebenso die Gemeinden. Heute haben Sie die Chance dazu. Herr Staatssekretär Finz wird Ihnen dankbar sein, wenn man das noch einmal korrigieren kann. – Danke. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.25

 


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. Ich erteile ihm das Wort.

 


14.25

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich möchte vorerst meine Kollegen ganz kurz ein bisschen in den Mittelpunkt meiner Ausführungen stellen. Herr Bundesrat Schimböck, mich hat Ihre sehr offene


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kritische Bemerkung bezüglich der Gemeinden sehr gefreut. Darauf komme ich später noch zu sprechen, weil da wirklich ein gut Teil des Weges mit Ihnen zu gehen ist. Ich glaube, wir sollten hier gemeinsam vorgehen. Es sind ja viele Gemeindevertreter und auch Bürgermeister hier vertreten, die versuchen, für Österreich und unsere Bundes­länder mehr zu tun.

Aber, Herr Kollege Reisenberger, ich bedauere Ihre Aussage schon ein bisschen. Sie sagen, wenn 250 000 keine Steuern mehr zahlen nach dieser Reform, dann ist eigent­lich das, was bisher für diese Arbeitnehmer geschehen ist, als negativ zu sehen. Dann haben sie tatsächlich zu wenig verdient, haben sie für ihre Familien zu wenig heimge­bracht. (Bundesrat Reisenberger: Die verdienen jetzt noch weniger!) Nur: Wer trägt denn die Verantwortung dafür, dass das 30 Jahre lang so gewesen ist? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Reisenberger: Falsch!)

Herr Kollege, Sie haben heute versucht, alles schlecht zu machen. Die Zukunft, lieber Kollege, in Österreich liegt im gemeinsamen Handeln. Positiv denken, positiv handeln und positiv gestalten! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Reisenberger: Warum tut ihr es nicht?)

Das muss unser gemeinsames Ziel sein, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann das für Kärnten sagen, weil ich davon überzeugt bin, dass jeder hier im Hause versucht, das als positiv für die Zukunft zu gestalten.

Nun zur Steuerreform. – Sehr geehrter Herr Staatssekretär, mit der Steuerreform hat es tatsächlich etwas auf sich: Ich kann sie zwar größtenteils mittragen, aber nicht die Gemeinden betreffend. Damit kann ich als langjähriger Bürgermeister nicht zufrieden sein, und ich werde Ihnen auch sagen, warum.

Ich habe auch dem Herrn Finanzminister diesbezüglich einen Brief geschrieben, eben­so dem Herrn Vorsitzenden des Österreich-Konvents, Herrn Dr. Fiedler, denn die der­zeitige Zuständigkeit, was die österreichischen Gemeinden betrifft, ist einfach nicht mehr haltbar. Wir machen aber nicht die heutige Regierung und damit uns selbst dafür verantwortlich, sondern hier ist seit dem Jahr 1948 viel versäumt worden. Der Städte­bund hat seine Domäne – und die Gemeinden haben kuschen müssen. So, glaube ich, liebe Freunde, darf es nicht weitergehen.

Wir sollten daher dem Großteil dieser großen Steuerreform zustimmen, denn das ist ein positives Beginnen für Österreich. (Bundesrat Schennach: Immer „für Öster­reich“! – Weitere Zwischenrufe.) Herr Bundesrat Schennach! Wir wollen konkurrenzfä­hig sein. Wir wollen für unsere Mitarbeiter etwas tun, und ich werde in diesem Zusam­menhang einige Positionen in Erinnerung rufen. (Bundesrätin Roth-Halvax: Herr Kol­lege! Abgestufter Bevölkerungsschlüssel ...!) – Ich komme noch darauf zu sprechen.

Ab 2005 keine Lohn- und Einkommensteuer mehr; Anhebung der Pendlerpauschale; und – als positiv hervorzuheben – für Forschung und Entwicklung eine Anhebung von 1,5 Prozent auf 2,2 Prozent des BIP.

Die Steuerreform bringt für Arbeiter und Unselbständige zusätzlich 1,5 Milliarden €; eine Entlastung der Wirtschaft um 1,5 Milliarden €. Die Steuerentlastung beträgt für einen österreichischen Arbeiter 364 €. Zur Stärkung der Wirtschaft wird die Körper­schaftsteuer von 34 auf 25 Prozent reduziert. Darüber sollten wir uns freuen! Herr Staatssekretär, dass das möglich war, ist fast nicht zu verstehen, aber ich hoffe, dass wir das auch durchstehen können.

Damit werden auch Anreize für ausländische Investoren in Österreich geboten. – Ich glaube, das werden wir brauchen, das muss unser Ziel sein: Österreich in Europa einen sehr starken Standort zu sichern.


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Die Negativsteuer für Kleinstverdiener wird von 60 auf 95 Millionen € erhöht. Wir brau­chen Wachstum, nicht Rekordarbeitslosenzahlen, liebe Freunde, wie fast überall in Europa.

Die SPÖ hat 1 Milliarde € für kleine und mittlere Einkommen gefordert. Den Antrag kennen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren; er konnte umgesetzt werden.

Die Maastricht-Kriterien sind von uns einzuhalten. Wir können uns nicht an Deutsch­land ein Beispiel nehmen; das können wir uns nicht leisten.

Und: Österreich hat die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa.

Zielgruppe der Steuerreform sind – und dieser Schwerpunkt, glaube ich, ist für uns alle annehmbar positiv – 2,6 Millionen Arbeitnehmer, die mit 990 Millionen € entlastet wer­den. 1 050 000 Pensionisten werden mit 450 Millionen € entlastet. 900 000 Alleinver­diener, davon 100 000 Alleinerzieher, werden mit 230 Millionen € entlastet. 680 Pend­ler werden mit 20 Millionen € entlastet. 130 000 Bauern werden mit 50 Millionen € ent­lastet.

Meine Damen und Herren! Ich komme aus dem bäuerlichen Bereich. (Bundesrat Todt: Klientelpolitik ist das!) Ich habe aber noch nie gesehen, dass eine Motorsäge auf einer Bundesstraße daherkommt. (Bundesrat Todt: Da ein bisschen was, dort etwas, und so weiter!) Wir fahren mit unseren Traktoren auf der Wiese, auf dem Acker und im Wald und nicht woanders und haben bisher die Mineralölsteuer-Rückvergütung nicht erhal­ten dürfen. (Bundesrat Todt: Die müssen aber höhere Mineralölsteuer zahlen! So ist das! Klientelpolitik nennt man das!)

100 000 Einzel- oder Personengesellschaften werden mit 400 000 € entlastet. 100 000 GesmbHs und AGs werden mit 1,1 Milliarden € entlastet.

Mit dieser großen Steuerreform wird auch eine soziale, familienfreundliche Politik in Österreich umgesetzt. Die Steuerreform ist für ein größeres Europa von großer Wich­tigkeit. Die Steuerreform, Herr Staatssekretär Finz, hätte aber nach meiner Überzeu­gung schon unter der Regierung Schüssel I kommen müssen.

Nun zu den österreichischen Gemeinden. – Es hat mich sehr gefreut, als ich den Be­richt des Parlaments gelesen und gesehen habe, dass es zwei Entschließungsanträge gibt, einen von der ÖVP-FPÖ und einen von der Sozialistischen Partei, weil eben die kleinen Gemeinden durch den abgestuften Bevölkerungsschlüssel auch in Zukunft benachteiligt sind.

Von den 2 359 österreichischen Gemeinden erhalten 2 286 Gemeinden mit bis zu 10 000 Einwohnern 501 € pro Bürger. 49 Gemeinden, Herr Staatssekretär, mit zwi­schen 10 000 und 20 000 Einwohnern erhalten pro Einwohner 629 €.16 Gemeinden mit zwischen 20 000 und 50 000 Einwohnern erhalten 885 € pro Einwohner. Acht Ge­meinden mit über 50 000 Einwohnern erhalten pro Einwohner 938 €.

Das heißt, über 70 Prozent der österreichischen Gemeinden sind grob benachteiligt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass in diesem Hause neun Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind. Ich freue mich, dass es hier einen Stadtrat gibt. Ich freue mich, dass es hier fünf Gemeindevorstandsmitglieder gibt. Und meine Einladung an euch, liebe Bürgermeister, Stadträte und Gemeindevertreter, lautet: Be­mühen wir uns gemeinsam um die Aufhebung der Benachteiligung der kleinen Ge­meinden!

Nach meiner Überzeugung hat die Steuerreform Ansätze für längst notwendige Refor­men zum Vorteil vieler Österreicher. Ziel muss es sein, den Standard und Wohlstand


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für alle Österreicher zu erhalten, den internationalen Anschluss nicht zu versäumen und Österreich in Europa eine wichtige Aufgabe zukommen zu lassen.

Die FPÖ-Bundesratsfraktion wird dieser Steuerreform die Zustimmung geben.

Bezüglich des Katastrophenfondsgesetzes ist zu sagen, dass es wichtig, aber auch sehr erfreulich ist, dass die Mittel für die Gerätschaften der vielen tausend Freiwilligen Feuerwehren in Österreich von 8,49 Prozent auf 8,89 Prozent der Fondsmittel erhöht werden. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das ist nur eine Umschichtung!) Es gibt in Ös­terreich 4 557 Freiwillige Feuerwehren mit einem Mitgliederstand von 299 512. Wir sind alle verpflichtet und gut beraten, diese für uns alle in freiwilligem Einsatz stehenden Menschen zu unterstützen und mit den besten Gerätschaften auszustatten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Auch für die unbürokratische Schadensabwicklung durch Bund, Land und Gemeinden sollten wir unseren Dank aussprechen. Auch dem Katastrophenfonds Österreich wird die freiheitliche Fraktion die Zustimmung erteilen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.36

 


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Gumplmaier. Ich erteile ihm das Wort.

 


14.36

Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Werter Herr Präsident! Werter Herr Staatssekretär! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Die Vertreter der Regie­rungsparteien sind ja wirklich nicht zu beneiden. Und man muss auch dem Bundes­kanzler Recht geben, wenn er nach Wahlniederlagen immer wieder sagt: Wir haben ein Kommunikationsproblem. – Das stimmt, und das ist auch nicht so leicht zu lösen.

Das, was Sie den Menschen erklären wollen, glauben die Menschen nicht. (Ruf bei der ÖVP: Dass wir nach euch Ordnung machen müssen! – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Ruf bei den Grünen: Wie lange braucht ihr denn da noch? – Ruf bei den Frei­heitlichen: Nach 30 Jahren?!)

Warum glauben die Menschen das nicht? – Weil sie merken, dass das Gegenteil von dem geschieht, was Sie ihnen erzählen. (Beifall bei der SPÖ.) Und das ist mit Millionen von Werbemaßnahmen nicht zu korrigieren.

Und Sie haben noch ein Problem: Die wenigen Menschen, die es merken und spüren, die dürfen es nicht zugeben. Die dürfen es nicht zugeben! Dazu gehören zum Beispiel die geistigen Väter dieser schwarz-blauen Regierung, nämlich der so genannte Föh­renbergkreis. Laut „Standard“ wurde dieses ideologische Netzwerk im Jahr 1992 ge­gründet; darauf folgte später die schwarz-blaue Regierung.

Sie haben damals festgestellt: „Das demokratisch/politische System hat sich verselb­ständigt.“

Sie haben festgestellt: „Wie bei der Genese der Krebszelle werden keine Informationen (vom Markt) mehr verarbeitet, es wuchert ..., bis das System kaputt ist.“

Sie haben weiters festgestellt: „Das System ist höchstens auf Legislaturperioden aus­gerichtet ..., nicht mehr langfristig orientiert.“ – Das stimmt hundertprozentig.

Wissen Sie, wer die Mitglieder dieses „Föhrenbergkreises“ sind? – Bundesminister Martin Bartenstein, Industriellen-Präsident Mitterbauer, Industriellen-Generalsekretär Lorenz Fritz und ein gewisser Herr Prinzhorn, ein gewisser Herr Kapsch und so weiter. – Ja, die profitieren von der Steuerreform! Und wehe, sie würden es zugeben!


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Die Wirklichkeit dieser Steuerreform schaut so aus: Es gibt eine Entlastung von 1 030 Millionen € für den Unternehmenssektor vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2005. Eine Entlastung von 1 030 €! Und im selben Zeitraum gibt es eine Belastung und Ver­schlechterung für die Arbeitnehmer von 600 Millionen €, nicht eingerechnet die Ver­schlechterung im Pensionsrecht, die Verschlechterung in der Arbeitslosenversiche­rung, in der Krankenversicherung und die Selbstbehalte.

Zu dem großen Wurf der Senkung der Körperschaftsteuer, den Sie für den Unterneh­menssektor als großen Erfolg verkaufen, ist anzumerken: Schon bisher war der effek­tive – nämlich der tatsächliche – Steuersatz der Körperschaftsteuer sehr, sehr niedrig. Wissen Sie, wer den höchsten Körperschaftsteuersatz bezahlt hat, nämlich in der Höhe von 23 Prozent? – Die Nationalbank, als Einzige!

Es ist die Frage zu stellen: Werden durch die Senkung der Körperschaftsteuer tatsäch­lich Arbeitsplätze sicherer? Kommt es dadurch zu mehr Investitionen? Kommt es dadurch zu Wachstum? Wird mehr in die Forschung investiert? Entstehen dadurch – durch den Steuerausfall von 1,4 Milliarden € – Arbeitsplätze? Wie wird das Budgetloch finanziert? Wer finanziert das Budgetloch? – Die Regierung sagt: durch Strukturrefor­men – eine gefährliche Drohung, wenn man weiß, dass die Pensionsreform damit gemeint war.

Eine Unternehmensförderung ist dann sinnvoll, wenn in Österreich investiert und ge­forscht wird, wenn diese Investitionen gestützt und motiviert würden und in der Folge die Beschäftigung ausgeweitet würde. – Maßnahmen wie die Halbierung des Steuer­satzes für nicht entnommene Gewinne oder die Senkung der Körperschaftsteuer sind nicht an eine positive Tätigkeit in Österreich gebunden. Das Beispiel des Konzerns von Herrn Prinzhorn ist ja schon zitiert worden. Man sieht auch an ausländischen Bei­spielen, dass man mit der Senkung de facto den Totalausfall der Körperschaftsteuer provoziert und als Folge davon nicht die Industrie erblüht, sondern die Gemeindefinan­zen endgültig ruiniert sind. In der Folge kommt es wiederum zur Investitionsschwäche des öffentlichen Sektors – einer der Vorredner hat das deutlich auf Tirolerisch ausge­führt.

Die Körperschaftsteuer macht eigentlich nur ganz wenige Prozentpunkte der Kosten eines Unternehmens aus. Die Gewinnsteuer der Konzerne ist in Wahrheit für diese Konzerne ein Klacks, sie ist aber ein großer Brocken für den Staatshaushalt. Das Budgetdefizit, das durch die Senkung der Körperschaftsteuer entsteht, verhindert eine stärkere Senkung der Massensteuern, der Lohnsteuer, mit der tatsächlich die Kaufkraft gefördert werden könnte. Der Selbstfinanzierungsgrad einer Steuersenkung wäre dadurch wesentlich höher – zum Beispiel durch eine Negativsteuer für die 2,5 Millionen Österreicher, die keine Steuer mehr zahlen. (Staatssekretär Dr. Finz: ... ein sozialisti­scher Finanzminister sie erhöht, die Negativsteuer?) – Ja, ein sozialistischer Finanzmi­nister hat den Mut gehabt, sie einzuführen! (Weitere Zwischenbemerkung von Staats­sekretär Dr. Finz.) Ja, eben! (Staatssekretär Dr. Finz: Warum hat er sie nicht weiter erhöht? Warum hat er das nicht gemacht?)

Ob Sie persönlich damals in der Regierung waren, daran kann ich mich jetzt nicht erin­nern – mein historisches Gedächtnis hat es vergessen –, aber Ihre Parteigänger waren immer schon im Finanzministerium. Ich glaube, die Möglichkeiten in der großen Koali­tion waren nicht gering!

Der eigentliche Skandal dieses heute vorliegenden Steuerreformpaketes ist also die Verteilung der Steuersenkung.

Zusammengefasst: Die größte Steuerreform aller Zeiten, die Sie hier immer wieder bombastisch verkünden, ist in Wahrheit ein Wintermärchen. Die Bezieher kleiner Einkommen bekommen nichts, die Bezieher mittlerer Einkommen erhalten weniger als


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20 €, und es handelt sich um ein Umverteilungsprogramm zu den Unternehmen. Zu spät, zu wenig, kaum Impulse für mehr Beschäftigung. Diejenigen, die es am drin­gendsten brauchen würden, gehen leer aus.

Wir wissen ohnehin: Kollege Bieringer – er ist jetzt nicht im Saal – hat hier sehr wortge­waltig das fortgesetzt, was die Regierung immer wieder gut kann, nämlich inszenieren, kleine, mickrige Produkte mit bombastischen Worterfindungen übertiteln – mit großen Worterfindungen und pompösen Inszenierungen wahrscheinlich auf Empfehlung über­bezahlter externer Berater. (Bundesrätin Diesner-Wais: Was soll das jetzt in diesem Zusammenhang?) Na ja, Rechnungshofkritik! (Bundesrat Schimböck: ... Rechnungs­hof ...!) Aus zu lange gebackenen Brötchen werden dann vollwertige Brotlaiber, aus tanzenden Mäusen kreißende Berge und aus etwas, was in Wahrheit eine Umvertei­lungsmaßnahme zu 900 Konzernen ist, wird die größte Steuerreform der Zweiten Republik. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihr Problem ist nur: Die Menschen spüren etwas anderes und werden es Ihnen nicht glauben. Und die, die es spüren, die dürfen es nicht zugeben. Damit machen Sie Propaganda, ersetzen Sie die Wirklichkeit durch Propaganda. Wochenlange Inserate: „Weniger Steuern – mehr Geld zum Leben“, Claus Raidl. – Ja, bezahlt von der Regie­rung – anscheinend Rückerstattung für die teuerste Homepage der Republik, wie schon gesagt wurde. Für die 900 Konzerne gilt es ja – weniger Steuern –, aber für die große Masse der Österreicher gilt das nicht.

Wir hätten Bedarf an konjunkturstützenden Maßnahmen, an echter Wirtschaftspolitik. Wenn Sie die Vorschläge der Experten des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen, der Experten der Sozialpartner zur Hand nehmen, so werden Sie feststellen, dass dort schon im Jahr 1998 deutlich konstatiert wird: Wir haben in Europa ein großes Nach­fragedefizit, das gestützt wird oder entsteht durch eine zu enge Stabilitätsorientierung in der Geldpolitik, durch die synchrone Haushaltskonsolidierung in ganz Europa und – das Wesentliche – durch den Steuersenkungswettlauf zwischen den einzelnen Staa­ten. – Und die nächste Runde in diesem Steuersenkungswettlauf in Europa hat die Bundesregierung eröffnet, anstatt dafür zu sorgen, dass in Europa endlich gleich laufend eine wachstumsfördernde Wirtschaftspolitik betrieben würde. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die Folge davon ist ein Rückgang an Arbeitsplätzen in der Industrie, und die primäre Einkommensverteilung, die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Ge­rade diese Woche hat das Wirtschaftsforschungsinstitut wieder die aktuelle Konjunktur- und Beschäftigungsprognose veröffentlicht, und einer der Befunde ist leider: Die Spar­quote steigt weiter. – Was in früheren Zeiten begrüßt worden ist, ist im Moment das Gegenteil von dem, was wir uns wünschen. – Das heißt, jene Menschen, die es sich leisten können, dass sie einen Teil ihres Einkommens auf das Sparbuch legen, ent­ziehen das dem Konsum. Genau diese Menschen erhalten jetzt eine Entlastung durch die Steuerreform, und all jene, die jeden Groschen oder jeden Cent in den Konsum stecken würden, erhalten nichts. Diese gehen leer aus.

Das heißt, die Chance, mit einer Steuerreform wachstumsbelebend, konjunkturbele­bend zu wirken, haben Sie vertan – oder Sie haben das gar nicht als Absicht gehabt, weil offensichtlich die Zielsetzung eine andere ist als die tatsächlich verkündete Aktion.

Einige von Ihnen haben ja nächstes Jahr so genannte richtige Wahlen, die Wirtschafts­kammerwahlen. Mein oberösterreichischer Kollege Gottfried Kneifel ist gerade nicht im Saal; ich würde ihn gerne fragen: Wie wird er den Tausenden Kleinunternehmern nächstes Jahr bei der Wirtschaftskammerwahl erklären, worin die große Leistung einer Steuerreform mit Wirkung für 900 Konzerne besteht? – Viel Glück bei dieser Arbeit und bei dieser Überzeugungsarbeit!


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Also was Sie hier vollmundig als „größte Steuerreform der Zweiten Republik“ verkün­den, ist in Wahrheit ein Bluff – der gleiche sprachliche Bluff wie das Null-Defizit, denn wie im „Standard“ diese Woche zu lesen war, werden dem Finanzminister – und auch Ihnen, Herr Staatssekretär – bis 2010 mindestens 8,7 Milliarden € fehlen. Wie gesagt, das Defizit wird größer, die Arbeitslosigkeit steigt – und Sie verteilen groß um zu jenen, die es nicht brauchen, und entziehen Geld denjenigen, die es brauchen würden.

Wünschenswert ist eine andere Politik. Wir sind guten Mutes und gehen davon aus, dass es Ihnen über längere Zeit nicht gelingen wird, den Menschen Sand in die Augen zu streuen, dass die Menschen bei ihrem Wahlverhalten danach gehen, was sie spü­ren, und nicht danach, was Sie ihnen einreden wollen, denn dann wird der Wechsel für Sie bald kommen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.51

 


Präsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Diesner-Wais das Wort.

 


14.52

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren hier im Bundesrat! Zu Ihnen, Herr Kollege Reisenberger: Sie haben gesagt, nur die geringen Einkommen werden entlastet. (Bundesrat Konecny: Nein, das hat er sicher nicht gesagt!) Nein, zu den geringen Einkommen haben Sie gesagt, sie sind zu gering. (Bundesrat Konecny: Ja!) Da gebe ich Ihnen Recht, aber ich finde, es ist trotzdem gut, dass sie endlich entlastet werden. (Bundesrat Konecny: Die geringsten Einkommen können nicht mehr entlastet werden!) Oh ja, wenn Sie keine Steuer mehr zahlen müssen! (Bundesrat Konecny: Dort waren sie jetzt auch schon, die geringsten Einkommen!)

Ja, aber jetzt kommen trotzdem viele Neue dazu, die keine Steuer mehr zahlen müs­sen – und 30 Jahre SPÖ-Politik hat sie nicht entlastet! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Oh ja! Oftmals!)

Und wenn Sie gesagt haben, ein Polster wurde geschaffen, dann sage ich Ihnen: Das stimmt nicht. Ein Schuldenberg wurde geschaffen, und dieser zwingt uns jetzt zu Reformen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Reisenberger: Falsches Papierl! Das ist das falsche!) Okay, ich schwenke um.

Wenn Sie mir jetzt am Beginn noch erlauben, ein Sprichwort abzuändern oder es, besser gesagt, zu erweitern, dann kann ich sagen: Reden ist Bronze, schweigen ist Silber, aber Taten setzen ist Gold! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und genau das geschieht in dieser Steuerreform 2005, die wir heute beschließen wer­den: Es werden Taten gesetzt zur Entlastung der Familien, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Bauern, und der Wirtschaftsstandort Österreich wird gestärkt. Damit können neue Arbeitsplätze gesichert und auch ausgebaut werden. Gerade – hören Sie zu! (Rufe bei der SPÖ: Wir hören, wir hören!) – die Klein- und Mittelbetriebe sind nämlich jene, die Arbeitsplätze schaffen und auch Steuern zahlen – und die werden jetzt durch die Senkung der Körperschaftsteuer entlastet.

Die Senkung der Körperschaftsteuer bewirkt, dass mehr investiert werden kann und damit auch neue Arbeitsplätze entstehen. Wenn andere behaupten, Unternehmerfunk­tionen ersetzen zu können, wie – das haben wir heute auch schon gehört – der Staat, Parteien oder Gewerkschaften, so sehen wir, wenn wir in die Vergangenheit blicken, dass sie damit erbärmlich gescheitert sind.

Daher ist diese Steuerreform, und auch die Senkung der KöSt, besonders wichtig im Hinblick auf die EU-Erweiterung, denn dadurch geben wir unseren Betrieben und auch den Mitarbeitern eine Chance, am größeren Markt Europa Fuß zu fassen und auch zu


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bestehen. (Bundesrat Giefing: Glauben Sie das selbst?) Ja, das glaube ich selbst. (Bundesrat Konecny: Wenigstens eine!) Mein Mann hat auch einen Klein- und Mittel­betrieb, und der zahlt eine ganze Menge Körperschaftsteuer, und die Senkung bringt ihm etwas! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir bauen zurzeit einen neuen Betrieb, und gerade da merke ich: Wenn man weniger Steuer abführen muss, kann man mehr investieren, und das macht es leichter. – Öster­reich wird als Wirtschaftsstandort wieder interessanter, das zeigen uns auch schon sehr viele Anfragen von Firmen.

Diese Steuerreform zeigt uns einfach, dass das der richtige Weg ist, dass wir eine Poli­tik machen, in der Arbeitsplätze geschaffen werden, eine Politik der Standortsicherung, eine Politik für Einkommenschancen, eine Politik für soziale Sicherheit und eine Politik für Familien. Es werden 2,3 Millionen Familien, darunter 900 000 Alleinverdienerfami­lien, entlastet. 43 Prozent der Steuerpflichtigen zahlen keine Lohn- und Einkommen­steuer mehr – das sind 2,5 Millionen Österreicher und Österreicherinnen. Die durch­schnittliche Entlastung, wie wir heute auch schon gehört haben, bei den Arbeitnehmern und Bauern beträgt 500 €. Dies sind, glaube ich, Zahlen, die die Qualität der Steuer­reform für jeden Einzelnen bestätigen. Es ist eine Reform, wo jeder Einzelne profitiert.

Seit dem EU-Beitritt ist auch unsere Landwirtschaft europaweit in einem Boot. Unsere Auflagen in Österreich betreffend Qualität unserer Lebensmittel und bäuerlichen Pro­dukte sind sehr hoch und liegen sicher europaweit im vordersten Feld! Darauf sind wir sehr stolz.

Wir Bauern sind stets bemüht, die Qualitätskriterien zu erfüllen, denn es ist uns wichtig, für unsere Bevölkerung gesunde und qualitativ hochwertige Nahrungsmittel zu erzeu­gen. Doch der Wettbewerb ist groß, und der Preisdruck wird uns von den anderen Län­dern aufgesetzt. Wir hatten bis jetzt einen enormen Wettbewerbsnachteil durch höhere Betriebsmittelpreise zu verzeichnen, denn wir Bauern zahlen um 40 Prozent mehr für den Diesel als unsere Berufskollegen in Europa. Daher ist diese Steuerreform mit der Einführung des Agrardiesels eine höchst notwendige Sache. Dafür können wir der Bundesregierung nur den Dank von allen Bauern und Bäuerinnen aussprechen.

Meine Damen und Herren! Diese Steuerreform stärkt die Kaufkraft, schafft Arbeits­plätze, bringt Impulse für die Wirtschaft und gibt der Landwirtschaft eine Chance. Sie ist schlichtweg ein Gewinn für alle Österreicher. Und wenn Sie im Sinne der Öster­reicher handeln wollen, dann stimmen Sie dieser Steuerreform zu! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

14.58

 


Präsident Jürgen Weiss: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Kerschbaum das Wort.

 


14.58

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich schaue mir immer ganz gerne die Papierln an, die wir als Unterlage zu den Gesetzentwürfen be­kommen. Unter anderem gibt es da immer Erläuterungen, die so genannten parlamen­tarischen Materialien.

Ich weiß ja nicht, was Sie lesen, Herr Staatssekretär Finz, aber in diesen parlamenta­rischen Materialien steht auf Seite 2 unter der Überschrift „Auswirkungen auf das Ab­gabenaufkommen, verteilt auf die Gebietskörperschaften“: „Die Ertragsanteile der Län­der und Gemeinden verringern sich entsprechend deren Anteilen an den betroffenen gemeinschaftlichen Bundesabgaben wie folgt:“, dann folgen die entsprechenden Zahlen für die Jahre 2004, 2005, 2006; und für das Jahr 2007 sind es dann schon


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384 Millionen € für die Länder und 327 Millionen weniger Ertragsanteile für die Ge­meinden. – Ich weiß also nicht, wie Sie mir erklären können, dass die Ertragsanteile nicht sinken. (Staatssekretär Dr. Finz: Die Konjunktur ...!) – Ja, die Konjunktur wird das alles wieder hereinholen; nur: Wo bleibt sie, die Konjunktur? (Staatssekretär Dr. Finz: Das ist eine Schätzung des Wifo!)

Ein weiteres Papierl, das wir immer netterweise zu den Unterlagen bekommen, ist der Bericht des Finanzausschusses. In diesem Bericht des Finanzausschusses steht – ich zitiere –:

„Für beide Etappen hat sich die Bundesregierung folgende Ziele gesetzt: Stärkung des Wachstumspotentials, Verbesserung der Standortattraktivität, Entlastung des Faktors Arbeit, Setzung umweltschonender Maßnahmen, Verbesserung der Eigenkapitalbasis insbesondere bei Klein- und Mittelunternehmen, Erhöhung der Kaufkraft“ und „Erhö­hung der Steuergerechtigkeit.“ – Zitatende.

Meiner Meinung nach sind diese Ziele – zu einem kleinen Teil sind sie vielleicht erreicht worden – zum großen Teil nicht erreicht worden. Was das Wachstumspotential und die „Verbesserung der Standortattraktivität“ betrifft – ich nehme an, damit meinen Sie die KöSt-Senkung –, so ist das eine Möglichkeit, einen Standort attraktiver zu machen. Aber ich denke, die Lohnnebenkosten zu senken (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz) ist ein anderer wichtiger Standortfaktor – und das ist nicht geschehen.

Kollegin Diesner-Wais hat soeben erklärt, dass gerade die KMUs, also die Klein- und Mittelunternehmen, durch die KöSt-Senkung so sehr profitieren. Ich kenne viele Klein- und Mittelunternehmen, habe auch einmal bei einem Tischler gearbeitet, und die sind alle keine GesmbHs, keine AGs, keine Genossenschaften, sie alle zahlen also keine Körperschaftsteuer!

Ein weiterer Standortfaktor ist meines Wissens die Erreichbarkeit von Betriebsge­bieten. Wie ich jedoch in den Unterlagen gelesen habe, gibt es auch eine Kürzung der Nahverkehrsfinanzierungszuweisung an die Länder in der Höhe von 2 Millionen €. Das ist zwar nicht allzu viel, aber ich denke, es ist auch das ein Schritt, der einen Standort nicht attraktiver macht, wenn er öffentlich nicht erreichbar ist. (Vizepräsidentin Hasel­bach übernimmt wieder den Vorsitz.)

Kollege Schennach hat vorhin schon erläutert – ich möchte es wiederholen –, dass eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer keine Senkung der Lohnnebenkosten ist, denn ein Betrieb zahlt deshalb keinen Schilling weniger an das Finanzamt (Ruf: Euro!), nur weil die Mitarbeiter jetzt weniger Lohnsteuer zahlen. Geben Sie mir da Recht oder nicht? Bei einer Lohnsteuersenkung kann man nicht davon reden, dass das eine Lohnkostensenkung ist, denn die Lohnkosten trägt ja der Betrieb.

Weiters steht da etwas von „umweltschonenden Maßnahmen“. Also, von umweltscho­nenden Maßnahmen habe ich überhaupt nichts entdeckt. (Bundesrat Dr. Kühnel: Da müssen Sie genau lesen!) Ich weiß nicht, was Sie damit meinen, vielleicht die Senkung der ... (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) – Die Agrardiesel-Besteue­rung? (Staatssekretär Dr. Finz: ... 2004, die erste Maßnahme ...!) – Die zusätzliche Be­steuerung meinen Sie damit! Aha! Ich habe geglaubt, Sie meinen vielleicht die Redu­zierung der Steuer auf Agrardiesel. Oder die Pendlerpauschale, die zwar insgesamt erhöht wird, man aber trotzdem nur ungefähr 50 Prozent dieser Pendlerpauschale be­kommt, wenn man öffentliche Verkehrsmittel benutzt, und das, obwohl die öffentlichen Verkehrsmittel nicht mehr unbedingt um 50 Prozent billiger sind als das Auto.

Zur „Erhöhung der Steuergerechtigkeit“: Gerechtigkeit ist ein relativ dehnbarer Begriff. Für mich ist es eindeutig nicht gerecht, wenn man zwar zum Beispiel den Kirchen-


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beitrag von der Lohnsteuer absetzen kann, andere Spenden an Vereine im sozialen Bereich oder im Entwicklungshilfebereich jedoch nicht! Das ist für mich keine Gerech­tigkeit. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Dann komme ich noch zur „Erhöhung der Kaufkraft“. Diese müsste, um wirklich effi­zient zu sein, vor allem die kleinsten und niedrigsten Einkommen betreffen – auch dar­über wurde heute schon einiges berichtet. Es gibt bereits jetzt 2 Millionen Österreiche­rInnen, die keine Lohnsteuer zahlen; diese werden nach der Steuerreform auch nicht mehr Geld und auch nicht mehr Kaufkraft haben als jetzt. Es gäbe die Möglichkeit der Negativbesteuerung, aber die ist offensichtlich übersehen beziehungsweise nur zu einem kleinen Teil einbezogen worden.

Ich habe mich auch über die Aussage, dass diese Steuerreform den Frauen zugute käme, gewundert, habe wieder in den Unterlagen gesucht und auch etwas gefunden: Es gibt eine Berechnung, in der die Gewinne aus der Steuerreform für Arbeiterinnen und Arbeiter beziehungsweise für Angestellte, männlich und weiblich, gegenüberge­stellt werden. In eine Dissertation würde diese Berechnung nicht passen, denn es sind nur einfach der Durchschnittsverdienst eines Arbeiters und einer Arbeiterin gegenüber­gestellt. Daraus kann man doch nicht schließen, dass unter allen ArbeiterInnen und Angestellten im Allgemeinen die Frauen davon profitieren, sondern es ist einfach der Durchschnittssatz. Und das ist meiner Meinung nach keine genaue Berechnung. Schon jetzt zahlen sehr viele ArbeiterInnen und Angestellte, vor allem Frauen, keine Lohnsteuer, was bei dieser Art von Berechnung völlig unter den Tisch fällt.

Zur Finanzierung dieser Steuerreform. Wie schon berichtet, steht im heutigen „Stan­dard“, dass der Finanzminister weitere 8,7 Milliarden € einsparen muss, damit er seine Ziele bis 2010 erreichen kann. Wo und wie er diese Summe einsparen wird, ist noch nicht bekannt, das wird wahrscheinlich erst nach der nächsten Nationalratswahl bekannt werden, die ja hier offensichtlich zu den wichtigen Wahlen zählt.

Sie nennen das Ganze immer wieder die „größte Steuerreform aller Zeiten“ bezie­hungsweise die „größte Steuerreform in dieser Republik“. Vom Volumen her ist sie vielleicht eine sehr große Steuerreform, es kommt aber nicht immer auf die Größe an. Meiner Ansicht nach sollte das Geld auch vernünftig eingesetzt werden. Von einem vernünftigen Einsatz und einem vernünftigen Umverteilen ist bei dieser Steuerreform jedoch nichts zu sehen!

Und auch dass dieser Wurf ein großer Wurf sein soll, Herr Kollege Bieringer – er ist jetzt nicht im Saal –, ich habe auf diese Aussage gewartet; es hätte sonst sicherlich jemand anderer gesagt. Dieser Wurf wird vielen noch auf den Kopf fallen! (Beifall bei den Grünen, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

15.06

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Ing. Haller. – Bitte.

 


15.07

Bundesrat Ing. Hermann Haller (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kollegen Bundesräte! Es wurde heute schon sehr viel polemisiert. Aber es ist eindeutig, dass sich Europa verändert hat. Europäische Staaten haben wunderbare soziale Einrichtungen. Ich glaube, darüber sind wir uns einig – einzigartige auf dieser Welt sogar. Aber die Entwicklung geht weiter, leider viel zu rasant für uns alle.

Globalisierung, Liberalisierung, veraltete Bevölkerungsstrukturen, weniger Wertschöp­fung, der Übergang von einer Industrie- zu einer Wissensgesellschaft, all das bringt die europäischen Länder unter Druck. Das herrliche Modell der Sozialstaaten Europas,


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das ja auch ein Generationenvertrag ist, muss unbedingt angepasst werden. Reformen in ganz Europa sind notwendig. Darin, meine Damen und Herren, vor allem von der SPÖ und den Grünen, werden Sie wohl mit mir übereinstimmen.

Für diese Reformen möchte ich mich bei unserer Bundesregierung wirklich recht herz­lich bedanken! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl. – Zwischenruf bei der SPÖ.) Es muss wirklich gesagt werden: dafür bedanken, dass sie notwendige Reformen in Angriff nimmt und damit den Staat Österreich fit und konkur­renzfähig hält. Das ist extrem wichtig für alle Berufs- und Gesellschaftsschichten – da können Sie herumlavieren, wie Sie wollen.

Ich möchte mich auch bei allen Wählerinnen und Wählern bedanken (ironische Heiter­keit bei der SPÖ), dass sie Weitblick gezeigt haben und am 24. November 2002 mit Wolfgang Schüssel die richtige Wahl getroffen haben (Bundesrat Molzbichler: Arbei­terkammerwahlen!): Sie haben gewusst, warum! (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Das haben sie nicht gewusst! – Ruf bei der ÖVP – in Richtung SPÖ –: Da schaut’s wieder!) Dadurch haben wir eine gute Staatsführung. Wir haben eine gute Staatsführung, ganz Europa beneidet uns darum. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie, meine Damen und Herren aus der SPÖ, mit Ihren alten Gewerkschaftsstrukturen können es nicht (ironische Heiterkeit bei der SPÖ) – nein, Sie können es nicht und schauen ganz neidisch auf unsere Strukturen! (Neuerliche ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Gruber: Absolut nicht!) Herr Gruber, mit dieser Polarisierung schaut die SPÖ ziemlich alt aus, glauben Sie mir das, ziemlich alt! (Bundesrat Gruber: Herr Kollege Haller! Wir wünschen uns, dass Sie so weitertun! Sie sind unsere besten Wahl­helfer!)

Schauen Sie, ich kann Ihnen das beweisen: Finanzminister Lacina (Bundesrat Gruber: Und Staatssekretär Ditz, oder?) ist zurückgetreten, er hat gesagt: Mit dieser Gewerk­schaft kann ich kein Finanzkonzept erstellen. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Ah geh! – Bundesrat Lindinger: ... Grasser ... Industriellenvereinigung ...!)

Sie sind uns den heutigen Tag neidig! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Gruber: Nein! Absolut nicht!) Durch die vielen Reformen, die wir mutig in Angriff genommen haben ... (Ruf bei der SPÖ: Übermütig! – Bundesrat Gruber: Sparmaßnah­men!) – Reformen! Sparmaßnahmen wären einmalig, Reformen sind ein Gewinn auf Zeit! Wir haben die Strukturen reformiert, damit der Schuldenberg nicht größer wird. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Gruber.) Ganz Europa muss reformieren! Bitte kapieren Sie das einmal! (Beifall bei der ÖVP.)

Auf diese Reformen sind wir stolz. Sie werden sehen (Bundesrat Gruber: Wir haben es schon gesehen, in der Vergangenheit!), kleine Einbußen für Verschiedene sind not­wendig! Wir werden die Saat noch ernten, glauben Sie mir! (Bundesrat Gruber: Ja, so ist es!) Die erste Ernte können wir jetzt einbringen. (Bundesrat Prutsch: Kammerwah­len! – Bundesrat Gruber: Haben Sie schon! In den letzten Monaten haben Sie schon geerntet!) Sie sind uns das neidig! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Wir haben die größte Steuerreform gemacht! Welche SPÖ-Regierung könnte eine Steuerreform mit einem Volumen von 3 Milliarden € machen? (Bundesrat Gruber: Wir sind nicht neidig, Sie tun uns Leid!) – Das glaube ich! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Gru­ber.)

Herr Gruber, vielleicht sind wir uns zumindest darin einig, dass die Steuerreform für uns alle wichtig ist – für uns von einer Regierungsfraktion deswegen, weil wir damit zeigen können, dass wir gute Politik mit gutem Erfolg machen! (Bundesrat Gruber: Also man kann es auch übertreiben, wenn man es so sagt!) Wissen Sie, warum sie für Sie wichtig ist? – Sie können dadurch Ihr altes sozialistisches Sprechprogramm wieder


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abspulen! (Bundesrat Gruber: Sehr gut! Genau das, was Sie gerade tun für Ihre Partei!) – Nein, wirklich nicht! Sie können nicht sagen, dass es ein Sprechprogramm ist. (Bundesrat Gruber: Sie sind ja das lebende Beispiel für die ÖVP ...! Sie sind eine wandelnde Sprechblase für ÖVP- ...!) – Sprechblasen sind das keine, das sind Taten! Monat für Monat: Taten! Da wird nichts hinausgeschoben! (Bundesrat Konecny – de­monstrativ Beifall spendend –: Ja, die Harmonisierung wird „nicht“ hinausgeschoben!)

Herr Gruber, Sie kommen aus einer großen Fremdenverkehrsgemeinde. Ich komme aus der Ostregion Österreichs, aus dem Weinviertel. Und ich kann Ihnen nur sagen: Wir Niederösterreicher, wir Weinviertler, wir aus der Ostregion sind stolz darauf, dass es diese Steuerreform gibt! (Widerspruch der Bundesrätin Kerschbaum. – Bundesrat Gruber: Da ist Ihr Landeshauptmann anderer Meinung!) – Ja! Es tut mir Leid, Frau Elisabeth Kerschbaum, wenn das für Sie ein Blatt „Papierl“ – oder wie Sie das auch immer ausgedrückt haben – ist. Papierln sind es für mich nicht, denn wenn es um 3 Milliarden geht, ist es kein Papierl, sondern es ist eine wahnsinnige Reform! (Bun­desrat Konecny – demonstrativ Beifall spendend –: Ja! „Wahnsinnige Reform“! Dieser Meinung sind wir auch! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir führen nämlich diese Steuerreform insbesondere für kleinere und mittlere Unter­nehmen durch. (Bundesrat Gruber: Aber davon merkt man nichts!) – Das merken wir. Ich darf Ihnen nur in Erinnerung rufen, welches Theater Sie bei der Voest gemacht haben. Wo ist heute der Großbetrieb Voest? Heute verurteilen Sie eine Senkung der Körperschaftsteuer, aber vor den oberösterreichischen Wahlen haben Sie uns mit der Voest sekkiert! (Bundesrat Gruber: Sie verschleudern Familiensilber!) – Wir verschleu­dern Familiensilber? (Bundesrat Gruber: Ja! Die Austria Tabak, die Post, die Voest, die Telekom!) – Bitte, wir können das jetzt der Bevölkerung wieder zurückgeben, weil die Reformen greifen werden. (Bundesrat Dr. Kühnel: Herr Kollege Gruber! Denken Sie an die Bank Austria! Wie die Stadt Wien die versilbert hat! – Zwischenruf des Bun­desrates Gruber. – Ruf bei der ÖVP: ... Oberlehrer!)

Mich wundert nur: Für den Arbeitnehmer da sein wollen, aber jetzt auf einmal auf die großen Konzerne, auf die großen Betriebe losgehen – na glauben Sie, dass die Voest das einstreift? Das geht ja weiter an die Arbeiter! Das, was Sie da glauben, ist einfach falsch! (Bundesrat Gruber: Es geht nicht darum, dass man auf Unternehmen losgeht, sondern dass die Sache auch Wirkung zeigt! Eine Reform sollte Wirkung zeigen!)

Ich kann Ihnen noch ein Beispiel nennen. Die SPÖ wettert immer wieder gegen die Körperschaftsteuer. Wissen Sie, was Ihr bester Finanzminister, den Sie jemals hatten, Hannes Androsch, dazu gesagt hat? Wissen Sie das? – Er meinte, er müsste lügen, wenn er diese Steuerreform nicht begrüßte. (Bundesrat Gruber: Man sollte solche Zitate nicht aus dem Zusammenhang reißen!) Er müsste lügen, wenn er diese Steuer­reform nicht begrüßte. (Bundesrat Konecny: ... Unternehmer ...!) – Jetzt auf einmal ist Androsch ein Unternehmer? Haben Sie etwas gegen Unternehmer? (Bundesrat Ko­necny: Wenn Sie das Zitat komplett bringen – das sagt er genau nicht!)

Herr Konecny, haben Sie etwas gegen Unternehmer? (Bundesrat Konecny: Ja natür­lich!) Wir haben ja heute schon gehört: Sie können keinen Arbeitsplatz bringen, die vielen Klein- und Mittelbetriebe ... (Bundesrat Konecny: Zitieren Sie den ganzen Satz! Aber das hat man Ihnen ja nicht aufgeschrieben!) Ich kann Ihnen nur nochmals sagen, diese Steuerreform ist gerecht (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), sie sichert nicht nur den Standort ... (Zwischenruf des Bundesrates Gruber. – Bundesrat Konecny: Zitieren Sie den ganzen ...!) Sie sichert den Wirtschafts- und Arbeitsstandort! (Bundesrat Ko­necny: Oder können Sie das nicht? – Vizepräsidentin Haselbach gibt das Glocken­zeichen.) Wissen Sie (Bundesrat Konecny: Können Sie das zitieren oder nicht?), was noch das Geheimrezept ist? (Bundesrat Konecny: Das ganze Zitat ...!) – Die ganze Steuerreform erfolgt ohne Gegenfinanzierung!


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Das hätten Sie nie zusammengebracht. Überlegen Sie sich das einmal! (Lebhafter Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.15

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Prutsch. – Bitte.

 


15.15

Bundesrat Günther Prutsch (SPÖ, Steiermark): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Staatssekretär! Zu Kollegen Haller: Ich muss sagen, wenn ihr so weiter siegt, dann seid ihr wirklich bald im Eimer! (Bundesrat Gruber: Man kann sich auch zu Tode siegen!) Das kommt mir ein bisschen so vor wie bei der Titanic. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Eine Vielzahl meiner VorrednerInnen hat die Schwächen dieser Reform, wie ich glaube, bereits sehr eindrucksvoll aufgezeigt und auch ausführ­lich beleuchtet. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Nur nicht nervös werden!

Es ist zu Recht von der fehlenden sozialen Ausgewogenheit gesprochen worden. Das kann man sich am Beispiel alleinverdienender Mütter anschauen. Der Kollege aus Kärnten hat auch ganz richtig angemerkt, dass es nicht richtig ist, wie mit den Gemein­den verfahren wird. Und es geht bis hin zur verteilungspolitischen Unausgewogenheit. Das ist einfach nicht okay!

Meine Damen und Herren! Diese Steuerreform ist eine lauwarme Angelegenheit, denn groß ist sie möglicherweise schon, aber sie ist noch lange nicht großartig. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen provokant, ist jedoch nicht von mir – Kollege Schnider schaut mich schon an –, es ist eine Steirerin, von der dieses Zitat stammt. Sie war bis vor wenigen Tagen noch in diesem Hause tätig: Cordula Frieser! Sie ist Steuerexpertin, im Zivilberuf auch noch Steuerberaterin, und hat diese Steuerreform sehr scharf kriti­siert.

Sie können da jetzt Journalisten zitieren – jener Kollege, der die FAZ herangezogen hat, ist jetzt leider nicht hier; es wird auch immer wieder die „Neue Zürcher Zeitung“ genannt, und von mir aus kann das auch ein Dorfblatt aus Mecklenburg-Vorpommern sein, das interessiert mich nicht wirklich. Mich interessiert, was die Politiker in diesem Haus und vor allem was die Bevölkerung, die Menschen in diesem Lande sagen!

Ich würde der ÖVP und auch der FPÖ raten, auf ihre eigenen Parteikolleginnen und ‑kollegen zu hören und dann darüber nachzudenken, was sich in den Regionen drau­ßen und in den Bundesländern alles abspielt.

Kollege Bieringer ist leider jetzt nicht hier. Ich habe nicht vor, seinen Kollegen oder ehemaligen Kollegen Dollfuß zu zitieren (Rufe bei der ÖVP: Was? „Kollege“?), sehr wohl aber zum Beispiel Kollegen Dinkhauser aus Tirol, ein, so denke ich, Urgestein als Arbeitnehmervertreter, der sagt, was Sache ist, und der meinte, die Reaktion der ÖVP auf die Frustration in der Bevölkerung sei – wörtlich – „zum Davonlaufen“. (Zwischenruf des Bundesrates Fasching.) Er spricht auch von Ignoranz gegenüber den Sorgen der Arbeitnehmer. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Fasching.) – Sie können sehr laut zwischenrufen, das ändert aber an der ganzen Sache nichts!

Zu Recht spricht die schon vorher zitierte Kollegin Frieser auch von einer – wörtlich – „ungustiösen Debatte“ um die Steueramnestie. Und das war wahrlich ungustiös! Der Herr Finanzminister hat ja da noch im letzten Moment kalte Füße bekommen.

Auch Herr Amon wurde hier bereits zitiert. Ich bringe ein zusätzliches Zitat von ihm, er verlangt nämlich einen Kurswechsel in der Sozialpolitik. Amon sagte wörtlich – ich


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zitiere –: „Worum es mir geht, ist, dass man die soziale Dimension mehr in den Mittel­punkt rückt.“ – Das sagt er doch nicht von ungefähr, meine Damen und Herren.

Amon spricht auch davon, dass seitens der Regierung der „Angriff“ auf den Sozialstaat im Vordergrund stehe. – Das ist eigentlich ein schlimmes Zeugnis, würde ich meinen!

Bernhard Robotka vom ÖAAB Salzburg hat sogar den Rücktritt seines Ministers Bar­tenstein gefordert! Er sagt, der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft sei in seinen Augen „zu sehr für die Wirtschaft tätig“ und zu wenig für die Arbeitnehmer.

Landesrat Schützenhöfer und meine Kollegen aus der Steiermark können das bestäti­gen. Hermann Schützenhöfer ist ein ÖAAB-Urgestein, und es fällt ihm sicher nicht leicht, so etwas zu sagen, aber er sagt es: Die ÖVP kommt bei den Arbeitnehmern überhaupt nicht mehr vor! (Bundesrat Hösele: Und was hat er zur Steuerreform ge­sagt?) – Dass das eine verhunzte Geschichte ist, hat er dazu gesagt.

Der Innenminister empfiehlt heute seiner ÖVP das System Erwin. – Etwas ganz Neues offensichtlich, aber vielleicht gibt es noch eine Chance für diese Regierung, dazuzu­lernen.

Meine Damen und Herren! Angesichts dieses Durcheinanders, das ihr in der ÖVP und in der Regierungskoalition habt, ist natürlich nichts Gescheites möglich. Ich habe vor kurzem ein sehr gutes Buch über Management-Lehren gelesen und weiß nun, es gibt ein Management by surprise. Das bedeutet, etwas zu tun, etwas anzufangen und dann von den Folgen völlig überrascht zu sein. – Ich glaube, das kommt hier voll zum Tra­gen.

Wenn all das, was Ihre KollegInnen aus der Politik, die ich zitiert habe, gesagt haben und was ich dazugesagt habe, jetzt für Sie nicht gilt, so hören Sie doch auf das Volk. Die Wahlergebnisse der letzten Monate und auch schon Jahre sprechen dafür. (Zwi­schenruf des Bundesrates Fasching.) Denken Sie an die Wahlen in Salzburg, in Kärn­ten, denken Sie an die AK-Wahlen, denken Sie an die Präsidenten-Wahl! Auch wenn Sie meinen, das seien keine „richtigen“ Wahlen – Sie werden es sich nicht aussuchen können, wann es „richtige“ Wahlen gibt!

Meine Damen und Herren! Ich sage es Ihnen sehr deutlich: Sie sind auf dem falschen Dampfer! Auch die Titanic war ein Dampfer. Dieser Dampfer ist untergegangen – und Sie werden untergehen wie die Titanic! Sie werden nichts dazulernen, denke ich, und daher ist zu hoffen, dass dieser Dampfer so früh wie möglich untergeht. (Beifall bei der SPÖ.)

15.22

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet: Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 


15.22

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ich kehre wieder zurück zur Steuerreform 2005 und werde aus Sicht der PensionsbezieherInnen einige Feststellun­gen treffen.

Die vorliegende Reform bringt auch für Pensionsbezieher wesentliche Vorteile. Vor allem kleinere Einkommen werden durch die Erhöhung der Steuerfreigrenze sowie mittlere und kleinere Einkommen durch die Senkung der Steuer bevorzugt und deutlich entlastet. Das steuerfreie Einkommen wird auf 13 500 € pro Jahr angehoben. Dadurch werden zirka 115 000 Pensionsbezieher zusätzlich steuerfrei gestellt. Durch eine Ent­lastung der darüber liegenden Pensionen werden außerdem mehr als eine Million Pen-


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sionisten weniger Steuern zahlen. Insgesamt werden zirka 1,2 Millionen Pensionisten von der Steuerreform einen Vorteil haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Es werden auch mittlere Pensionen steuerlich deutlich begünstigt. Eine Pension – um einige Zahlen zu nennen, damit man weiß, wovon man spricht – von rund 1 000 € wird mit 27 €, eine Pension von ungefähr 1 300 € mit 28 € und eine Pension von knapp 1 500 € mit 25 € pro Monat entlastet.

Ich möchte drei Beispiele dafür anführen, dass dieses Mal mehr Geld im Geldbörsel bleibt, denn das sei noch einmal klar festgestellt: Bei einer Bemessungsgrundlage von 950 € im Jahr 2003 beträgt ab 1. Jänner 2005 die Steuerersparnis 626 € pro Jahr. Bei einer Bemessungsgrundlage von 1 100 € im Jahr 2003 erfolgt ab dem Jahr 2005 eine Steuerersparnis von 512 € im Jahr, und bei 1 500 € im Jahr 2003 ist ab dem Jahr 2005 eine Ersparnis von 357 € pro Jahr zu verzeichnen.

Ebenfalls wird die Einschleifregelung des Pensionistenabsetzbetrages von derzeit 16 750 € bis 21 800 € auf 17 000 € bis 25 000 € angehoben, sodass auch in diesem Bereich die Pensionisten steuerlich stärker entlastet werden.

Die SPÖ, die Arbeiterkammer, der Pensionistenverband, der ÖGB verlangen ja schon seit längerem die oft zitierte Berücksichtigung der Negativsteuer. Ich stelle fest, dass dies an und für sich kein Steuerproblem, sondern ein Problem der Sozialpolitik ist. Anstelle der Einführung der Negativsteuer sollten, meine ich, vielmehr die bestehenden Ausgleichszulagenrichtsätze insbesondere für Alleinstehende angehoben werden. Der Richtsatz für Alleinstehende beträgt derzeit 653 €, laut einer vom Sozialministerium veröffentlichten Studie betrug die Armutsgefährdungsschwelle bereits im Jahr 1999 669 €. Das heißt, hier ist sicher dringend Handlungsbedarf gegeben.

Anmerken darf ich in diesem Zusammenhang auch noch, dass Rudolf Edlinger – seinerzeit Finanzminister, jetzt immerhin stellvertretender Chef des Pensionistenver­bandes – weder eine Erhöhung der Negativsteuer für Aktive noch die Einführung der­selben für Pensionisten gefordert hat. – Das ist nur eine Anmerkung.

Ich darf sagen, die Kritik der Opposition zur Steuerreform 2005 ist an und für sich für mich nicht nachvollziehbar, zumindest was diesen Teil hinsichtlich der Pensionsbe­zieher betrifft, den ich jetzt vorgetragen habe. Kollege Reisenberger hat in diesem Zusammenhang gesagt, dass den Leuten immer weniger Geld im Geldbörsel bleibt. – Ich kann sagen, dass das in diesem Fall einfach nicht zutrifft! (Zwischenruf des Bun­desrates Todt. – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Energiesteuer!)

Abschließend möchte ich sagen, man sollte sich von ideologisch motivierten Gründen für eine Ablehnung wirklich verabschieden. Ich glaube, dass diese Steuerreform genau zur richtigen Zeit kommt. Sie war höchst an der Zeit, sie ist, meine ich, doch ein Ge­winn für alle, und sie ist auch durchaus sozial gerecht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

15.27

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet: Herr Bundesrat Todt. – Bitte. (Rufe bei der ÖVP: Oje! – Bundesrat Boden: Ihr braucht ja keine Angst zu haben vor dem Todt!)

 


15.28

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich möchte zunächst einmal feststellen, dass Sie, Herr Bundesrat Saller, natürlich Recht haben. Es war höchst an der Zeit, dass die Steuerreform kommt. – Sie kommt aber jetzt zu spät und bringt im Prinzip für die Bezieher der unte­ren Einkommen nichts. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das stimmt doch nicht!) Sie bringt ein­fach für die Bezieher der unteren Einkommen nichts! Sie haben doch den Menschen


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zuerst einmal Geld weggenommen, und jetzt versuchen Sie eine Steuerreform, die den Menschen helfen soll, Steuern zu sparen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Steuerreform stärkt nicht die Kaufkraft der Menschen, die Steuerreform wird auf Kosten der Arbeitnehmer und der Pensionisten finanziert, und davon profitieren werden vom Grundsatz her die Großen! Darauf wurde schon verwiesen.

Sie haben während Ihrer Regierungszeit erreicht, dass wir in Österreich die höchste Abgabenquote in ganz Europa haben. Sie haben zuerst die Österreicherinnen und Ös­terreicher belastet und eine Umverteilungspolitik zu Gunsten Ihrer Klientel gemacht.

In dieses Bild passt vom Prinzip her sehr gut hinein, dass jetzt der Diesel für die Bau­ern weniger besteuert werden soll – nämlich im Jahr 2005 –, alle anderen Österreiche­rinnen und Österreicher wurden im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes 2003 mit einer höheren Mineralölsteuer belastet. (Zwischenruf des Bundesrates Fasching.) So schaut das aus. Ihre Klientel wird entlastet, und die anderen werden belastet. So ist Ihre Steu­erpolitik, so funktioniert das! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Giesinger: Das stimmt ja gar nicht!)

Das bedeutet für die Mehrheit der Bevölkerung Belastung und Entlastung für einige wenige.

Tatsache und unbestritten ist, dass viel Geld – das ist so! – von der Industriellenver­einigung an die Vereine im Umfeld unseres Herrn Finanzministers geflossen ist. Ich möchte Sie nur daran erinnern, er hat die teuerste Homepage der Welt; darauf kann er sehr stolz sein. Durch diese so genannte Steuerreform fließt nun das Geld zurück. – Es ist aber das Geld der Österreicherinnen und Österreicher, es kommt aus der Staats­kasse! Das Geld fließt an jene Betriebe zurück, die vorher den Herrn Finanzminister und seine Vereine entsprechend subventioniert haben.

Die „Presse“ hat schon jubiliert, dass Österreich zum Konzern-Steuerparadies wird. Die „Presse“ hat das durchaus positiv gemeint, sie wollte damit nicht uns unterstützen. – Tatsächlich wird es so sein, dass Österreich ein Konzern-Steuerparadies wird. (Staats­sekretär Dr. Finz lacht.) Ja, ja, Sie lachen.

Dazu passt eine gute Bemerkung des ÖAAB-Generalsekretärs Werner Amon: Die ÖVP erweckt oft den Eindruck, dass es Freude macht, den Menschen etwas wegzunehmen. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) Das hat er gesagt. Es macht Ihnen Freude, Menschen etwas wegzunehmen. Die Rechnung dafür werden Sie bei den Wahlen präsentiert bekommen. Ich habe Ihnen das hier nicht erst einmal prophezeit, schon vor der Salzburger Landtagswahl habe ich Ihnen sehr deutlich gesagt, dass Sie die Rechnung dafür präsentiert bekommen werden. – Und Sie haben sie bekommen! Das ist einfach Tatsache, Faktum, das ist so.

Sie machen die so genannte Steuerreform nicht nur auf Kosten der Mehrheit der Steuerzahler, sondern auch auf Kosten der Länder und Gemeinden. Der Bund gibt den Ländern weniger Geld, und die Länder geben den Gemeinden dann weniger Geld. (Ruf bei der ÖVP: Was?) Die Länder geben das weiter, ganz einfach. Es ist einfach so. Sie machen diese Steuerreform auf Kosten der Länder und Gemeinden. (Zwischenbemer­kung von Staatssekretär Dr. Finz.) Es ist einfach so.

Tatsache ist, dass die Gemeinden finanziell ausgehungert werden und ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können. Die Gemeinden und Städte stehen im Prinzip mit dem Rücken zur Wand. Ich nenne jetzt als Beispiel nicht Wien, sondern die Stadt Salzburg. Die Stadt Salzburg hat zum Beispiel durch die so genannte Steuerreform ein Minus von 8,5 Millionen € zu verkraften. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Staatssekre­tär Dr. Finz.)


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Herr Staatssekretär! Sie sind Staatssekretär im österreichischen Finanzministerium, und ich rede nicht im Deutschen Bundestag oder im Deutschen Bundesrat – ich spre­che hier zu Ihnen! Und ich will nicht vergleichen, sondern ich sage Ihnen: Tatsache ist, dass die Stadt Salzburg durch die Steuerreform 8,5 Millionen € verliert. Das ist Faktum, und das haben Sie zu verantworten! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Staatssekretär! Sie wissen aber auch, dass 70 Prozent der Investitionen durch die Städte und Gemeinden und nicht durch den Bund erfolgen. Nur 30 Prozent erfolgen durch den Bund. 70 Prozent der Investitionen erfolgen durch Städte und Gemeinden! Und genau diese Städte und Gemeinden sind es, die dann diese Betriebe, die nicht von der Steuerreform profitieren, nämlich die Klein- und Mittelbetriebe, beschäftigen, die im Prinzip auch die Arbeitsplätze schaffen. Wenn Sie den Gemeinden das Geld wegnehmen, den Städten das Geld wegnehmen, dann können diese Investitionen nicht mehr durchgeführt werden, und somit ist klar, dass diese Betriebe auch nicht florieren.

Das heißt: Diese Steuerreform bringt vom Grundsatz her nur den Großen etwas, nicht aber den Kleinen!

Instabilitätsminister Grasser macht die Gemeinden und Länder zu Draufzahlern. Diese Steuerreform ist in ihrem Ausmaß ungerecht und kommt zur falschen Zeit. Minister Grasser und die Bundesregierung haben jedes Augenmaß in Bezug auf Belastungen verloren.

Herr Staatssekretär! Sie verstehe ich angesichts dessen am allerwenigsten. Sie sind doch auch Chef der Wiener ÖVP, und ich gehe davon aus, dass Sie bei den nächsten Wahlen in Wien antreten werden, um wieder mitregieren zu können. Nur: Wenn Sie den Städten und Gemeinden Geld wegnehmen, werden Sie kein Geld mehr zum Mit­regieren haben! So ist das, ganz einfach. Daher verstehe ich Sie nicht.

Ich nehme nicht an, dass Sie gewählt werden, aber sollten Sie gewählt werden, den­ken Sie daran: Die Städte und Gemeinden brauchen Geld, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.35

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte.

 


15.36

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Präsidentin! Werter Herr Staatssekretär! Werte Kollegen des Bundesrates! Ich denke, ich beginne wieder von vorne und zähle wieder alle Vorteile dieser Steuerreform auf. Wie ein buddhisti­scher Mönch muss man das bei euch machen, damit es wirklich einmal verstanden wird.

Es ist an der Zeit, einmal Folgendes zu sagen: Es ist das die beste Steuerreform, die es je gegeben hat. 3 Milliarden € werden auf Grund dieser Steuerreform den Bürgern vergütet.

Es wird ja eine Philosophie verfolgt: Die Erhöhung der Kaufkraft soll gesichert werden, ebenso eine Entlastung der Familien, eine Stärkung des Wirtschaftswachstums, eine Verbesserung der Einkommen und des Arbeitsstandortes, eine Erhöhung der Eigen­kapitalquote. Und daher ist es einfach nicht angebracht, solch eine Reform immer nur schlecht zu machen.

Wir wissen, die Länder und Gemeinden leisten ihren Beitrag zu dieser Steuerreform. In den Ländern, Städten und auch in den Gemeinden sind aber Einsparungen möglich,


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indem nämlich die Zusammenarbeit über Gemeindeebene hinaus erfolgt. Ich denke, diesbezüglich sind wir uns alle einig.

Es wird immer nur von der KöSt gesprochen, davon, dass nur die Wirtschaft begünstigt wird. – Dem muss ich widersprechen. Vom Kinderzuschlag bis zum Alleinverdie­nerabsetzbetrag zum Beispiel profitieren 900 000 Alleinverdiener, davon wiederum 100 000 Alleinerzieher. Ich denke, das ist schon ein Großteil der Kleinstverdienenden in Österreich.

Weiters wurde die Zuverdienstgrenze für den Alleinverdienerabsetzbetrag von 4 400 € auf 6 000 € angehoben. Wem gereicht das zum Vorteil? – Den Frauen, die in Teilzeit arbeiten. Das ist meiner Meinung nach auch etwas, was man befürworten muss.

Für Wien ist die Pendlerpauschale vielleicht ein Problem, aber bei uns in Oberöster­reich gibt es sehr viele, die nach Salzburg oder Linz auspendeln müssen, und für diese ist die 15-prozentige Erhöhung der Pendlerpauschale schon ein großer Vorteil.

Das ist, bitte, alles zu berücksichtigen. Aber das Wichtigste ist, die Steuerreform nicht ständig zu kritisieren, denn wir müssen Arbeitsplätze in Österreich schaffen, und dafür ist sicher die Senkung der Körperschaftsteuer wichtig.

Zur Negativsteuer muss man Folgendes sagen: Es wird immer kritisiert, die Negativ­steuer habe keine Erhöhung erfahren. – Es ist eine 50-prozentige Erhöhung der Nega­tivsteuer vollzogen worden, nämlich von 60 Millionen € auf 95 Millionen €. Nur: Wer keine Steuer bezahlt, kann auch keine Steuerrückvergütung erhalten! Das, meine Damen und Herren, ist schon auch ein wesentlicher Punkt, der zu beachten ist.

Wieso wird Österreich auf einmal unter den Top drei der Wirtschaftsstandorte in Euro­pa gehandelt? – Dass Österreich in Bezug auf den Wirtschaftsstandort so weit nach vorne gerückt ist, ist ein Verdienst dieser Regierung (Bundesrat Schennach: Nein! Das ist schon länger! Nicht übertreiben, Herr Kollege!), aber sicherlich ein Verdienst der Steuerreform.

Dass 800 Betriebe aus Bayern versuchen, sich in Österreich anzusiedeln, was schon den bayerischen Ministerpräsidenten, zu dem wir immer eine gute Beziehung gehabt haben, beinahe verstimmt, ist eine Sache, aber mich würde schon interessieren, was die Deutschen in diesem Zusammenhang zu tun gedenken. Ich glaube, die sind schon längst in Zugzwang gekommen. Sie haben Angst um ihre Arbeitsplätze, weil Betriebe eher in den Osten abwandern als in Deutschland Fuß zu fassen.

Ich glaube, da wäre es endlich einmal an der Zeit, auch in dieser Hinsicht Reformen zu machen. Es ist gut, wenn die Arbeitnehmer ein gutes Einkommen haben. Aber wenn sie keine Arbeitsplätze mehr haben, dann ist der Staat verantwortlich, um ihnen das Arbeitslosengeld entsprechend zu finanzieren. Wir wollen alle nicht, dass unsere Leute auf der Straße stehen.

Zitat aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: Diese Steuerreform ist ein großer Wurf. – Dem muss ich zustimmen.

Und: Es geht keiner als Verlierer aus dieser Steuerreform hervor. – Das sagt niemand Geringerer als Helmut Kramer.

Vielleicht blicken wir noch einmal zurück in die siebziger und achtziger Jahre, nämlich zur Voest. Die Voest war ja ein ständig verschuldeter Betrieb und ist erst in den letzten Jahren zu einem Gewinn bringenden Unternehmen geworden. Was ist geschehen, als Oberösterreich Landtagswahlen hatte? – Die SPÖ hat den Verkauf der Voest-Aktien entsprechend propagiert, um im Hintergrund selber die Mehrheitsanteile der VA-Tech schön langsam an einen Ausländer zu verkaufen. Und was ist dann geschehen? – Dann demonstrieren die Sozialisten gegen die eigenen Leute und legen es so aus, als


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ob es die ÖVP gewesen wäre, die dem VA-Tech-Aktienverkauf zugestimmt hat. (Bun­desrat Gruber: Herr Kollege! Keine Schauermärchen!) Wer ist beim Verkauf dabei ge­wesen? – Oberchristl und Sulzenbacher; es ist mir neu, dass die der ÖVP angehören, meine Herren dort drüben! (Bundesrat Gruber: Keine Schauermärchen! – Bundesrat Schennach: Aber das ist noch keine Mehrheit, oder?)

Vielleicht sollte ich das noch einmal unterstreichen: Die SPÖ lehnt Steuerfreiheit für zusätzlich 350 000 Österreicher ab, Steuersenkung für 3,67 Millionen Arbeitnehmer besonders mit kleinen und mittleren Einkommen, Steuersenkung für 2,7 Millionen Pen­sionisten, Steuersenkung für 200 000 Selbstständige, Anhebung der Pendlerpauschale für 680 000 Pendler, Anhebung der Zuverdienstgrenze für 900 000 Alleinverdiener, An­hebung der Kinderzuschläge für Alleinverdiener und Alleinerzieher, Senkung der KöSt. Da wundert es also ... (Bundesrat Schennach: Biodiesel!) Biodiesel, genau, Agrar­diesel für 130 000 Bauern! (Bundesrat Schennach: Höhere Absetzbarkeit der Kirchen­steuer!)

Aber was mich wundert, ist: Wieso splittert sich der Spitzenkandidat Hans-Peter Martin von der SPÖ ab? – Ich glaube, wer unter Zugzwang ist, ist die SPÖ! Man sieht, es sind die Spitzenkandidaten, die mit ihrer Partei nicht mehr zufrieden sind. Ich glaube, da ist Handlungsbedarf, ich denke, das Wählerpotenzial der Sozialisten wird jetzt zu Hans-Peter Martin wandern, und darum habt ihr solche Sorgen um die ÖVP! (Widerspruch bei der SPÖ.) Man muss also einmal vor der eigenen Tür kehren. (Bundesrat Koneny: Kommen zum Ausgleich Sie zu uns?) Also ich wünsche Ihnen bei der Europawahl sehr viel Erfolg! (Bundesrat Konecny: Danke!) Aber wahrscheinlich wird seitens der SPÖ Hans-Peter Martin als Sieger hervorgehen, er ist derjenige, der mit dieser Partei nicht mehr zufrieden ist. (Bundesrat Gruber: Ja, ja!) Es sind sehr viele, die mit Ihnen nicht mehr zufrieden sind. Ich gratuliere Ihnen dazu, dass Sie das mit dieser Oppo­sitionsarbeit erreicht haben. Herzlichen Glückwunsch!

Somit stimmen wir der Steuerreform zu. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

15.43

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet: Herr Bundesrat Stadler. – Bitte.

 


15.43

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staatssek­retär! Kollege Tiefnig, hoffentlich glaubst du das alles selber nicht, was du jetzt gesagt hast. Ich sage es dir als Innviertler ganz ehrlich. (Beifall bei der SPÖ.) Wir sagen immer, die Innviertler sind gestandene Leute und sie reden heraus, wie sie es im Bauch drinnen haben. Genauso sage ich aber, hoffentlich hast du das nicht im Bauch drinnen und, wie gesagt, hoffentlich glaubst du es selber nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber ich muss schon ein paar Punkte ansprechen, die du genannt hast, Ferdinand (Bundesrat Fasching: ... das war mehr als unter der Gürtellinie!), und zwar den Voest-Verkauf. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich glaube, du weißt genau, der Voest-Verkauf gehört jetzt zwar nicht hierher, aber du hast ihn angesprochen. Bitte informiere dich einmal bei den Landtagskollegen, die werden dich darüber aufklären. Wenn man dich so reden hört ... (Ruf bei der ÖVP: Reden Sie keinen Blödsinn daher! – Bundesrat Ko­necny: Kollege, das ist ein Blödsinn? Mäßigen Sie sich! – Weitere Zwischenrufe.) Herr Kollege, macht es etwas aus, wenn ich antworte? (Rufe und Gegenrufe zwischen ÖVP und SPÖ.) Sind Sie fertig, Herr Kollege?

Kollege Tiefnig, wenn man dich so reden hört: Ich glaube, ihr alle – und auch du – hört nicht die Zurufe der eigenen Partei, wenn man sich das anschaut. Ich bin gerne bereit, dir eine Sammlung zu übergeben, wenn das an dir vorbeigegangen ist. Dann kannst du


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es lesen, und du wirst sehen, dass nicht nur von der Opposition, sondern auch aus den eigenen Reihen Kritik an dieser Steuerreform kommt.

Damit möchte ich wirklich zur Steuerreform kommen und eine Gruppe ansprechen, die auch du angesprochen hast. Du hast in deinem Bezirk sicherlich genauso viele Pendler wie wir im Bezirk Schärding, darum ist es mir ein besonderes Anliegen – auch Kollege Weilharter hat das angesprochen –, wie die Pendler durch diese Steuerreform entlastet werden. Da möchte ich euch sagen, dass das eben nicht so ist und dass es anders ausschaut! Es wurde zwar, wie gesagt, die Pendlerpauschale um 15 Prozent ange­hoben (Bundesrat Ing. Kampl: Sehr erfreulich!) – sehr erfreulich –, in absoluten Zahlen macht das 20 Millionen € aus. Jetzt möchte ich euch sagen: Ein Vielfaches davon ist gerade den Pendlern in den letzten Jahren schon abgeknöpft worden! Darum ist diese Anhebung der Pendlerpauschale um 15 Prozent wirklich nur „Peanuts“.

Ich möchte aber sagen, wie das genau ist, wenn man es sich anschaut – nur zur Erin­nerung für die Damen und Herren von der Regierungsfraktion, Herr Staatssekretär! Die Erhöhung der Versicherungssteuer hat bisher mit 380 Millionen € zu Buche geschla­gen, die Verteuerung der Autobahnvignette mit 180 Millionen €, und zu guter Letzt wurde die Mineralölsteuer in zwei Tranchen um insgesamt 20 Prozent angehoben. Wenn man das gegenüberstellt, dann kann sich, glaube ich, jeder ein Bild machen, wie da die Entlastung ausschaut. Allein gegenüber dem Vorjahr hat sich der Betrieb von privaten Verkehrsmitteln um 2,4 Prozent verteuert. Darunter fallen: Instandhaltung und Reparatur: plus 4 Prozent, Kraftstoffe und Schmiermittel: plus 2 Prozent, und erstmals seit Jahresbeginn lagen im April die Preise für Superbenzin plus 2 Prozent, für Normal­benzin plus 3 Prozent und für Diesel plus 1 Prozent über dem Vorjahresniveau. Folgt man den Pressemeldungen der letzten Tage, dann sieht man, es sind die Treibstoff­preise noch nicht ganz oben angelangt, sondern es ist zu erwarten, dass sie noch weiter steigen werden.

Die Realität ist daher die, dass die Erhöhung der Pendlerpauschale um 15 Prozent wirklich nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, aber kein Ausgleich für die Belastun­gen der letzten Jahre, Herr Staatssekretär, für die Sie auch verantwortlich sind. Allein schon daran kann man sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungs­fraktionen, was Ihnen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land wert sind. (Bundesrat Fasching: Ihr seid dagegen und sagt, das ist zu wenig ...!) Diese Steuerreform ist für unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirklich nur eine Liste an Enttäuschungen. Die Reform ist kein großer Wurf – wie Sie alle heute schon ein paar Mal bemerkt haben –, sondern sie ist für die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer, für die kleinen Betriebe, für viele Pendler ein Schlag ins Gesicht! (Ironische Heiterkeit des Bundesrates Fasching.)

Ich habe schon die Treibstoffpreise angesprochen und möchte noch etwas dazu sagen, wie sich die Spritpreise zusammensetzen. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ja, Sie wissen immer alles; alles wissen Sie, aber dann machen Sie immer das andere! – Wenn man sich den Spritpreis anschaut, sieht man, dass er aus drei Komponenten besteht. Die erste ist der Nettopreis ohne Steuern, dieser Betrag ist der Produktpreis und besteht aus sämtlichen Nebenkosten wie zum Beispiel jenen für Vertrieb und Tankstellenbetrieb. Der Nettopreis ist deutlich höher als im EU-Durch­schnitt – diesbezüglich wird jede Woche ein Vergleich angestellt –, und der Gewinner ist dabei die Mineralölindustrie. Die zweite Komponente ... (Zwischenruf des Bundes­rates Mag. Himmer.) Herr Kollege, die zweite Komponente ist die Mineralölsteuer und die dritte ist die Mehrwertsteuer. (Bundesrat Dr. Kühnel: Was hat das mit der Steuer­reform zu tun?)

Wenn man sich das beim Superbenzin anschaut, das am 7. Mai an der Tankstelle einen Bruttopreis von 1,059 € gehabt hat: Es hat einen Nettopreis von 0,465 €, und


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alles andere sind Steuern. Als zweites Beispiel: Beim Diesel beträgt der Bruttopreis an der Tankstelle 0,899 €, im Nettopreis kostet er 0,447 €, und alles andere sind Steuern. (Bundesrat Dr. Kühnel: Was hat das mit der Steuerreform zu tun? Wir reden von der Steuerreform!) Ich habe ja gesagt, das hat Auswirkungen! Wir reden von den Belastun­gen und Entlastungen der Pendler, damit hat sicher auch die Steuerreform etwas zu tun.

Gerade Herr Wirtschaftsminister Bartenstein, der ja in den eigenen Reihen unter Kritik steht und von ÖAAB-Geschäftsführer Robotka aus Salzburg schon aufgefordert wor­den ist zurückzutreten, hat es bis jetzt verabsäumt, in einem Benzinpreis-Gipfel Maß­nahmen zu setzen, dass die Pendlerinnen und Pendler, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlastet werden und dass die Treibstoffpreise nicht in die Höhe gehen, sondern reguliert werden. (Bundesrat Ing. Kampl: In Kärnten ist es billiger gewor­den!) – Das nur kurz zum Thema Pendler.

Darum: Zeigen Sie ein Herz, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unterstützen Sie unsere Arbeitnehmerinnen und unsere Arbeitnehmer, die kleinen Betriebe, die Bauern, und lehnen Sie diese Steuerreform ab! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Dr. Kühnel: ... hinüber nach Bayern und studieren Sie dort die Treibstoff­preise!)

15.50

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet: Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte.

 


15.51

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsident! Herr Staatssekre­tär! (Die Rednerin versucht, das Pult einzustellen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich drücke ohnehin schon auf den Knopf. Es war zu langsam.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist heute schon sehr viel gesprochen worden, aber sehr wenig zur Sache. (Beifall bei der ÖVP.) Wir sind heute schon sehr liebenswürdig miteinander umgegangen. Ich habe mir das eigentlich anders vorgestellt, wie eine Diskussion im Bundesrat abläuft. Ich sehe, dass es hier nicht so sehr darum geht, wirklich Fakten auszutauschen, sondern darum, dass man ein Muskelspiel als sportliche Übung hat. Gut, damit werden wir uns abfinden müssen.

Ich habe heute den Kaktus, den der Herr Staatssekretär bekommen hat, sehr bewun­dert. Wir alle wissen, dass ein Kaktus irrsinnig lange braucht, damit er wächst, und ich habe mir gedacht (Bundesrat Konecny: Ja, das braucht die ÖVP auch!): Dieser muss noch von Edlinger sein, da ist die Saat gelegt worden. Denn in unserer Zeit kann sich ein Kaktus nicht entwickeln, weil wir andere Präferenzen setzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber ich glaube, dass man ganz einfach sagen muss: Nobody is perfect. Es gibt über­haupt kein System, das für alle gleich gut ist. Ich bin auch gefragt worden, was Stand­ortsicherung heißt. Für mich als Vertreterin der Wirtschaft heißt Standortsicherung, dass ich mit meinem Betrieb ganz einfach am Standort bleiben kann, dass ich wettbe­werbsfähig bin, dass ich Aufträge bekomme, dass ich Kunden habe und dass ich damit ganz einfach auch meine Arbeitsplätze sichern kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mich in der Wirtschaft ist es so, dass wir alle in einem Boot sitzen, Unternehmer und Mitarbeiter. Nur dann, wenn das funktio­niert, gehen auch unsere Betriebe gut. Ich weiß nicht, was hier für eine Ansicht vor­herrscht. Vielleicht sind Sie schon so weit von der Praxis entfernt, dass Sie gar nicht mehr wissen, wie das in der Praxis funktioniert. Aber ich muss sagen, ich weiß ganz genau, wie wichtig es ist, gut qualifizierte Mitarbeiter zu haben, sonst nützt das bei uns gar nichts! (Beifall bei der ÖVP.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist in der Wirtschaft nun einmal so, dass es große Betriebe, kleinere und mittlere Betriebe gibt. Wir brauchen alle, wir sind wie verbundene Gefäße! Genauso wie bei Unternehmern und Mitarbeitern ist es auch bei Groß und Klein. Deshalb gibt es kein Konzept, das für alle gleich gut ist. Deshalb brau­chen wir eine KöSt-Senkung, deshalb haben wir ein Konzept des nicht entnommenen Gewinns.

Ich freue mich sehr, dass hier immer wieder herauskommt, dass man sagt: Mein Gott, wir haben so viele kleine Betriebe, wer kümmert sich um die? – Ich kann Ihnen sagen, wer sich darum kümmert: Wir! (Bundesrat Todt: Sie, ja!) Ich habe ein Herz für die kleinen Betriebe, und ich habe auch Konzepte eingebracht. Der Herr Staatssekretär weiß ganz genau, dass das Konzept des nicht entnommenen Gewinns von der Wirt­schaftskammer Niederösterreich stammt. Das haben wir eingebracht, und das ist ein Konzept – nicht so, wie ich heute gehört habe, dass das nicht in Österreich bleibt. Ich frage mich: Wo soll denn das sonst sein? – Nicht entnommener Gewinn heißt: die Hal­bierung des Steuersatzes bis 100 000 €, dass der Gewinn für Investitionen im Betrieb bleibt – das finde ich etwas ganz Wesentliches –, und wenn ich den Gewinn heraus­nehme, dann muss ich dafür Steuer zahlen. Also, bitte, so schaut es in der Praxis aus! (Beifall bei der ÖVP.)

Dass ich die Zahlen nicht vergesse, Herr Schennach: 332 000 Mitglieder haben wir, davon sind 20 Prozent GesmbHs, 0,6 Prozent Aktiengesellschaften; 80 Prozent sind einkommensteuerpflichtig, und von den 80 Prozent sind 30 Prozent Einnahmen-Ausga­ben-Rechner. Hier werde ich heute auch meine Chance nützen, um dem Herrn Staats­sekretär etwas mitzugeben. Da ich „Nobody is perfect“ gesagt habe: Es ist natürlich immer etwas zu verbessern, und da denke ich daran, dass man bei Einnahmen-Ausga­ben-Rechnern vielleicht einen Verlustvortrag machen kann und nicht nur in den ersten drei Jahren einen Anlaufverlust abschreiben kann oder dass es vielleicht doch möglich ist, dass die Einnahmen-Ausgaben-Rechner auch in das Konzept des nicht entnomme­nen Gewinns hineinkommen.

Jetzt haben wir aber in Österreich 47 Prozent, die keinen Gewinn machen, und die haben nichts von einer Steuererleichterung. Aber auch für die, Herr Kollege Schim­böck, haben wir etwas gemacht, und zwar Folgendes: Denen nützt, damit sie ihre Eigenkapitalstruktur vielleicht doch verbessern können oder überhaupt zu einem Ge­winn kommen, eine Verwaltungsvereinfachung. Hier haben wir jetzt darauf geachtet, dass es ein Pauschalierungsmodell gibt. Die Pauschalierung wird derzeit in Österreich nicht sensationell gut angenommen, es sind insgesamt nur 6 000 Betriebe. Hier liegt jetzt ein Pauschalierungsmodell auf dem Tisch, das den kleinen Betrieben hilft.

Wir haben noch etwas gemacht, weil es ganz einfach wesentlich ist, jemandem zu hel­fen und zu sagen: Wie komme ich denn in die Gewinnzone? – Wir haben einen Finanz­check eingeführt, wir haben den Betrieben ein bisschen den Spiegel vorgehalten. Ich komme aus einem kleinen Betrieb und weiß, welche Fehler man macht; ich weiß auch, welche Möglichkeiten es gibt, sich zu verbessern. Wir alle sind großartige Fachleute, wir sind großartige Handwerker, und meistens hapert es in den kleinen Betrieben dar­an, dass man auf der kaufmännischen Seite nicht so gut ist.

Jetzt sagen wir: Was kann man machen, dass man das verbessert? – Wir machen sehr viel für die Betriebe. Ich muss ehrlich sagen, ich freue mich darüber, dass wir jetzt die KöSt-Senkung haben. Ganz einfach, ich komme aus Niederösterreich, wir haben 414 Kilometer Außengrenze zu unseren neuen Mitgliedstaaten. Was haben die Be­triebe bei uns für eine Angst gehabt, dass unsere großen Betriebe abwandern! Wir brauchen Leitbetriebe, weil wir in den kleinen Betriebe ja zuarbeiten, und wir hatten Angst davor, dass sie auf Grund der besseren oder günstigeren Bedingungen in die Erweiterungsländer abwandern.


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Was haben wir jetzt gesehen? – Dadurch sind die Betriebe da, Herr Kollege Tiefnig hat das schon gesagt. Bayern hat uns sozusagen mit einem Bannstrahl belegt, weil sehr viele Betriebe aus Bayern gerne nach Österreich abgewandert wären. Aber dadurch, dass die Industriebetriebe jetzt in Österreich bleiben, sind hier die Arbeitsplätze gesi­chert und werden hier die Arbeitsplätze noch ausgebaut. So muss man das sehen. Es gibt eben kein Konzept, das für alle gleich gut ist. Du kannst nicht jemanden, der einen 36er hat, mit einer 42er beglücken oder umgekehrt, das ist nun einmal so im Leben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bitte sehen Sie nicht alles schwarz! Ich glaube nicht, dass hier irgendjemand sitzt, der sagt: Alles, was wir machen, ist gut. (Bundesrat Boden: Alles schwarz wäre ...!) Aber man muss einmal sehen, dass hier Schritte gesetzt worden sind, die wirklich für die Betriebe sind und nicht, bitte, für die Unternehmer. Ich sage bewusst „Betriebe“, denn wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es uns allen gut. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Weilharter.)

Ich denke auch an die Orts- und Stadtbelebungen. Es ist ganz wichtig, dass wir da Be­triebe haben, damit wir unsere Arbeitsplätze, Ausbildung et cetera garantieren können. Machen Sie bitte wirklich Vorschläge! Ich muss sagen, als Kammervertreterin tut es mir sehr weh, wenn ich von Ihnen, Herr Schimböck, immer nur ganz düstere Szenarien höre. Ich weiß, ich habe Ihnen das schon einmal gesagt: Hätte ich Sie früher kennen gelernt, hätte ich mein Geschäft zugesperrt und wäre vielleicht gar nicht selbstständig geworden. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Aber ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn ich einmal ein Konzept „Copyright bei Schimböck“ finden würde, irgendetwas! Ich sage Ihnen, mir in der Wirtschaftskammer – Sie wissen das, wenn Sie mitarbeiten – ist das so Wurscht: Wenn jemand eine gute Idee hat, dann werden wir sie umsetzen! Wir in der Wirtschaft sind Wettbewerb gewohnt, wir müssen uns tagtäglich dem Wettbewerb stellen.

Ich glaube, dass heute vielleicht auch der Redebeitrag von Herrn Schennach in diese Richtung zu verstehen war. Mir ist dann eingefallen, Sie sind normalerweise gar nicht so kritisch, ich empfinde es zumindest nie so. Aber ich weiß, dass bei der Kammer­wahl – die ist ja nächstes Jahr im März – das erste Mal die grüne Liste antritt. (Bundes­rat Schennach: Nein, die gibt es schon!) Ich weiß, ich habe auch schon den Vertreter der grünen Liste zu einem Gespräch eingeladen (Bundesrat Schennach: Haben Sie schon gewählt?), weil – ich glaube, auch du, Elisabeth, weißt das – wir überhaupt keine Berührungsängste haben. Wir laden alle ein, wir stellen unsere Konzepte vor und freuen uns, wenn wir auch von Ihnen Vorschläge bekommen.

Das Wesentliche ist: Wenn man kritisiert, muss man auch wissen, wie man es besser macht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das habe ich heute von Ihnen ver­misst! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

16.00

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desrat Wiesenegg. – Bitte. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

 


16.00

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Jetzt musst du aufpassen, Herr General! (Bundesrat Dr. Kühnel: Jetzt werden wir die Vorschläge hören!) Die wirst du hören! Du wirst grausam lachen ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Jetzt kommen die eingeforderten Vor­schläge!) Bitte, lassen Sie mich, Herr General – denn ich bin ein alter Militarist, genau­so wie Sie! –, zuerst die Formel aussprechen!

Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich sehe prinzipiell nicht schwarz, weil ich tagtäglich mit diesen Kolleginnen und Kollegen zu tun habe. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Ich konzediere daher natürlich allen politischen Kräften und ganz besonders den


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Verantwortlichen in der Politik, dass sie das Beste für unsere Bevölkerung wollen und das auch tun – auch Sie, meine geschätzte Damen und Herren von der ÖVP und den Freiheitlichen!

Was jedoch im Bereich der Steuerreform und in weiterer Folge im Gesamtbezug und bei sachlicher Betrachtung der Familien- und Kinderzuschläge – und jetzt kommen die Vorschläge – umgesetzt werden soll, geschätzte Damen und Herren, ist schlichtweg nicht nur ein Affront gegenüber den allein verdienenden Müttern, sondern auch, wie ich glaube, und Sie werden es merken, ein falsches politisches Signal: Von den groß ge­rühmten gestaffelten Kinderzuschlägen zum Alleinverdiener-Absetzbetrag profitieren nämlich in erster Linie – und das wissen Sie besser als ich – sehr gut verdienende Alleinverdiener mit drei oder mit mehreren Kindern. Familien mit zwei Kleinverdienern – und wir können Ihnen das vorrechnen –, die definitionsgemäß den Alleinverdiener-Absetzbetrag nicht in Anspruch nehmen können, gehen hingegen leer aus.

Jetzt hören Sie gut zu! Für über 800 000 Doppelverdiener mit einem Betrag, der nicht höher sein darf als 1 500 € – und für mich ist entscheidend, dass 800 000 Kinder in Familien leben, in welchen beide Eltern arbeiten müssen –, bringt diese Reform über­haupt nichts. Es gehen aber vor allem auch jene Tausende allein verdienende Mütter mit mehreren Kindern de facto leer aus, die ein Durchschnittseinkommen aktiv be­schäftigter Frauen in der Höhe von 1 040 € im Monat oder noch weniger verdienen. Kollegin Fröhlich wird wissen, was bei uns durchschnittlich bezahlt wird. Diese Frauen verdienen damit schlichtweg zu wenig, um Steuern zu zahlen, und können daher auch nicht von der Tarifsenkung profitieren.

Sie sagen: Wer keine Steuern zahlt, soll auch keinen Rückgewinn daraus erzielen. So­mit profitieren die Erwähnten aus den Tarifsenkungen nicht, und für sie besteht – und jetzt hören Sie auch gut zu! – die größte Entlastung aller Zeiten darin, dass die Regie­rung 10 € im Monat für das erste und 15 € im Monat für das zweite Kind übrig hat! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses, das ist zynisch und ungerecht, meine Damen von den Regierungsparteien, und man sollte sich das wirklich nochmals überlegen!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundes­rates! Ein weiteres Highlight – und in diesem Zusammenhang weiß ich mit Sicherheit, wovon ich spreche – ist: Diese gesamte Steuerreform bewirkt, neben dem hohen Beitrag, den wir Großgemeinden und Städte zum Stabilisierungspakt und zu dieser Steuerreform geleistet haben, dass die Investitionskraft der Gemeinden und der Städte ausgehöhlt und der Spielraum einfach genommen wird. Das ist eine lauwarme Ange­legenheit. Das sage nicht ich allein. Ich zitiere dazu eine Steuerexpertin der Volkspartei im „Format“ vom 14. Mai 2004: „Groß ist noch lange nicht großartig.“ – Ich denke auch, dass keine Anreize für Leistung und Investitionsfreudigkeit gegeben werden.

Meine Damen und Herren! Nun zu meinem Lieblingsthema, zu den Gemeinden: Mich wundert, dass gerade von Seiten der ÖVP kein Aufschrei durch das Land geht, wenn ihre dominierenden Gemeinden auf Grund unlogischer Politik finanzielle Einbußen erleiden beziehungsweise in den nächsten Jahre keine Steigerungsstufen zu erwarten haben, auch wenn gesagt wird: Die Konjunktur zieht an! – Das hoffen wird alle.

Wenn die inhaltliche Aussage der Beilage 451 der Regierungsvorlage stimmt – und ich habe keine Zweifel daran –, dann werden unsere Gemeinden in den kommenden Jah­ren, wie heute mehrmals angekündigt wurde, sehr wohl mehr Aufgaben erhalten. Wir haben bereits einige Aufgaben erhalten, überhaupt die Statutarstädte, jedoch weniger Geld, und wir mussten dem Bürger sogar sagen, dass weniger Infrastrukturmaßnah­men umgesetzt werden können.


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Ich zitiere jetzt nicht Bürgermeister oder politisch Verantwortliche meiner Fraktion, son­dern ich zitiere hier Kollegen von der ÖVP, die ganz besonders meinen, dass die Ertragsanteile in den letzten Jahren von 62 Prozent auf 64 angestiegen sind. 18,1 Pro­zent minus auf ... (Zwischenruf des Staatssekretärs Dr. Finz.) Ich sage nur: Das ist der Anteil bei den Gemeinden, mit dem wir zu leben haben. Daher noch einmal Der 19,2-Prozent-Anteil der Länder ist auf 18,5 Prozent gesunken. Wir Bürgermeister – und das dürfen Sie auch mit auf den Weg nehmen, Herr Staatssekretär – sind nicht die Polterer, sondern wir fordern nur das, was uns zusteht, und das, was in diesem Pakt ausgehandelt ist, führt jetzt zu einer Verschlechterung für die Gemeinden und Städte.

Sie vergessen dabei offenbar ganz – und das hat heute niemand hier in diesem Hohen Hause erzählt –, dass auch die Transferzahlungen davon abhängig sind. Diese Trans­ferzahlungen belasten uns als Gemeinden und Städte, und gerade die Größeren um ein Vielfaches mehr durch diese Steuerreform.

Ich darf Ihnen noch etwas mit auf den Weg geben, das auch nicht aus meinem Munde stammt: Der Geschäftsführer der Landesgruppe Tirol des österreichischen Städtebun­des erklärt, dass dem Land allein durch diese Steuerreform 45 Millionen Euro fehlen. Daher wird es problematisch. In diesem Zusammenhang möchte ich in diesem Hohen Hause auch darauf verweisen, dass ich Herrn Minister Pröll bereits zum zweiten Mal per Antrag und per Anfrage gebeten haben, uns Tirolern beziehungsweise meiner Ge­meinde finanzielle Hochwasserunterstützung zuzusagen. – Er hat in diesem Hause festgehalten – und ich bitte die Kollegin von der Österreichischen Volkspartei, das mit zu tragen! –, dass für 2004 die Zurverfügungstellung von Mitteln für ein ganz wichtiges, überregionales Projekt notwendig ist. Ich höre aber jetzt von den Beamten der Wasser­wirtschaft, dass dem nicht der Fall ist. – Diese Politik ist also, meine geschätzten Damen und Herren, nach meinem Dafürhalten einfach unglaubwürdig und stellt auch die Qualität der Steuerreform in Abrede.

Geschätzte Damen und Herren! Wenn im Bereich der Feuerwehren sehr positive Signale gesetzt worden sind, dann bitte ich, im selben Atemzug nicht die Mittel für die Katastrophenvorsorge, die für die Bundesländer Vorarlberg, Salzburg und Tirol von eminenter Bedeutung sind, zu kürzen oder stillzulegen! Ich bitte noch einmal, das zu überlegen und diese wichtigen Maßnahmen zu setzen! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Staatssekretär! Somit ist das für uns Bürgermeister kein parteipolitisches Thema, sondern ein Thema, das uns im Hinblick auf die Sicherstellung der Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger ein Anliegen ist. Ich würde Sie also bitten, uns in diesem Zusammenhang bei den kommenden Finanzverhandlungen zu unterstützen und auch darauf zu achten, dass die Gemeinden jene Finanzkraft wieder erhalten, die sie in der Vergangenheit in Österreich immer hatten. Darum würde ich Sie bitten! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

16.08

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


16.08

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich denke, es gibt fast keine Debatte, die wir hier führen, in der es nicht ums Geld geht. Deswegen wird in der Politik auch so viel diskutiert und oft gestritten, weil es am Ende des Tages halt meistens ums Geld geht. Wenn es nicht gerade um ein Gesetz geht, in dem es um Namensgebung oder sonstige Dinge geht, ist es halt immer der Fall.


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Bei der Steuerreform beziehungsweise beim Thema Steuergerechtigkeit kann man, glaube ich, auch wiederum mit diversen Personen diskutieren, und jeder Einzelne wird diese Thematik sehr stark durch seine Brille sehen und entsprechende Vorschläge und Argumente bringen, warum die Gruppe, der er angehört und die er vertritt, besonders berücksichtigt werden muss.

Es geht in diesem Zusammenhang zunächst um die Gruppe der kleinen Einkommens­empfänger, hinsichtlich welcher wohl, wie ich glaube, Konsens besteht, dass auf die sozial Schwächsten in der Gesellschaft immer Rücksicht genommen werden muss; das ist einfach sozial wichtig und gerecht. Weiters gibt es die mittleren Einkommens­bezieher: Diese Gruppe kann man sehr breit anlegen, und dort spielt sich eigentlich für die Masse die Musik ab. Entweder man tut dort etwas oder man tut dort nichts. In die­sem Bereich kann man aber sozusagen Mengen bewegen. Schließlich haben wir Spit­zenverdiener, und auch bei den Spitzenverdienern gibt es durchaus sportliche Argu­mente, warum man sagt, dass man hier mit Steueranreizen agieren sollte. Wenn man sagt, hiebei handle es sich um Leistungsorientierung und man wolle die Spitzenkräfte da haben, dann meine ich: Das sind auch vernünftige Argumente! Das ist natürlich ein­deutig kein sozialpolitisches Thema, aber auch über Leistungsanreize innerhalb einer Volkswirtschaft ist genauso fair zu diskutieren!

Daher ist, glaube ich, klar, dass am Beginn jeder Steuerreform-Diskussion jede Gruppe eine Vielzahl von interessanten Ideen hat, von welcher Seite man das Pferd aufzäu­men könnte. Eine ähnliche Debatte läuft gegenwärtig auch in unserem Verfassungs-Konvent.

Nach Abwägung mehrerer Für und Wider ist jetzt bei dieser Steuerreform eben der An­satz gewählt worden, Schwerpunkte bei jenen zu setzen, die sozial besonders bedürf­tig sind, nämlich – und das ist auch schon intensiv diskutiert worden – bei der Frage der Körperschaftssteuer.

Dazu wollte ich noch einige Worte verlieren. – Ich meine: Natürlich eignet sich das Thema der Senkung der Körperschaftssteuer ideal für jede Polemik. So wird beispiels­weise zurzeit plakatiert: Die Konzerne sind nicht so wichtig, sondern die Menschen! – Ich sagen dazu: Selbstverständlich! Ich sage: No na net! Ein Konzern ist niemals wich­tiger ist als die Menschen, selbst wenn Letztere in einem Konzern arbeiten! Man ver­sucht jetzt aber sozusagen, die Sinnhaftigkeit und die Nutznießer dieser Reform zu anonymisieren und zu sagen, das seien irgendwelche grauslichen Konzerne.

Ich denke, dass es zweifelsohne möglicherweise auch grausliche Elemente in Konzer­nen gibt, wir leben jedoch in einer globalisierten Welt, in der die Frage des Körper­schaftsteuersatzes einfach ein wesentliches Wettbewerbskriterium ist.

Wir haben einen Steuersatz von 34 Prozent gehabt. Natürlich hätte man an Masse für viele andere Ansätze mehr behalten können, wenn man gesagt hätte, man macht statt 34 Prozent 32 Prozent oder 31 Prozent. Dann hätten wir immer noch zu den Unterneh­men hingehen und sagen können: Wir haben etwas für euch getan! Man hat aber am Ende des Tages beziehungsweise in der ganzen Diskussion erkannt, dass die Evaluie­rungen und die Fragestellungen bei den Industrieunternehmen viel wesentlicher waren, was die Diskrepanz betrifft. Da ist es nicht um zwei oder drei Prozent gegangen, son­dern es hat viele gegeben, die gesagt haben: Bei der Körperschaftssteuer muss etwas geschehen, sonst kann eine Schwerpunktsetzung in Österreich nicht mehr sinnvoll ver­treten werden! Dabei geht es sicherlich nicht um zwei, drei Prozent. Es wäre natürlich schön gewesen, wenn man zusätzlich zu diesem Schwerpunkt noch eine Vielzahl von anderen Schwerpunkten hätte setzen können, diesmal gab es aber eben eine Fokus­sierung in diese Richtung.


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Ich möchte wirklich noch einmal bemerken – und das haben einige Redner bereits her­ausgearbeitet –: Wenn jetzt Wert darauf gelegt wird, dass ein größeres Unternehmen in Österreich bleibt, dann möchte ich auch die Sozialdemokratie daran erinnern, dass es gerade die Sozialdemokraten mehr als andere Parteien waren, die aufgeschlossen gegenüber großen Unternehmen waren und in den siebziger Jahren sehr massiv dafür gekämpft haben, dass die verstaatlichte Industrie sozusagen mit Impfungen und Zu­schüssen hochgehalten wird, weil man gesagt hat, dass es wichtig sei, dass wir auch Industriebetriebe mit sicheren Arbeitsplätzen haben.

Damals kannte ich schon, obwohl noch etwas jünger, die Aussagen der Sozialdemo­kraten, die damals sehr wohl wussten und damit argumentiert haben, dass es natürlich eine Anschlussindustrie gibt und dass viele Klein- und Mittelbetrieb da mit dranhängen und auf diese Weise alle Leute ein entsprechendes Einkommen haben.

Zu den Erklärungen, die auch betreffend den privaten Konsum gekommen sind: Wie ist der Ablauf? – Dieser geht natürlich in der Wirtschaftskette vor sich, und der Konsum kommt von den Leuten, die aus diesem Ganzen ein Einkommen beziehen.

Was ich damit sagen will, ist: Es ist sicherlich nicht alles schwarz und weiß zu sehen. Es ist überhaupt das Spannende und Herausfordernde bei der Steuerpolitik, dass man eine gewisse Zukunftsprognosefähigkeit dabei haben muss. Man kann damit eigentlich immer ganz massiv ganz tolle Dinge in Bewegung setzen. Das gilt natürlich auch für diese Steuerreform und für alle weiteren, die andere Parteien wieder einmal zu verant­worten haben werden.

Natürlich geht es am Ende des Tages darum, ob das Ganze aufgeht. Selbstverständ­lich könnte man immer noch viel mehr machen. Man könnte etwa auch bei den Ein­kommensteuern etwas machen. Gäbe es wirklich entsprechende Impulse auf den Konsum, würden alle Österreicher ihre Sackerln aufmachen und würde die Wirtschaft explodieren und es einmal zwei, drei Jahre blinken, dann ginge sich das auch in der Himmelpfortgasse wieder aus. Aber das ist eben spekulativ, und wenn es nicht funk­tioniert, dann hat man statt einem kleinen Problem drei große Probleme.

Daher denke ich nach Abwägung aller Fakten, dass diese Steuerreform eine klare Prioritätensetzung hat, auf der Säule der Standortsicherung und auf der Säule der Ein­kommen für die sozial Schwächsten und nicht für Freiberufler und Besserverdiener. Es steht immer wieder der Vorwurf der Klientelpolitik im Raum. Darauf entgegne ich: Es hat bei weitem nicht das stattgefunden, wofür „Klientelpolitik“ die richtige Bezeichnung wäre.

Ich möchte zum Mitdenken sagen: Wie auch immer Sie kritisch zu dieser Steuerreform stehen, es handelt sich dabei um Prioritätensetzung und nicht um Marketing. Wenn die Bundesregierung es darauf angelegt hätte, eine Steuerreform zu machen, die man leichter verkaufen kann, dann wäre selbstverständlich mehr Gießkanne notwendig ge­wesen, und das wäre auch sozusagen marketingmäßig leichter zu argumentieren.

Mir persönlich gefällt das Mutige an dieser Reform sehr gut, weil ich glaube, dass es den Standort Österreich sichert, dass damit die Arbeitsplätze gesichert werden und da­mit zum Wohlstand in diesem Land beigetragen wird. Jetzt ist es wichtig, dass wir dar­an glauben, jetzt ist es wichtig, dass wir die Unternehmen motivieren, in Österreich zu investieren und tätig zu sein! Dann werden wir, wie ich meine, diesen Top-Rang, den wir als Österreicher in Europa haben, auch in Zukunft beibehalten können! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

16.18

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Konecny. – Bitte, Herr Bundesrat.

 



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16.18

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Kollege Himmer hat gemeint, das alles sei kein Marketing. Es sei aber natürlich – und das ist ja das Marketing, und das wurde heute wiederholt von Sprechern der ÖVP nachgebetet – die größte Steuerreform aller Zeiten – aus Gründen der Zeitökonomie werde ich in Zukunft GRÖSAZ dazu sagen –, vermutlich Ihrer Meinung nach auch durchgeführt vom größten Finanzminister aller Zeiten; Letzte­res kürze ich nicht ab, denn diese Abkürzung ist historisch vergeben, leider auch die Abkürzung für den größten Finanzstaatssekretär aller Zeiten, auch diese Abkürzung ist historisch vergeben und hat im Falschen geendet.

Ich gehe natürlich jetzt nicht so weit wie der liebe Kollege Haller, der mit Recht, wie ich sagen würde, von einer „wahnsinnigen Steuerreform“ gesprochen hat. Das ist nicht meine Sprechweise, aber es ist natürlich ein wahrer Kern in dieser Aussage enthalten! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

Ich kann mich nämlich mit Kollegen Himmer darauf verständigen, dass eine Steuer­reform immer eine Frage der Prioritätensetzung und der wirtschaftspolitischen und ge­sellschaftspolitischen Zielsetzung ist. – Insofern ist diese Steuerreform eine, die klar aufzeigt, wo politische, durchaus wechselseitig zu respektierende Trennungslinien in diesem Land verlaufen.

Ich halte es für gut und richtig, wenn das von Zeit zu Zeit in aller erforderlichen Deut­lichkeit klargemacht wird, auch wenn es für manche Freiheitliche und für manche ÖAABler unangenehm und empörend sein mag, dass sie auf der falschen Seite dieser so deutlich aufgezeigten Trennlinie stehen. Da gibt es nichts zu moralisieren, darüber gibt es nichts zu schimpfen, das ist eine nüchterne Feststellung.

Nun gehen wir einmal davon aus – und ich gehe noch eine Stufe zurück –, was denn überhaupt die Motivation einer Steuerreform ist. Man muss dann schon deutlich dazu sagen, dass das Wort „Steuersenkung“ nicht per se etwas Gutes und Notwendiges ist.

Es ist ja nicht so, dass das Geld der Steuerzahler, wenn es im Finanzministerium abgegeben wird, dort verrottet und verkommt. Das würde ich nicht einmal den gegen­wärtigen Administratoren dieses Hauses unterstellen. Unser staatliches System baut in seiner Leistungsfähigkeit und in der Qualität seiner Leistungsfähigkeit darauf auf, dass genügend Steuermittel zur Verfügung stehen. Ich habe überhaupt kein Problem, mich dazu zu bekennen, wenn ich sage: Natürlich ist das auch ein Stück konkrete Umver­teilung, und zwar gar nicht nur in sozialer Hinsicht, sondern natürlich in regionaler Hin­sicht! Wer soll denn die entfernt gelegenen Teile Österreichs, sei es mit Straßen oder mit moderneren Kommunikationsmitteln, erschließen, wenn nicht der Staat oder an­dere Gebietskörperschaften mit den Mitteln der Steuerzahler? Dazu sammeln wir sie ja ein!

Ich warne hier ganz deutlich und klar vor jener Philosophie, die in den USA an der Macht ist, wonach Steuersenkung per se etwas Gutes ist, weil es dem Staat Geld weg­nimmt, der ohnehin nur einen Blödsinn damit macht. Das ist die neokonservative Steuerphilosophie. Wir sollten das – ich hoffe, parteiübergreifend – zurückweisen. Wir bekennen uns dazu, dass das Gemeinwesen – Staat, die Länder, die Gemeinden – mit den Mitteln der Steuerzahler sich zumindest bemüht – manchmal macht es auch Feh­ler –, ein Optimum zu erreichen. Dazu sammeln wir es ein.

Nun gibt es die Prioritätensetzung zwischen dem Gemeinwesen, dem Staat, und den privaten Haushalten, ganz egal, ob es die der Wirtschaft oder die der Einzelpersonen sind. Wir kennen alle Steuerreformen, die die so genannte kalte Progression wieder gutmachen sollen, wo also am Einkommensteuertarif nachjustiert wird, weil zufolge von Inflation und damit Anhebung der Nominaleinkommen große Gruppen der Bevölkerung


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in Steuerkategorien kommen, die eigentlich nicht für sie gedacht waren. Diese Tarif­anpassung ist periodisch notwendig.

Wir haben Steuerreformen gemacht, durchaus mit Erfolg, die ganz gezielt Konjunktur dadurch ankurbeln sollten, dass jenen Bürgerinnen und Bürgern, bei denen man von den Einkommensverhältnissen her mit hoher Wahrscheinlichkeit unterstellen kann, dass sie Gelder, die sie mehr einnehmen, sofort ausgeben, weil sie ohnehin dauernd am Limit leben, mehr gegeben wurde, und die haben sich sehr gut bewährt. Wenn Sie sagen, es ist eine bestimmte Gruppe – das ist eine Tatsache – von Beziehern kleiner Einkommen, die bisher wenig Steuer gezahlt haben, von der Steuerleistung freigestellt, dann muss ich sagen: Das ist ein ganz mühsamer und bescheidener Schritt in diese Richtung! Vor der notwendigen Ergänzung, dass wir nämlich dort, wo wir, weil schon bisher keine Steuer gezahlt wurde, keine Eingriffsmöglichkeit über den Steuertarif haben, durch Negativsteuern denselben Effekt erzielen, sind Sie leider zurückge­schreckt – völlig zu Unrecht.

Es kommt dazu, dass diese Steuerreform, also die Erhöhung von Massenkaufkraft zur Ankurbelung des Konsums und damit in der Folge zur Ankurbelung der Konjunktur und in letzter Konsequenz auch zur Schaffung von Arbeitsplätzen, nicht 2005 notwendig ist. Sie wäre 2003 notwendig gewesen, wahrscheinlich bereits 2002. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Ich darf Sie daran erinnern, Herr Staatssekretär und Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP: Es waren diese von Ihnen als konzeptlos verschrieenen Sozialdemokraten, die Sie immer wieder hier im Haus und im Nationalrat und in der Öffentlichkeit daran erin­nert haben, dass es jetzt – damaliges Jetzt –, in der Phase der Konjunkturabflachung notwendig sei, Kaufkraft zu schaffen. Sie haben darauf verzichtet, die Folgen sieht man. Ich gönne jedem, der aus dieser Steuerreform etwas bekommt, den Betrag, aber 2005 ist reichlich spät, um den angestrebten Effekt zu erzielen.

Es hat ein Thema gegeben, das jahrelang die öffentliche Diskussion, und das nicht zu Unrecht, mitbestimmt hat: Das war die steuerliche Belastung des Faktors Arbeit. Es ist dem Herrn Staatssekretär vorbehalten geblieben, Einkommensteuer mit der steuer­lichen Behandlung des Faktors Arbeit zu verwechseln. Um es leichter verständlich zu machen: Wir reden sozusagen von den Lohnnebenkosten. Das ist der populärere Aus­druck für diesen Begriff. (Bundesrätin Auer: Genau!)

Diese Steuerreform – wo sind denn unsere Wirtschaftsvertreter, die das unter den Tisch haben fallen lassen? – leistet nicht den kleinsten Beitrag zur Senkung dieser Be­lastung. Das war jahrelang Ihre Parole! Sie ist offenbar hinuntergeschluckt worden, sie wird nicht mehr erwähnt, vermutlich deshalb, weil hier in einem ganz zentralen Punkt wirtschafts- und gesellschaftspolitisch nichts zustande gebracht wurde.

Es ist doch ganz klar: Wenn ich Arbeitskraft teuer mache, dann fördere ich – und es gab ganz am Beginn der Debatte dazu ein Zitat – den Ersatz von Menschen durch Ma­schinen, um es einmal sehr plakativ zu sagen. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Wieso soll das nicht stimmen, Frau Kollegin? (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Ja, es ist Ihr Thema, aber Sie, Frau Kollegin, regieren doch mit! (Bundesrätin Zwazl: Alles kann man nicht umsetzen!) Eben, sehen Sie, genau das ist der Punkt! Ich danke Ihnen wirklich für diesen Ihren Zwischenruf. Er war unendlich hilfreich.

Es war Ihnen nicht wichtig genug, in die Erhaltung von Arbeitsplätzen zu investieren. (Bundesrätin Zwazl: Es ist wichtig!) Es war Ihnen wichtig genug, in den Herrn Prinz­horn zu investieren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sehen Sie, und das ist die Linie, die in diesem Land zwischen Ihnen, Ihnen persönlich und uns verläuft. Die Kolleginnen und Kollegen vom ÖAAB werden ihre Probleme


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haben, sich auf der Seite der Linie anzusiedeln, auf der Sie sie jetzt vermuteten, und, wie ich annehme, auch einzelne Kollegen von der FPÖ.

Sehen Sie, genau das ist der Punkt! Wenn ich aus möglichen Optionen auszuwählen habe, dann bin ich dafür verantwortlich, welche Priorität ich setze, und da kann ich nicht sagen: Ja, das ist auch wichtig! Sie haben eine Priorität zu 100 Prozent miss­achtet. Auf diesem Gebiet gibt es gar nichts. (Bundesrätin Giesinger: Sie müssen das einmal der Gewerkschaft sagen, weil die alles verlangt!) – Frau Kollegin, die Gewerk­schaft macht Lohnpolitik und Sozialpolitik. Die Steuerpolitik hat sie für sich – außer, dass sie mitreden will – nicht beansprucht. (Bundesrätin Zwazl: Wissen Sie, dass es Kollektivvertragsverhandlungen gibt und wie unser Sozialpartner handelt!)

Frau Kollegin, ich habe eine lange Gewerkschaftsvergangenheit, Sie brauchen mir nichts zu erklären. Ich weiß, wie das geht, und ich weiß auch, wie Unternehmer oft und oft mit diesen Forderungen umgehen. Ich war in einem wenig noblen Bereich gewerk­schaftlich tätig, im Bereich des Transportgewerbes, also bei den Spediteuren, und das sind keine Feinen, weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Ich weiß, wie Un­ternehmer dort mit Arbeitsbedingungen, mit Arbeitsrechten, mit Lohnhöhen, mit Entloh­nungsregelungen umgehen. Mir brauchen Sie über die gewerkschaftliche Ebene nichts zu erklären. Wenn Sie mir sagen, es seien schwarze Schafe, dann ist das in Ordnung, aber ich möchte endlich einmal die weißen in dieser Herde kennen lernen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Mit Recht – und ich sage das ohne jede Einschränkung – wurde von Sprechern der Regierungsparteien die eine oder andere Verbesserung herausgestrichen. Keine Frage, die gibt es! Es ist irgendwie schwierig, wenn man das so breit anlegt, nicht auch etwas Vernünftiges zuwege zu bringen.

Aber ich kann mich dem Argument, das einige Sprecher verwendet haben, wirklich nicht anschließen, dass da sagt: Wenn Sie jetzt diese Steuerreform ablehnen, dann sind Sie ja gegen die Anhebung der Zuverdienstgrenze oder die Steuerfreistellung bei der großen Gruppe von Beziehern kleiner Einkommen!

Meine Damen und Herren! Gehen Sie einmal ins Wirtshaus, konsumieren Sie etwas um 15 €, legen Sie aber dann dem Kellner nur 10 € hin und sagen Sie: Warum nehmen Sie das nicht, es ist doch auch Geld?!

Nein, wir nehmen diese Reform nicht, weil es eine bessere mit denselben Kosten hätte geben können, die wir Ihnen vorgeschlagen haben und wo wir andere Prioritäten gesetzt haben! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich habe von der Trennlinie gesprochen. Ich habe aber jetzt nicht die Absicht, alle Argumente, die meine Kolleginnen und Kollegen mit großer Präzision vorgebracht haben, zu wiederholen. Ich habe nur vor, festzustellen, und ich habe kein Problem, mich da auch ausdrücklich – warum denn nicht einmal? – beim Herrn Justizminister und bei der FPÖ zu bedanken: Diese Reform hat den wirklich skandalösen Plan einer ungeregelten – anders kann ich das nicht mehr nennen – Straffreistellung aller Steuer­hinterzieher, die ein bisserl etwas anonym einzahlen, beinhaltet! Wie in einem Rechts­staat einem auf die Gesetze und die Verfassung der Republik vereidigten Minister ein solcher Vorschlag einfallen kann, das ist mir schleierhaft. (Bundesrat Dr. Böhm: Könnte ich nie zustimmen!) Wie gesagt, ich habe kein Problem, mich bei Herrn Minister Böhmdorfer und bei seinen Parteifreunden auch in der Regierung dafür zu bedanken. – Ich darf aber darauf hinweisen, dass sozusagen der Sud dieser Steueramnestie im Gesetz noch enthalten ist und von Ihnen heute offensichtlich beschlossen werden soll. Die absolute Verjährung von Steuervergehen wird nämlich von 15 auf zehn Jahre ver­kürzt, die Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben von zehn auf sieben Jahre.


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Meine Damen und Herren! Erklären Sie mir bitte, welche gesellschaftspolitische Ziel­setzung, welcher positive wirtschaftspolitische Effekt, welcher Vorteil für den Standort Österreich von diesen Maßnahmen ausgeht! Es ist nichts anderes: Die rechte Hand, die Sie den Steuerhinterziehern hinhalten wollten, die wurde Ihnen heruntergeschla­gen, aber die linke Hand ist noch offen und bietet ihnen etwas dar. (Zwischenbemer­kung von Staatssekretär Dr. Finz.) – Herr Staatssekretär, verkaufen Sie uns doch nicht als Analphabeten! Ich verbitte mir solche Bemerkungen! Das ist ja lächerlich! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Es ist Ihre Steuerreform. Sie werden sie beschließen, Sie werden sie exekutieren, und Sie werden damit deutlich machen, was die, die dafür sind, und die, die dagegen sind, trennt. Je klarer die Herausarbeitung des Unterschie­des ausfällt, umso besser ist es – besser für unser Land, aber besser vor allem auch für die Meinungsbildung der Menschen in diesem Land.

Es war viel, und das zu Recht, von Wahlausgängen der letzten Monate und vor allem der letzten Wochen die Rede. Ich werde das auch nicht noch einmal aufgreifen. Aber es waren jetzt immerhin 17 konsekutive Wahlen, bei denen die SPÖ dazugewonnen hat, bei etwa neun davon hat die ÖVP kräftig verloren. Die Freiheitliche Partei hat frü­her zu verlieren begonnen.

Es war der nunmehrige Nationalratspräsident Khol, der die Parole ausgegeben hat: Speed kills! Die ersten Todesopfer sitzen da in der Mitte. (Der Redner weist auf die Reihen der Freiheitlichen.) Inzwischen hat die Auswirkung von Speed auch Ihre Seite (der Redner weist auf die Bundesräte der ÖVP) erreicht. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.34

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zum Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bun­desrat Mag. Gudenus. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


16.35

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssek­retär! Kollegen und Kolleginnen! Die Nachdenklichkeit von Professor Konecny steckt mich ein bisschen an. Nur bin ich nicht bereit, lieber Herr Kollege, wie Sie eine De­markationslinie – Sie nannten es nur Linie – zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern mit zu tragen, zu errichten oder gar eine solche Linie zu sehen. Es freut mich aber immerhin, Herr Professor, dass Sie in dieser Reform Verbesserungen für den Steuer­zahler erkennen.

Sie haben erwähnt, dass Sie Vorschläge gemacht haben. Leider blieben Sie uns die Darlegung und Erläuterung dieser Vorschläge schuldig. Aber dies hätte sicherlich auch den Rahmen der heutigen Ausführungen gesprengt. Aber darauf hinweisen möchte ich.

Es gibt Leute, die behaupten, diese Steuerreform sei eine Budgetbombe. Das kann man natürlich zweifach interpretieren: Es gibt Freude über diese Steuerreform, und es gibt Nachdenklichkeit über diese Steuerreform. Ich schließe mich eher der Nachdenk­lichkeit über diese Steuerreform, aber mit einer gewissen Genugtuung, an.

Professor Konecny meinte auch, 2005 komme diese Steuerreform zu spät. Nun kann man über den Zeitpunkt von Reformen immer streiten: Für den einen ist sie zu früh, für den anderen zu spät, für den einen überfällig, für den anderen ungenügend, je nach­dem, welche Position man mit seiner eigenen Nachdenklichkeit zu so einer Reform ein­nimmt.

Ist sie epochal? – Nein, epochal ist sie wahrscheinlich nicht. Aber sie ist sicherlich kein unnötiges Geschenk, wie manch einer behaupten mag. Ich glaube auch, dass diese


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Steuerreform recht brauchbar ist. Sie merken an meinen Worten „recht brauchbar“, dass sie natürlich nicht alle Bedingungen und alle Wünsche erfüllen kann. Das ist ja unmöglich. Aber sie ist ein Schritt, so meine ich, in die richtige Richtung. Sie werden aber später sehen, dass ich diese richtige Richtung etwas moderat ausbauen werde.

Besonders die Körperschaftssteuersenkung ist eine kluge Reaktion auf den europäi­schen Steuerwettbewerb, der interessanterweise von ehemals europäisch-kommunisti­schen Staaten als Vorreiterstaaten ausgegangen ist (Bundesrat Dr. Böhm: Slowa­kei!) – von der Slowakei, aber auch den baltischen Staaten, von dem einen oder anderen.

Die Gewerkschaft jubelt erstaunlicherweise nicht. Nur die Konzerne, so scheint es, freuen sich über diese Steuerreform. Aber hinter diesen Konzernen befinden sich ja keine Hirschkäfer oder Maikäfer, es sind Menschen, die hinter diesen Konzernen ste­hen. Nur die Arbeitgeber – und das soll einmal gesagt werden: nicht die Regierung ist Arbeitgeber, im gewissen Bereich auch, aber schafft Arbeitsplätze – sind in der Lage, unter gegebenen Rahmenbedingungen Arbeitsplätze zu erhalten, gegebenenfalls auch zu schaffen.

Die Konzerne werden ermutigt, in Österreich zu bleiben. Das wollen wir doch positiv vermerken. Damit bleiben aber auch die Arbeitsplätze. Ob neue Arbeitsplätze damit geschaffen werden, das wird die Zukunft weisen. Da kann man durchaus skeptisch sein und auch die Positionen von Sozialdemokraten wie die meines verehrten Vor­redners Professor Konecny einnehmen. Die Skepsis müssen wir haben. Wir müssen ständig an unserer Wirtschaft arbeiten.

Alle Steuerpflichtigen werden ab dieser Steuerreform etwa gleich stark entlastet. Das ist gut. Ziel muss die Schaffung neuer Arbeitsplätze für neue Leistungsträger sein, aber möglicherweise ist das Ziel verfehlt. Die Zukunft wird es weisen.

Etwas, wenn nicht sogar sehr störend ist es, dass Arbeitnehmer, die zusätzliche Arbeitsstunden leisten wollen, trotzdem mit einem zusätzlichen 50-prozentigen Ein­kommensteuersatz bestraft werden. Vermutlich ist das eine Absicht, aber möglicher­weise besteht doch nicht die Absicht, jene, die leistungsbereit sind, eher zum Spazie­rengehen anzuregen, als an den Arbeitsplatz zu binden.

Trotz höherer Ökosteuern werden alle Steuerpflichtigen entlastet. Das ist ein Faktum! Das wollen wir auch durchaus würdigen. Auch Professor Felderer vom Institut für Höhere Studien erwähnt das lobend. Dazu muss man wissen, dass rund 5 Prozent aller Steuerpflichtigen 42 Prozent des Einkommensteueraufkommens tragen. 2,5 Millio­nen Österreicher von 5,9 Millionen Steuerpflichtigen zahlen nach der Reform ab 2005 keine Lohn- und Einkommenssteuer mehr.

Professor Konecny hat von einer Negativsteuer gesprochen, er hat gemeint, dass jene eine Negativsteuer bekommen sollten. Nun: Die Negativsteuer kann man ja eigentlich auch als sozialpolitische Entlastung bezeichnen. (Bundesrat Dr. Böhm: Eine Transfer­leistung!) Als solche ist sie eine Angelegenheit des Sozialministeriums und nicht des Finanzministeriums. (Bundesrat Dr. Böhm: Richtig!)

Wir schließen nicht aus, dass solche Entlastungen auch immer wieder kommen wer­den. Schauen wir uns nur an, welche Reformen wir gemacht haben, durch die jene, die wenig bis fast nichts verdient beziehungsweise an Pension hatten, entlastet worden sind. Aber auch jene, die nur 9 550 € per anno verdienen, bekommen eine Entlas­tung – nun, man kann darüber lächeln – von 1,35 Prozent. Aber immerhin: Auch die werden entlastet. Die Bemühungen gibt es also! Auch da ist viel geschehen.

Diese FP/VP-Regierung hat es geschafft, sozialpolitisch für jene, die wenig oder gar nichts haben ... (Bundesrat Schennach: Wer ist der stärkere Koalitionspartner?) –


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Keine Zwischenrufe, Herr Kollege, das ist unstatthaft, jedenfalls dieser. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Es ist für mich die FP/VP-Regierung, und das lasse ich mir nicht nehmen! Ansonsten von mir aus weitere Zwischenrufe. (Neuerliche Hei­terkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Jawohl, Herr Offi­zier!)

Diese Regierung hat sehr viel für den so genannten kleinen Mann gemacht, für jene, die sozialpolitisch unterbemittelt waren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Lindinger: Die kleinen Wähler haben gezeigt, wie sie das sehen! – Bundes­rat Schennach: Die Wähler sehen das anders!)

Das lassen wir uns nicht nehmen, auch nicht von den Sozialdemokraten, die, wie ich glaube, fast die ganze Zweite Republik über das Sozialministerium in Erbpacht gehabt haben. Sollte ich mich um einige Jahre geirrt haben, haben Sie es doch lange genug in der Hand gehabt, um hier bedeutende Fußspuren zu hinterlassen, nur sind sie nicht ganz erkennbar. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der Präsident des Staatsschuldenausschusses, Helmut Frisch – und jetzt werde ich ein bisschen nachdenklich, was die Steuerreform betrifft, das habe ich auch zuvor schon angedeutet – meint, Österreich brauche eine Schuldenbremse. (Bundesrat Schennach: Ja, das ist richtig!) Im Staatshaushalt müssten mindestens 8,7 Milliar­den € – das sind rund 120 Milliarden Schilling; für jene, die damit noch leichter rechnen können, und ich zähle mich dazu – eingespart werden. Er lehnt es jedoch ab – und damit ist er voll bei uns und bei uns in der Regierung –, die Kürzungen bei Familien und Pensionen vorzunehmen. – Das ist ein Punkt, den ich auch erwähnen möchte, nämlich, dass diese Regierung für Familien und Pensionisten sehr viel geschaffen hat. (Rufe bei der SPÖ: Probleme!)

Das strukturelle Defizit des Staatshaushalts – das sind die konjunkturunabhängigen Defizite – beträgt heuer 900 Millionen €. Das entspricht 0,4 Prozent des Bruttoinlands­produkts. Wir müssen wissen: Die Steuerreform ist ein Vorgriff auf den zukünftigen Aufschwung, und wir können ihn nicht erzwingen, aber wir wollen ihn erkämpfen. Da­zu müssen wir auch Ihre Hilfe bekommen, meine Damen und Herren von den Sozial­demokraten. Sie sollten nicht sagen, die Steuerreform sei nichts! Den Aufschwung kann man auch herbeischaffen, indem man mitwirkt. Man kann ihn bremsen, wenn man sich der Regierung in den Weg legt. Tun Sie es, bitte, nicht! (Bundesrat Reisen­berger: Machen Sie brauchbare Vorschläge, dann können wir zusammenarbeiten!)

Mit dieser Steuerreform steigt das konjunkturunabhängige, also das strukturelle Defizit im Jahre 2005 auf 3,2 Milliarden € oder 1,3 Prozent des BIP. Die Abgabenquote – das sind Steuern und Sozialabgaben – soll nach den Plänen der FP/VP-Regierung – das an deine Adresse, Kollege Schennach, damit du das auswendig lernst – von 43,4 Pro­zent des BIP im heurigen Jahr bis zum Jahr 2010 auf 40 Prozent des BIP reduziert werden. Das bedeutet, dass weitere 5,5 Milliarden € eingespart werden müssen.

Professor Frisch meint dann, das Märchen vom Froschkönig zitierend, es war dies die Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat. Diese Zeit ist zu Ende, meint Professor Frisch abschließend in einem Artikel, der im heutigen „Standard“ zitiert wird. – Wir, also alle hier im Parlament vertretenen Fraktionen, aber insbesondere die Regierungs­fraktionen unter der tüchtigen Minister- und Staatssekretärschaft aus FPÖ und ÖVP, müssen daher geschlossen alle Anstrengungen unternehmen, dass die Steuerreform und die Abgabenquotensenkung weiterhin erfolgen können. Wir brauchen dazu mutige, weitsichtige Politiker mit Herz. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.46

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundes­rätin Zwazl. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 



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709. Sitzung / Seite 119

16.46

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Ich bedauere zutiefst, dass der Herr Professor, der gesagt hat, er kenne nur schwarze Unternehmer, er kenne keine weißen, danach weggegangen ist, denn ich finde das skandalös. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Prutsch: Er hat von Schafen gesprochen! – Bun­desrätin Blatnik: Schafe!) Ja, ja, es ist ja egal. Er hat gesagt, er kenne bei den Unter­nehmern nur schwarze und keine weißen, und er würde gerne einmal einen weißen kennen lernen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe noch nie gesagt ... (Bundesrat Prutsch: Schafe! Schafe!) Nein, nein, er hat das in Richtung Unternehmer gesagt. Er kenne nur schwarze Unternehmer. (Bundesrat Prutsch: Schafe! – Bundesrat Schenn­ach: Wieso eigentlich? Es sitzen ja auch rote Unternehmer da!) Nein, nein, ich finde, das ist ganz einfach. Solche Verallgemeinerungen finde ich wirklich arg, und dann auch noch aufzustehen und wegzugehen. (Bundesrätin Kerschbaum: Er hat vom Transportgewerbe gesprochen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich bedauere, dass Sie nicht einmal ein Gefühl dafür haben, dass sich ein anderer ver­letzt fühlt, und ich als Unternehmerin fühle mich verletzt. Ich habe ein gutes Verhältnis zu meinen Arbeitnehmern. Ich kenne genug Unternehmen, und jeder würde sich von dieser Aussage verletzt fühlen. Ich finde das wirklich arg! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.47

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


16.47

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich möchte nochmals auf einige Fragen eingehen.

Es ist heute wiederholt der derzeitige abgestufte Bevölkerungsschlüssel kritisiert wor­den. – Ja, ich finde ihn auch nicht mehr gerecht, und daher haben wir für kleinere Ge­meinden auch eine Abfederung vorgenommen und gleichzeitig mit unseren Finanzaus­gleichspartnern – Städtebund, Gemeindebund – vereinbart, sie sollen vor allem in Hinblick auf Städte und umliegende Gemeinden untersuchen, wie die Leistungen und die Finanzierungsströme laufen, und uns für den nächsten Finanzausgleich, den wir ja in Kürze zu verhandeln beginnen werden, ein Modell vorlegen, wie eine neue Form der Finanzierung aussehen könnte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Gutachten wurde in Auftrag gegeben, es wurden darin sehr gut Fakten aufgezeigt, nur haben wir bis heute noch keinen Vorschlag erhalten, wie die neue Art der Finanzie­rung aussehen soll. Wir werden bei den Finanzausgleichsverhandlungen nachfragen. Nach den Ankündigungen von gestern, als alle Bürgermeister einen Finanzausgleichs­tag durchgeführt haben, und nach den Äußerungen von Bürgermeister Häupl, der gemeint hat, dass die zusätzlichen Ausgaben, die sich durch ein Spital oder besondere Schulen ergeben, der Bund tragen soll und nicht die umliegenden Gemeinden, die diese Leistungen ja in Anspruch nehmen, befürchte ich allerdings, dass keine Vor­schläge gemacht werden. In dieser Frage sind der Städtebund und der Gemeindebund gefordert, uns ein anderes Modell vorzulegen – wir machen das dann gerne. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Böhm: Bravo!)

Herr Professor Konecny hat gefragt, warum wir keine Lohnnebenkostensenkung ma­chen. Er ist wirklich nicht informiert, was alles sich schon abgespielt hat. Ich möchte in diesem Zusammenhang einmal festhalten: Die größten Lohnnebenkostensteigerungen haben zwischen 1990 und 1999 unter sozialdemokratischen Finanzministern stattge­funden. (Bundesrat Gruber: Und wer war mit in der Regierung?) Seit dem Jahr 2000


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haben wir Lohnnebenkosten im Ausmaß von 648 Millionen € abgebaut. Wir sind dabei, diese abzubauen. Ich erinnere zum Beispiel an das derzeitige dritte Konjunkturpaket, mit dem die Lohnnebenkosten speziell für ältere Arbeitnehmer – 55 bis 60 und 60 bis 65 – gesenkt wurden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es wurde bezweifelt, ob die Frauen wirklich mehr von dieser Steuerreform profitieren. Dabei müssen alle Maßnahmen gesehen werden. Die Tarifsenkung in Form einer Er­höhung des allgemeinen Absetzbetrages mit geänderter Einschleifbestimmung sowie die Erhöhung der Freigrenze für den 13. und 14. Monatsbezug kommen auf Grund der österreichischen Situation, wie sich die Medianeinkommen zwischen Frauen und Män­ner verteilen, hauptsächlich den Frauen zugute. Allein die angeführte Maßnahme bringt den Frauen eine Prokopfentlastung von zirka 70 € und den Männern im Vergleich dazu nur 50 bis 60 €.

Eine Arbeiterin hat heute ein Medianeinkommen von 1 080 € brutto im Monat, ein Arbeiter 1 755 €. Die Steuerreform bringt der Arbeiterin eine jährliche Entlastung von 679 €. 569 € zahlt sie weniger Steuer und außerdem gibt es für sie erstmals eine Negativsteuer von 110 €. Beim vergleichbaren Arbeiter mit 1 755 € beträgt die Entlas­tung nur 364 €.

Es tut mir Leid, dass Herr Professor Konecny nicht mehr da ist. Er hat sich über die Steueramnestie lustig gemacht und hat gesagt, sie sei ein Skandal. Wer hat denn, bitte, früher schon Steueramnestien gemacht? Zwei sozialdemokratische Finanzminis­ter! Ist das vergessen worden? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundes­rat Zellot: Hört! Hört!)

Im Jahr 1983 unter Finanzminister Salcher beispielsweise. Was glauben Sie, wie die ausgesehen hat? Man hat für zwei Jahre brav die Steuer nachzahlen müssen. Wel­chen Effekt hat das dann gehabt? Man blieb straffrei und hat für alle davor hinter­zogenen Steuern einen hundertprozentigen Nachlass erhalten. – Das ist ein Skandal, nicht das, was wir vorgeschlagen haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ruf bei der ÖVP: Jetzt sind Sie ruhig!)

Es wurde auch gefragt, warum wir nicht zulassen, dass Spenden abgesetzt werden? Bitte, da gibt es einmal ein Grundprinzip: Je mehr Einschränkungen ich bei der Be­messungsgrundlage mache, desto höhere Steuersätze muss ich haben. Daher hat kein Finanzminister Freude, wenn Vorschläge für weitere Absetzbeträge kommen. Das ist der eine Fakt.

Der zweite: Wie machen Sie eine gerechte Spendenabsetzbarkeit? Berücksichtigen Sie nur die Erlagscheinspenden? Sind die Barspenden, die ich an Arme gebe, die ich in der Kirche abgebe, davon ausgenommen? (Bundesrat Schennach: Erlagschein!) Wir bekommen dann also ein Gleichheitsproblem. Wie ist es, wenn ich sie voll ab­setze? Wissen Sie, wie hoch das Spendenvolumen in Österreich ist? 580 Millionen €! Wir haben uns das genau angesehen. Wenn ich die volle Absetzbarkeit eröffne, dann habe ich einen Einnahmenentgang von 150 Millionen €.

Wenn ich den Vorschlag der Erlagscheinspendenempfänger aufnehme, die gesagt haben, dass sie eine Begrenzung so wie beim Kirchenbetrag machen würden, dann muss ich sagen: Damit würden Sie sich aber ins eigene Fleisch schneiden, denn die Leute würden dann nur mehr so viel spenden, wie sie auch steuerlich absetzen können. Deshalb haben wir das Ganze nicht gemacht. (Bundesrat Schennach: Geh bitte!) Na ja, 150 Millionen € haben oder nicht haben! Es ist ja wohl zutreffend festge­stellt worden, dass man Schwerpunkte setzen muss.

Herr Professor Konecny, der noch immer nicht da ist, hat zum Beispiel gesagt ... (Bun­desrat Boden: Der kommt auch nicht mehr!) Gott sei Dank ist Hans-Peter Martin nicht


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hier, der würde das alles fotografieren, dass einer da Bezug nimmt und er ist nicht da. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der würde das alles fotografieren. (Bundesrat Boden: Und wo ist der Finanzminister?) Ich bin verfassungsrechtlich sein Stellvertreter. (Bundesrat Boden: Bundesrätin Bach­ner ist auch Stellvertreterin! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) In der Verfassung ist vorgesehen, dass der Staatssekretär die Vertretung machen kann. (Vizepräsident Mag. Himmer gibt das Glockenzeichen.)

Herr Professor Konecny hat gesagt, dass Steuern an und für sich nichts Schlechtes sind. – Ich stimme dem zu, aber es kommt natürlich immer darauf an, zu welchen Umverteilungseffekten es dabei kommt, und das ist das Furchtbare. Ich möchte kein schwedisches Modell, in dem mir alles weggenommen und dann nach ganz anderen Grundsätzen aufgeteilt wird. Zum Beispiel: Wir von der ÖVP wollen keine Ganztags­schulen, wir wollen selbst bestimmen, ob wir die Kinder im Unterricht oder in einer Pflegeaufsicht belasse oder ob wir das Kind privat mit Musikunterricht und dergleichen beschäftigen. Wenn man, so wie im sozialistischen Modell vorgesehen, eine Zwangs­beglückung, also unbedingt eine Ganztagsschule macht, dann hat man natürlich auch entsprechende steuerliche Kosten. Daher lehnen wir ein solches Modell auch ab. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Reisenberger: Unglaublich!)

Außerdem muss man – und das vergisst Herr Professor Konecny auch – bei einer Abgabenbelastungsquote immer darauf schauen, wie sie im Vergleich zum Ausland ausschaut. Dies umso mehr, als wir jetzt mit dem Euro eine Einheitswährung haben, mit der der Einkauf im Ausland relativ leicht möglich ist. Wenn ich heute mit meinem Steuersatz am Höchstlimit bin, schon bei schwedischen Verhältnissen bin, dann habe ich von der Wettbewerbssituation her eine schlechte Ausgangslage, dann bekomme ich keine Betriebe her beziehungsweise Betriebe wandern dorthin ab, wo eine niedri­gere Abgabenbelastungsquote ist. (Bundesrätin Kerschbaum: Da sind die Lohnkosten insgesamt wohl noch viel entscheidender!) Daher mussten wir reagieren, um zu verhin­dern, dass wir Arbeitsplätze und Unternehmungen verlieren.

Es wird auch immer wieder gesagt, dass die Gemeinden und Städte vom Bund Auf­gaben übernommen haben. Das ist richtig! Ich erwähne Polizeiadministrativaufgaben, beispielsweise die Passausstellung und das Fundwesen. Dies wurde übernommen, nur bitte, das war ein Paktum. Wir haben mit dem Gemeindebund und dem Städtebund ein Verwaltungsreformgesetz gemacht, und es war ihr Beitrag zum Stabilitätspakt, dass sie diese Arbeiten kostenlos übernehmen. Das kann man jetzt also nicht dem Bund vor­halten und es kritisieren. Genauso ist es bei der Höhe der Ertragsanteile. Es war ver­einbart, dass der Bund für diesen Finanzausgleich höhere Ertragsanteile bekommen kann, weil das der Beitrag ist, damit wir 30 Jahre Schuldenwirtschaft endgültig beendi­gen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Haha!)

Es wurde heute der Ölpreis und damit der Benzinpreis kritisiert. (Bundesrat Stadler: Es geht nicht um den Ölpreis, sondern um den Benzinpreis!) Dabei übersieht man natür­lich total die volkswirtschaftlichen Faktoren. Sind wir ein Ölförderland? Wer macht den Ölpreis? Wer bestimmt die Ölfördermengen? Die OPEC! Es war saudiarabischer Be­such da, und wir haben das angesprochen. Sie haben einfach gesagt: Wir wollen unser Öl länger haben, daher setzen wir den Preis hinauf! Es ist die Nahostpolitik eine Ur­sache für die Ölpreisentwicklung. (Bundesrat Todt: Es geht um die Mineralölsteuer, die automatisch mitsteigt!) Eine weitere Ursache ist, dass die amerikanischen Raffinerien kein Benzin mehr herstellen können, das den neuesten Umweltstandards entspricht, dass sie daher im Ausland einkaufen müssen. Der dritte Grund ist, dass China eine boomende Wirtschaft mit einem achtprozentigen Wachstum hat und derzeit weltweit alle Ressourcen aufkauft, die es nur gibt. Das sind die Gründe dafür, warum wir heute so einen hohen Ölpreis haben.


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Sie wissen ganz genau: Ihre Finanzminister haben die Mineralölsteuer eingeführt, weil sie damit den Straßenbau finanziert haben. Tun Sie nicht so, als würden Sie das nicht wissen! (Bundesrat Stadler: Und wer hat die Mineralölsteuer noch erhöht?) Ja, das wird für die Umweltentlastung verwendet. Das wissen Sie auch! (Bundesrätin Kersch­baum: Und wo bleiben dann die entsprechenden Investitionen?)

Ich gebe nochmals einen Gesamtüberblick darüber, was diese Steuerreform beinhal­tet – ich nenne nicht die Beträge –: Wir haben den Einkommensteuertarif empfindlich gesenkt. Wir haben Kinderzuschläge eingeführt, wobei ich dazusagen muss: Alleinver­dienerhaushalte 800 000, dazu kommen noch 100 000 allein erziehende Mütter, das sind die Armen in der Gesellschaft, das ergeben alle Untersuchungen. Daher ist für die mit den Kinderzuschlägen eine spezielle Maßnahme gesetzt worden.

Wir haben die Zuverdienstgrenze angehoben, weil Doppelverdienerhaushalte zwei Mal von der Steuerreform profitieren können, während ein Alleinverdienerhaushalt nur ein­mal profitieren kann. Die Pendlerpauschale wurde heute schon erwähnt.

Auch die Anhebung der Absetzbarkeit des Kirchenbeitrages finde ich gerechtfertigt. Denken Sie daran, welche kulturelle Aufgabe die Kirche vor allem beim Denkmalschutz und bei der Kirchenerhaltung erfüllt! Das fließt auch wieder in die Wirtschaft zurück.

Körperschaftsteuer, Gruppenbesteuerung wurden erwähnt. Nicht erwähnt wurde die versicherungstechnische Rückstellung, die ebenfalls zur Verhinderung der Abwande­rung in das Ausland beiträgt. Da haben wir eine Senkung durchgeführt. Auch der Agrardiesel soll günstiger besteuert werden.

Diese eben angeführten Maßnahmen ergeben eine Summe von 2 530 Millionen € pro Jahr. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.00

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schenn­ach. – Bitte.

 


17.01

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich kann Ihnen dazu einfach nicht das letzte Wort über­lassen, aus verschiedenen Gründen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Kollege Bieringer! Ich komme noch zu Ihnen. Sie haben es schon gesagt: Von der Regierungsbank aus kann man sich immer zu Wort melden. Der Herr Staatssekretär kann sich auch nach mir noch einmal melden.

Herr Staatssekretär! Zur Steuer- und Abgabenquote: Sie wollen ja nicht Schweden werden, aber Schweden und Frankreich lassen grüßen. Die schwarz-blaue Bundes­regierung hat uns mit ihrer Belastungspolitik an die Grenzen von Frankreich und Schweden herangeführt. Wir liegen in diesem Bereich an dritter Stelle, und da können Sie nicht sagen, Sie wollen das nicht so wie in Schweden.

Zum Zweiten: Eines verstehe ich nicht, Herr Staatssekretär! Die Khol’sche Bürgerge­sellschaft war ja in aller Munde. Wir sind auch stolz darauf, dass sich die Bürger und Bürgerinnen in diversen sozialen, gemeinnützigen Vereinen engagieren. Österreich ist überhaupt eine Weltrarität: Dass die Menschen in einem Staat privat mehr für die Ent­wicklungszusammenarbeit gezahlt haben als der Staat selbst, so etwas hat es in der ganzen Welt noch nicht gegeben!

Dass Sie es jetzt wieder ablehnen, Spenden und auch Kunstmäzenatentum steuerlich irgendwie zu berücksichtigen, dafür aber die Absetzbarkeit der Kirchensteuer erhö­hen – ich habe nichts gegen die Kirche, sie soll tun, was sie zu tun hat –, aber die ver­schiedenen Initiativen nicht berücksichtigen, nicht einmal die Erlagscheinspenden, das ist Klientelpolitik! – Es tut mir Leid. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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Herr Kollege Tiefnig! Sie haben gemeint, wir Wiener hätten Probleme mit der Pendler­abgabe. – Alle Menschen, die tagtäglich nach Wien pendeln, sind herzlich willkommen. Sie freuen sich ja auch über die Arbeit, die Wien anbietet. Aber seien Sie doch ehrlich: Das, was jetzt als Pendlerabgabe zurückkommt, ist ein Bruchteil dessen, was in den letzten vier Jahren den Pendlern aus ihren Säcken genommen wurde. Es ist ein kleiner Betrag, den Sie zurückgeben! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Der Grund meines Redebeitrages waren eigentlich nicht diese Themen, aber ich wollte reagieren. Übrigens, Frau Kollegin Präsidentin Zwazl! Unsere Zahlen stimmen. Das freut mich ganz besonders. Ihre Zahlen und meine Zahlen stimmen überein. (Bundes­rätin Zwazl: Das ist schön!)

Dass ich mich jetzt melde und mich ganz persönlich an die Bürgermeister und Bürger­meisterinnen in diesem Haus wende, das hat jedoch der Herr Staatssekretär verur­sacht. Er hat es so dargestellt, als ob sich Häupl gestern irgendwie rabiat mit seinen Kollegen getroffen hätte. Ich bin in Wien in Opposition zur SPÖ – das wissen Sie –, aber eines kann man nicht sagen: dass sich gestern der rabiate Häupl mit ein paar Parteifreunden getroffen und irgendwie über die schwarz-blaue Regierung „gemosert“ hat. Das ist nicht richtig. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) – So haben Sie es aber dargestellt. (Abg. Reisenberger: Der war vielleicht auf einer ande­ren Veranstaltung!) Ich weiß, von der Regierungsbank ist damit der Wiener Wahlkampf eröffnet worden.

Es haben sich gestern – damit wir einmal die Pferde im Stall oder die Schafe auf der Wiese oder umgekehrt lassen – 40 Bürgermeister getroffen. – Ich weiß nicht, ob Bür­germeisterinnen dabei waren, hoffentlich war die eine oder die andere dabei. Ich bin ja froh, dass wir eine haben, nein zwei. (Bundesrätin Schlaffer: Drei!) Drei haben wir! Ja, da bin ich weg! Das ist ja eine überdurchschnittliche Vertretung hier! – Es haben sich also 40 Bürgermeister und Bürgermeisterinnen getroffen, um über die Belastungen zu sprechen, die auf die Städte zukommen.

Einer der Wortführer war niemand anderer als der schwarze Bürgermeister Nagl, der durchaus eine gute Figur macht und meinte, dieser Auftritt sei kein Betteln und Poltern, sondern man stelle die Forderung, dass die Städte mehr Geld vom Bund bekommen, weil – und jetzt kommt es! – der Bund sie aushungere.

Dann geht es in der Definition weiter, dass der Bund die Finanzierung der von Ihnen heute offensichtlich mit Mehrheit beschlossenen Steuerreform auf Kosten der Länder und Gemeinden mache und die Städte meinen, sie seien dazu nicht einmal befragt worden und müssen dazu beitragen.

Wir kennen ja diesen Vorgang. – Präsident Weiss hat es ein bisschen höflicher formu­liert und gemeint, der Landeshauptmann habe ja mitverhandelt. Immerhin haben die Landesfinanzreferenten diese Steuerreform, die Sie heute beschließen – da sind übrigens fünf Schwarze dabei und ein Blauer –, mit Protest zur Kenntnis genommen. Wenn man die Kosten bis zum Jahr 2007 anschaut, bedeutet das, dass der Bund 593 Millionen € trägt und die Kommunen 327 Millionen €.

Was sagt unser Staatssekretär dazu, wenn das Zitat in der „Kleinen Zeitung“ stimmt? – Das schaut furchtbar aus, sagt Staatssekretär Finz in der heute erscheinenden Aus­gabe der „Kleinen Zeitung“, die auch nicht gerade wahnsinnig gegen die Regierung ist.

Deshalb, meine Damen und Herren Bürgermeister und Bürgermeisterinnen: Sissy Roth-Halvax, Ludwig Bieringer, Kollege Stadler, Kollegin Ebner, Kollege Wiesenegg, Kollege Kraml, Kollegin Schlaffer! Wenn Sie sich in die offensichtlich fraktionsüber­greifende Solidarität mit den Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen von Bregenz bis Wien, von Graz bis Linz einklinken wollen, dann sagen Sie heute nein! Das ist nämlich das, was die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen Ihnen allen gestern empfohlen


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haben – auch Ihnen, Kollege Ludwig Bieringer! – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

17.07

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Mai 2004 betreffend das Steuerreformgesetz 2005.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. (Ah-Rufe bei der SPÖ in Richtung der sich zur Abstimmung erhebenden Bundesräte der ÖVP.) – Das ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist somit angenommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Frei­heitlichen.)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Mai 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 geän­dert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist somit angenommen.

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Mai 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ergänzende Regelungen über das Vorgehen der Zollbehörden im Verkehr mit Waren, die ein Recht am geistigen Eigentum verletzen, erlassen werden (Pro­duktpirateriegesetz 2004 – PPG 2004) (452 d.B. und 463 d.B. sowie 7041/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nunmehr zum 7. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ager. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Hans Ager: Geschätzter Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Mai 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ergänzende Regelungen über das Vorgehen der Zollbe­hörden im Verkehr mit Waren, die ein Recht am geistigen Eigentum verletzen, erlassen werden (Produktpirateriegesetz 2004 – PPG 2004).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Mai 2004 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Es liegt zu diesem Tagesordnungspunkt keine Wortmeldung vor.


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Wünscht jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Die Berichterstattung wünscht auch kein Schlusswort.

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Mai 2004 betreffend das Produktpirateriegesetz 2004.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 16 Anfragen, 2187/J bis 2202/J, eingebracht wurden.

*****

Ich möchte noch ausdrücklich darauf hinweisen, dass ab der heutigen Sitzung die Reden nicht mehr schriftlich zur Korrektur übermittelt werden, sondern dass Sie Ihre vom Stenographenbüro bereits korrigierte Rede nur mehr per E-Mail erhalten. Gemäß § 65 Abs. 2 der Geschäftsordnung haben Sie dann die Möglichkeit, stilistische Korrek­turen vorzunehmen und diese gemäß einer Vereinbarung der Präsidialkonferenz bin­nen einer Woche per E-Mail an das Stenographenbüro zu retournieren.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Mittwoch, der 9. Juni 2004, 9 Uhr in Aussicht genom­men.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht bezie­hungsweise Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Montag, den 7. Juni 2004, ab 14 Uhr vorge­sehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 17.12 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien