Bundesrat Stenographisches Protokoll 718. Sitzung / Seite 21

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gelebt wird, durchzusetzen, dann sollten wir, glaube ich persönlich, da sehr, sehr vorsichtig sein. Ich glaube nicht – ich lasse mich auch nicht gern verdächtigen –, dass das Ressentiments oder historische Belastungen sind. Glauben Sie mir: Ich sehe mich nicht als Graf Starhemberg, der Wien verteidigen muss. Die Zeit ist vorbei. Und vor dem „osmanischen Ansturm auf die Mauern Wiens“ – wie es Herr Strache in Wien behauptet – braucht man sich nicht zu fürchten.

Aber ein gewisses Maß an Klugheit, ein Schuss Selbstbewusstsein, auch kulturelles Selbstbewusstsein würden uns hier gut tun. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Lindinger gemeldet. – Bitte schön.

 


Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundeskanzler! Wir haben vernommen, dass Sie für eine einheitliche europäische Vorgangsweise zu einer EU-Verfassung sind. Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass es doch noch zu einer einheitlichen Vorgangsweise in Europa kommt?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Bundesrat! Um ehrlich zu sein, ist es ziemlich sinnlos, dies mehr als dreimal zu probieren. Die Sache ist außerdem ent­schieden, denn folgende drei Länder haben bereits ratifiziert: Slowenien, Litauen und Ungarn. Das erste nationale Referendum wird im März, so glaube ich, in Spanien stattfinden. Die Sache ist entschieden. Ich habe mich da wirklich massiv eingesetzt. Ich war der Einzige, der das in den Sitzungen wirklich thematisiert hat. Ich denke, die Geschichte wird mir, oder uns, da es ein Vorschlag ist, der von vielen Fraktionen unterstützt wurde, Recht geben. Aber für diesen konkreten Fall ist es vorbei.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Bogensperger gemeldet. – Bitte schön.

 


Bundesrat Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Welche Verbesserungen bringt die neue Europäische Verfassung gegenüber dem Vertrag von Nizza aus österreichischer Sicht?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Die Beantwortung dieser Frage würde das Ausmaß eines Referats ausmachen. Ich möchte daher einige für uns ganz wichtige Punkte nennen: Da wäre zunächst die erstmalige Einbindung und Stärkung der natio­nalen Parlamente. Es gibt eine automatische Bremse, wenn mehrere nationale Parla­mente aus Subsidiaritätsgründen gegen einen Vorschlag der Kommission oder ein Gesetz oder eine Richtlinie der Europäischen Union auftreten.

Als zweiter Punkt ist eine deutliche Stärkung der individuellen Bürgerrechte zu nen­nen, ein Rechtszug an den Europäischen Gerichtshof.

Einige ganz grundlegende Elemente sind in dieser neuen Verfassung verankert: So ist beispielsweise die Daseinsvorsorge verankert, die sehr wichtig für die Länder und Gemeinden ist, die Frage des Tierschutzes auf europäischer Ebene, die Frage der Nachhaltigkeit, weiters die Frage verschiedener bürgerlicher Rechte, die ganze Grund­rechtscharta, die jetzt einklagbar und als verpflichtender Bestandteil dieser Europäi­schen Verfassung enthalten ist.

Das sind, so glaube ich, echte Marksteine dieser neuen Europäischen Verfassung. Wir hätten uns in manchen Bereichen – das sage ich offen – noch mehr gewünscht; so etwa mehr Mehrheitsabstimmungen in der Außenpolitik, in der Sicherheitspolitik. Das


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