Stenographisches Protokoll

727. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Freitag, 4. November 2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

727. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 4. November 2005

Dauer der Sitzung

Freitag, 4. November 2005: 9.03 – 19.09 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Wahl von Schriftführern für den Rest des 2. Halbjahres 2005

2. Punkt: Bundesgesetz über die Ausübung des zahnärztlichen Berufs und des Dentistenberufs (Zahnärztegesetz – ZÄG)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz zur Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerregern (Zoo­nosengesetz)

5. Punkt: Bundesgesetz über die Einrichtung eines Beirates beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen für Fragen der Aus- und Weiterbildung von Personal der amtlichen Kontrolle zum Schutze der Verbrauchergesundheit (Ausbildungsgesetz Ver­brauchergesundheit – AGVG)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970 und das Gebrauchsmuster­gesetz geändert werden

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Musterschutzgesetz 1990, das Markenschutz­gesetz 1970, das Patentamtsgebührengesetz und das Patentanwaltsgesetz geändert werden

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Allgemeine Pensionsgesetz sowie das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungs­gesetz, das Bundespflegegeldgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2005 – SVÄG 2005)

9. Punkt: Vertrag zur Änderung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande über die Binnenschiffahrt

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 und das Bun­desgesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen geändert wer­den

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Passgesetz 1992 geändert wird

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung eines Zukunftsfonds der Republik Österreich (Zukunftsfonds-Gesetz) und ein Bundesgesetz


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über die Errichtung einer Stipendienstiftung der Republik Österreich (Stipendienstif­tungs-Gesetz) erlassen werden

13. Punkt: Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2004

14. Punkt: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsge­richtshofes für die Jahre 2003 und 2004, vorgelegt vom Bundeskanzler

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (Anlagen­rechtsbereinigungs-Gesetz 2005)

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz über die Weiterverwendung von Informationen öffentlicher Stellen (Informationsweiterverwendungsgesetz – IWG)

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Vermessungsgesetz geändert wird

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikergesetz 1993 geändert wird

20. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2003

21. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2004

22. Punkt: Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft (Mittelstandsbericht 2002/03)

23. Punkt: Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit an das österrei­chische Parlament zum EU-Arbeitsprogramm 2005

*****

Inhalt

Bundesrat

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsu­mentenschutz zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung der Ge­sellschaft „Familie & Beruf Management GmbH“ erlassen sowie das Familienlas­tenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (1070 d.B.), gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 30. November 2005 zu setzen – Annahme  39, 159

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Be­schluss des Nationalrates betreffend ein Zahnärztekammergesetz (1091 d.B. und 1134 d.B.) gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 30. November 2005 zu set­zen – Annahme ..................................................................................  39, 159

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über die 7. Ärz­tegesetz-Novelle (1088 d.B. und 1135 d.B.) gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 30. November 2005 zu setzen – Annahme  39, 160

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Zahnärztereform-Begleitgesetz


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(1086 d.B. und 1136 d.B.) gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 30. Novem­ber 2005 zu setzen – Annahme ...........................................................  39, 160

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Be­schluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimit­telgesetz, das Rezeptpflichtgesetz, das Medizinproduktegesetz, das Tierarznei­mittelkontrollgesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz und das Arzneiwareneinfuhrengesetz 2002 geändert werden (1092 d.B. und 1142 d.B.), gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 30. November 2005 zu setzen – An­nahme .....................................  39, 160

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie zur Berichterstattung über die Postgesetznovelle 2005 (1068 d.B. und 1123 d.B.) gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 30. November 2005 zu setzen – An­nahme               40, 160

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie zur Be­richterstattung über die 8. Führerscheingesetz-Novelle (1073 d.B. und 1130 d.B.) gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 30. November 2005 zu setzen – Annahme ................................................................................................................................  40, 160

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden (685/A und 1154 d.B.), gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 30. November 2005 zu setzen – Annahme .............................................  40, 160

Antrag des Bundesrates Ludwig Bieringer, gemäß § 49 Abs. 3 GO-BR über die oben erwähnten Fristsetzungsanträge eine Debatte durchzuführen – Annahme               40, 40

Redner/Rednerinnen:

Ludwig Bieringer .......................................................................................................... 41

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 42

Stefan Schennach ........................................................................................................ 43

Mag. Harald Himmer .................................................................................................... 44

Stefan Schennach (tatsächliche Berichtigung) ............................................................ 45

1. Punkt: Wahl von Schriftführern für den Rest des 2. Halbjahres 2005 ...................... 45

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 11

Fragestunde (115.)

Gesundheit und Frauen .............................................................................................. 11

Martina Diesner-Wais (1456/M-BR/05); Ing. Siegfried Kampl, Elisabeth Kersch­baum, Manfred Gruber

Angela Lueger (1461/M-BR/05); Ferdinand Tiefnig, Mag. John Gudenus, Dr. Ru­perta Lichtenecker

Ing. Siegfried Kampl (1455/M-BR/05); Elisabeth Kerschbaum, Manfred Gruber, Günther Köberl


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Sonja Zwazl (1457/M-BR/05); Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Ewald Lindin­ger

Roswitha Bachner (1462/M-BR/05); Josef Saller, Mag. John Gudenus, Eva Kon­rad

Dr. Ruperta Lichtenecker (1460/M-BR/05); Ing. Reinhold Einwallner, Sonja Zwazl

Sissy Roth-Halvax (1458/M-BR/05); Dr. Peter Böhm, Eva Konrad, Harald Reisen­berger

Ana Blatnik (1463/M-BR/05); Martina Diesner-Wais, Ing. Siegfried Kampl, Dr. Ru­perta Lichtenecker

Edgar Mayer (1459/M-BR/05); Mag. John Gudenus, Eva Konrad, Karl Boden

Adelheid Ebner (1464/M-BR/05); Franz Wolfinger, Ing. Siegfried Kampl, Stefan Schennach

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 11

Verhandlungen

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bun­desgesetz über die Ausübung des zahnärztlichen Berufs und des Dentistenbe­rufs (Zahnärztegesetz – ZÄG) (1087 d.B. und 1133 d.B. sowie 7402/BR d.B.) ...................................................................................... 46

Berichterstatter: Hans Ager .......................................................................................... 46

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 46

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird (1083 d.B. und 1137 d.B. sowie 7394/BR d.B. und 7406/BR d.B.)        ............................................................................................................................... 46

Berichterstatterin: Michaela Gansterer ........................................................................ 46

Redner/Rednerinnen:

Johann Giefing ............................................................................................................. 46

Martina Diesner-Wais .................................................................................................. 47

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 48

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat ...................................................................... 49

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 50

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bun­desgesetz zur Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerregern (Zoonosen­gesetz) (1085 d.B. und 1138 d.B. sowie 7407/BR d.B.)              ............................................................................................................................... 50

Berichterstatterin: Michaela Gansterer ........................................................................ 51

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Beirates beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen für Fragen der Aus- und Weiterbildung von Personal der


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amtlichen Kontrolle zum Schutze der Verbrauchergesundheit (Ausbildungsgesetz Verbrauchergesundheit – AGVG) (1089 d.B. und 1139 d.B. sowie 7395/BR d.B. und 7408/BR d.B.) ................................................................................................................. 51

Berichterstatterin: Michaela Gansterer ........................................................................ 51

Redner/Rednerinnen:

Manfred Gruber ............................................................................................................ 51

Edgar Mayer .................................................................................................................. 52

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat ...................................................................... 53

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 4, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 53

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 5, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 53

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970 und das Gebrauchsmustergesetz geändert werden (997 d.B. und 1140 d.B. sowie 7409/BR d.B.) ................................................................................................................. 53

Berichterstatter: Edgar Mayer ....................................................................................... 54

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Musterschutzgesetz 1990, das Markenschutzge­setz 1970, das Patentamtsgebührengesetz und das Patentanwaltsgesetz geän­dert werden (1141 d.B. sowie 7410/BR d.B.) ..................... 54

Berichterstatter: Edgar Mayer ....................................................................................... 54

Redner/Rednerinnen:

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 54

Wolfgang Schimböck .................................................................................................. 55

Martina Diesner-Wais .................................................................................................. 56

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat ...................................................................... 57

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 57

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 58

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das All­gemeine Pensionsgesetz sowie das Beamten-Kranken- und Unfallversiche­rungsgesetz, das Bundespflegegeldgesetz und das Arbeitslosenversicherungs­gesetz 1977 geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2005 – SVÄG 2005) (1111 d.B. und 1132 d.B. sowie 7393/BR d.B. und 7412/BR d.B.) ................................................................................... 58

Berichterstatter: Harald Reisenberger ......................................................................... 58

Redner/Rednerinnen:

Eva Konrad ................................................................................................................... 59

Mag. Susanne Neuwirth .............................................................................................. 59

Stefan Schennach ........................................................................................................ 62

Helmut Kritzinger ......................................................................................................... 63


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 6

Dr. Erich Gumplmaier ................................................................................................. 65

Edgar Mayer .................................................................................................................. 67

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 69

Ferdinand Tiefnig ......................................................................................................... 70

Franz Wolfinger ............................................................................................................ 72

Bundesministerin Ursula Haubner ............................................................................ 73

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 77

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend einen Vertrag zur Änderung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande über die Binnenschiffahrt (1112 d.B. und 1126 d.B. sowie 7415/BR d.B.) ............................................................. 77

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 77

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 77

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 und das Bundes­gesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen geändert werden (711/A und 1127 d.B. sowie 7398/BR d.B. und 7416/BR d.B.) ................................................................................................................. 77

Berichterstatterin: Angela Lueger ................................................................................. 77

Redner/Rednerinnen:

Günther Molzbichler .................................................................................................... 78

Mag. Harald Himmer .................................................................................................... 79

Stefan Schennach ........................................................................................................ 79

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 80

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Passgesetz 1992 geändert wird (1157 d.B. sowie 7419/BR d.B.) ................................ 80

Berichterstatter: Ing. Hermann Haller .......................................................................... 80

Redner:

Franz Wolfinger ............................................................................................................ 81

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 81

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung eines Zukunfts­fonds der Republik Österreich (Zukunftsfonds-Gesetz) und ein Bundesgesetz über die Errichtung einer Stipendienstiftung der Republik Österreich (Stipendien­stiftungs-Gesetz) erlassen werden (679/A und 1153 d.B. sowie 7420/BR d.B.) ......................... 82

Berichterstatterin: Angela Lueger ................................................................................. 82

Redner/Rednerinnen:

Dr. Franz Eduard Kühnel ............................................................................................. 83

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 85

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 87


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 7

Stefan Schennach ........................................................................................................ 88

Ludwig Bieringer .......................................................................................................... 90

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates einen begründeten Einspruch zu erheben ......................................................................... ..... 91

13. Punkt: Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2004 (III-283-BR/2005 d.B. sowie 7421/BR d.B.) ................................................................................................................. 91

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax .......................................................................... 91

Redner/Rednerinnen:

Harald Reisenberger .................................................................................................... 91

Josef Saller ................................................................................................................... 93

Stefan Schennach ........................................................................................................ 94

Dr. Peter Böhm ............................................................................................................. 96

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 97

Volksanwalt Dr. Peter Kostelka .................................................................................. 98

Volksanwältin Rosemarie Bauer ................................................................................ 99

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-283-BR/2005 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 101

14. Punkt: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfas­sungsgerichtshofes für die Jahre 2003 und 2004, vorgelegt vom Bundeskanzler (III-284-BR/2005 d.B. sowie 7422/BR d.B.)             ............................................................................................................................. 101

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax ........................................................................ 101

Redner/Rednerinnen:

Ewald Lindinger ......................................................................................................... 101

Dr. Franz Eduard Kühnel ........................................................................................... 103

Dr. Peter Böhm ........................................................................................................... 105

Mag. John Gudenus ................................................................................................... 108

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-284-BR/2005 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 109

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (Anlagen­rechtsbereinigungs-Gesetz 2005) (999 d.B. und 1148 d.B. sowie 7423/BR d.B.)                                                                                                                              110

Berichterstatterin: Mag. Susanne Neuwirth .............................................................. 110

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (695/A und 1149 d.B. sowie 7424/BR d.B.) .... 110

Berichterstatterin: Mag. Susanne Neuwirth .............................................................. 110

Redner/Rednerinnen:

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 110

Wolfgang Schimböck ................................................................................................ 111

Sonja Zwazl ................................................................................................................. 113

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 114

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 15, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 116


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 8

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 16, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 116

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Weiterverwendung von Informationen öffentlicher Stellen (Informationsweiterverwendungsgesetz – IWG) (1026 d.B. und 1150 d.B. sowie 7425/BR d.B.) ........................................................... 116

Berichterstatterin: Mag. Susanne Neuwirth .............................................................. 116

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Vermessungsgesetz geändert wird (1151 d.B. sowie 7400/BR d.B. und 7426/BR d.B.)                116

Berichterstatterin: Mag. Susanne Neuwirth .............................................................. 116

Redner/Rednerinnen:

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 116

Werner Stadler ............................................................................................................ 117

Jürgen Weiss .............................................................................................................. 118

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 120

Stefan Schennach ...................................................................................................... 121

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 17, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 122

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 18, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 122

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikergesetz 1993 geändert wird (1090 d.B. und 1152 d.B. sowie 7401/BR d.B. und 7427/BR d.B.)        ............................................................................................................................. 122

Berichterstatter: Helmut Wiesenegg .......................................................................... 122

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 123

Gemeinsame Beratung über

20. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2003 (III-265-BR/2004 d.B. sowie 7428/BR d.B.) .............................................................................. 123

Berichterstatter: Helmut Wiesenegg .......................................................................... 123

21. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2004 (III-288-BR/2005 d.B. sowie 7429/BR d.B.) .............................................................................. 123

Berichterstatter: Helmut Wiesenegg .......................................................................... 123

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Schimböck ................................................................................................ 123

Hans Ager ................................................................................................................... 126

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 129

Christine Fröhlich ...................................................................................................... 131

Peter Mitterer .............................................................................................................. 132


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 9

Michaela Gansterer .................................................................................................... 134

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 135

Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen auf Kennt­nisnahme des Berichts über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2003 (III-265-BR/2004 d.B.) – Annahme    129, 138

Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen auf Kennt­nisnahme des Berichts über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2004 (III-288-BR/2005 d.B.) – Annahme    129, 138

22. Punkt: Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft (Mittelstandsbericht 2002/03) (III-267-BR/2005 d.B. sowie 7430/BR d.B.) .................. 138

Berichterstatter: Dr. Karl-Heinz Dernoscheg ............................................................ 138

Redner/Rednerinnen:

Ing. Reinhold Einwallner ..................................................................................  139, 148

Hans Ager ................................................................................................................... 141

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 143

Peter Mitterer .............................................................................................................. 145

Sonja Zwazl ........................................................................................................  146, 148

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 149

Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen auf Kennt­nisnahme des Berichts über die Situation der kleinen und mittleren Unter­nehmungen der gewerblichen Wirtschaft (Mittelstandsbericht 2002/03) (III-267-BR/2005 d.B.) – Annahme .......................  142, 152

23. Punkt: Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit an das österrei­chische Parlament zum EU-Arbeitsprogramm 2005 (III-272-BR/2005 d.B. sowie 7237/BR d.B.) ........................... 153

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax ........................................................................ 153

Redner/Rednerinnen:

Mag. John Gudenus ................................................................................................... 153

Albrecht Konecny ...................................................................................................... 156

Ludwig Bieringer ........................................................................................................ 158

Entschließungsantrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bericht der Außenministerin über die öster­reichische EU-Präsidentschaft – Annahme (E 195-BR/05) .................................................................................................................  158, 159

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-272-BR/2005 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 159

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Österreichischen Strukturplan Gesundheit (2366/J-BR/05)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, und Ing. Reinhold Einwallner an die Bundesministerin für Inneres betreffend Verbot des Verkaufs von Softguns an Personen unter 18 Jahren (2367/J-BR/05)


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Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Rückgang der Anzahl der TeilnehmerInnen an Schulschikursen (2368/J-BR/05)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer und Ing. Reinhold Einwallner an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Bekanntgabe von Fahrzeughaltern (2369/J-BR/05)


09.03.47


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Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Präsident Peter Mitterer: Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 727. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 726. Sitzung des Bundesrates vom 13. Oktober 2005 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind für die heutige Sitzung die Mitglieder des Bundesrates Karl Bader und Gottfried Kneifel.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Peter Mitterer: Ich gebe bekannt, dass das Bundeskanzleramt über jewei­lige Entschließung des Bundespräsidenten die Mitteilung gemacht hat, dass innerhalb des Zeitraumes vom 3. bis 5. November 2005 die Bundesministerin für Justiz Mag. Ka­rin Gastinger durch die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Kon­sumentenschutz Ursula Haubner und dass am 4. November 2005 die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik durch den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein sowie am 8. und 9. November 2005 durch den Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser vertreten wird.

09.05.11Fragestunde

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bevor ich jetzt, um 9.05 Uhr, mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, auf bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Bundesministerium für Gesundheit und Frauen

 


Präsident Peter Mitterer: Wir kommen nun zur 1. Anfrage,1456/M, an die Bundes­ministerin für Gesundheit und Frauen.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Diesner-Wais, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Meine Frage lautet:

1456/M-BR/2005

„Ist Österreich für eine mögliche Vogelgrippe-Pandemie gerüstet?“

 


Präsident Peter Mitterer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich könnte es jetzt ganz kurz machen und sagen: Ja! – Ich denke aber, dass das Thema in den letzten Wochen und Monaten die öffentlichen Medien und damit auch die österreichische Bevölkerung so sehr beschäftigt hat, dass wir durchaus auch eine etwas breitere Information liefern sollten.


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Ich glaube, wir müssen bei der gesamten Diskussion rund um die Vogelgrippe drei ver­schiedene Krankheiten unterscheiden. Das eine ist die Vogelgrippe, die bei uns viel besser unter dem Wort „Geflügelpest“ bekannt ist. Diese Geflügelpest ist eine Tier­seuche, die in ganz seltenen Fällen auf den Menschen übertragen wird. Wir wissen, dass es rund 100 Infektionen gegeben hat, alle in Asien, und zwar nur durch einen un­mittelbaren und direkten Kontakt mit dem Tier. Diese Übertragung kommt also ent­weder bei Menschen vor, die mit den Tieren unter einem Dach wohnen, wie das in süd­ostasiatischen Ländern durchaus der Fall ist, oder bei solchen, die unmittelbar intensiv mit Tieren zusammenarbeiten. Für den Menschen, der den normalen Kontakt zu einem Tier hat, ist die Vogelgrippe, die Tierseuche nicht ansteckend. Sie kann nicht einmal durch verseuchte tote Tiere, die gekocht verzehrt werden, übertragen werden, weil der Vogelgrippe-Erreger H5N1 durch Erhitzen vernichtet wird und daher dem Menschen nicht mehr schaden kann.

Der zweite Punkt, den wir in der ganzen aufgeheizten Diskussion unterscheiden müs­sen, ist die saisonale Grippe – „seasonal flu“, wie sie in der internationalen Diktion ge­nannt wurde –, das heißt die Grippe, die jedes Jahr in aller Welt auftritt, stärker oder weniger stark, deren Stamm sich jährlich ein wenig verändert, sodass auch die Impfun­gen immer ein wenig abgestimmt werden müssen, und die nicht zu verwechseln ist mit einer reinen Erkältungskrankheit und die auch nicht zu unterschätzen ist. Grippe geht immer einher mit hohem Fieber, ist nicht nur Husten und Schnupfen, sondern wirkliche Grippe ist eine Virusinfektion.

Und der dritte Terminus, den wir in diesem Kontext diskutieren müssen, ist eine mög­liche Pandemie, die man annimmt für den Fall, dass sich das Vogelgrippe-Virus mit einem menschlichen Virus verbindet. Es gibt derzeit keinen Hinweis darauf, dass das passieren wird, aber niemand auf der Welt kann es ausschließen. Zu dieser Diskussion hinzu kommt noch die Tatsache, dass es im 20. Jahrhundert, also im vorigen Jahrhun­dert, drei Pandemien, weltweite Erkrankungen gegeben hat, denen nach dem Ersten Weltkrieg Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind. Sie müssen aber bedenken, dass damals die Menschen ausgehungert waren, dass es keine Medikamente gab, dass die Menschen kaum Immunabwehrkräfte hatten nach diesem vierjährigen Krieg. Heute aber leben wir in einer Zeit, in der wir sehr gut mit Medikamenten gerüstet sind, wo Impfungen in der Zwischenzeit, wie wir merken, intensiv in Anspruch genommen werden – bisher, in den vergangenen Jahren, haben wir eine Teilnahme von rund 17 Prozent an Grippeimpfungen gehabt, heuer haben wir schon eine Teilnahme von 40 Prozent, was natürlich zu einer Knappheit beim Impfstoff führt, aber durchaus posi­tiv zu bewerten ist – und wo wir auch mit entsprechenden Medikamenten, eines davon ist Tamiflu, entgegenwirken können und werden.

Österreich ist insofern gerüstet, als wir der Aufforderung der Weltgesundheitsorganisa­tion gefolgt sind und einen Pandemieplan erstellt haben. Wir sind das einzige Land der Welt, das diesen Pandemieplan auch im Ministerrat beschlossen, also durch den Ministerrat geführt hat. Wir haben auch einen großen Krisenplan gegen die Geflügel­pest. Beide sind über das Internet, über unsere Homepage abrufbar. Und wir sind jetzt gerade dabei, in Erfüllung dieses Pandemieplanes sowohl die Verhandlungen mit den Medikamentenherstellern, mit den Impfstoffherstellern als auch über die Vorsorge mit Mundmasken zu führen. All das ist also bereits im Laufen und voll im Plan.

Ich denke daher, Österreich ist gut gerüstet für alle drei Fälle, die ich hier genannt habe, und es ist uns Gott sei Dank im Rahmen des Gesundheitsministerrates, der vor etwa 14 Tagen in England, in Hertfordshire, im Rahmen der britischen Präsidentschaft stattgefunden hat, gelungen, auch eine Beruhigung der Diskussion um diese weltweite Aufregung zu bewirken. Es waren damals ursprünglich zum Gesundheitsministerrat sieben Journalisten angemeldet. Dann lautete das Thema: Wir müssen über die Vogel­


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grippe reden!, woraufhin 200 Journalisten anwesend waren, und es wurde von der britischen Präsidentschaft und von der Kommission meiner Ansicht nach sehr gut diese Unterscheidung zwischen avian flu – Vogelgrippe –, seasonal flu – saisonaler Grippe – und pandemic flu – pandemischer Grippe – über die Medien kommuniziert.

Wir haben dies ja auch in Österreich getan. Wir haben zwei Medienseminare für öster­reichische Journalistinnen und Journalisten durchgeführt, und wir waren sehr froh, dass sie von insgesamt, glaube ich, rund 40 Journalisten und Journalistinnen in An­spruch genommen wurden und dass sich seither auch die Diskussion in den österrei­chischen Medien Gott sei Dank versachlicht hat.

 


Präsident Peter Mitterer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundes­rätin.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Wirken die so genann­ten Neuraminidasehemmer auch im Falle einer Ansteckung mit der Vogelgrippe?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Neuraminidase­hemmer wirken generell gegen alle Grippeviren. Sie müssen daher auch gegen Vogel­grippe wirken. Professor Graninger hat das im Fernsehen ein wenig in Zweifel gestellt, aber wir gehen davon aus, dass sie wirken – das sagen auch die Expertinnen und Experten –, und wir haben daher auch speziell für den Fall einer Geflügelgrippe in Österreich – Gott sei Dank hat Österreich in den letzten Jahren keine Geflügelgrippe gehabt – Vorsorge getroffen, dass alle Angestellten, die dann die Hühnerbestände keu­len müssen, das heißt vernichten müssen, vorsorglich mit Tamiflu versorgt werden können.

 


Präsident Peter Mitterer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Ing. Kampl, bitte.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sie haben eine sehr gute Aufklärung, vor allem eine Beruhigung in die ganze Sache gebracht. Dennoch möchte ich eine Zusatzfrage stellen:

Welche Maßnahmen werden von der bäuerlichen Sozialversicherung ergriffen, um ihre Versicherten vor der Vogelgrippe zu schützen?

 


Präsident Peter Mitterer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Die bäuerliche Sozialversicherung ist hier dankenswerterweise, wie in vielen anderen Vorsorgemaß­nahmen, aktiv. Sie bezahlt für ihre Mitglieder auch die Grippeimpfung, dort, wo not­wendig, und hat sich auch auf eine mögliche Geflügelgrippe entsprechend vorbereitet. Sie informiert auch im Internet mit ihren Publikationen und gewährt einen Zuschuss zur Grippeimpfung – sie bezahlt sie nicht voll. Selbstverständlich würde sie, genauso wie alle anderen Sozialversicherungen auch, im Falle einer Pandemie oder im Falle einer Grippewelle das Tamiflu auf Krankenkassenkosten verschreiben.

 


Präsident Peter Mitterer: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Kerschbaum, bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie haben uns jetzt ganz genau die Unterschiede zwischen den verschiede­nen Arten von Influenza erläutert. Meine Frage ist nun:

 


In der Schweiz gibt es diesbezüglich Erhebungsbögen und Fragebögen und auch Infor­mationsmaterial in den Arztpraxen. Gibt es das auch in Österreich, oder ist vorge­sehen, das auch in Österreich aufzulegen?


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Präsident Peter Mitterer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Ich weiß nicht, welcher Art die Erhebungsbögen in der Schweiz sind. Wir haben in Vorbereitung bezie­hungsweise in Umsetzung des Pandemieplanes sehr umfassend informiert, einerseits über die Landessanitätsdirektionen selbstverständlich all jene Dienststellen, für die dies notwendig ist, und andererseits natürlich auch über die entsprechenden Schienen der Ärztekammer die Ärztinnen und Ärzte. Wir haben weiters versucht, mit einer sehr ver­antwortungsvollen Medienarbeit auch die Bevölkerung entsprechend zu informieren, wobei es immer sehr schwierig und eine sehr schmale Gratwanderung ist, den richti­gen Weg zwischen Nichtverharmlosung und Vermeidung von Hysterie zu gehen. Einer­seits dürfen wir auch nicht sagen, es ist alles ungefährlich – denn dann würde auch die eigene Vorsorge, die eigene Aufmerksamkeit leiden –, andererseits mussten wir aber auch einer weltweit entstehenden Hysterie entgegenhalten, dass die Annahme einer Pandemie eine rein hypothetische ist, die zwar niemand ausschließen kann, deren Wahrscheinlichkeit heute aber auch niemand bestätigen kann.

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Gruber zu Wort gemeldet. Ich ersuche ihn, diese zu stellen.

 


Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Frau Bundesministerin! Sie haben in Ihrem Ministerium 50 000 € für prophylaktische Maßnahmen zum Einsatz von Tamiflu vorgesehen. Wissen Sie als Gesundheitsministerin über Maßnahmen in den anderen Ministerien Bescheid? Und wenn ja, über welche?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Selbstverständ­lich, Herr Abgeordneter, weil wir ja als Bundesministerium für Gesundheit und Frauen die Koordination in dieser Frage übernommen haben. Wir haben auch in Umsetzung des Pandemieplanes mit allen Bundesministerien Gespräche und Verhandlungen ge­führt über die Mengen, mit denen sie für jeweils ihre Beamtinnen und Beamten vor­sorgen werden – was natürlich im Bereich der Polizei oder auch der Justizwache ganz besonders wichtig ist –, aber auch mit allen Ländern, die wiederum mit den Gemeinden Rücksprache gehalten und auch entsprechende Fragebögen ausgeschickt haben über die Mengengerüste, für die Tamiflu besorgt werden sollte, weil wir die Verhandlungen dann zentral geführt haben, um auch bessere Konditionen und Bedingungen zu be­kommen.

Insgesamt ist es so, dass wir rund 40 bis 50 Millionen € – Bund, Länder und Ge­meinden zusammen – aufwenden werden, um entsprechende Vorräte anzulegen, wo­bei wir bisher als einziges Land – und ich bin sehr verwundert gewesen, dass kein anderes Land Europas auf diese Idee gekommen ist – mit der Firma Roche über ein Umwälzsystem für Tamiflu verhandeln. Wir bekommen ja das Tamiflu sozusagen unter Ausschaltung des Zwischenhandels – Großhandel und Apotheken – zu einem beson­ders günstigen Preis, dürfen dieses aber nur im Katastrophenfall an die Bevölkerung abgeben. Wenn jetzt in den nächsten sechs bis acht Jahren, solange eben die Medika­mente wirksam beziehungsweise nicht abgelaufen sind, keine Pandemie ausbricht, müssten wir eigentlich diese 40 bis 50 Millionen € vernichten, wegwerfen. Das halte ich nicht für gerechtfertigt. Wir haben daher begonnen, über ein Umwälzsystem zu verhan­deln. Das heißt, dass jedes Jahr, wenn zum Beispiel die Laufzeit acht Jahre oder sechs Jahre beträgt, ein Achtel oder ein Sechstel des Bedarfs von der Firma ausge­tauscht wird, dass also die Firma den nicht abgelaufenen Impfstoff in Verkehr bringt und wir dafür neuen bekommen, sodass wir ein revolving system hätten. – Kein einzi­ger europäischer Minister ist auf die Idee gekommen, das zu verhandeln.


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Ich bedanke mich da sehr bei meinem Kabinettchef und bei meinen Beamtinnen und Beamten, die dies zu verhandeln begonnen haben. Ich habe es auch einigen anderen europäischen Ministern beziehungsweise allen Ministern vorgeschlagen, wobei ich einige eindringlich darauf aufmerksam gemacht habe – weil es natürlich sehr schwer ist, solche Konditionen für ein kleines Land wie Österreich allein zu bekommen, wenn alle anderen einfach damit einverstanden sind, dass sie diese Mittel nach einer gewis­sen Zeit vernichten.

 


Präsident Peter Mitterer: Damit ist die 1. Anfrage erledigt.

Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage, 1461/M, und ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Lueger, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Angela Lueger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Sie haben heute zwar wortreich erklärt, dass der Pandemieplan in Österreich läuft, ich traue mich aber zu sagen: Der Pandemieplan hat versagt. Die Aussage der Apothekerkammern, dass die Versorgung mit Grippeimpfstoffen nicht mehr gewährleistet ist, hat sich gestern in den Medien nochmals in der Aussage be­stätigt, dass sie jetzt auch für Wien nicht mehr gewährleistet ist. Der Grippeimpfstoff ist schlichtweg aus.

Meine Frage:

1461/M-BR/2005

„Warum können Sie die Versorgung der Österreicherinnen und Österreicher durch ,normale Grippeimpfstoffe‘ nicht sicherstellen?“

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Kollegin! Sie müssten sich ein wenig bei der Bundesministerienverordnung kundig machen, würde ich meinen. Das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen ist nicht zustän­dig für die Verteilung oder für die Anschaffung des Impfstoffes, sondern lediglich für die Zulassung eines Impfstoffes. Das haben wir selbstverständlich, wie immer, sehr rasch gemacht. Wie Sie wissen, werden Impfstoffe jährlich ein wenig adaptiert, um jeweils den Veränderungen des Virus gerecht zu werden.

Die mengenmäßige Bewirtschaftung des heimischen Marktes erfolgt durch die pharma­zeutische Industrie und den Großhandel. Wir haben Gott sei Dank keine Planwirt­schaft, sondern eine ökosoziale Marktwirtschaft, in der das funktioniert. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Dr. Böhm, Mag. Gudenus und Ing. Kampl.) Es wird je­weils auf die Frequenz des Vorjahres zurückgegriffen, weil auch die Wirtschaft, die pharmazeutische Industrie, ungern Impfstoff erzeugt, der ja nicht gerade billig ist, wie Sie wissen, um ihn dann wegzuwerfen.

Wir haben in Österreich eine durchschnittliche Impfrate von 17 Prozent jährlich gehabt, obwohl wir immer wieder Werbemaßnahmen durchgeführt haben. Ich habe mich im vergangenen Jahr sogar öffentlich impfen lassen, um die Menschen davon zu über­zeugen, dass das Sinn macht. Es war – so nehme ich an – für 25 bis 30 Prozent der Bevölkerung vorgesorgt. Auf Grund der Diskussion, die in den letzten Wochen zum Teil, so denke ich, sehr emotional und aufgeheizt geführt wurde, haben sich viele Men­schen – Gott sei Dank – entschlossen, sich impfen zu lassen. Wir stehen derzeit bei einer Durchimpfrate von 40 Prozent, was mich persönlich sehr freut, weil das die Kos­ten für die Medikamente während der tatsächlichen saisonalen Grippewelle wesentlich reduzieren wird.


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Ich gehe daher davon aus, dass es nicht eine Fehleinschätzung war, sondern eine Ein­schätzung der bisherigen Impfsituation. Dazu kam, dass ein Grippeimpfstoffproduzent in Europa ausgefallen ist, weil seine Produktionsstätte auch heuer nicht die notwendi­gen Qualitätsauflagen erfüllt hat. Es ist uns ein Anliegen, dass den Österreicherinnen und Österreichern Grippeimpfstoffe von höchster Qualität zur Verfügung stehen.

In der Zwischenzeit hat sich auch gezeigt, dass weltweit zu wenig Impfstoff zur Verfü­gung steht, weil auch in anderen Ländern auf Grund dieser Diskussion die Durchimpf­rate wesentlich gestiegen ist. Die Europäische Kommission hat dies daher zum Anlass genommen, Gespräche mit der Industrie zur Verbesserung der Situation herbeizufüh­ren.

 


Präsident Peter Mitterer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Angela Lueger (SPÖ, Wien): Auf welcher Rechtsgrundlage wollen Sie nun die Einfuhr von nicht in Österreich zugelassenen Impfstoffen erlauben, und wann wird es genug dieses zugelassenen Impfstoffes geben?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Auf der Basis jener Rechte, die auch für jedes andere pharmazeutische Produkt gelten. Wir werden selbstverständlich jeden Impfstoff, der zur Zulassung an uns herangetragen wird, vor­dringlich behandeln und so rasch wie möglich zulassen. Ich gehe davon aus, dass die Versorgung schon in den nächsten Wochen sichergestellt sein wird.

 


Präsident Peter Mitterer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Tiefnig, bitte.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Minister! Ich war jetzt vor kurzem in Bayern bei einer Veranstaltung. Österreich ist ja durch die Steuerreform ein hervorragender Wirtschaftsstandort geworden. Meine Frage lautet daher: Gibt es auch in Österreich Produktionsstätten für Grippeimpfstoffe?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Nein, es gibt derzeit keine Produktionsstätte für Grippeimpfstoffe. Wir haben zwar eine Reihe phar­mazeutischer Firmen, die in Österreich wichtige, zum Teil einzigartige pharmazeu­tische Produkte auch für den Weltmarkt produzieren, aber es wird derzeit kein Grippe­impfstoff produziert. Es ist aber zu erwarten, dass ab nächstem Winter in einer neuen, in Österreich entwickelten Technik auch Grippeimpfstoff in Österreich produziert wird. Die klinischen Evaluierungen laufen derzeit gerade. Sie bringen hervorragende Ergeb­nisse. Wir hätten dann auch den Vorteil einer rascheren Versorgung der österreichi­schen Bevölkerung, auch wenn es um die Nachversorgung geht.

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. Gudenus gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Frau Bundes­minister! Welcher Personengruppe empfehlen Sie eine Grippeschutzimpfung?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Generell würde ich sagen: Wenn nicht medizinische Gründe dagegen sprechen, kann sie niemandem schaden. Ich würde meinen, es ist durchaus sinnvoll, sich impfen zu lassen. Dies gilt nicht für Kinder vor dem vollendeten sechsten Monat; bei Kindern wird die Impfung ab dem siebenten Lebensmonat empfohlen.


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Vor allem wird sie aber Gruppen von Jugendlichen und Erwachsenen mit erhöhter Ge­fährdung infolge eines Grundleidens beziehungsweise Schwangeren, Personen über dem 60. Lebensjahr und Personen, die engen und viel Kontakt mit anderen Menschen haben, also VerkäuferInnen, SupermarktkassierInnen und natürlich Pflegepersonal und Gesundheitspersonal in den Krankenhäusern, empfohlen.

 


Präsident Peter Mitterer: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker, bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Wie werden Sie sicherstellen, dass das Personal in den Alten- und Pflege­heimen tatsächlich die Impfung bekommen kann beziehungsweise geimpft wird?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Dieses Perso­nal war bisher auch schon immer Zielpunkt der Vorsorge. Ich gehe davon aus, dass viele Einrichtungen, etwa Krankenhäuser, Altenpflegeheime, diese Grippeimpfung so­gar für ihr Personal bezahlen. Ich kann von mir als Arbeitgeberin sagen, dass wir un­seren MitarbeiterInnen in der Bundespartei, solange ich Generalsekretärin war, die Grippeimpfung immer kostenlos angeboten haben, das heißt, der Arbeitgeber hat die Kosten übernommen. Wir tun das auch jetzt im Ministerium. Ich denke, dass das eine sinnvolle Maßnahme ist.

Darüber hinaus haben wir im Pandemieplan selbstverständlich auch mit den Bundes­ländern dieses Personal als erste Ansprechpartner für eine Versorgung mit Neuramini­dasehemmern vorgesehen.

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, 1455/M.

Ich ersuche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ing. Kampl, die Frage zu stellen.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister, meine Frage lautet:

1455/M-BR/2005

„Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die österreichische Bevölkerung vor mit Paratuberkulose verseuchter Milch und Kindernahrung zu schützen?“

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Sowohl gemäß der geltenden Milchhygieneverordnung als auch in Zukunft mit In-Kraft-Treten des Lebensmittelsicherheitsgesetzes und Verbraucherschutzgesetzes ist si­chergestellt, dass für den Konsum der Österreicherinnen und Österreicher nur Milch gesunder Tiere gewonnen und verarbeitet wird.

Die Bedeutung dieses Virus, des Erregers der Paratuberkulose des Rindes, als Krank­heitserreger für den Menschen, insbesondere auch als Erreger für die Morbus-Crohn-Krankheit, ist umstritten und wird von führenden Humanmedizinern ausdrücklich in Ab­rede gestellt. Da aber diese Rinderkrankheit, die auch mit erheblichen wirtschaftlichen Verlusten einhergeht, international im Vormarsch ist, ist Österreich als bisher einziger Staat bereits dabei, gesetzliche und somit auch für jedermann verpflichtende Maßnah­men zu treffen.

Seit Mitte Oktober ist eine Verordnung zur Bekämpfung der klinischen Paratuberkulose bei Wiederkäuern gemäß Tiergesundheitsgesetz in Begutachtung: Die Kernpunkte können Sie ersehen, ich kann sie Ihnen auch geben. Es wäre zu ausführlich, diese hier


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anzuführen. Es ist geplant, die gegenständliche Verordnung mit 1. Jänner 2006 in Kraft zu setzen, da auch in dieser Verordnung mehrere Bezüge auf das kommende Lebens­mittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz enthalten sind und dieses Gesetz ebenfalls mit 1. Jänner 2006 in Kraft tritt.

 


Präsident Peter Mitterer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Frau Bun­desminister, welche Vorkehrungen zur Bekämpfung werden getroffen?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Es gibt bis heute keine international abgestimmten Maßnahmen zur Bekämpfung des Auftretens der Paratuberkulose in den heimischen Tierbeständen. Österreich ist bisher auch das einzige Land, das über zwei Studien verfügt, die wissenschaftlich eine statistisch abge­sicherte Aussage über das Auftreten im heimischen Rinderbestand ermöglichen. Auf Grund dieser Studien war erstmals diese Zunahme erkennbar. Daher haben wir diese entsprechende Verordnung in Vorbereitung gebracht und werden das erste Land sein, das diesbezüglich die entsprechenden Maßnahmen getroffen hat.

 


Präsident Peter Mitterer: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Kerschbaum, bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Frau Ministerin, wer­den Sie die Grenzwerte für Jod in der kommerziellen Kindernahrung senken?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Mir ist derzeit nicht bekannt, dass das in Ausarbeitung wäre, aber ich kann mich gerne auf Grund Ihrer Frage im Haus erkundigen, ob es diesbezügliche Vorhaben gibt.

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Gru­ber gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Frau Ministerin, weil wir gerade bei der Milch sind: In Salzburg hat es ja bedauerlicherweise in Seekirchen diesen BSE-Fall gegeben. Eine Milchkuh war betroffen. Ist auszuschließen, dass aus dem Verzehr der Milch dieser infizierten Milchkuh irgendwelche nachfolgenden Schäden zu erwarten sind?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Das ist auszu­schließen. Es ist auch bei diesem bedauerlichen BSE-Fall so, dass er wiederum nicht eine heimische Kuh – wenn Sie so wollen –, sondern eine Kuh, die in der Schweiz ge­boren wurde und die ersten zwei Lebensjahre in der Schweiz verbracht hat, betroffen hat. Möglicherweise wurde sie dort auch mit Tiermehl gefüttert, das zu dem Zeitpunkt in der Schweiz noch nicht, aber in Österreich schon verboten war.

Es ist durch das sehr dichte Kontrollnetz in den heimischen Schlachthöfen sofort Vor­sorge getragen worden, dass weder Fleisch dieser Kuh noch das der vorher ge­schlachteten und der beiden danach geschlachteten Rinder in die Lebensmittelkette gelangt. Es ist auch auszuschließen, dass durch die Milch irgendwelche Infektionen auftreten.

 


Präsident Peter Mitterer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Köberl, bitte.

 



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Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Mi­nisterin! Wie kann man sich in der Praxis vor Einschleppung von Paratuberkulose in den Betrieb schützen?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat, in Österreich ist diese Krankheit Gott sei Dank bei weitem nicht so verbreitet wie in vie­len anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Im internationalen Tierverkehr ist es problematisch, dass derzeit weder seitens der Europäischen Union noch seitens des internationalen Amtes für Tiergesundheit veterinärbehördliche Regelungen be­stehen.

Die Möglichkeit, dass Österreich als Mitglied der Europäischen Union von sich aus al­leine derartige Regelungen einführt, ist nicht gegeben. Es können aber privatrechtliche Vorkehrungen getroffen werden, welche das Risiko der Einschleppung reduzieren. So kann man zum Beispiel auf privatrechtlicher Basis fordern, dass die erworbenen Tiere nicht aus einem Bestand kommen dürfen, in welchem die Krankheit bereits aufgetreten ist, oder es kann verlangt werden, dass die Tiere labortechnisch auf Paratuberkulose mit negativem Ergebnis untersucht sein müssen. Allerdings wird das bei Tieren unter zwei Jahren nicht sehr aussagekräftig sein.

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage, 1457/M.

Der als verhindert gemeldete Bundesrat Gottfried Kneifel hat gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung sein Einverständnis bekannt gegeben, dass Frau Bundesrätin Zwazl in das Fragerecht eintritt. Ich bitte um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Minister! Die Frage lautet:

1457/M-BR/2005

„Wie ist der Stand der Vorbereitungen für die kommende EU-Präsidentschaft in Ihrem Ministerium?“

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Frau Bundesrätin, das gemeinsame Präsidentschaftsprogramm mit Finnland ist gerade in der Endphase der Abstimmung zwischen den beiden Ländern. Das Programm des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen ist fix und fertig, die organisatorischen Vorbereitungen für eine Vielzahl von Treffen und Konferenzen laufen.

Neben den Schwerpunkten Frauengesundheit, Diabetes und traditionsbedingte Gewalt an Frauen, die von uns aktiv gewählt wurden, wird das Bundesministerium für Gesund­heit und Frauen auch Fachkonferenzen zu Tierschutz, zu gentechnisch veränderten Organismen und zur Unfallverhütung ausrichten.

Die zuständigen MitarbeiterInnen, die im Jahr 2006 einen Vorsitz beziehungsweise die Delegationsleitung in den unser Haus betreffenden Arbeitsgruppen des Rates überneh­men werden – und das sind sehr viele –, haben entsprechende spezielle Schulungen absolviert. Sie halten weiters Kontakt zu allen fachspezifischen Stellen der Europäi­schen Union, im Generalsekretariat des Rates sowie in den Kommissionsdienststellen in Brüssel und Luxemburg, und haben, sofern es sich um Legislativvorschläge in Mit­entscheidungsverfahren handelt, auch die zuständigen VertreterInnen des Europäi­schen Parlaments zu Gesprächen getroffen.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 20

Ich selbst werde Mitte November die österreichischen Abgeordneten des Europäischen Parlaments in Straßburg und auch jene Berichterstatter und Berichterstatterinnen, die Dossiers vertreten, die im Rat im Juni unter meiner Vorsitzführung behandelt werden, besuchen, um sie zu einem Gedankenaustausch zu treffen beziehungsweise auch um meine Präsenz in den jeweiligen Ausschüssen des Europäischen Parlaments vorzube­reiten.

 


Präsident Peter Mitterer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Minister! Ist sichergestellt, dass Österreich während der Präsidentschaft als Ganzes mit all seinen Bundesländern und nicht nur Wien als Bundeshauptstadt sichtbar wird?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Österreich hat sich auch in dieser Präsidentschaft – wie auch schon in der letzten – darum bemüht, dass in allen österreichischen Bundesländern entsprechende Veranstaltungen stattfin­den. Jedes Bundesland wird mindestens ein hochrangiges Treffen, also einen informel­len Ministerrat, beherbergen. Es wurden aber auch Fachkonferenzen aufgeteilt: So wird zum Beispiel, was mein Haus betrifft, das Treffen der nationalen Drogenkoordina­toren in Innsbruck und eine Konferenz von GentechnikexpertInnen in Retz stattfinden. Der informelle Rat des Gesundheitsministeriums wird in Wien stattfinden.

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Dr. Peter Böhm (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesministerin, Sie haben ja die thematischen Schwerpunkte schon genannt. Ich frage trotzdem: Gibt es noch weitere spezifische Schwerpunkte, die Sie im Rahmen der österreichischen EU-Präsidentschaft setzen werden?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Ich darf viel­leicht ganz kurz ausführen, warum wir die von mir genannten Schwerpunkte gewählt haben. Frauengesundheit ist mir persönlich ein großes Anliegen, nicht nur, weil ich Gesundheits- und Frauenministerin bin und damit auch eine gleichwertige Behandlung beider Teile meines Ressorts sichergestellt ist, sondern auch, weil sich gerade auf Grund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse immer deutlicher zeigt, dass der Gender­aspekt, also der Geschlechteraspekt, in der Medizin immer wichtiger wird. Das bezieht sich nicht nur auf frauentypische Krankheiten wie Endometriose oder Osteoporose, sondern auch auf Krankheiten allgemeiner Natur wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Es ist beispielsweise so, dass der Herzinfarkt über viele Jahre hinweg eine typisch männliche Krankheit war und in einem sehr geringen Ausmaß bei Frauen aufgetreten ist. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich das dramatisch verändert. Bedingt durch Lebensstilfragen, also Zigarettenkonsum oder Stress, ist die Zahl der Herzinfarkte bei Frauen dramatisch gestiegen. Sie ist zwar immer noch etwas geringer als bei Männern, dennoch sterben mehr Frauen in Österreich, aber auch international an Herzinfarkt als Männer. Es sterben also mehr Frauen, die von Herzinfarkt betroffen sind, als Männer, die von Herzinfarkt betroffen sind.

Es ergibt sich daraus die Frage: Warum ist das so? Werden Frauen schlechter behan­delt? – Es hat sich gezeigt, dass bei Frauen der Herzinfarkt durch andere Symptome angekündigt wird als bei Männern und daher diese vielfach von den Frauen selbst, aber auch von den behandelnden Ärzten nicht als Früherkennungszeichen für Herz­infarkt erkannt wurden. Das bewirkt wiederum, dass wir dringend Aufklärungsarbeit


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leisten müssen, bei den Frauen selbst, aber natürlich auch in der MedizinerInnenaus­bildung, aber auch bei den schon niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten in Form von Weiterbildungsmaßnahmen.

Das Gleiche gilt für Medikamente. Medikamente wurden über Jahrzehnte hinweg im­mer nur an Männern getestet aus Angst, es könnte eine Frau schwanger sein. Aber Frauen haben einen komplett anderen Hormonhaushalt, und daher wirken die Medika­mente ganz anders. Seit rund einem Jahrzehnt werden Gott sei Dank vermehrt Medi­kamente an Frauen getestet. Jetzt wird es ungefähr halbe-halbe durchgeführt. – Das alles sind Maßnahmen, die hinsichtlich Frauengesundheit ganz wichtig sind.

Ein zweiter Schwerpunkt der österreichischen Präsidentschaft – aber, wie ich gesehen habe, kommen wir dazu noch bei einer weiteren Frage – ist traditionsbedingte Gewalt an Frauen. Das ist mir ganz besonders wichtig. Darunter subsumieren wir Fragen wie Zwangsheirat, Genitalverstümmelung, Ehrenmorde oder Verbrechen im Namen der Ehre bis hin zu Steinigung, die Gott sei Dank bei uns nicht der Fall ist. Aber alles an­dere gibt es auch in der Europäischen Union.

Wir haben auch einen zusätzlichen medizinischen Schwerpunkt, das ist vor allem Dia­betes, weil sich Diabetes zur Volkskrankheit Nummer eins entwickelt, nicht nur in Österreich, sondern auch weltweit, und wir durch Vorsorge, aber auch durch gutes Disease-Management, also Krankheitsmanagement, die Krankheit selbst beziehungs­weise Sekundärschäden der Krankheit verhindern wollen.

 


Präsident Peter Mitterer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Schennach, bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Zunächst einmal ein Kompliment für die informative Fragestunde. Wenn ich an die letzte Fragestunde mit einem relativ inkompetenten Staatssekretär denke, dann muss ich sagen, das ist heute eine Fragestunde, wie man sie sich auch vorstellt.

Nach wie vor verdienen Frauen ein Drittel weniger bei gleicher Ausbildung und Arbeit. Das Thema gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist europäische Agenda. Meine Frage: Wieweit werden Sie diese auch in der EU-Ratspräsidentschaft sicherstellen?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Ich habe mit dem zuständigen Gleichstellungskommissar špidla diesbezüglich bereits zwei Gespräche geführt, weil es auch uns ein Anliegen ist, das innerhalb der Europäi­schen Kommission und innerhalb des Gleichstellungsrates entsprechend weiterzubrin­gen. Wir sind derzeit noch in Verhandlung, ob wir gemeinsam mit der Kommission noch eine Konferenz zu diesen Fragen in Brüssel zustande bringen. Wir haben zwar jetzt schon eine sehr dichte Agenda, aber da mir das sehr, sehr wichtig war, versuche ich auch hier noch gemeinsam mit der Kommission auch zu einem Weißbuch in dieser Frage zu kommen.

 


Präsident Peter Mitterer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Lindinger, bitte.

 


Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Frau Bundesminister! Das Bun­desministerium für Frauen und Gesundheit hat eine Jahresvorschau für vorrangige Initiativen der Kommission vorgelegt. Werden Sie während der österreichischen Präsi­dentschaft Initiativen setzen, die zur Umsetzung beziehungsweise Änderung einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates bezüglich der Versorgung von Kindern mit Arzneimitteln führen?

 


Präsident Peter Mitterer: Frau


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Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Uns ist die Frage der Arzneimittel für Kinder ein besonderes Anliegen. Ich habe daher schon vor zwei Jahren in Auftrag gegeben, einen Kindergesundheitsplan zu erstellen, und im Rahmen dieses Kindergesundheitsplans vor allem die Versorgung mit adäqua­ten Arzneimitteln, insbesondere auch für Krankheiten, die sehr selten bei Kindern vor­kommen, wie zum Beispiel Krebs, angeregt beziehungsweise versucht auch umzuset­zen. Da die Fallzahlen in diesem Bereich sehr klein sind, ist es sinnvoll, auch auf euro­päischer Ebene zusammenzuarbeiten. Ich habe daher die Bemühungen der Kommis­sion in dieser Frage sehr intensiv unterstützt, und ich glaube, es wird uns gelingen, das auch zustande zu bringen.

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage, 1462/M.

Ich ersuche Frau Bundesrätin Roswitha Bachner, die Frage zu verlesen.

 


Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Frau Bundesminister! Meine Frage lau­tet:

1462/M-BR/2005

„Werden Sie dafür Sorge tragen, dass im geplanten ,Anti-Stalking-Gesetz‘ die Möglich­keit des sofortigen Kontaktverbotes verankert wird?“

 


Präsident Peter Mitterer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Frau Bundesrat! Die Begutachtungsfrist für das Anti-Stalking-Gesetz ist derzeit noch nicht abgeschlossen. Aber auch der derzeitige Entwurf enthält bereits die Möglichkeit eines Kontaktverbotes, und zwar eines gerichtlich verfügten Kontaktverbotes. Die im Entwurf vorgesehenen Instrumente umfassen ein gerichtliches Verbot, Kontakt mit dem Stalking-Opfer aufzunehmen beziehungsweise sich an bestimmten Orten aufzuhalten. Mit der Durchsetzung dieses Verbotes kann, genauso wie im Fall, dass eine einstwei­lige Verfügung beantragt wird, das Gericht die Polizei beauftragen. Da weiters vorge­sehen ist, dass dieses Delikt in die Zuständigkeit des Gerichtshofes fallen soll, ist auch die Verhängung von U-Haft möglich.

Ich gehe davon aus, dass Sie dieses Verbot gemeint haben. – Wenn Sie auch die Möglichkeit eines sofortigen Kontaktverbotes ansprechen, ähnlich wie im Gewalt­schutzgesetz: Ohne gerichtlichen Antrag des Opfers wäre das im Sicherheitspolizei­gesetz zu regeln, das in die Zuständigkeit der Innenministerin fällt.

 


Präsident Peter Mitterer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): In Österreich gibt es neun Interventi­onsstellen, die Gewaltopfern helfen. Allerdings leiden diese stark unter Personalman­gel. Warum haben Sie bisher nichts getan, um diesen Interventionsstellen eine bessere Bewältigung des enorm gestiegenen Betreuungsaufwandes durch ein höheres Budget und mehr Personal zu ermöglichen?

 


Präsident Peter Mitterer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundes­rätin! Das ist so nicht richtig, denn ganz im Gegenteil haben wir seit 1999, seit der ersten Förderung von Interventionsstellen, kontinuierlich und konsequent die Budgets der Interventionsstellen aufgestockt. Sie sind jetzt ungefähr dreimal so hoch wie 1999.

Ich habe hier eine Folie (die Rednerin hält diese in die Höhe) – ich kann sie Ihnen auch übergeben –, wo sehr schön zu sehen ist, dass im Jahr 1998, Entschuldigung, die För­derung 583 000 € betrug, im Jahr 1999 976 000 € und im Jahr 2005 1,762 Millionen €.


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Das heißt, der Betrag ist dreimal so hoch wie im Jahr 1998 und doppelt so hoch wie im Jahr 1999. Sie sehen also, dass wir die Förderungsbeträge kontinuierlich erhöht ha­ben. Ich kann Ihnen das an Hand dieser Kurve sehr deutlich beweisen, die ich zufällig eingesteckt gehabt habe.

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Saller gemeldet. Ich darf ihn ersuchen, die Frage zu stellen.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wie beurteilen Sie generell die Möglichkeit, sich gegen Stalking zur Wehr zu setzen?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Stalking ist ein neues Delikt, wie der Name schon sagt. Das Wort „Stalking“ kommt aus der englischen Jägersprache und bedeutet anpirschen. Im Prinzip bedeutet es die Belästigung eines anderen, die nicht geschlechtsspezifisch ist. In der Regel sind es Männer, verlassene Liebhaber, verlassene Ehemänner, die Frauen bedrängen, aber es kann auch umgekehrt sein. Es können auch verliebte Frauen sein, die vielleicht Män­ner bedrängen. Sowohl Frauen als auch Männer sollen geschützt werden, und zwar dort, wo die Integrität des Opfers beeinträchtigt wird.

Dies ist eine für den Betroffenen oder für die Betroffene sehr dramatische Situation, dies kann bis zu Psychoterror, x Anrufen des Nachts, wenn sich das Telefon nicht abstellen lässt, und so weiter führen. Das kann eine enorme psychische Belastung für den Betroffenen oder die Betroffene bedeuten.

Das Anti-Stalking-Gesetz, das dankenswerterweise von Frau Bundesministerin Gastin­ger nicht nur versprochen, sondern auch vorgelegt wurde, und zwar auf Grund einer Initiative von ihr, worüber ich mich sehr gefreut habe, versucht, dieses Delikt auch entsprechend zu ahnden. Vorgesehen sind die Einführung eines Straftatbestandes Be­einträchtigung der Lebensführung im Strafgesetzbuch, weiters ein zivilrechtlicher Un­terlassungsanspruch, mit dem Eingriffe in die Privatsphäre verboten werden, und ent­sprechende Durchsetzungsinstrumente in der Exekutionsordnung. Diese umfassen auch, wie schon erwähnt, das Verbot, Kontakt mit dem Stalking-Opfer aufzunehmen, beziehungsweise das Verbot, sich an bestimmten Orten aufzuhalten.

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. Gudenus gemeldet. Ich ersuche, die Frage zu stellen.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Frau Bundes­minister! Welche budgetären Mittel stehen zur Unterstützung von Frauenhäusern in den einzelnen Bundesländern zur Verfügung?

 


Präsident Peter Mitterer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Die Frauenhäuser als solche sind an sich Landes- und Gemeindesache. Es gibt aber einige wenige Frauenhäuser, die auch um zusätzliche Projektförderungen ansuchen. Es sind das Frauenhäuser in insgesamt fünf Bundesländern, die das jeweils für ein­zelne Projekte annehmen. Das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen fördert aber Frauenservicestellen. Das sind Beratungsstellen für Frauen, die, egal, in welcher Form, Hilfe brauchen, sei es arbeitsmarktrechtliche Hilfe oder auch Schutz vor Gewalt. Für beide zusammen stehen rund 3,5 Millionen € zur Verfügung.

Es sind in Salzburg drei, in Niederösterreich vier, in Tirol zwei, in der Steiermark vier und in Kärnten zwei. (Bundesrat Mag. Gudenus: Aber die Beträge haben Sie nicht parat?) – Für Salzburg sind es jeweils rund 7 000 €, insgesamt 21 567 €. In Nieder­österreich sind es vier Frauenhäuser: Amstetten, Neunkirchen, St. Pölten, Mistelbach.


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Für drei werden jeweils 7 300 € zur Verfügung gestellt, für eines 1 900 €, Mistelbach ist nur eine Außenstelle – also insgesamt 30 500 €. Tirol hat zwei Frauenhäuser, die mit insgesamt 22 300 € dotiert werden, die Steiermark hat vier Frauenhäuser, für die ins­gesamt 29 200 € zur Verfügung gestellt werden, und Kärnten zwei mit insgesamt 14 600 €. Ich kann Ihnen die Unterlage gerne zur Verfügung stellen.

 


Präsident Peter Mitterer: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich werde mich in meiner Frage jetzt doch wieder auf das Anti-Stalking-Gesetz und die Hauptfrage beziehen: Inwieweit sind Sie in den Gesetzwerdungsprozess des Anti-Stal­king-Gesetzes mit einbezogen, und welche Verbesserungen gegenüber dem Ministe­rialentwurf würden Sie vorschlagen?

 


Präsident Peter Mitterer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Wie gesagt, es ist die Begutachtungsfrist noch nicht abgelaufen. Ich habe im Vorfeld mit Frau Ministe­rin Gastinger prinzipiell darüber gesprochen, so wie wir in anderen rechtlichen Fragen auch gut zusammenarbeiten. Wir sind so wie bei allen anderen Ministerratsvorträgen oder Begutachtungsentwürfen selbstverständlich in die Begutachtung mit eingebunden. Mein Haus erarbeitet gerade eine umfassende Stellungnahme, die dann, wenn sie fertig ist, dem Ministerium vor Ende der Frist übermittelt wird, und wir werden dann auf koalitionärer Ebene in Verhandlungen treten, und zwar für den Ministerratsvortrag und in weiterer Folge für die parlamentarische Behandlung.

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zur Anfrage 6, 1460/M.

Ich ersuche die Anfragestellerin, Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker, die Frage zu verlesen.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Frau Ministerin, meine Frage lautet:

1460/M-BR/2005

„Werden Sie dafür Sorge tragen, dass die derzeit bestehende Aufsplitterung beim Mas­seurberuf (gewerblich, alt/neu, medizinisch, Heilmasseur) zugunsten einer Zusammen­führung und Schaffung eines Berufsbildes aufgegeben sowie kurzfristig die Durchläs­sigkeit vom gewerblichen Masseur zum Heilmasseur einfacher gestaltet wird?“

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundes­rätin! Das Medizinische Masseur- und Heilmasseurgesetz hat bereits diese Durchläs­sigkeit. Sie wissen, es ist ein sehr schwieriger Gesetzwerdungsprozess gewesen, der sich über einige Jahre hingezogen hat und vor etwa zwei Jahren abgeschlossen wurde. Ich weiß, es war genau jenes Gesetz, das Herr Bundesminister Haupt noch in seiner Zeit als Gesundheitsminister, als ich schon als Ministerin ohne Portefeuille angelobt war, entsprechend beschlossen haben wollte. Es sieht jetzt schon die wech­selseitige Anerkennung der Ausbildung beziehungsweise von Ausbildungsteilen und die ergänzende Ausbildung im jeweils anderen Bereich vor. Durch die Ausbildung im Gesundheitswesen soll den gewerblichen Masseuren und Masseurinnen auch eine Be­rufsausübung auf dem gewerblichen Sektor ermöglicht werden. Diese Durchlässigkeit gibt es daher.


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Die Sorge von einzelnen Akteuren diesbezüglich, die Sie wahrscheinlich genauso kon­taktieren, wie sie das bei uns tun, bezieht sich auf das Übergangsrecht zwischen die­sen beiden Berufen, wobei ich schon darauf hinweisen möchte, dass das Masseur­gesetz einstimmig verabschiedet wurde. Es war ein Kompromiss aus den unterschied­lichsten Interessen der verschiedenen Gruppen. Einerseits müssen wir im Sinne der Qualität auch darauf achten, dass Masseure eine qualitativ hochwertige Ausbildung und auch eine kontinuierliche Fortbildung haben, wie dies in allen anderen Gesund­heitsberufen der Fall ist. Andererseits ist es ein Problem, dass sozusagen durch diese Fortbildung einige wenige verdienen, die wiederum im System drinnen sind. Das sehe ich als problematisch, aber das ist nicht auf gesetzlicher Ebene zu lösen, sondern dieses Problem ist auf standesrechtlicher Ebene zu lösen. Wir werden daher nicht von den notwendigen Qualitätsanforderungen im Sinne der Konsumentinnen und Konsu­menten abgehen, sondern wir werden das weiter sicherstellen.

Ich würde meinen, man sollte das Gesetz jetzt einmal in Kraft lassen, wir haben noch zu wenig Erfahrung auch mit den neu Ausgebildeten. Bevor wir das evaluieren, sollten wir einmal abwarten, wie die neue Ausbildung greift. Ich hoffe, dass sich für die Über­gangsregelungen innerhalb der Gruppe Lösungen finden, die auf amikalem Weg mög­lich sind.

 


Präsident Peter Mitterer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Frau Ministerin! Ist daran gedacht, bei diesen Übergangslösungen, wo Zusatzqualifikationen, Aufqualifika­tionen notwendig sind, finanzielle Förderungen seitens des Ministeriums zur Verfügung zu stellen?

 


Präsident Peter Mitterer: Frau Ministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Daran ist nicht gedacht, weil wir ja auch für andere Gesundheitsberufe keine finanziellen Förderun­gen, was Ausbildung und Weiterbildung anlangt, zur Verfügung stellen. Das ist eine standesrechtliche Frage, aber wir sind laufend im Gespräch. Auch die Wirtschaftskam­mer hat sich da sehr positiv eingebracht, und wir versuchen, diesbezüglich auch einen Kompromiss zwischen allen Gruppen zu finden, der die Qualität nicht verringert.

 


Präsident Peter Mitterer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Ing. Einwallner, bitte.

 


Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Minis­ter! Die Unklarheiten zeigen sich nicht nur im Bereich der Heilmasseure, es sind ja viel mehr Gesundheitsberufe betroffen, das geht von der Zahnarzthelferin bis hin zum Stützverbandtechniker et cetera. Meine Frage ist daher: Wann wird es endlich zu einer schon längst überfälligen Reform der Gesundheitsberufe kommen? Wann ist das zeit­lich angedacht, und wie weit ist das fortgeschritten?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Wir haben diese Reform der Gesundheitsberufe auch von Beginn der Gesundheitsre­formdiskussion an mit einbezogen. Wir haben einen, wie ich meine, durchaus positiven Entwurf mit hoher Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Gesundheitsberufen entwi­ckelt, inklusive einer Neuregelung der Pflegeberufe.

Wir haben einige Teile bereits in der Zwischenzeit beschlossen, wie zum Beispiel die Fachhochschulausbildung für Hebammen und die sieben MTD-Berufe Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Diätologie, Radiologietechnologie, Biomedizinische Analyse


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und Orthoptischer Dienst, und damit auch die volle Integration in das europäische Bil­dungssystem gewährleistet. Das Gleiche auch für die Hebammen.

Wir sind in Verhandlungen, vor allem mit den Angehörigen der Pflegeberufe. Auch hier ist es ähnlich wie bei den Masseuren eine Frage der Kompromissfindung der einzelnen Gruppen. Ich bin aber guter Dinge, dass wir hier vielleicht doch noch zu einer Lösung kommen. Sie wissen, es ist sehr schwer, da tatsächlich eine Befriedigung aller Grup­pen zu erreichen. Wir haben das jetzt beim Zahnärztegesetz und beim Ärztegesetz ge­sehen. Sie wissen, auch innerhalb dieser Gruppen gab es unterschiedlichste Meinun­gen. Mir ist es wichtig, nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg Entscheidungen zu treffen, und daher begleite ich auch diesen Prozess innerhalb der Berufsgruppen und muss akzeptieren, dass es hier nach demokratischen Grundregeln eines gewissen Zeitablaufes bedarf. Ich werde daher, sobald sich eine klare Mehrheit innerhalb der Be­rufsgruppen abzeichnet, die entsprechenden gesetzlichen Entscheidungen vorlegen. Derzeit ist das leider noch nicht der Fall.

 


Präsident Peter Mitterer: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Zwazl, bitte.

 


Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Die Frau Bundesminister hat schon einen Großteil meiner Zusatzfrage beantwortet. Ich wollte eben wissen, welche neuen Entwicklungen es sonst noch im Bereich der medizinisch-technischen Berufe gibt.

 


Präsident Peter Mitterer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundesrat! Ich kann Ihnen vielleicht noch ein wenig dazu ergänzen. Einen Aspekt noch zu erwäh­nen erscheint mir sehr wichtig, weil ich nur die medizinisch-technischen Dienste mit ihrer Ausbildung in den Fachhochschulen genannt habe: Es ist mir ganz persönlich auch wichtig, dass es weiter Gesundheitsberufe gibt, die keine akademischen Berufe sind und die auch ohne Matura auszuüben sind, also zum Beispiel Radiologische As­sistentInnen, Masseure. Das heißt, für mich ist es ganz wichtig, jungen Menschen, die einen Gesundheitsberuf ausüben wollen, aber eine Matura nicht schaffen würden, sehr wohl aber in diesen Diensten großartige Arbeit leisten können, dies auch in Zukunft zu ermöglichen.

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ing. Kampl gemeldet. Bitte, die Frage zu stellen.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Geschätzte Frau Bundesminister! Sie haben auf Grund der Anfrage vom Kollegen Einwallner die Antwort schon gegeben. Ich danke.

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zur Frage 7, 1458/M.

Ich ersuche die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Roth-Halvax, diese Anfrage zu stel­len.

 


Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundes­minister! Sie haben die Thematik bei der 4. Frage teilweise schon berührt. Ich bitte jetzt aber trotzdem noch um Auskunft:

1458/M-BR/2005

„Welche Maßnahmen setzen Sie gegen ,traditionsbedingte Gewalt gegen Frauen‘?“

 


Präsident Peter Mitterer: Frau Bundesministerin, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 27

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Frau Bundesrätin! Es war mir ganz persönlich ein besonderes Anliegen, dieses Thema auf die Agenda der österreichischen Präsidentschaft in der Europäischen Union zu bringen. Ich sage Ihnen auch, ich bin ganz am Beginn meiner Zeit als Frauenministerin konfrontiert gewesen mit traditionsbedingter Gewalt gegenüber einer jungen Frau. Es hat sich hier um eine Zwangsheirat gehandelt. Der Fall Sabatina hat auch medial große Öffentlichkeit erlangt. Wir haben dann in weiterer Folge in Auseinandersetzung mit diesem Fall bei einer Podiumsdiskussion erfahren müssen, dass das kein Einzelfall ist, sondern dass nicht nur in Österreich, sondern in der gesamten Europäischen Union viele Frauen von dieser Form der Gewalt betroffen sind. Es sind primär Frauen mit Migrationshintergrund.

Selbstverständlich sind sowohl Zwangsheirat als auch Genitalverstümmelung in Öster­reich verboten. Nichtsdestotrotz findet sie statt, und zwar so, dass es ganz, ganz schwierig ist, Informationen zu bekommen. Wir haben uns daher entschlossen, dieses Thema in Österreich aufzugreifen, und haben eine Initiative aller sechs Ministerinnen gestartet: Maßnahmen gegen traditionsbedingte Gewalt. Ich werde mir erlauben, die Broschüre, die gerade erst fertig geworden ist, allen Bundesrätinnen und Bundesräten zur Verfügung zu stellen. Wir haben ein gemeinsames Aktionsprogramm für in Öster­reich betroffene Frauen entwickelt. Wir, das sind die Bundesministerin für Äußeres, für Inneres, für Justiz, für Soziales, für Bildung und ich selbst als Gesundheits- und Frau­enministerin.

Wir haben Fachgespräche zu diesem Thema angeregt und eine eigene Studie zu Genitalverstümmelung in Auftrag gegeben. Weitere Maßnahmen in diesem Aktionspro­gramm sind: die Erstellung einer Meldedatenbank über Fälle von Zwangsheirat und Genitalverstümmelung, die Aufnahme der Aufklärung über Genitalverstümmelung in die Curricula sowohl der Gynäkologinnen und Gynäkologen als auch der Kinderärztin­nen und Kinderärzte, die Errichtung von Notwohnungen für von Zwangsheirat bedrohte und betroffene junge Mädchen und Frauen. Wir haben einen entsprechenden Folder für Zielgruppen ausgearbeitet, vor allem für Lehrerinnen und Lehrer, aber auch für Poli­zistinnen, Polizisten, für Ärztinnen, Ärzte, für Schülerinnen und Schüler. Die Bildungs­ministerin bietet auch ein eigenes Seminar an, das von LehrerInnen angefragt werden kann, wenn sie das Gefühl haben, dass Mädchen im Alter von 13,14 in ihrer Klasse da­von betroffen sein könnten. Dieses Seminar kann im Rahmen einer Unterrichtsstunde abgehalten werden.

Es ist ein Thema, das eine Schande für Europa ist, dem wir alle in Solidarität entge­genwirken müssen, aber nicht alleine, wir müssen vor allem auch in Solidarität mit den Herkunftsländern diese Maßnahmen setzen. Es ist mir dankenswerterweise gelungen, nicht nur die Frauen der Europäischen Union dafür zu gewinnen. Wir haben auch hier im Parlament am 14. Oktober eine große Enquete mit den EVP-Frauen im Rahmen des ÖVP-Klubs abgehalten, und wir werden für alle GleichstellungsministerInnen eine große Konferenz dazu am 25. Jänner in Brüssel abhalten, gemeinsam mit der Kom­mission, mit Benita Ferrero-Waldner und auch dem Commissioner špidla. Wir werden dieses Thema in die Vereinten Nationen tragen, in die Commission on the Status of Women, zusammen mit vielen solidarischen Heimatländern. Ich habe bereits voriges Jahr im Rahmen dieser Konferenz viele bilaterale Kontakte zu MinisterInnen aus Afri­ka, aus Asien geknüpft, die bereit sind, diese Initiative zu gründen.

Es ist wichtig zu sagen – und das, glaube ich, ist für alle auch sehr wichtig zu wissen; auch ich habe das neu gelernt –, dass das nicht ein Religionsproblem ist, nicht nur ein muslimisches Problem, sondern es ist ein Traditionsproblem, ein Problem, das auch in christlichen afrikanischen Religionen Tradition hat. Also wir sollten uns hier nicht über irgendjemanden erheben, es können christliche Religionen genauso betroffen sein wie


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muslimische. Es ist traditionsbedingte Gewalt, die aber mit schweren physischen und psychischen Beeinträchtigungen für Frauen verbunden ist.

 


Präsident Peter Mitterer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht, Frau Bundesrat? – Bitte.

 


Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Es wäre mir noch wichtig gewesen zu fragen, wie man bewerkstelligen kann, dass diese Problematik auch außerhalb Europas thematisiert wird, aber Sie haben das bereits umfassend beantwor­tet. Das ist nämlich auch ein wesentlicher Punkt. Danke schön.

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm gemeldet. Ich ersuche, sie zu stellen.

 


Bundesrat Dr. Peter Böhm (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Über das Gesagte hinaus: Welche spezifischen Maß­nahmen setzen Sie gegen Gewalt in der Familie schlechthin? Reichen in der Praxis insbesondere das Wegweiserecht oder die kurzfristigen einstweiligen gerichtlichen Ver­fügungen aus?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Wenn diese von mir gerade angesprochenen Maßnahmen gegen traditionsbedingte Gewalt primär Frauen mit Migrationshintergrund betreffen, so gibt es leider auch mehr als „ausreichend“ Gewalt in heimischen Familien. Wir haben hier eine Fülle von Maß­nahmen gesetzt, auch das ist einer der Schwerpunkte des Frauenministeriums seit vielen Jahren; ich habe es vorhin bei einer anderen Frage schon angesprochen.

Als das wirksamste Instrument haben sich neben den Frauenberatungsstellen und den Frauenhäusern, die Schutz bieten, vor allem die Interventionsstellen gegen Gewalt erwiesen, und zwar deswegen, weil sie aktiv Kontakt zum Opfer aufnehmen. Während Frauen-Servicestellen, Frauenhäuser sozusagen zur Verfügung stehen, aber die betroffene Frau von sich aus diesen Schritt setzen muss, davon wissen, hingehen und Hilfe holen muss, ist das bei den Interventionsstellen anders: Die Polizei ist gesetzlich verpflichtet, dann, wenn sie wegen einer Gewalthandlung zu einer Familie gerufen wird, die zuständige Interventionsstelle zu kontaktieren, diese zu benachrichtigen. Eine Mitarbeiterin der Interventionsstelle nimmt dann aktiv Kontakt zum Opfer oder zu den Opfern auf, das heißt zur betroffenen Frau oder zu den Kindern. In ungefähr 5 Prozent der Fälle sind aber auch Männer von Gewalt betroffen, aber nicht, weil sie von ihren Frauen gehaut werden – das ist nur ein ganz geringer Prozentsatz dieser Fälle –, son­dern weil es um Gewalt zwischen zwei Männern geht; sehr oft also gewaltsame Vater-Sohn-Verhältnisse. Und auch da werden die Interventionsstellen aktiv.

Die Interventionsstellen nehmen also, wie gesagt, aktiv Kontakt zum Opfer auf und ver­suchen zu helfen: bis hin zur Prozessbegleitung. In diesem Zusammenhang möchte ich mich auch dafür bedanken, dass Frau Bundesministerin Gastinger zusätzliche Mit­tel hiefür zur Verfügung stellt. Das wird die Interventionsstellen zusätzlich entlasten, sodass diesen mehr Zeit für Beratung und psychologische Betreuung zur Verfügung stehen wird.

Noch etwas, was ganz wichtig ist: Die jährlichen Berichte der Interventionsstellen sind sehr praxisorientiert, sind fast eins zu eins nutzbar in Bezug auf gesetzliche Verbesse­rungen. Diese praxisorientierten Vorschläge wurden unsererseits aufgegriffen; Verbes­serungsvorschläge konnten bereits im Gewaltschutzgesetz Berücksichtigung finden, in einem Gesetz also, das vergangenes Jahr beschlossen wurde. Das ist also work in progress.


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Im Übrigen: Es verändern sich ja auch gewisse Gewaltformen – und somit sind eben auch andere notwendige Maßnahmen erforderlich.

 


Präsident Peter Mitterer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Konrad.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, Sie ha­ben vorhin traditionsbedingte Gewalt als etwas definiert, was vor allem im Bereich der Migranten auftritt. – Mich würde daher interessieren, ob Sie in dieser Frage mit Migran­tenvereinen beziehungsweise mit in diesem Bereich tätigen NGOs zusammenarbeiten. Wenn ja: mit welchen?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Selbstverständ­lich tun wir das, Frau Bundesrätin. Das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen würde sich nicht anmaßen, diesbezüglich alleine die Expertise zu haben.

Wie ich schon eingangs erwähnt habe, war der Ausgangspunkt hiefür eine von uns initiierte Podiumsdiskussion, zu der wir betroffene Frauen beziehungsweise auch Ver­eine eingeladen haben; das war am internationalen Tag der Frau im Jahre 2004. Alle Fachgespräche, die wir dazu geführt haben beziehungsweise führen, führen wir selbst­verständlich mit den betroffenen Ministerien sowie mit den in diesem Bereich tätigen NGOs; primär sind das die Servicestellen „Orient Express“, „LEFÖ“, aber auch die Caritas sowie weitere Stellen, die mit MigrantInnen arbeiten.

 


Präsident Peter Mitterer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Reisenberger.

 


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Frau Minister! Ich finde es furchtbar, dass wir uns im Jahre 2005 noch mit solchen Dingen beschäftigen müssen, dass es so etwas noch gibt, gar keine Frage. Trotzdem würde ich auf Grund auch Ihrer Aussa­gen – Sie haben gemeint, der EVP-Klub und Ihr Ministerium haben dazu eingeladen – Folgendes gerne beantwortet haben:

Gab es auch andere politische Gruppierungen, die zu dieser Veranstaltung, von der wir gesprochen haben, eingeladen wurden? Und falls ja: Wer war das?

 


Präsident Peter Mitterer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Gleich vorweg: Zu all diesen Maßnahmen, die wir seitens unseres Bundesministeriums getroffen ha­ben, waren auch immer die jeweiligen NGOs eingeladen.

Jene Initiative, die wir in Österreich als Initiative der sechs Bundesministerinnen ge­setzt haben, ist eine offizielle Initiative der Regierung, mit der wir auch in die Präsident­schaft der Europäischen Union gehen.

Unabhängig davon hat die Frauengruppe der Europäischen Volkspartei, die davon erfahren hat, dass wir auch einen solchen Schwerpunkt während der österreichischen Präsidentschaft setzen werden, dies zum Anlass genommen, ihren Kongress im Jah­re 2005 diesem Thema zu widmen sowie diesen in Österreich abzuhalten.

Daher: Das war eine Veranstaltung der Frauengruppe der Europäischen Volkspartei, für die auch die Europäische Volkspartei die Kosten übernommen und der ÖVP-Klub – im Rahmen seiner Klubmöglichkeiten – parlamentarische Räume hiefür zur Verfügung gestellt hat.

Das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen beziehungsweise auch die ande­ren Ministerien waren da nur mit ihrer Expertise aus der Entwicklung beteiligt; wir ha­ben also diese Veranstaltung weder gefördert noch finanziell unterstützt, sondern sind da mit unserem Wissen lediglich als Mitveranstalter zur Verfügung gestanden. Ledig­


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lich für das Büffet gab es Geld aus dem ÖVP-Klub. Was die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten anlangt, weiß ich nicht, wie das im Parlament abgehandelt wird. Alle anderen Kosten – für ReferentInnen, Dolmetscher und so weiter – wurden von der Europäischen Volkspartei getragen.

Jedenfalls hat es mich sehr gefreut, dass seitens der Frauen der EVP dieses Thema aufgegriffen wurde.

 


Präsident Peter Mitterer: Damit ist die 7. Anfrage erledigt.

Wir gelangen nun zur 8. Anfrage, 1463/M, die Frau Bundesrätin Blatnik stellt. – Bitte.

 


Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Sehr verehrte Frau Bundesministerin, gospa ministrica, meine Frage lautet:

1463/M-BR/2005

„Warum haben Sie sich nicht für eine geschlechtergerechte Steuerreform eingesetzt und damit nicht verhindert, dass 1,5 Millionen Frauen bei der letzten Steuerreform leer ausgingen?“

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundes­rätin, genau das stimmt nicht, denn diese Steuerreform war die erste Steuerreform, die tatsächlich nach Geschlechtergesichtspunkten erstellt und wo dies explizit festgehalten wurde. Sie können sehen, dass bereits im Vorblatt des ersten Steuergesetzes fest­gehalten ist – nach dem Prinzip der Geschlechtergerechtigkeit –, wie sich die einzelnen Maßnahmen zugunsten der Frauen beziehungsweise zugunsten der Männer auswir­ken.

Im Detail dazu noch Folgendes: Die Tarifänderungen der Reform der Lohn- und Ein­kommensteuer bringen eine Entlastung der Steuerpflichtigen um 1,1 Milliarden €. Ins­gesamt sind somit von 5,9 Millionen Steuerpflichtigen jetzt 2,55 Millionen Menschen, also fast die Hälfte, gänzlich von der Steuer befreit.

Bereits vor der Steuerreform 2005 waren, eben auf Grund ihres geringen Einkommens, 1,5 Millionen von der Steuerpflicht befreit. Eine weitere steuerliche Entlastung dieser Gruppe ist über die ohnehin bestehende Negativ-Steuer möglich.

Es ist unseriös, davon zu sprechen, dass 1,5 Millionen Frauen „leer ausgegangen“ seien! Die in Ihrer Frage enthaltene Unterstellung, ich hätte mich nicht für die Anliegen der Frauen eingesetzt, weise ich zurück, denn genau das Gegenteil ist der Fall!

Weitere Maßnahmen in diesem Zusammenhang: Insbesondere die Maßnahmen in Bezug auf Alleinerzieher-Absetzbeträge kommen in hohem Maße den Frauen zugute; auch die Erhöhung der Zuverdienstgrenze beim Alleinverdiener ermöglicht es Frauen, da sozusagen zusätzlich einen Fuß in der Tür zu haben.

Es gibt also eine Reihe von Maßnahmen im Rahmen dieser Steuerreform, die sich für die Frauen positiv auswirken.

 


Präsident Peter Mitterer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht, Frau Bundesrätin? – Bitte.

 


Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Wie werden Sie Ihre eigene Forderung aus dem am 29. Juni 2005 präsentierten Fünf-Punkte-Programm zur Frauenbeschäftigung nach bedarfsgerechten Öffnungszeiten in Kinderbetreuungseinrichtungen umsetzen, um auch Frauen mit Kindern zu ermöglichen, Vollzeitjobs auszuüben und damit auch höhere Einkommen zu erzielen?

 



BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 31

Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundesrä­tin! Für die Zurverfügungstellung von Kinderbetreuungsplätzen sind primär Länder und Gemeinden zuständig. Diese haben in den letzten Jahren dankenswerterweise auch sehr viel auf diesem Gebiet getan. Nichtsdestotrotz war es mir als Frauenministerin ein Anliegen, den Bedürfnissen der Frauen nach einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum Durchbruch zu verhelfen und das Angebot insofern zu erweitern, als so­wohl die Verfügbarkeit von Kinderbetreuungsplätzen als auch die Öffnungszeiten und die Finanzierbarkeit dieser Kinderbetreuungsplätze für diese Frauen gesichert sind.

Ich habe daher gemeinsam mit der zuständigen Bundesministerin für Soziales und Ge­nerationen als Familienministerin und der Bundesministerin für Bildung zu einem Run­den Tisch eingeladen, und zwar schon im Jahr 2004. Wir haben gemeinsam mit allen zuständigen Landesrätinnen und Landesräten diese Gespräche geführt. Wir haben eine sehr umfassende Analyse der vorhandenen Plätze vorgenommen und entspre­chende Maßnahmen gesetzt, um Defizite in diesem Bereich zu eliminieren.

Einer der Punkte war zum Beispiel, dass Frau Bundesministerin Gehrer zusätzliche Mittel für die Nachmittagsbetreuung von Schülerinnen und Schülern zur Verfügung gestellt hat, aber auch einige Länder haben ihre Angebote verbessert. Es gibt ein sehr schönes Beispiel aus Oberösterreich. Oberösterreich hat ein Landesgesetz diesbezüg­lich verändert, dass Kinder bereits ab dem zweiten Lebensjahr den Kindergarten besu­chen dürfen. Ich verhehle aber nicht, dass das nicht nur deswegen geschah, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen, sondern es hätten sonst Kinder­gärten zusperren müssen, weil die Plätze nicht mehr hätten gefüllt werden können. Daher war das auch eine pragmatische Maßnahme des oberösterreichischen Landes­parlaments und der dortigen Landesregierung.

Ich hoffe allerdings sehr, dass die geringere Kinderzahl nicht der Grund ist, dass jetzt ausreichend Plätze vorhanden sind, sondern ich hoffe, dass es uns gelingt, auch die Kinderzahl weiter steigen zu lassen und trotzdem ausreichend Betreuungsplätze zur Verfügung zu haben.

Aber es ist mir als Frauenministerin völlig klar: Wir werden die Frauen in Österreich, die gut ausgebildeten Frauen in Österreich nur dann dazu bewegen können, Kinder zu bekommen, wenn für sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ausreichend gewähr­leistet ist. Ich darf Sie diesbezüglich gleich informieren: Wir haben gestern eine große Kampagne vorgestellt, die sich vor allem auch als Bewusstseinskampagne für eine partnerschaftliche Aufteilung der Haus- und Familienarbeit stark macht. Leider ist „hal­be/halbe“ acht Jahre nach dieser Kampagne immer noch 80/20, nämlich 80 Prozent der Hausarbeit bei den Frauen, 20 Prozent bei den Männern. Wir hätten gerne tatsäch­lich eine gerechte Teilung der Haus- und Familienarbeit. Und in diese Richtung ver­sucht diese Kampagne auch Bewusstsein zu schaffen.

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Diesner-Wais gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Mi­nisterin! Welche Akzente setzen Sie zur stärkeren Beschäftigung von Frauen und zur Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundes­rätin! Wir haben uns in den letzten Monaten insbesondere mit der Entwicklung des Arbeitsmarkts auseinander gesetzt, nicht nur das Frauenministerium, sondern selbst­verständlich die gesamte Bundesregierung, weil uns das ein Anliegen ist. Der Bundes­


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 32

kanzler hat ja am 1. Mai zu einem entsprechenden Beschäftigungsgipfel geladen. Wir vom Frauenministerium haben dann gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister zu einem eigenen Runden Tisch Anfang Juli eingeladen, im Rahmen dessen wir ein Beschäfti­gungsprogramm für Frauen entwickelt haben. Die Bundesregierung hat diese Anregun­gen mit ihrem Beschäftigungspaket auch aufgegriffen, das sie bei der Regierungsklau­sur im September beschlossen hat. Es sind primär Frauen und Jugendliche erfasst, für die zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen werden sollen. Hier ist insbesondere so­wohl eine Initiative für Frauen zur Ergreifung nicht traditioneller Berufe hervorzuheben als auch eine Initiative zur Schulung und Aufschulung von Frauen in Pflegeberufen.

Diesbezüglich besteht ein hoher Bedarf, da ist ein sicherer Arbeitsmarkt gegeben, und es muss uns wichtig sein, diesen Bedarf auch mit heimischen Arbeitskräften zu de­cken, damit es nicht notwendig ist, auf halblegalem Wege Arbeitskräfte und Pflege­kräfte aus den Nachbarländern nach Österreich zu holen.

 


Präsident Peter Mitterer: Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Ing. Kampl gewünscht. Ich darf ihn ersuchen, die Frage zu stellen.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Welche Vorteile gibt es für Frauen auf Grund der Steuer­reform?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Ich habe es schon angesprochen, gerade von der Freistellung geringer Einkommen beziehungsweise der Einkommen bis 14 500 € jährlich von der Steuer sind in einem hohen Maße Frauen betroffen. Ich sage dazu: bedauerlicherweise, denn ich würde mir wünschen, dass viel mehr Frauen in höheren Einkommensgruppen wären.

Darüber hinaus wurde der Alleinverdienerabsetzbetrag erhöht. Das trifft auch in einem sehr hohen Maße vor allem allein erziehende Frauen, die das am notwendigsten brau­chen. Es wurden die Zuverdienstgrenzen beim Alleinverdienerabsetzbetrag ebenfalls erhöht, sodass Frauen tatsächlich qualifizierte Arbeit leisten können und dieser Betrag trotzdem nicht verlustig geht. Wir wissen sehr genau, dass viele Frauen deswegen nicht berufstätig sein können, zumindest stundenweise, weil das dann eine steuerliche Schlechterstellung bedeuten würde und der Partner mehr Geld verliert, als die Frau dazuverdienen kann.

 


Präsident Peter Mitterer: Eine weitere Zusatzfrage wird von Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker gewünscht. Ich darf sie ersuchen, die Frage zu stellen.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Frau Ministerin! Budgets sind die in Zahlen gegossene Politik. Sie spiegeln die Werthaltung einer Gesellschaft genauso wie die Steuerpolitik wider. Jetzt gibt es in Oberösterreich nicht nur ein spannendes Projekt zur Verbesserung der Kinderbetreuung, das Sie vorhin erwähnt haben, sondern auch ein spannendes Projekt, das sich Gender Budgeting nennt.

Wieweit werden Ansätze in Ihrem Ministerium beziehungsweise in anderen Ministerien implementiert, die dem Prinzip des Gender Budgeting entsprechen?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundesrat! Wir haben dieses Thema aktiv aufgegriffen. Wir haben im vergangenen Jahr bereits im Rahmen der Gender Mainstreaming-Steuerungsgruppe ein Projekt mit dem Finanz­ministerium zum Gender Budgeting und zur Erstellung eines entsprechenden Planes begonnen. Wir haben darüber hinaus eine eigene Fachkonferenz in unserem Minis­


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terium durchgeführt – ich glaube, es war im Mai dieses Jahres –, an der auch Vertreter der Europäischen Kommission teilgenommen haben. Eine der Referentinnen war die zuständige Gender Budgeting-Expertin aus der Gleichstellungskommission.

Wir sind gerade dabei, zwei Projekte als Leitprojekte zu untersuchen, nämlich das Dro­genbudget des Ministeriums beziehungsweise das Förderbudget des Fonds Gesundes Österreich, damit diese dann als entsprechendes Musterblatt fertig sein können. Dar­über hinaus wurde an zwei Frauen der Wirtschaftsuniversität ein Auftrag zu einem Leit­faden für Gender Budgeting vergeben. Dazu hat es vergangene Woche einen Zwi­schenbericht in meinem Haus gegeben. Der Endbericht sollte Anfang nächsten Jahres fertig sein.

 


Präsident Peter Mitterer: Danke, damit ist die 8. Anfrage erledigt.

Wir kommen nun zur 9. Anfrage, 1459/M.

Ich ersuche Herrn Bundesrat Mayer, die Anfrage zu verlesen.

 


Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Bundesministerin! Meine Anfrage geht in Richtung e-card und lautet:

1459/M-BR/2005

„Wie funktioniert das System der e-card?“

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Gott sei Dank gut, Herr Kollege. (Die Rednerin schaut in Richtung SPÖ.) Ah, Entschuldigung, da (die Rednerin schaut in Richtung ÖVP) steht er. Ich habe gedacht, die Frage kam von der SPÖ. (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Gruber: Keine Unterstellungen! – Bundes­rätin Bachner: Wir sind gar nicht so bösartig!) – Es funktioniert Gott sei Dank gut.

Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass es nach, so glaube ich, fünf an diesem System gescheiterten Ministern nun uns gelingt und gelingen wird – wir sind schon fast am Ende dieses Rollout-Prozesses –, den flächendeckenden Einsatz der Gesundheits­karte in Österreich zu gewährleisten. Das war keine leichte Aufgabe.

Ich kann Ihnen Folgendes berichten: Als ich im März 2003 mein Amt übernommen habe, war einer der ersten Besucher der Generaldirektor des Hauptverbandes Kandl­hofer, der mir mitgeteilt hat, dass er sich dazu gezwungen sieht, den Vertrag mit der EDS/ORGA aufzukündigen, weil sie nicht in der Lage ist, diese Gesundheitskarte zur Verfügung zu stellen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Das Projekt Gesundheitskarte war daher neuerlich am Start – zurück an den Start wie beim „Mensch, ärgere dich nicht“. Wir mussten mit einer neuen Ausschreibung begin­nen und haben jetzt, zweieinhalb Jahre danach, das Projekt fast am Schlusspunkt. Es ist trotz einiger Schwierigkeiten in der Projektentwicklung, in der Kommunikation bei den verschiedenen Stellen des Hauptverbandes, der GPA und dem Konsortium der Firmen gelungen, den Zeitplan auf Punkt und Beistrich einzuhalten. Wir haben im De­zember 2004 mit dem Probebetrieb, im Februar 2005 mit der Musterordination und die­sen Mai mit dem Rollout begonnen. In der Zwischenzeit sind wir in der Endphase an­gelangt. Mehr als sieben Millionen Karten sind bereits bei ihren Besitzerinnen und Be­sitzern. Mehr als 8 000 Ärzte sind bereits an das System angeschlossen. Wir werden in der dritten Novemberwoche den zehntausendsten an das System angeschlossenen Arzt haben. Wir werden die letzten e-cards Ende November, Anfang Dezember an ihre Besitzerinnen und Besitzer versendet haben, vielleicht sogar etwas früher.


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Das war die größte logistische Leistung der letzten Jahre und Jahrzehnte. Es ist dabei kaum zu Pannen gekommen. Es hat einen einzigen flächendeckenden Ausfall an einem Samstag Vormittag gegeben. Dieser konnte allerdings nur deswegen passieren, weil an diesem Samstag Vormittag ein kompletter Server – Sie wissen ja, es ist alles auf zwei Servern – zur Wartung vom Netz genommen wurde und beim zweiten Server ein Fehler aufgetreten ist.

Auf Grund dieser Erfahrung werden sozusagen die Wartungsarbeiten nur mehr nachts und sonntags durchgeführt werden, sodass auch das nicht mehr passieren kann. Das System war praktisch einen Vormittag blockiert, in weiterer Folge hat das System wieder hervorragend funktioniert. Zwei Tage später, als es wieder eine Aufregung gab, war die Aufregung unberechtigt, denn jeder konnte am System arbeiten, er konnte nur nicht online arbeiten. Das System wurde für eine Stunde für die Reparatur offline ge­schaltet. Das ist eine Lösung, da braucht sich niemand aufzuregen, denn die Ärzte wollten jahrelang nie einer Online-Lösung zustimmen, sondern wollten lediglich eine Offline-Lösung. Sie sollen sich jetzt, wenn das System kurzfristig einmal eine Stunde lang offline ist, nicht darüber erregen, denn es wird automatisch alles synchronisiert, wenn es wieder eingeschaltet ist. Das ist so wie bei Ihren Computern zuhause: Wenn Sie ausschalten, passiert trotzdem alles, und wenn Sie wieder einschalten, synchroni­siert sich das Ding Gott sei Dank automatisch.

Ich freue mich sehr darüber, dass mit diesem Projekt nicht nur der Krankenschein bald Geschichte sein wird, sondern dass der Rechnungshof in seinem Dritten Bericht fest­gestellt hat, dass sich dieses Projekt auf Grund der Ersparnisse – Abrechnungsmodali­täten und Ähnliches – innerhalb von zweieinhalb Jahren rechnen wird. Darüber hinaus durften wir bei einem Besuch in München bei der entsprechenden Firma erfahren, dass Österreich weltweit das modernste Gesundheitskartenprojekt hat. In der Zwischenzeit interessieren sich bereits viele Länder dafür, und wir können möglicherweise mit die­sem Projekt durchaus noch ein Geschäft machen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Bundesministerin! Sie haben uns den Status beim Rollout schon ausreichend erklärt. Ich hätte noch folgende Frage: Wie sieht es mit der Zufriedenheit bei den Anwendern aus?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Die Zufrieden­heit ist dankenswerterweise sehr hoch. Die Menschen freuen sich sehr, dass sie a) nicht mehr einen Krankenschein verlangen müssen und dass sie b) jederzeit durch die Verfügbarkeit der Karte auch einen Arztbesuch tätigen können.

Der Hauptverband beziehungsweise die GPA hat eine entsprechende Umfrage in Auf­trag gegeben. Diese war sehr positiv für die Benutzer der e-card. Auch die Ärzte sind in einem hohen Maße zufriedener, als es sich anfangs gezeigt hat. Das Ganze bringt letztlich auch eine Erleichterung. Ich denke, dass vor allem die Betriebe sehr froh sein müssen, weil sie nicht mehr 40 Millionen Krankenscheine a) ausstellen und b) verrech­nen müssen. Das erspart den Betrieben auch enorme verwaltungstechnische Leistun­gen.

Ich möchte ausdrücklich auf etwas hinweisen, weil es da Missverständnisse gegeben hat. Ich habe den Hauptverband ohnehin gebeten, besser darüber zu informieren, aber wir haben es jetzt auch über die Medien getan. Die 10 € Kartengebühr, die im Novem­ber vom Gehalt abgezogen werden, sind nicht für dieses Jahr, sondern das ist schon die Benützungsgebühr für das kommende Jahr, für 2006. Also niemand braucht zu glauben, dass er, wenn er jetzt erst die Karte bekommen hat, für das ganze Jahr 2005


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Gebühr zahlen muss. Ganz im Gegenteil: Er wird sich nächstes Jahr Geld ersparen, denn die 10 €, die Sie hier beschlossen haben, sind weniger, als vier Krankenscheine kosten. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Mag. Gudenus.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Frau Bundes­minister! Sie haben sehr deutlich die Vorzüge der Gesundheitskarte beschrieben. Wann ist daher mit dem Ausbau der e-card zu einer Bürgerkarte zu rechnen?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Die e-card hat jetzt schon alle Funktionen einer Bürgerkarte. Ich habe vorhin auch gesagt, dass wir das modernste Kartenprojekt der Welt haben. Lediglich Korea hat ein vergleichbares, das zwei Jahre älter ist und im Großen und Ganzen Ähnliches kann. Daher besteht auch großes Interesse anderer Länder an diesem Projekt. Von unserer Seite aus sind wir gerüstet.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Kon­rad. – Bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Verehrte Frau Bundesministerin! Wann wer­den auch Sozialhilfebezieherinnen und -bezieher eine e-card bekommen?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bundes­rätin! Das seit 1999 geltende Gesetz zur e-card, das nicht in meiner Amtszeit, sondern noch unter Frau Bundesministerin Hostasch erstellt wurde, sieht vor, dass nur sozial­versicherte Personen eine Gesundheitskarte erhalten.

Jetzt haben wir Gott sei Dank die Situation, dass 98 Prozent aller Personen in Öster­reich entweder selbst sozialversichert oder mitversichert sind. Ich selbst habe eine Stu­die in Auftrag gegeben, um festzustellen, wer diese 2 Prozent nicht sozialversicherte Personen sind. Das sind zum Teil Asylanwärter, das sind zum Teil Studenten, die sich nicht weiterversichern, wenn sie über 25 oder 26 Jahre alt sind. Wir haben auf Grund dieser Studie schon eine Reihe von Maßnahmen, und zwar insbesondere im Asylge­setz, in der Richtung getroffen, dass ein umfassender Versicherungs- und Gesund­heitsschutz gewährleistet ist.

Sozialhilfeempfänger sind nicht sozialversichert, aber sie haben einen Anspruch auf Gesundheitsdienstleistungen, und zwar jeweils vom Sozialhilfeträger, und das ist ent­weder das Land oder die Gemeinde. Nachdem ich es auch als unbefriedigend emp­finde, dass da Sozialhilfeempfänger nicht gleich behandelt werden, habe ich prüfen lassen, in welcher Form wir auch Sozialhilfeempfänger mit Gesundheitskarten sozusa­gen versorgen könnten.

Es gibt da folgende zwei Möglichkeiten: Entweder die Sozialhilfeträger versichern die Sozialhilfeempfänger bei den jeweiligen Gebietskrankenkassen – das kostet rund 300 € pro Person und Monat; das sind enorm hohe Kosten, die manche Länder nicht tragen können –, oder die Länder leisten Direkthilfe, wobei der Sozialversicherte zum Land geht und sich einen Krankenschein ausstellen lässt und das Land direkt mit dem Arzt verrechnet.

Wir haben jetzt folgende Möglichkeiten geortet: Wir könnten, wenn wir die Sozialhilfe­empfänger mit Karten ausstatten würden, den Ländern eine Direktabrechnung auch über die Sozialversicherungskarte beziehungsweise die Anmeldung über die Gebiets­


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 36

krankenkasse anbieten, sodass jene Länder, denen die jeweilige Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse zu teuer ist, auf die andere Variante zurückgreifen könnten, bei welcher der Sozialversicherte trotzdem eine Karte hätte, aber seine Berechtigung dann jeweils mit der Sozialhilfestelle vereinbaren müsste, so wie er das jetzt auch tun muss, aber dann nicht mehr über Krankenschein, sondern über eine Karte.

Ich habe vorgestern einen diesbezüglichen Brief an die neun Landeshauptleute ge­schrieben, mit der Bitte, auch das bei der heutigen Landeshauptleutekonferenz zu be­sprechen. Ich weiß nicht, ob das zeitlich noch möglich war.

Mir ist es jedenfalls ein Anliegen, dieses Problem in einer menschlichen, in einer gleichwertigen Art zu lösen, und zwar so wie bei allen anderen gesundheitsgeschütz­ten Personen in Österreich, und ich werde mich sehr dafür einsetzen, dass sich auch die Länder dafür erwärmen können. Ich bitte Sie, mich als Bundesräte dabei zu unter­stützen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die letzte Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Boden. – Bitte.

 


Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Frau Bundesminister! Die Einführung der e-card hat einen relativ langen Vorlauf gehabt. Worauf ist es zurückzuführen, dass, wie man Zeitungsberichten entnehmen kann, ein Teil der Versicherten die e-card nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt erhält? Das war gestern im „Kurier“ zu lesen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Ich habe in der gestrigen Ausgabe des „Kurier“ diese Zeitungsmeldung leider nicht gelesen, Herr Bun­desrat, aber an sich ist der Rollout-Plan im Großen und Ganzen eingehalten worden – mit Ausnahme einer Panne, die es im Sommer gab, wo 22 000 Pensionisten eine Karte bekommen haben, auf welcher hinten der europäische Krankenschein nicht drauf war. Diese Karten wurden dann eingezogen, und die neuen sind in der Zwischenzeit längst bei den Besitzerinnen und Besitzern.

Es sind täglich 70 000 Karten vom Band gegangen und verschickt worden – auch das war eine logistische Meisterleistung, weil ja die richtige Karte in das richtige Kuvert musste –, und es waren 350 000 pro Woche. Mir ist nicht bekannt, dass es da zu ir­gendwelchen Verzögerungen gekommen wäre.

Unser Ziel ist es, dass mit Ende des Jahres alle Österreicherinnen und Österreicher eine e-card besitzen. Es ist vorgesehen, dass der Rollout bis Ende November noch an­dauert, damit wir eine Pufferzone von vier Wochen haben, wodurch ermöglicht werden soll, dass Karten, die fehlerhaft sind, ausgetauscht werden.

Darüber hinaus müssen wir immer damit rechnen, dass ein laufender Kartenaustausch stattfinden wird, weil es immer wieder vorkommen wird, dass jemand seine Karte ver­liert, und weil sich möglicherweise Veränderungen ergeben werden oder eine Karte be­schädigt wird. Der Betrieb ist aber damit nicht beeinträchtigt.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die 10. und letzte Anfrage, 1464/M, bitte ich die Frage­stellerin, Bundesrätin Ebner, zu verlesen.

 


Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Frau Bundesminister, meine Frage lautet:

1464/M-BR/2005

 


„Wie hoch sind die Gesamtabgänge der gesetzlichen Krankenversicherungsträger der Jahre 2000 bis 2004?“


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 37

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Bun­desrätin! Die Gesamtabgänge haben sich folgendermaßen entwickelt: Im Jahr 2000: 230 669 162 €, im Jahr 2001: 148 191 513 €, im Jahr 2002: 176 756 761 €, im Jahr 2003: 139 384 056 € und im Jahr 2004: 236 652 728 €.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Wie ist das auf die einzelnen Krankenversicherungsträger aufgegliedert?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Wenn Sie es, Frau Bundesrätin, im Detail wissen wollen, werden wir Ihnen diese Zahlen zur Verfü­gung stellen. Ich kann Ihnen jetzt nur so viel sagen – global gesehen –: Es gibt Kran­kenversicherungen, die positiv gebaren. Dazu gehören Vorarlberg und Salzburg. Es gibt Krankenversicherungen, die ausgeglichen gebaren, die im Großen und Ganzen mit dem Geld auskommen. Und es gibt Krankenkassen, die Abgänge haben, und Kran­kenkassen, die besonders hohe Abgänge haben. Am höchsten sind die Abgänge bei der Wiener Gebietskrankenkasse, und zwar seit vielen Jahren. Sie hat zum Teil bis zu 10 Prozent Abgang jährlich gehabt. Bei einem Gesamtvolumen von rund 2,2 Milliar­den € waren das jährlich 200 Millionen €. Gott sei Dank ist es gelungen, dieses Defizit zu reduzieren. Das lag im vergangenen Jahr bei rund 140 Millionen €. Hohe Geba­rungsabgänge, und zwar vor allem aus strukturellen Gründen, gibt es in Burgenland und Kärnten.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Wolfin­ger.

 


Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Bundesminister! Wie hat sich das Gesundheitsreformpaket auf die finanzielle Lage der gesetzlichen Krankenversicherungen ausgewirkt?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Wir haben im Gesundheitsreformpaket vor allem auch vorgesehen gehabt, dass wir in einem Maßnahmenmix, und zwar sowohl durch eine sehr effiziente Nutzung der vor­handenen Mittel als auch durch zusätzliches Geld, die Abgänge der Krankenversiche­rung reduzieren, und ich denke, das ist uns gelungen. Wir haben die Defizite gegen­über den Prognosen wesentlich verringern können. Wir hatten jeweils sehr viel höhere Abgänge prognostiziert. Im Jahr 2000 war die Prognose 180 Prozent vom tatsächli­chen Ergebnis, im Jahr 2001 sogar 283 Prozent. Im Jahr 2003 waren es 253 Prozent des Endergebnisses.

Wir haben vor allem erreicht, dass auch die Prognose besser wurde. Schon im Jahr 2004 konnten wir durch das Arzneimittelpaket wesentliche Einsparungen bei den Krankenkassen sicherstellen. Und wir konnten durch die zusätzlichen Mittel, die ab 2004 und 2005 in die Krankenversicherungen auf Grund erhöhter Beiträge geflossen sind, auch entsprechende Reduktionen bei den Gebarungsabgängen erreichen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Ing. Kampl.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehr­te Frau Bundesminister! In welchen Bundesländern sind laut Ihren Informationen die im


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 38

Zusammenhang mit der Gesundheitsreform 2004 vereinbarten Gesundheitsplattformen schon besetzt worden?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat! Gott sei Dank in allen Bundesländern. Es haben alle Landesräte versichert, dass sie zeitgerecht bis zum 31. Dezember die notwendigen Landtagsbeschlüsse gefasst haben werden, um rechtzeitig mit 1. Jänner 2006 die Landesgesundheitsplattformen errichten zu können. Der erste tatsächliche Beschluss war im Kärntner Landtag am 29. September 2005, allerdings mit einer kleinen Panne, und zwar wurde etwas im Ge­setz vergessen, so dass wir es eigentlich beeinspruchen müssten. Wir sind aber ges­tern mit dem Kärntner Landesrat übereingekommen, dass wir das im Ministerrat nicht beeinspruchen werden, denn sonst könnten sie es im nächsten Landtag nicht reparie­ren. Es wird diesbezüglich also schon eine erste Novelle im Kärntner Landtag im De­zember geben. In der Zwischenzeit gab es auch einen Beschluss in Niederösterreich und in Salzburg. Tirol plant einen Beschluss für 16. oder 17. November. Vorarlberg wird es im Dezember beschließen, Wien noch im November, und zwar am 23. Novem­ber, Oberösterreich voraussichtlich Ende November und Kärnten und Burgenland im November.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die allerletzte Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Schennach.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! (Zwischenruf bei der ÖVP.) Dass ich das letzte Wort habe, das tut weh, gell? – Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Mit Leistungseinschränkungen werden die Abgänge nicht in den Griff zu bekommen sein, auch nicht mit Leistungskürzungen. Wie stehen Sie eigentlich zu der Debatte, die nun begonnen hat, dass man die Finanzierungsbasis der gesetzlichen Krankenversicherungen verbreitert, etwa zum Beispiel durch Vermie­tungen, Verpachtungen, sodass da neue Einnahmen lukriert werden können?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Bundesrat, wir haben schon im Rahmen der Gesundheitsreform und im Rahmen des Artikel-15a-Vertrages mit den Bundesländern eine Verbreiterung der Basis verhandelt gehabt und haben ja auch die Beitragsgrundlage erweitert. Wir haben darüber hinaus auch darauf Bedacht genommen, dass keine gravierenden Leistungseinschränkungen Platz grei­fen, sondern dass vor allem durch eine Reduktion der Anstiege im Arzneimittelsektor bei gleicher Verfügbarkeit von Arzneimitteln entsprechende Einsparungen möglich sind. Wir haben damit allein in diesem Bereich im Laufe dieser Gesetzgebungsperiode 600 Millionen € einsparen können, auch mit dem Arzneimittelpaket. Das ist eine erheb­liche Summe.

Wir werden das jetzt hoffentlich in einer besseren Koordination im Rahmen der Lan­desgesundheitsplattformen von niedergelassenem Bereich, Spitalsbereich, also in einer Koordination von Sozialversicherung, Ländern und Bund, gemeinsam mit den Gesundheitsdienstleistern der verschiedenen Länder, noch verbessern können, und ich hoffe, dass wir damit auch das Auskommen finden können. Ich möchte derzeit über keine zusätzlichen Finanzierungen nachdenken, denn das würde nur zu einer Verun­sicherung führen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. – Die Fragestunde ist damit beendet.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 39

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind jene Be­schlüsse des Nationalrates sowie jene Berichte der Bundesregierung oder ihrer Mitglie­der beziehungsweise der Volksanwaltschaft, über welche die Ausschüsse ihre Vorbe­ratungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet haben.

Ebenso bildet die Wahl von Schriftführern für den Rest des zweiten Halbjahres einen Gegenstand der heutigen Tagesordnung.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Auf Grund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 4 und 5, 6 und 7, 15 und 16, 17 und 18 sowie 20 und 21 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

10.55.05Fristsetzungsanträge

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt, dass die Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Stefan Schennach einen Fristset­zungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht haben, wonach dem Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz zur Be­richterstattung über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung der Gesellschaft „Familie & Beruf Manage­ment GmbH“ erlassen sowie das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird, eine Frist bis 30. November 2005 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend wird dieser Fristsetzungsan­trag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung gebracht werden.

Weiters gebe ich bekannt, dass die Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Stefan Schennach einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 eingebracht haben, wonach dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Beschluss des National­rates betreffend ein Zahnärztekammergesetz eine Frist bis 30. November 2005 gesetzt wird.

Hinsichtlich der Beschlussfassung gilt das vorhin Gesagte.

Weiters gebe ich bekannt, dass die Bundesräte Professor Konecny, Schennach, Kolle­ginnen und Kollegen einen weiteren Fristsetzungsantrag eingebracht haben, wonach dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über die 7. Ärztegesetz-Novelle eine Frist bis 30. November 2005 gesetzt wird.

Hinsichtlich der Beschlussfassung gilt das vorhin Gesagte.

Ein weiterer Fristsetzungsantrag der Bundesräte Professor Konecny, Schennach, Kol­leginnen und Kollegen betrifft das Ersuchen, dass dem Gesundheitsausschuss zur Be­richterstattung über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Zahnärztereform-Begleitgesetz eine Frist bis 30. November 2005 gesetzt wird.

Hinsichtlich der Beschlussfassung gilt das vorhin Gesagte.

Weiters gebe ich bekannt, dass die Bundesräte Professor Konecny, Schennach, Kol­leginnen und Kollegen einen Fristsetzungsantrag eingebracht haben, wonach dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 40

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz und andere Gesetze ge­ändert werden, eine Frist bis 30. November 2005 gesetzt wird.

Hinsichtlich der Beschlussfassung gilt das vorhin Gesagte.

Weiters gebe ich bekannt, dass die Bundesräte Professor Konecny, Schennach, Kolle­ginnen und Kollegen einen Fristsetzungsantrag eingebracht haben, wonach dem Aus­schuss für Verkehr, Innovation und Technologie zur Berichterstattung über die Postge­setznovelle 2005 eine Frist bis 30. November 2005 gesetzt wird.

Hinsichtlich der Abstimmung gilt das vorhin Gesagte.

Ein weiterer Fristsetzungsantrag der Bundesräte Professor Konecny, Schennach, Kol­leginnen und Kollegen betrifft das Ersuchen, dass dem Ausschuss für Verkehr, Inno­vation und Technologie zur Berichterstattung über die 8. Führerscheingesetz-Novelle eine Frist bis 30. November 2005 gesetzt wird.

Hinsichtlich der Beschlussfassung gilt das vorhin Gesagte.

Schließlich haben die Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kol­leginnen und Kollegen einen weiteren Fristsetzungsantrag eingebracht, wonach dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 und andere Gesetze geändert werden, eine Frist bis 30. November 2005 gesetzt wird.

Auch in diesem Fall gilt, dass dieser Antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Ab­stimmung gebracht wird. (Bundesrat Bieringer: Zur Geschäftsordnung, bitte!)

*****

Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Bundesrat Bieringer zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.

 


10.58.41

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die zuständigen Aus­schüsse des Bundesrates haben die von Ihnen, Herr Präsident, zitierten Gesetzesbe­schlüsse des Nationalrates in Verhandlung gehabt. Es wurde für diese – zum Teil ohne Wortmeldung – der Antrag auf Vertagung gestellt. Heute hören wir, dass zur Berichter­stattung über diese vertagten Verhandlungsgegenstände mittels Fristsetzungsanträgen eine Frist bis 30. November 2005 gesetzt werden soll. Das ist nach meinem Dafürhal­ten etwas kurios. Wenn man vorher etwas vertagt und danach eine Fristsetzung dafür beantragt, dann gehört das meiner Meinung nach schon erörtert.

Ich stelle daher gemäß § 49 Abs. 3 der Geschäftsordnung den Antrag, über diese Fristsetzungsanträge eine Debatte durchzuführen. (Beifall bei der ÖVP und des Bun­desrates Dr. Böhm.)

11.00


Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Bundesrat Bieringer hat den Antrag auf Durchfüh­rung einer Debatte über die erwähnten Fristsetzungsanträge gestellt.

Ich lasse über diesen Antrag, eine Debatte durchzuführen, sogleich abstimmen und bitte jene Mitglieder des Bundesrates, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Gemäß § 49 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung beschränke ich die Redezeit eines jeden Redners auf 5 Minuten.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 41

11.00.02Debatte über Fristsetzungsanträge

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein.

Herr Bundesrat Bieringer, ich erteile Ihnen das Wort.

 


11.00.26

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe bereits in der Begründung für diese Debatte angemerkt, dass es eigenartig anmutet, wenn man im Ausschuss, zum Teil ohne Wortmeldung, eine Vertagung beantragt und hier und heute Anträge auf Fristsetzung bis 30. November 2005 einbringt. Damit jetzt kein Missverständnis ent­steht: gemäß Geschäftsordnung ist das zulässig – dennoch darf man daran ein biss­chen Kritik üben.

Ich würde es sehr wohl verstehen, wenn ein Fristsetzungsantrag gestellt werden wür­de, weil sich neue Tatsachen ergeben haben. Neue Tatsachen aber haben sich seit vorgestern sicherlich nicht ergeben. Wenn die Opposition es als sinnvoll erachtet, eine Vertagung zu beantragen, so würde ich meinen, dass diese sinnvolle Beschlussfas­sung auch umgesetzt wird.

Meine Damen und Herren! Sie müssen mir schon gestatten (Bundesrat Konecny: Ich gestatte Ihnen alles!) – es sind nicht mehr sehr viele hier, die damals in diesem Haus gesessen sind –, dass 1984 unter anderen Voraussetzungen ... (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) – Kollege Schennach! Wenn du auch noch so viel lachst, die Frau Bundesministerin saß damals sogar an meiner Seite, dort hinten, wenn ich mich richtig erinnere. (Bundesrat Reisenberger: Die Frau Bundesminister hat auch schon etwas mitgemacht!)

Damals unter der Regierung Sinowatz-Steger war es für die ÖVP eine Selbstverständ­lichkeit, dem Wunsch der Sozialdemokraten und Freiheitlichen nachzukommen. (Bun­desrat Konecny: Na, Tränen der Rührung!) Von den damaligen Klubobmännern Alois Mock, Sepp Wille (Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger) – ich glaube Ihnen schon, Herr Reisenberger, dass Ihnen das nicht gefällt, das glaube ich Ihnen (Bundes­rat Reisenberger: O ja!) – und Friedrich Peter wurde eine Vereinbarung unterzeichnet, und diese Vereinbarung hat unserer Meinung nach nach wie vor Gültigkeit. Wir sehen daher überhaupt nicht ein, dass jetzt mit dieser Verzögerungstaktik vorgegangen wird, die in diesem Haus bisher nicht üblich gewesen ist.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie heute eine Fristsetzung beschließen, dann wird uns das nicht kratzen, denn wir sind froh, wenn Gesetze, gute Gesetze (Rufe bei der SPÖ: Gute!), so rasch wie möglich beschlossen werden können. (Bundesrätin Bach­ner: Bei guten sind wir auch dafür!) Es ist auch Ihr legitimes Recht, Frau Kollegin, zu sagen: Es passt uns nicht! – Ich habe nichts dagegen, das sei einmal klargestellt. Aber eines möchte ich schon sagen, und ich rufe hier Herrn Fritz Verzetnitsch als Zeugen auf – es wird ja niemand glauben, dass der Präsident des ÖGB der Regierung nahe steht –, der gestern in der „Zeit im Bild“ gemeint hat, Verträge müssen eingehalten werden. (Demonstrativer lebhafter Beifall und Bravorufe bei der SPÖ und den Grü­nen. – Rufe bei der SPÖ: Ja, genau!) Es freut mich, dass das zur Belustigung beiträgt.

Verzetnitsch hat auch gesagt: Wenn das nicht der Fall ist, dann gute Nacht, Österreich! (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrätin Bachner: Ja, ja! – Bundesrat Stadler: Bitte, nie vergessen! Genau! Bravo!) – Sie, meine Damen und Herren, halten diese Verträge nicht ein! Niemand anderer! Sie halten diese Verträge auf parlamentarischer Ebene nicht ein. Das ist bedenklich, und ich zitiere noch einmal Fritz Verzetnitsch: Gute Nacht, Österreich! (Zwischenruf der Bundesrätin Bachner.)


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 42

Frau Zentralsekretärin, Sie werden Ihrem Chef doch noch Recht geben! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Bachner: Immer!)

11.05


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pro­fessor Konecny. Ich erteile es ihm.

 


11.05.06

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Meine Damen und Her­ren! Hoch geschätzter Kollege Bieringer! Ich habe eigentlich nicht verstanden, was du uns zu sagen versucht hast, aber das mag an mir liegen. Ich wüsste nicht, welcher Widerspruch zwischen den vorgestrigen Vertagungsanträgen und den heutigen Frist­setzungsanträgen besteht. (Ruf bei der ÖVP: Sozialdemokratische Dialektik!) Nein, das ist die Geschäftsordnung, Herr Kollege. Diese manchmal anzuschauen macht Vorteile, aber wenn Sie freiwillig darauf verzichten, ist das nicht mein Problem.

Also: Wir haben, und das mit guten Begründungen in jedem Einzelfall, vertagt, weil wir zum Beispiel ein volles Begutachtungsverfahren, das diese Regierung verabsäumt hat, durchführen wollen und es für die Länderkammer wohl selbstverständlich ist, dass wir die Meinungsäußerungen der Bundesländer einholen. Und das passiert nicht in 24 Stunden! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wir haben beim Zahnärztekomplex mit den Betroffenen, die heftig protestiert haben, Kontakt zu pflegen, ob es bei konkreten Maßnahmen, die gesetzt wurden, vielleicht möglich ist, zu Einigungen zu kommen. All das ist nicht innerhalb von 24 Stunden mög­lich. Ebenso kann ich die Begründung für jede der blockierten acht Vorlagen herunter­deklinieren. (Bundesrätin Roth-Halvax: Warum haben Sie es im Ausschuss nicht ge­macht?)

Frau Kollegin, hören Sie einmal kurz zu! Sie haben sich im Ausschuss zu Ihrer Fähig­keit der selektiven Wahrnehmung bekannt. (Beifall des Bundesrates Gruber.) Bitte, seien Sie so freundlich und versuchen Sie, auch einmal selektiv zu schweigen! (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Wir haben folgerichtig – und das ist die spiegelbildliche Entsprechung – Fristsetzungs­anträge gestellt, weil wir selbstverständlich Wert darauf legen, dass wir in der nächsten Plenarsitzung diese Vorlagen auf dem Tisch haben. Sie wissen so gut wie ich, dass eine Ausschusssitzung nur dann stattfinden kann, wenn sie der Vorsitzende oder die Vorsitzende einberuft. Wir wollen nur sichergehen, dass das Plenum eine Behand­lungsmöglichkeit dieser Materien auch dann hat, wenn das in einem Einzelfall nicht stattfinden sollte. (Bundesrat Bieringer: Wie der Schelm ist, so denkt er, Herr Kol­lege!) – Nein, Herr Kollege, wir hatten bereits derartige Fälle im Bundesrat. Du weißt so gut wie ich, dass wir alle einen Vorsitzenden beschworen haben, eine Sitzung abzuhal­ten, der sich aber aus Gründen, die für ihn nachvollziehbar waren, sehr zurückgehalten hat.

Ich sage weiters dazu: Hier wurde von einer Vereinbarung gesprochen. Jede Verein­barung, die geschlossen wird, wird unter den Bedingungen des rebus sic stantibus geschlossen. Wenn die Regierung, die wir heute haben, mit ihrer Opposition zu 50 Pro­zent so umginge wie die Regierung Sinowatz mit ihrer Opposition, dann würden wir noch sehr viel weitreichendere ... (Bundesrat Bieringer: Na geh, mir kommen die Trä­nen!) Nein, deine Erinnerung ist schwach. Die Tränen brauchen dir nicht zu kommen, aber Pillen für die Erinnerung solltest du nehmen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich würde mal so sagen, um das bildhaft auszudrücken: Die Vereinbarung von 1984 hat denselben Stellenwert wie das Regierungsübereinkommen von 1995, das ein ge­


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wisser Dr. Wolfgang Schüssel nach einem Jahr zerrissen hat. Diese Regierung hat diese Vereinbarung längst zerrissen. Es gibt keine Vereinbarung, die unabhängig von den Rahmenbedingungen Bestand hat. Ich betone ausdrücklich, dass wir uns an sie nicht gebunden fühlen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.09


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


11.09.35

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich verstehe die Schmerzen des Ludwig Bieringer. Es ist ja keine angenehme Situation, die Regierung zu stellen, aber in der zweiten Kammer keine Mehrheit zu haben. Ich verstehe das. Du wirst eine Gewöhnungsphase brau­chen, aber nachdem du ja sagst, dass du und die Frau Bundesministerin das alles schon einmal erprobt habt, wenn auch von der anderen Seite, so kann ich doch davon ausgehen, dass der Lern- und Erfahrungsprozess ein kurzer sein wird.

Lieber Ludwig Bieringer, liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP! Der Unterschied liegt in der Qualität. Während die ÖVP und die Regierungsmehrheit im Nationalrat Fristsetzungen beantragen, um Ausschusssitzungen abzuwürgen und Materien auf der Direttissima ins Plenum durchzuschleusen, ohne dass vorher eine Debatte im Aus­schuss möglich ist, bewirken die heutigen Fristsetzungsanträge, dass diese Materien, diese acht Materien hierher zurückkommen. (Ruf bei der SPÖ: Das ist wahr!) Das ist der Unterschied, und das ist eine andere Praxis, als Sie mit Ihrer Mehrheit im National­rat ständig ausüben, um der Opposition, um den begutachtenden Stellen jede Möglich­keit zu einer Stellungnahme zu nehmen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Zum Zweiten: Wie oft – ich kann es jetzt nicht zählen – habe ich in den Ausschüssen die Regierung um eine Begründung dafür ersucht, warum das mit Mehrheit im Aus­schuss beschlossen wird!? Wie oft habe ich diese Begründung nicht bekommen, son­dern es wurde einfach abgestimmt! Da fühlt man sich ja manchmal als Solo-Unterhalter in Ausschüssen, wenn man keine Auskunft bekommt.

Wir haben alle diese Vertagungen begründet. (Rufe bei der ÖVP: Wo?) In den Aus­schüssen! Wir haben sie begründet! (Bundesrätin Roth-Halvax: Die SPÖ nicht! – Neuerliche Rufe bei der ÖVP: Wo?) Beispiel Postgesetz: Wir befinden uns hier in einer Debatte, in einer öffentlichen und gesellschaftlichen Debatte, es gibt negative Stellung­nahmen der Bundesländer, aber das ist Ihnen alles egal. Es gibt auch von schwarz regierten Bundesländern ein eindeutiges Nein dazu. – Und dieser Debatte, das ist eine gesellschaftliche Debatte, wollen wir jenen Zeitraum noch geben, der vielleicht zu einem Einlenken, zu einer Konkretisierung, zu einer Verhinderung der Schließung der Postämter führt.

Deshalb, mit dieser Begründung und um noch einmal in den Dialog mit den Bundeslän­dern zu treten, haben wir dieses Thema auch vertagt.

Zweitens: Familiengesetz. Wir haben im Ausschuss, glaube ich, 180 Stellen zur Begut­achtung eines Gesetzes eingeladen, die vom Bundesministerium nicht eingeladen wur­den. Im Ruckizuckiverfahren wurde etwas eingebracht, mit einer Fristsetzung wurde der Ausschuss umgangen, um im Plenum rasch darüber abzustimmen. Wir kennen die Meinungen der verschiedensten Stellen, die zu einer Begutachtung einzuladen gewe­sen wären, zu diesem Ruckizuckigesetz nicht.

Drittens: Im Juli habe ich Ihnen hier gesagt, mit dem Fremdenpolizeigesetz werden wir uns sehr bald wieder zu beschäftigen haben – und wir haben es wieder hier! Sie haben damals gelacht und mich hier am Rednerpult verhöhnt.


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Derartige Beispiele gibt es eine ganze Reihe. Ich will kein Gesetz, in dem die Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter von Caritas, Diakonie und anderen NGOs in ihrer Tätigkeit kri­minalisiert werden. Daher brauchen wir diesen Raum der Diskussion, und die heutigen Fristsetzungsanträge, meine Damen und Herren, dienen dazu – anders als Ihr Umgang mit der Opposition –, dass wir all diese Themen am 30. respektive am 1. Dezember im Plenum wieder diskutieren können. Das ist der Grund. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen und der SPÖ.)

11.14


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Universitätsprofessor Dr. Böhm das Wort. (Bundesrat Dr. Böhm winkt ab.) Er verzichtet.

Nächster Redner: Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Bitte.

 


11.14.30

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich meine, der Umstand, dass sich die Mehrheitsver­hältnisse im Bundesrat geändert haben, sind kein Grund zur Aufregung, sondern ein­fach mit Respekt zur Kenntnis zu nehmen – das ist die Demokratie –, und es ist auch völlig legitim, dass die Opposition die Möglichkeiten der Geschäftsordnung für sich ausnutzt.

Wir diskutieren natürlich gerne, aber ich muss doch auf die Qualität verweisen. Ich möchte dazu sagen, es ist schon festzuhalten, dass die Vereinbarung von 1984 ... (Bundesrat Konecny: Bei der Sie dabei waren, nehme ich an!) – Ich bin bei vielem noch nicht dabei gewesen, obwohl ich mittlerweile auch schon seit zehn Jahren dieser Kammer angehöre. Aber die Verfassung und Ähnliches, was für uns wichtig ist, haben Sie auch nicht mitbeschlossen, und trotzdem wäre es nett, wenn Sie sich diese einmal ansehen würden, denn dann hätten Sie registriert, dass der Bundesrat nicht frei ge­wählte Nationalräte in den Ausschuss zitieren kann. Das ist schon ein etwas seltsames Verhältnis zu der Unabhängigkeit von frei gewählten Nationalräten. (Bundesrat Ko­necny: Sie sind geladen, Herr Kollege!)

Es steht Ihnen natürlich frei, zu einer Vereinbarung von 1984 zu sagen: Weil ich nicht dabei gewesen bin, brauche ich mich nicht daran zu halten. Das ist auch eine Logik, wobei ich dazusage, es ist natürlich legitim, eine Vereinbarung zu kündigen. Offen­sichtlich ist das jetzt geschehen. Bezug darauf nehmend, dass das jetzt eine andere Regierung ist, muss schon auch festgehalten werden, dass diese Vereinbarung, die Sie offensichtlich einseitig kündigen, eine Vereinbarung war, die auf parlamentarischer Ebene getätigt worden ist. Das war eine Vereinbarung zwischen den Klubs und hat sozusagen nicht den Charakter einer Regierungsvereinbarung. Es war eine parlamen­tarische Vereinbarung für die Zusammenarbeit im Parlament, für die Prozesse im Par­lament, um eine faire Vorgangsweise zu erreichen.

Interessant finde ich den Vergleich mit dem Nationalrat: Dort hat es im September zwei Fristsetzungsanträge gegeben, Sie haben es heute in einer Sitzung auf neun Anträge gebracht. (Bundesrat Konecny: Acht!) Besonders interessant finde ich auch die Be­gründung zur Nachfolgeregelung zum Entschädigungsgesetz. (Bundesrat Konecny: Acht!) – Acht, ich korrigiere mich gerne. – Da hätte ich gerne die dahinter stehende Philosophie verstanden. (Bundesrat Konecny: Die ist ja nicht vertagt!)

Sie sagen, dieses Gesetz soll fristgerecht in Kraft treten, aber Sie erheben jetzt einmal Einspruch. Ein Einspruch sollte doch prinzipiell darauf abzielen, dass dieses Gesetz geändert wird. Wenn Sie allerdings dieses Gesetz ändern wollen, dann könnte es nicht fristgerecht mit Beginn des nächsten Jahres in Kraft treten. (Bundesrat Konecny: Das erklären wir Ihnen dann beim Tagesordnungspunkt!) Daher stellt sich für mich die


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 45

Frage: Wenn Sie dafür sind, dass das Gesetz fristgerecht in Kraft tritt, was soll dann eigentlich der ganze Zauber, dass Sie jetzt Einspruch erheben, dann aber darauf hoffen, dass der Nationalrat rechtzeitig einen Beharrungsbeschluss fasst?

Darüber hätte ich ganz gerne Aufklärung. (Bundesrat Konecny: Die kriegen Sie, aber zum Tagesordnungspunkt!) Ich bin überzeugt, Sie haben dafür eine Begründung, für uns wirkt das alles ein wenig seltsam. (Beifall bei der ÖVP.)

11.19


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung erteile ich Herrn Bundesrat Schennach das Wort. Ich verweise auf die Bestimmungen in der Geschäfts­ordnung.

 


11.19.16

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Herr Kollege Himmer, Sie haben ge­sagt, das war eine Vereinbarung aller Klubs, und das muss ich wie folgt berichtigen:

Die Grünen wurden im Jahr 1985 gegründet, diese Einigung ist von 1984. Aber, um vielleicht gleich eine Mystifikation zu verhindern, die Grünen wurden nicht auf Grund dieser Vereinbarung gegründet; das hat andere Gründe. Das bedeutet, an dieser Vereinbarung waren wir nicht beteiligt. Lebendiger Parlamentarismus erfordert nach 20 Jahren auch andere Antworten. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.19


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

11.20.041. Punkt

Wahl von Schriftführern für den Rest des 2. Halbjahres 2005

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt. Die Wahl von Schriftführern ist auf Grund der vom neu konstituierten Burgenländischen Landtag durchgeführten Neuwahlen in den Bundesrat notwendig ge­worden.

Es liegt mir der Vorschlag vor, Frau Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth zur zweiten Schriftführerin und Herrn Bundesrat Ernst Winter zum vierten Schriftführer des Bun­desrates für den Rest dieses Halbjahres zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich die Wahl unter einem vor. – Es wird kein Einwand erhoben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth?

 


11.20.44

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Ich nehme die Wahl an und bedanke mich.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. – Herr Bundesrat Winter?

 


11.20.46

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Ich nehme die Wahl an und danke für das Vertrauen.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 46

11.20.522. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung des zahnärztlichen Berufs und des Dentistenberufs (Zahn­ärztegesetz – ZÄG) (1087 d.B. und 1133 d.B. sowie 7402/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ager. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


11.21.02

Berichterstatter Hans Ager: Herr Präsident! Frau Minister! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung des zahnärztlichen Berufs und des Dentistenberufs (Zahnärztegesetz – ZÄG).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf mich auf den Antrag konzent­rieren.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 2. November 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

11.22.053. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird (1083 d.B. und 1137 d.B. sowie 7394/BR d.B. und 7406/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Gansterer.

 


11.22.24

Berichterstatterin Michaela Gansterer: Ich bringe den Bericht des Gesundheitsaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 2. November 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Giefing. – Bitte.

 


11.23.01

Bundesrat Johann Giefing (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hätte es heute die Fristsetzungsdebatte nicht ge­


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 47

geben, wäre mir die große Ehre zuteil geworden, der erste Redner hier in diesem Saal unter geänderten Mehrheitsverhältnissen zu sein; unter anderen Mehrheitsverhältnis­sen – hervorgerufen durch unsere Freunde in der Steiermark, im Burgenland und in Wien –, als ich sie erlebt habe, seit ich hier bin. Die Bevölkerung dieser Bundesländer verdient großen Applaus.

Nach der vorangegangenen Debatte möchte ich schon fragen: Was steht denn eigent­lich dagegen, wenn es jetzt eine Mehrheit der Nicht-Regierungsparteien gibt? – In den Jahren 1982 bis 1986 gab es genau 47 Einsprüche gegen Beschlüsse der damaligen Regierungsparteien. Das heißt, das, was damals gut, recht, schön und billig war, möchten Sie nun auf Grund der umgekehrten Verhältnisse einfach verbieten. Gegen das kann ich mich nur verwahren. Wir haben heute aber noch viele Möglichkeiten, auf diese neue Situation einzugehen.

Nun zurück zum Gentechnikgesetz. Mit dem vorliegenden Beschluss soll der nicht geregelte Bereich der medizinischen Anwendungen der Gentechnik dem derzeitigen Stand der Wissenschaft und Technik angepasst werden. Österreich selbst verfügt ja schon seit mehr als zehn Jahren über rechtliche Rahmenbedingungen zur Anwendung von Genanalysen und Gentherapien am Menschen. Die Entwicklungsgeschwindigkeit in diesem Bereich bringt mit sich, dass laufend Anpassungen an den technischen Fort­schritt vorgenommen werden müssen.

Der Ausbau eines weiterhin hohen Schutz- und Sicherheitsniveaus ist das Ziel dieser Novelle. Allerdings hatten im Rahmen der Gesetzwerdung beziehungsweise im Begut­achtungsverfahren viele Behindertenorganisationen große Vorbehalte gegen dieses Gesetz.

Vom Familienlastenausgleichsfonds werden nach den derzeitigen Bestimmungen ins­gesamt drei In-vitro-Fertilisationen übernommen; erst dann wäre eine Präimplan­tationsdiagnose, kurz „PID“ genannt, vorgesehen gewesen. Das wäre eine Vorgangs­weise gewesen, die zu Lasten jener finanzschwachen Frauen gegangen wäre, welche sich die PID nicht leisten können beziehungsweise sich ihren Kinderwunsch aus finan­ziellen Gründen nicht erfüllen können. Sie wären dann von der Diagnosemöglichkeit ausgeschlossen gewesen. Daher wurde dieser Punkt des Regierungsentwurfes zu­rückgestellt. Es wurden einige Giftzähne, wenn ich das so ausdrücken darf, gerissen.

Uns ist es wichtig, dass die geforderten datenschutzrechtlichen Aspekte in das Gesetz mit eingearbeitet wurden. Daher steht einer Zustimmung meiner Fraktion nichts im Wege. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.26


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


11.26.44

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Gentechnik ist, so denke ich, ein Thema, das wir in allen Bereichen vorfinden. In einigen Bereichen befür­worten wir sie sehr, wie in der Medizin, in anderen Bereichen haben wir ihr gegenüber eine gewisse Skepsis und wieder in anderen Bereichen, wie bei Nahrungsmitteln, lehnen sie viele ab.

In Österreich ist bereits seit zehn Jahren die Anwendung von Genanalyse und Gen­therapie am Menschen im Gentechnikgesetz geregelt. Wir waren in diesem Bereich, so denke ich, ein Vorbild und ein Vorreiter für die EU, für ganz Europa.

Die uns nun vorliegende Novelle wurde notwendig, weil in diesem Bereich sehr rasante Entwicklungen stattfinden, die eine Anpassung verlangen. Dieser Entwurf beinhaltet


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 48

vor allem jene Punkte, die durch die EU-Richtlinie nicht geregelt sind. Besonders wich­tig ist, dass weiterhin ein hohes Maß an Schutz und Sicherheit gewährleistet bleibt. Daher steht auch ausdrücklich drinnen, dass die Ergebnisse von Genanalysen weder Arbeitgeber noch Versicherungen erheben, verlangen oder verwerten dürfen. Es wird auch genau festgelegt, wer wann welche Daten erhalten darf. Damit werden die Daten­schutzaspekte noch besser abgesichert.

Ein wichtiger Punkt dieser Novelle ist auch die Neudefinition und Differenzierung gene­tischer Analysen nach dem Stand der derzeitigen Wissenschaft und Technik. Verwal­tungsverfahren zur Durchführung von Gentherapien und Genanalysen werden leicht dereguliert. Erweitert wird die psychosoziale Beratung, und der Patient wird verstärkt mit einbezogen.

Gentechnik am Menschen ist, glaube ich, eine besonders sensible Sache, bei der sich große Chancen auftun, aber die ethischen Grenzen gewahrt bleiben müssen. Diese Novelle bringt eine rechtliche Anpassung an Wissenschaft und Technik und soll jenen Menschen, die sich in ihrer Lebenssituation in einem Tief befinden, beste Beratung, Klarheit und Sicherheit bieten. Daher stimmen wir diesem Gesetz zu. (Beifall bei der ÖVP und den Grünen.)

11.29


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


11.29.29

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Der vorliegende Beschluss beschäftigt sich nur mit dem medizinischen Bereich der Gentechnik. Ich habe mir das durchgelesen und musste dabei an den Beipacktext von Medikamenten denken: Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. – Das bräuchte man bei diesem Gesetz, denn für einen Laien ist das Ganze ziemlich unverständlich.

Ich habe es mir dann von meinem Arzt erklären lassen und habe letztendlich festge­stellt, dass diese Änderungen sehr sinnvoll sind, insbesondere nach dem Abände­rungsantrag, der im Nationalrat von allen vier Parteien eingebracht wurde.

Ich möchte jetzt aber auf einen Themenbereich eingehen, der mir bei dieser Änderung fehlt, und zwar auf den landwirtschaftlichen Bereich. Wir haben bei der letzten Ände­rung des Gentechnikgesetzes 2004 einiges kritisiert, einige Dinge davon sind noch nicht berücksichtigt, wie zum Beispiel Überlegungen betreffend Haftungsregelungen, Überlegungen zu den gentechnikfreien Regionen, Überlegungen oder Bestimmungen auf EU-Ebene zur Koexistenz – dazu gibt es nach wie vor nichts.

Wir haben im Nationalrat im Rahmen der Debatte einen Entschließungsantrag einge­bracht, der leider nicht die Mehrheit gefunden hat. In diesem Entschließungsantrag ist es darum gegangen – ich möchte das nur kurz erklären –, dass der Nationalrat be­schließen solle: Die Bundesregierung wird ersucht, im Sinne des Vorsorgeprinzips die bestehenden nationalen Importverbote weiterhin aufrechtzuerhalten, auf EU-Ebene gegen die Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen zu stimmen und die notwendigen weiteren Importverbote zu erlassen, mit dem Ziel, die Gentechnikfreiheit der österreichischen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion sicherzustellen.

Ich würde natürlich gerne von Ihnen, Frau Ministerin, wissen – in der vorhergegange­nen Debatte ist es ja auch um Begründungen gegangen –, warum dieser Entschlie­ßungsantrag der Grünen abgelehnt wurde. Lag es daran, dass man die bestehenden Importverbote vielleicht doch aufheben möchte – das kann ich mir nur schwer vorstellen, denn das müsste man ja aktiv machen –, geht es darum, dass man auf EU-


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Ebene nicht mehr gegen die Zulassung von GVOs stimmen will – diesbezüglich habe ich bei Herrn Minister Pröll keine große Angst, zumindest nicht, dass er das öffentlich macht –, oder geht es darum, dass man die weiteren notwendigen Importverbote nicht erlassen möchte? – Das hätte ich gerne von Ihnen, Frau Ministerin, erfahren.

Bei den neuen Zulassungen geht es um eine neue Rapssorte GT73, eine neue Mais­sorte MON 863 von Monsanto und seit gestern oder vorgestern die neue Maissorte Pioneer 1507, die von der EU-Kommission gegen die Stimmen der Minister zugelassen worden sind.

Ich habe versucht, auf der Seite der Ministerien zu diesem Thema etwas zu finden. Zuerst war ich auf der Homepage des Landwirtschaftsministeriums, dort war das relativ leicht. Herr Bundesminister Pröll macht ziemlich viele Presseaussendungen, und unter dem Titel „EU-Kommission erlaubt Einfuhr von gentechnisch verändertem Ölraps ...“ steht gleich in der zweiten Zeile, dass Landwirtschaftsminister Pröll die Zulassung kriti­siert. – Ist zumindest schön zu lesen, es hilft zwar auch nicht wirklich viel, aber es ist schön zu lesen.

Auf der Seite des Gesundheitsministeriums findet man unter den neuen Namen, unter den Bezeichnungen dieser neuen Sorten, nur die Entscheidungen der Kommission, aber keine einzige Stellungnahme von Ihnen, Frau Ministerin, dazu.

Auf der Homepage des Gesundheitsministeriums gibt es aber auch eine weitere in­teressante Seite, und zwar unter Gentechnik – Pressemeldungen. Ich weiß nicht, wer bei Ihnen die Pressemeldungen aussucht, es ist jedenfalls alles, was irgendwo in der Presse zu finden ist, wo das Wort „Gen“ enthalten ist, kreuz und quer durch alle Lager auf ihrer Homepage zu finden.

Einer der Titel dieser Pressemeldungen lautet: „Grüner Wahl-Abschluss – SP-Oxo­nitsch: ,Unkonkrete Zukunftsideen, keine Umweltkompetenz!‘“. Das steht auf Ihrer Homepage, Frau Ministerin, und darüber befindet sich ein Bild von Ihnen. Das ist eine ganz „witzige“ Geschichte. Frau Ministerin, Sie sollten sich vielleicht doch auch einmal die Pressemeldungen auf Ihrer Homepage ansehen. (Zwischenbemerkung von Bun­desministerin Rauch-Kallat.)

Mir ist bei diesen Pressemeldungen überhaupt aufgefallen, dass sie, wie gesagt, ziem­lich kreuz und quer gehen. Es ist zum Beispiel auch ein offener Brief von Global 2000 an die Frau Bundesministerin Rauch-Kallat bezüglich der Neuzulassungen und des Importverbots, das Sie doch verhängen sollten, angeführt. Aber es steht kein einziger Punkt von Ihnen dabei. Ihr Gesicht ist zwar darüber abgebildet, aber es ist kein einzi­ger Punkt und keine einzige Anmerkung, was Sie darüber denken, zu finden; das ist eigentlich auf der gesamten Liste der Pressemeldungen so, die Sie auf Ihrer Home­page unter dem Titel Gentechnik veröffentlicht haben.

Das zeugt nicht von Eitelkeit – es ist ja löblich, wenn man nicht besonders eitel ist, aber trotzdem würde ich mich freuen, wenn Sie in dieser Hinsicht ein bisschen mehr Eitel­keit zeigen und sich auch einmal in einer Pressemeldung darüber äußern würden, wie Sie über diese Importverbote denken, ob man sie verhängen sollte oder nicht. Viel­leicht geben Sie mir jetzt eine Antwort auf diese Frage, oder Sie schreiben doch einmal eine eigene Pressemeldung auf Ihre Homepage. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.35


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Rauch-Kallat. – Bitte.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 50

 


11.35.17

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Hohes Haus! Österreich verfügt mit dem Gentechnikgesetz seit mehr als zehn Jahren über rechtliche Rahmenbedingungen für die Anwendung von Genanalyse und Gen­therapie am Menschen und hatte damit in diesem Bereich eine gesetzgeberische Vor­reiterrolle in Europa.

Die besonders hohe Entwicklungsgeschwindigkeit in allen Bereichen der Gentechnolo­gie bringt es jedoch mit sich, dass laufend normative Anpassungen an den technischen Fortschritt vorgenommen werden müssen.

Mit dem vorliegenden Entwurf soll in erster Linie der derzeit von der EU nicht gere­gelte Bereich der medizinischen Anwendungen der Gentechnik dem Stand von Wis­senschaft und Technik angepasst werden, mit dem Ziel der Aufrechterhaltung und des adäquaten Ausbaus eines weiterhin hohen Schutz- und Sicherheitsniveaus.

Kernpunkte der Novelle sind die Neudefinition und Differenzierung genetischer Analy­sen nach dem Stand von Wissenschaft und Technik, eine leichte Deregulierung, was die Verwaltungsverfahren zur Genehmigung einer Gentherapie sowie die Zulassung von Einrichtungen für bestimmte prädiktive Genanalysen betrifft, die Berücksichtigung neuer Technologien und Methoden sowie eine im Lichte der jüngsten Entwicklungen gegenüber der bisherigen Rechtslage differenziertere Beurteilung der mit diesen An­wendungen verbundenen Qualitäts-, Beratungs- und Datenschutzaspekte.

Was die Einbeziehung der Importverbote in dieses Gesetz, die von Ihnen, Frau Kolle­gin Kerschbaum, gefordert wurde, anlangt, kann ich Ihnen nur sagen: Importverbote können nur dann verhängt werden, wenn man sie beziehungsweise die Anträge auch wissenschaftlich entsprechend begründen kann.

Wir haben derzeit eine Studie laufen, die Ende des Jahres fertig sein wird. Wir sind selbstverständlich an diesem Thema dran. Ich kann Ihnen versichern – auch wenn ich keine Presseaussendung mache –: Ich teile diesbezüglich die Meinung meines Amts­kollegen Sepp Pröll, dass wir sehr wohl gegen dieses Aufmachen sind. Wir werden das selbstverständlich auch weiter verfolgen. Das in diese Gesetzesnovelle mit hineinzu­nehmen, wäre aber zu umfangreich gewesen und hätte diese Gesetzesnovelle ver­zögert, was wir nicht wollten, aber wir werden gerne dranbleiben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm.)

11.37


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Ich bitte, jetzt zu klären, ob die Beschlussfähigkeit gegeben ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Danke. Ich stelle die Beschlussfähigkeit fest.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Gesetzesbeschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzei­chen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

11.38.454. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz zur Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerregern (Zoonosengesetz) (1085 d.B. und 1138 d.B. sowie 7407/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 51

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Beirates beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen für Fragen der Aus- und Weiterbildung von Personal der amtlichen Kontrolle zum Schutze der Verbrauchergesundheit (Ausbildungsgesetz Verbrau­chergesundheit – AGVG) (1089 d.B. und 1139 d.B. sowie 7395/BR d.B. und 7408/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zu den Punkten 4 und 5 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Gansterer. – Bitte.

 


11.39.06

Berichterstatterin Michaela Gansterer: Ich bringe den Bericht des Gesundheitsaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz zur Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerregern (Zoonosen­gesetz).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 2. November 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Auch der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Beira­tes beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen für Fragen der Aus- und Wei­terbildung von Personal der amtlichen Kontrolle zum Schutze der Verbrauchergesund­heit (Ausbildungsgesetz Verbrauchergesundheit – AGVG) liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher sogleich zum Antrag.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 2. November 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Gruber. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.40.36

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Sozialdemokraten werden dem Bun­desgesetz zur Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerregern natürlich zustimmen. Auch dem Ausbildungsgesetz betreffend Verbrauchergesundheit werden wir unsere Zustimmung erteilen.

Durch diese Gesetze, meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen, werden wich­tige Maßnahmen gesetzt, die zur Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerregern dienen. Schwerpunkte sind die Überwachung möglicher Antibiotikaresistenzen sowie die epidemiologische Untersuchung lebensmittelbedingter Krankheitsausbrüche.

Es ist auch eine Regelung über den Austausch von Informationen über Zoonosen und Zoonoseerreger darin beinhaltet. Besondere Bedeutung wird dabei der interdisziplinä­ren Zusammenarbeit zwischen den für den Futtermittel-, Veterinär-, Lebensmittel- und Humanbereich zuständigen Organen beziehungsweise Behörden zukommen. Nur durch eine gut funktionierende Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden ist auch gewährleistet, dass Krankheitserreger, das übertragende Lebensmittel und die verant­wortlichen Umstände auch tatsächlich eruiert werden können.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 52

Diese Gesetzesvorlage ist daher eine wichtige Ergänzung bereits bestehender Mate­riengesetze mit dem Ziel, eine bessere Zusammenarbeit aller betroffenen Behörden zu erreichen. Tagespolitisch gesehen ist das Thema besonders aktuell, ist doch die Vo­gelgrippe eine Zoonoseerkrankung.

Beim Tagesordnungspunkt 5 geht es um die Errichtung eines Beirates sowie um die Umsetzung von EU-Verordnungen, die mit 1. Jänner 2006 in Kraft treten. Dieser Beirat hat die Aufgabe, bereits bestehende, aber auch neue Erkenntnisse, die deutlich über die in Österreich bereits existierenden Gesetze und Verordnungen hinausgehen, in die Ausbildungspläne zu integrieren. Diese Vorlage dient zur Sicherung einer qualitativ hoch stehenden, einheitlichen und den aktuellen rechtlichen Anforderungen entspre­chenden Ausbildung der amtlichen Kontrollorgane auf dem Gebiet der Verbraucher­gesundheit. Daher unsere uneingeschränkte Zustimmung dazu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.43


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.43.21

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegenden Gesetze sind haupt­sächlich Anpassungen an EU-Richtlinien und dienen der Vorbereitung zur Durchfüh­rung von EU-Vorschriften. Das Zoonosengesetz regelt die Überwachung von Zoono­sen und Zoonoseerregern und ist eine wichtige Gesetzesmaterie zur Aufrechterhaltung der Volksgesundheit in Österreich, um bestimmte Erkrankungen im Lebensmittelbe­reich verfolgen zu können, nämlich Zoonoseerkrankungen, die von Tieren auf Men­schen übertragen werden können.

Dazu gehört, wie Kollege Gruber ja schon erwähnt hat – hier sind wir ausnahmsweise einmal gleicher Meinung, und das finde ich sehr positiv –, die derzeit heftig diskutierte und auch in einigen europäischen Ländern bereits aufgetretene Vogelgrippe.

Österreich – und das möchte ich hier besonders hervorheben – hat durch unsere Frau Bundesministerin sehr rasch und mit einem exzellenten Krisenplan auf die Vogelgrippe reagiert, aber das geht natürlich in der Diskussion oft unter. Die Begleitmaßnahmen in Bezug auf Freilandhaltung von Geflügel, Medikamentenvorsorge und entsprechende Kooperationen, ebenso die Übung am 25. Oktober sind wichtige, zielgerichtete Maß­nahmen, die heute sogar Kollege Schennach schon gewürdigt hat, indem er meinte, dass die Frau Ministerin heute sehr kompetent in der Fragestunde aufgetreten sei. Auch das ist durchaus erwähnenswert.

Ziel des Gesetzes ist es hauptsächlich, eine bessere Zusammenarbeit der betroffenen Behörden im Veterinär-, im Futtermittel- und Lebensmittelbereich herzustellen. In Kri­sensituationen ist eine rasche und effektive Kooperation zwischen den zuständigen Be­hörden und Organen des Bundes und der Länder von größter Wichtigkeit. So können Seuchenausbrüche genau untersucht und kann auch Ursachenforschung betrieben werden.

Mit dem Ausbildungsgesetz soll eine Modernisierung der Aus- und Weiterbildung in den bereits erwähnten Bereichen im Sinne einer besseren Nutzung der bei Bund und Ländern vorhandenen Potentiale gewährleistet werden. Die Perspektive dieses Geset­zes geht dahin, dass die Qualität, aber auch die Quantität der behördlichen Kontrollen auf diesem Gebiet zu optimieren sind. Außerdem werden Voraussetzungen für bun­desweit einheitliche Lern- und Prüfungsunterlagen geschaffen, was eine noch bessere Nutzung der vorhandenen Möglichkeiten von Bund und Ländern bedeutet.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 53

Wir werden deshalb so wie auch die sozialdemokratische Fraktion diesen Gesetzen selbstverständlich die Zustimmung erteilen. Ich wünschte, dass das heute den ganzen Tag so weitergeht. (Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.) – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.46


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun der Frau Bundesministerin das Wort.

 


11.46.26

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Hohes Haus! Durch das Zoonosengesetz soll die Organisation der Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerregern geregelt werden. Insbesondere wird damit die inter­disziplinäre Zusammenarbeit zwischen den für den Futtermittel-, Veterinär-, Lebensmit­tel- und Humanbereich zuständigen Organen beziehungsweise Behörden sichergestellt werden.

Nur durch eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Behörden können lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche so eingehend epidemiologisch untersucht werden, dass der Krankheitserreger, das übertragende Lebensmittel sowie die bei der Lebensmittelherstellung und -bearbeitung für den Ausbruch verantwortlichen Um­stände tatsächlich eruiert und auch effizient bekämpft werden können.

Auf Grund der durchgeführten Risikobewertung soll es auch ermöglicht werden, ent­sprechende Maßnahmen zur Minimierung der Gefährdung der menschlichen Ge­sundheit zu treffen. Die lebensmittelproduzierenden und -vermarktenden Branchen der österreichischen Wirtschaft sowie indirekt damit in Verbindung stehende Branchen wie etwa Hotel, Gastgewerbe und Tourismus sollen mittel- und längerfristig davon profitie­ren. Daher möchte ich mich bei Ihnen sehr, sehr herzlich dafür bedanken, dass Sie die­sem Gesetz Ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

11.48


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Ich nehme an, auch die Berichterstatterin verzichtet auf ein Schlusswort.

Die Abstimmung über die Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Zoonosengesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der An­trag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend Ausbildungsgesetz Verbrauchergesundheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhellig­keit. Der Antrag ist angenommen.

11.48.376. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970 und das Gebrauchsmustergesetz geändert wer­den (997 d.B. und 1140 d.B. sowie 7409/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 54

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Musterschutzgesetz 1990, das Markenschutzgesetz 1970, das Patentamtsgebührengesetz und das Patentanwaltsgesetz geändert werden (1141 d.B. sowie 7410/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zu den Punkten 6 und 7 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Mayer. Ich bitte ihn um die Be­richte.

 


11.49.09

Berichterstatter Edgar Mayer: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970 und das Gebrauchsmustergesetz geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme deshalb sogleich zum Antrag.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach der Beratung der Vorlage am 2. November 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Auch der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Musterschutzge­setz 1990, das Markenschutzgesetz 1970, das Patentamtsgebührengesetz und das Patentanwaltsgesetz geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 2. November 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


11.50.34

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Die vorliegenden Regelungen sind durchaus als Schritt in die richtige Richtung, also als ein Vorwärtsschritt zu werten. Diese Ge­setzesvorlagen werden es auch ermöglichen, dass, während Arzneimittel-Patente noch laufen, bereits an Generika geforscht werden kann beziehungsweise diese bereits pro­duziert werden können.

Das bedeutet also einerseits Vorteile für die Wirtschaft – diese Bereiche können in Ös­terreich noch besser Fuß fassen, als sie es ohnehin schon tun –, bedeutet aber auch zusätzliche Arbeitsplätze für die Regionen, und das bedeutet andererseits natürlich auch für das gesamte Gesundheitssystem kostengünstigere, billigere Lösungen, wobei dennoch derselbe Effekt erzielt wird.

Was jedoch bei diesen Gesetzesvorlagen problematisch ist, ist, dass da offensichtlich auch Parteiinteressen zum Tragen kommen und es zu eigentümlichen Verschiebungen von Kompetenzen und Rechten vom BMVIT zum Patentamt kommt, was daher auch unter dem Begriff „Lex Rödler“ kolportiert wird. Die Vorgangsweise, wie das vonstat­ten geht, ist abzulehnen.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 55

Mit Sicherheit wird auch hier argumentiert werden, dass es klug sei, das im Patentamt anzusiedeln, aber: Wir sehen das anders und werden daher diesen beiden Gesetzes­vorlagen keine Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Grünen.)

11.52


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schimböck. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.52.33

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich meine, wir haben hiemit ein Gesetzeswerk vorliegen, wo es sicherlich – da bin ich ganz einer Meinung mit meiner Vorrednerin – sinnvoll ist, bestimmte Dinge beim Patentamt anzusiedeln, dort zu zentrieren, und ich glaube auch, dass gerade die Bereiche Patent­wesens und Musterschutzwesens in unserer Wirtschaft immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Bekanntlich hat es ja von Herrn Präsidenten Rödler die Aussage gegeben, wie wichtig es sei, Einsparungen im Patentbereich zu erzielen, indem eben bestimmte Dinge – ich sage es jetzt ganz einfach –, Dinge, die quasi schon erfunden wurden, nicht noch ein zweites Mal sozusagen als erfunden betrachtet werden. Präsident Rödler bezifferte in diesem Zusammenhang den Schaden, der bisher und hiedurch für die europäische Wirtschaft entstanden ist, auf rund 60 Milliarden €.

Es war daher wirklich an der Zeit, Frau Bundesministerin, diesbezügliche Vorkehrun­gen zu treffen. Zweifelsohne stellt auch das jetzt eingeführte Monitoring-Komitee im Bereich Biopatente etwas sehr Wichtiges für unsere Wirtschaft dar.

Zu den Zahlen: Im Jahre 2004 wurden 14 114 Patente von Österreichern und 84 337 Patente von Nicht-Österreichern bei dieser Behörde registriert. Letztere Zahl sollte natürlich jetzt für uns ein großes Animo sein, diesbezüglich verstärkte Aktivitäten zu setzen. Die gerade in den vergangenen Tagen bekannt gewordenen Arbeitslosenra­ten – ich verweise jetzt nur auf den bedauerlichen und wirklich erschütternden „Rekord“ im Monat Oktober mit 237 282 Arbeitslosen – zeigen, dass man in der Wirtschaft nur dann punkten kann, wenn man in Forschung und Innovation investiert. Das passt also genau zu dieser Gesetzesmaterie.

Frau Bundesministerin, ich weiß zwar, dass die Themen Forschung und Innovation nicht in Ihr Ministerium ressortieren, aber das ist ja, glaube ich, schon ein bisschen die Problemlage, dass sich – meine Vorrednerin hat das auch schon angesprochen – Res­sortkompetenzen da sozusagen etwas verwischen. Und was die Forschungsförderung anlangt, ebenso das Zustandekommen von Patenten, so muss man leider feststellen, dass da in den vergangenen Jahren wirklich sehr, sehr viel daneben gegangen ist.

So ist zum Beispiel bekannt, dass sich die Austria Wirtschaftsservice GesmbH, was das dortige Management betrifft, bedauerlicherweise geradezu zu einem personellen Durchhaus entwickelt hat und eigentlich nicht mehr recht nachvollziehbar ist, wer dort überhaupt das Sagen hatte beziehungsweise hat. Das ist schon eine sehr bedauerliche Sache, denn gerade die AWS hätte ja eigentlich die Aufgabe, grundlegende Linien im Bereich Forschungsförderung zu ziehen und sich zu bemühen, dass dort etwas weiter­geht.

Die Forschungsförderung – das gehört auch bei einem Gesetzeswerk wie diesem an­gemerkt – muss man wirklich sehr interdisziplinär angehen. Seitens der Industriellen­vereinigung gab es ja das Strategiepapier „Lifelong Learning“, das genau in die Richtung zielt, dass in unserem Lande Forschungsförderung, dass in unserem Lande Maßnahmen in Richtung Innovation unterstützt werden.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 56

Jedenfalls meine ich, Frau Bundesministerin Rauch-Kallat, dass es angebracht wäre, wenn auch Ihre Ressortkollegin Gehrer diesbezügliche Aktivitäten entfalten würde, denn wenn man sich anschaut, was die Weiterbildung der Menschen in unserem Lan­de betrifft, sieht man, dass wir da eher weiter hinten in der Statistik liegen. Seitens der Industriellenvereinigung wurde das in Arbeitsstunden umgerechnet, und da ist heraus­gekommen, dass auch in innovativen Betrieben Österreichs von 1 000 Arbeitstunden lediglich fünf Stunden hiefür aufgewendet werden! In einem wirtschaftlich sehr erfolg­reichen Land mit großer Forschungsquote und hohem Wachstum wie Dänemark sind das beispielsweise immerhin 14 Stunden pro 1 000 Arbeitsstunden, die für Weiterbil­dung aufgewendet werden.

Ich weiß, dass es gelungen ist, die Forschungsförderungsquote auf 2,39 Prozent des BIP zu erhöhen; damit kann man vielleicht ein wenig ausgleichen, dass im Jahre 2002 der Wert von 1,95 Prozent mit 1,94 Prozent unterschritten wurde.

Diese Gesetzesänderung heute sollte, wie ich meine, auch ein Anlass dafür sein, alles daran zu setzen, für den Bereich Forschungsförderung wesentlich mehr als bisher zu tun und zu mehr Patenten zu kommen.

In diese Richtung sollte es, wie gesagt, gehen. Unsere Fraktion wird jedenfalls diesen Gesetzesvorlagen die Zustimmung erteilen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

11.57


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. Ich erteile ihr das Wort.

 


11.57.23

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Wie ja auch schon Kollege Schimböck festgestellt hat, hat diese Bundesregierung gerade im Bereich Bildung und Forschung sehr viel getan: Die Forschungsquote wurde erhöht, was ja nicht immer so der Fall war. Gerade also auch in diesem Bereich ist diese Bundesre­gierung wirklich gut unterwegs; da kann man wirklich nichts dagegen sagen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Bundesrätin Dr. Lichtenecker.) – Die Forschungsquote haben wir erhöht, und wir werden diesbezüglich sicherlich noch mehr tun!

Wir diskutieren jetzt nur mehr zwei Tagesordnungspunkte unter einem; ursprünglich hätten es ja drei sein sollen. Ich hätte mich wirklich gefreut, jetzt auch über das Arznei­mittelgesetz sprechen zu können, denn das Patentgesetz und das Musterschutzgesetz sind zwar Gesetzesmaterien, die für unsere Wirtschaft wichtig sind, aber im Grunde genommen geht es dabei doch größtenteils um Anpassungen an EU-Richtlinien. (Vize­präsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

So soll zum Beispiel ein europaweiter Gemeinschaftskodex für Human-Arzneimittel ge­schaffen werden, was zweifelsohne eine sehr gute Sache ist, und weiters sollen die Kompetenzen zur Erlassung von Durchführungsverordnungen, die jetzt zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie und dem Patentamt auf­geteilt waren, nunmehr beim Präsidenten des Patentamtes angesiedelt sein, dort also zusammengeführt werden, was sicherlich Vereinfachungen mit sich bringen wird.

Das Arzneimittelgesetz, bei dem es sich aber unter anderem um Vorkehrungen für den Krisenfall gehandelt hätte, finden wir nun leider nicht mehr auf der Tagesordnung, hin­gegen aber die Vogelgrippe und eine mögliche Pandemie, die sich niemand wünscht und die auch hoffentlich nicht eintreten wird. Jedenfalls ist das etwas, was die Bürge­rinnen und Bürger sehr beschäftigt. Das merken wir besonders auch daran, dass sich


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 57

viele Menschen Tamiflu besorgen. Ich glaube, wenn ich hier in diesem Saale durch­fragen würde, würden sich einige melden, die Tamiflu bereits gekauft haben.

Wir merken es aber auch daran, dass – gegenüber den vergangenen Jahren – eine verstärkte Nachfrage nach der Grippeimpfung besteht. Und wir merken es daran, dass wir uns heute in der Fragestunde an die Frau Bundesminister mit diesem Thema be­schäftigt haben.

Damit sich hier alle sicher fühlen können und keine Hysterie entsteht, ist es, glaube ich, wichtig, dass man sehr gute Vorbereitungen für den allfälligen Krisenfall leistet. Dafür wäre meiner Ansicht nach gerade dieses Gesetz ein Mosaikstein gewesen. Aber es wurde von der Opposition auf die lange Bank geschoben; dies jedoch nicht aus einem bestimmten Interesse, das den Ländern, das insbesondere dem Bundesrat zustehen würde, sondern zu dem Zweck, die neue Macht hervorzukehren. Man kann das ein bisschen an folgendem Vergleich zeigen: Es wurde auf die lange Bank geschoben, und so, wie man eine Zeituhr stellt, wurde jetzt eine Zeituhr für Dinge, die eigentlich schon fertig sind, gestellt.

Aber ich möchte zum Schluss kommen und noch eines sagen: Es wäre schön, wenn wir wieder sachlich im Sinne der Bürger und für unser Land vorgehen könnten. (Beifall bei der ÖVP.)

12.01


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­ministerin Rauch-Kallat.

 


12.01.05

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Präsiden­tin! Hohes Haus! Diese Regierungsvorlage, dieses Gesetz dient der Umsetzung euro­päischer Richtlinien und führt damit auch dazu, dass Studien und Versuche sowie die sich daraus ergebenden Anforderungen, die für eine arzneimittelrechtliche Zulassung oder für eine Genehmigung über das In-Verkehr-Bringen erforderlich sind, vom Patent­schutz ausgenommen sein sollen. Ebenso sind die entsprechenden Bestimmungen im Gebrauchsmustergesetz inhaltlich angepasst.

Aus ökonomischen Gründen sollen zugleich mit dem vorliegenden Entwurf weitere not­wendige Anpassungen des Patentgesetzes sowie des Gebrauchsmustergesetzes vor­genommen werden. Die Kompetenzen sind ja, wie Sie es bereits angesprochen haben, unter den Ministerien verteilt.

Ich bitte daher um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

12.02


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesminister. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist ebenso nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die beiden gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates getrennt erfolgt.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970 und das Gebrauchsmustergesetz geändert werden.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 58

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Ok­tober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Musterschutzgesetz 1990 und weitere Gesetze geändert werden.

Wieder ersuche ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Auch hier ist es wieder die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.03.358. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver­sicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Allgemeine Pensionsgesetz sowie das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Bundespflegegeldgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2005 – SVÄG 2005) (1111 d.B. und 1132 d.B. sowie 7393/BR d.B. und 7412/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nun kommen wir zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Reisenberger übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


12.03.54

Berichterstatter Harald Reisenberger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit, Generationen und Kon­sumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Allgemeine Pensionsgesetz sowie das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungs­gesetz, das Bundespflegegeldgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden.

Der größte Teil des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates dient der Rechts­bereinigung, der Verbesserung der Verwaltungspraxis und der Anpassung an Rechts­entwicklungen außerhalb der Sozialversicherung. Darüber hinaus enthält der vorlie­gende Gesetzesbeschluss des Nationalrates Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der pensionsversicherungsrechtlichen Stellung von pflegenden Personen sowie zu einer Neuordnung der Bestimmungen über die Wirksamkeitserklärung von Beiträgen zur Pensionsversicherung. Die im einzelnen angeführten Regelungen und Punkte ha­ben Sie vor sich liegen. Ich erspare es Ihnen und mir, sie vorzulesen.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in einer Sitzung am 2. November 2005 in Verhandlung genommen. Der Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 2. November mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht. – Wir gehen in die Debatte ein.

 


Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 59

12.05.42

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen Ministerinnen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Materie, die wir jetzt behandeln – diese 65. ASVG-Novelle –, ist ein Sammelgesetz. Wie es Sammelgesetze so mit sich bringen, ist in diesem Gesetz eine ganz gewaltige thematische Breite vorzu­finden. Es ist einerseits die Rede von der Neudefinition des Schulbegriffs in Bezug auf das Europarecht, andererseits geht es um Änderungen bei der Anmeldung zur Sozial­versicherung, bis hin zu Themen wie der Erhöhung des Ausgleichszulagenrichtsatzes. Wir sind eigentlich der Meinung, dass derart viele verschiedene Materien nicht unbe­dingt in Sammelgesetzen zusammengepfercht und vermischt werden sollten. Es wäre doch sinnvoller, so unterschiedliche Themen aufzuspalten und entsprechend jeweils für sich der parlamentarischen Behandlung zuzuleiten.

Nun zum Inhalt dieses Gesetzes: Einen Punkt möchte ich als sehr wichtig und positiv herausheben, nämlich die Erhöhung der Ausgleichszulage auf 690 €. Von dieser über­aus wichtigen Maßnahme werden bis zu 200 000 Personen profitieren können. Ich möchte ganz explizit betonen, dass wir diese Maßnahme für wichtig und wertvoll hal­ten. Ich möchte das besonders deshalb betonen, weil wir diesem Gesetz nicht zustim­men werden. Die Ablehnung der Grünen ist aber nicht als Ablehnung dieser Erhöhung der Ausgleichszulage zu verstehen, denn dieses Gesetz wird ja trotz unserer Ableh­nung in Kraft treten und den Bundesrat passieren. Unsere Ablehnung ist als Protest gegen die Streichung von weiteren positiven Maßnahmen zu verstehen, die sich ur­sprünglich im Entwurf des Gesetzes befunden hatten, die aber nach der Begutachtung gestrichen wurden, schlicht und ergreifend deshalb, weil der Finanzminister sie nicht zahlen wollte.

Konkret geht es dabei um drei Punkte: erstens die Anerkennung von Arbeitszeiten von behinderten Menschen ab der Pflegestufe 3 als Schwerarbeit; es geht um die Verlän­gerung des Durchrechnungszeitraums zur Feststellung der Witwen- oder Witwerpen­sion von zwei auf fünf Jahre; und es geht um die Verlängerung der Anrechnung bei Mehrlingsgeburten von 48 auf 60 Monate zu Pensionszeiten für Geburten nach dem ASVG. Vor allem letztere Maßnahme ist ja schon oft angekündigt worden.

Diese Maßnahmen, die wir für ebenso wichtig halten, wie auch die Erhöhung der Aus­gleichszulage standen schon im Gesetzentwurf. Sie waren quasi in Griffweite. Aber sie wurden dann gestrichen, weil der Finanzminister das Geld für diese wichtigen sozialen Verbesserungen nicht ausgeben wollte. Im Übrigen werden die einzigen ernsthaften Zusatzkosten, die durch diese Novelle entstehen – eben in puncto Ausgleichszulage geht es um 29 Millionen € –, aus den im Härtefonds angesparten Mitteln finanziert. Es handelt sich auch hier nicht um neu aufgebrachtes Geld für soziale Maßnahmen.

Bevor uns jetzt jemand vorwirft, dass wir prinzipiell alles ablehnen und quasi Blockade­politik betreiben würden: In diesem Punkt kann uns niemand vorwerfen, dass wir eine positive Änderung verhindern wollen. Denn es war der Finanzminister, der weitere, zu­sätzliche wichtige Verbesserungen verhindert hat, und zwar aktiv verhindert hat. Wenn also jemand in diesem Bereich Blockade betreibt, dann ist er es, und es ist ihm dies vorzuwerfen! Das wäre berechtigt, und unsere Ablehnung zu dieser ASVG-Novelle ist eben als Protest gegen dieses Vorgehen zu verstehen. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen und der SPÖ.)

12.09


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth. – Bitte.

 


12.09.23

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Es


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 60

ist schon von meiner Vorrednerin angesprochen worden, dass es sich hier um ein sehr umfassendes Gesetz handelt. Es beinhaltet einerseits Maßnahmen, die vollinhaltlich unsere Unterstützung finden, andererseits natürlich auch Teile, die wir so nicht be­schließen würden. Summa summarum kann ich für uns Sozialdemokratinnen und Sozi­aldemokraten dennoch sagen, dass die positiven Punkte die negativen überwiegen. Wir werden deshalb diesem Gesetz, auch wenn wir bei einigen Punkten etwas Bauch­weh haben, heute doch unsere Zustimmung erteilen.

Lassen Sie mich einige der Punkte anführen, die wir für positiv halten, und danach auch einige Punkte darstellen, bei denen wir der Meinung sind, dass es durchaus schon bessere Ansätze gegeben hätte, die aber schlussendlich leider nicht so in die­ses Gesetz eingeflossen sind.

Neben den schon genannten Punkten, die ich nicht wiederhole, möchte ich sagen, dass es natürlich gut ist, dass die freiwillige Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger neu aufgenommen worden ist. Die monatliche Beitragsgrundlage soll sich auf 1 350 € belaufen, und das ist auch jener Betrag, der als allgemeine Bei­tragsgrundlage für Kindererziehende heranzuziehen ist. Es wird dann so gehandhabt, dass den fiktiven Dienstgeberbeitrag zu dieser Selbstversicherung der Bund tragen wird und somit eine selbst versicherte Pflegeperson einen monatlichen Eigenbeitrag von gut 138 € zu bezahlen haben wird, was unserer Meinung nach einen durchaus leistbaren Betrag darstellt.

Präsenzdiener sowie Zivildiener und ihre Angehörigen sollen künftig von der Zahlung des Serviceentgeltes für die e-card befreit sein; auch das ist einer der Punkte, die wir befürworten. Als ein wichtiger Punkt, als eine, hoffentlich nicht die einzige Maßnahme zur wirksamen Bekämpfung der illegalen Beschäftigung wird in dieser Vorlage die An­meldung zur Sozialversicherung bereits vor Arbeitsantritt, spätestens aber unmittelbar bei Arbeitsantritt angesehen. Wir hoffen, dass dies, wie gesagt, ein Schritt in die sehr wichtige richtige Richtung ist.

Ferner soll die Arbeitsstätte zumindest einmal jährlich im Lohnzettel angeführt werden, zumindest am Ende einer Beschäftigung. Damit will man die Möglichkeit, den Beschäf­tigungsverlauf irgendwie nachzuvollziehen, verbessern. Wir hoffen, dass auch das in die Richtung geht, die ich vorhin angesprochen habe. Zudem ist dies notwendig, weil es eine Bestimmung der Registerverordnung der Europäischen Union ist.

Auf die anderen Punkte gehe ich jetzt nicht ein, sondern ich gehe zu den Punkten über, die in diesem Gesetz leider nicht mehr beinhaltet sind, obwohl sie im ursprünglichen Entwurf vorhanden waren. Vor allen Dingen Frauen sind von diesen Punkten betroffen; meine Vorrednerin hat einige davon schon erwähnt. Diese Maßnahmen sind dem Rot­stift des Finanzministers zum Opfer gefallen, was ich besonders bedauere, wenn es um die Ausdehnung des Beobachtungszeitraums für die Berechnung der Witwen- und Witwerpensionen geht, nämlich darum, diesen auf fünf Jahre auszudehnen. Dieses Problem wurde von uns schon bei der letzten Gesetzesnovelle angesprochen, es wurde auch eine entsprechende Forderung gestellt. Wir waren sozusagen guten Mutes, dass das diesmal aufgenommen werden wird. Leider ist es doch nicht der Fall.

Weiters geht es um das Abstellen der Gesamt-Bemessungsgrundlage auf das Höchst­ausmaß der Pensionsleistung. Es geht auch um die Berücksichtigung der Kindererzie­hungszeiten, die parallel zur Erwerbstätigkeit erworben wurden, und um – auch bereits angesprochen – die verbesserte Anrechnung der Kindererziehungszeiten bei Mehr­lingsgeburten für Kinder, die vor dem Jahr 1956 geboren wurden. Dass auch die Erwei­terung des Schwerarbeiterbegriffes um die Berufsfähigkeit von schwerstbehinderten Personen wieder herausgenommen wurde – Frau Bundesministerin, das halte ich für


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einen besonders unfairen Akt, muss ich schon sagen, diesen betroffenen Personen gegenüber.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine Tatsache, dass es in Österreich über eine Million Menschen gibt, die armutsgefährdet sind. Es ist dies in jedem dieser Sozialberichte nachzulesen. 400 000 Menschen in diesem Land leben akut in Armut, die Arbeitslosigkeit ist enorm angestiegen. Zahlen werden heute noch genannt werden. Geeignete Gegenmaßnahmen gegen diese bedauerliche Tatsache sind von dieser Bundesregierung spät oder gar nicht ergriffen worden.

Auch die Pensionen sind in den letzten Jahren unter der Inflationsrate angehoben wor­den. Und da, sehr verehrte Frau Bundesministerin, nützt meiner Meinung nach auch die Inseratenkampagne nichts, die Sie jetzt gestartet haben und in der Sie von einer „fairen“ Pensionsanpassung sprechen. Denn die Menschen in diesem Land wissen, dass Ihre „faire“ Pensionsanpassung dazu führt, dass sie weniger Geld zum Ausgeben als vorher haben. (Bundesrat Mayer: Das stimmt ja nicht!)

Vor diesem Hintergrund erfolgt jetzt die Anhebung der Ausgleichszulage, die wir als dringend notwendig erachten. Aber sie vor diesem Hintergrund als eine großartige Leistung darzustellen, das halte ich wirklich nicht für angebracht. Denn nicht einmal die versprochene Anhebung der unter der Armutsgrenze liegenden Mindestpensionen für 2005 wurde eingehalten. Ein diesbezüglicher Antrag der SPÖ, dies rückwirkend für heuer zu ermöglichen, wurde natürlich abgelehnt.

So wird dann, da diese Anhebung heuer nicht der Fall ist, die Anhebung nächstes Jahr auch nicht in dem Maß ausfallen, wie es den Leuten eigentlich zustehen würde. Auch wenn es nur geringe Beträge sind – wenn Sie den Kopf schütteln, dann weiß ich, dass Sie mit den geringen Beträgen nichts anzufangen wissen –, so gibt es doch Menschen, die darauf angewiesen sind, ob sie 2 € oder 5 € mehr oder weniger Monat haben. Es trifft die Ärmsten der Armen, und das ist ungerecht und unsozial! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es ist längst überfällig gewesen, dass diese Ausgleichszulagenrichtsätze erhöht wor­den sind. Abgesehen davon: Um das bezahlen zu können, wird auch noch der Härte­ausgleichsfonds ausgeräumt. Auch das findet nicht unsere Unterstützung. (Bundesrat Mayer: ... finanzieren oder nicht? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es gibt andere Möglichkeiten. Man muss nicht unbedingt diesen Fonds, der gerade auch für spezielle Fälle vorhanden ist, ausräumen. Ich werde Ihnen jetzt nicht aufzäh­len, was alles für Maßnahmen von dieser Bundesregierung gesetzt werden, die unse­rer Meinung nach sinnlos sind. Ich fange nicht bei den Abfangjägern an und höre auch nicht bei anderen Dingen auf. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Lassen Sie mich einen weiteren Aspekt anführen, den ich auch für sehr traurig halte. Herr Kollege, vielleicht können wir uns nachher noch über diese Tatsache unterhalten, nämlich die Tatsache, dass es nicht gelungen ist, einen bundeseinheitlichen Heizkos­tenzuschuss zu erlangen. Es ist dies eine wirklich besonders beschämende Tatsache, Kolleginnen und Kollegen, in einer Zeit stark gestiegener Heizkosten und Energiekos­ten und vor der Tatsache, dass immer mehr Menschen in diesem Land armutsgefähr­det sind. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

In Salzburg wird es so einen Heizkostenzuschuss geben. Die Landesregierung hat sich dazu durchgerungen – auch trotz knapper finanzieller Mittel im Land Salzburg –, die­sen Heizkostenzuschuss zu gewähren. Aber es ist schließlich nicht einzusehen, dass es abhängig davon sein soll, in welchem Bundesland ein Mensch lebt, ob er so einen Zuschuss bekommt oder nicht. Schließlich treffen Kälte und hohe Energiepreise alle Menschen in Österreich.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 62

Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche Ihnen, dass Sie das eine oder andere Mal doch daran denken, wenn Sie zu Hause im warmen Wohnzimmer sitzen, dass es in diesem Land Menschen gibt, die sich das Heizen im Winter nicht leisten können, weil diese Bundesregierung ihnen kein Geld dafür gibt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.17


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


12.17.58

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Mayer, um den Ball von Frau Kollegin Neuwirth aufzugreifen und vorzuführen: Hätten wir uns allein die sündteuren externen Beratungskosten der Regierungen Schüssel I und Schüssel II in bestimmten Ministerien erspart und auf die Qualität und die Kraft der eigentlich vorhandenen Beamtenschaft zurückgegriffen, so hätten wir den Härtefonds unglaublich aufstocken können! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Die Diskussion um das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz kann ich jetzt von zwei Seiten her betrachten: Ist das Glas halb voll oder halb leer? – Auf der einen Seite: ein Dank an die Kollegen und Kolleginnen von der sozialdemokratischen Fraktion dafür, dass sie es uns hier ermöglichen, den Einspruch zu diesem Gesetz zu dokumentieren! Andernfalls wäre es vice versa gewesen und hätten wir es heute so machen müssen wie die Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion: Hätten sie dagegen gestimmt, dann hätten wir zustimmen müssen.

Beide Oppositionsparteien haben ja ein Ziel – dass wir da keine Legenden bilden –: Wir alle wollen, dass die Ausgleichszulage am 1.1. ausbezahlt wird. Das haben sich die Pensionisten und Pensionistinnen verdient, und die Ausgleichszulagen gehören ausbezahlt! Nur muss vor der Geschichte auch dokumentiert werden, dass das Sam­melgesetz, das hier vorliegt, zwar einerseits eine Begutachtung erfahren hat, allerdings die Begutachtung im Wesentlichen andere Teile betroffen hat, und die wirklich positi­ven Dinge der Vorlage finden wir heute hier nicht mehr vor.

Lieber Kollege Mayer, das Einzige, was wirklich etwas kostet, wird aus dem angespar­ten Härtefonds bezahlt. (Bundesrat Mayer: Machen Sie einen anderen Finanzierungs­vorschlag!) Von den Maßnahmen, von all den verschiedenen Punkten bleibt nur das übrig. Man hätte das auch auf ein, zwei Gesetzesinitiativen aufteilen können. Dass das aus dem Härtefonds bezahlt wird, das und die Ausgleichszulagen bleiben übrig. Gleichzeitig damit wird eine Vielzahl von Maßnahmen in einem Sammelgesetz auf Reisen geschickt, wogegen sich der Bundesrat schon einmal einstimmig verwehrt hat.

Es ist bedauerlich, dass der Nationalrat eine einstimmige Entschließung des Bundes­rates als nicht der Mühe wert befunden hat, darauf zu reagieren und im Ausschuss darüber zu diskutieren. Ich sage das immer und immer wieder, wenn solche Sammel­gesetze vorgelegt werden: Es widerspricht dem gemeinsamen Geist dieses Hauses, solche Post überhaupt in Empfang zu nehmen. – Und wir müssen so etwas wieder in Empfang nehmen!

Liebe Kollegen von der ÖVP! Liebe Frau Bundesministerin! Wenn ich einen Vertrag vorlegen würde, in dem stünde, dass sich alle Fraktionen zum Prinzip lebenslangen Lernens bekennen, würden alle sagen: Richtig! Wir brauchen lebenslanges Lernen, wir brauchen eine ständige Qualifizierung, um auch im fortgeschrittenen Alter am Arbeits­markt bestehen zu können und Berufsgrenzen durchlässiger zu machen. Verschie­densten Ausbildungsgänge im sozialen Bereich schreiben Praktika vor. Wenn Sie


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heute in eine Sozialakademie oder in eine verwandte Institutionen gehen, die Praktika vorschreibt, werden Sie darin auch Menschen vorfinden, die schon eine gewisse Le­benserfahrung haben, nunmehr eine Ausbildung machen und zwingende Praktika zu absolvieren haben. Bisher waren Menschen, die Praktika gemacht haben, krankenver­sichert, pensionsversichert und unfallversichert. Und Sie streichen jetzt zwei davon. Das mag bei jemandem, der 18, 19 oder 20 ist, vielleicht keine solche Bedeutung haben. Wenn ich mir aber vor Augen halte, dass auch Frauen nach zwei, drei Kindern wieder in den Ausbildungsprozess zurückkehren oder eine Umschulung machen, also wieder ins Berufsleben einsteigen, dann drücken auch 35-, 38-, ja 40-Jährige die Schulbank. Die haben auch die Verpflichtung, nicht wenige Praktika zu absolvieren, und alles, was sie dann dabei noch sind, ist unfallversichert. Das ist eine Schlechter­stellung. – Das mischen Sie einfach alles in eine Sammelgesetzgebung hinein und geben dazu noch den zynischen Hinweis: Sollen sie eben nicht so viele unbezahlte Praktika machen!

Aber bitte, das ist doch die Realität! Versuchen Sie einmal alle Praktikumsstellen zu besetzen. Es ist eine der schwierigsten Sachen, Praktikumsstellen zu finden. Im Sinne des Erwerbs von Berufserfahrung sind eben auch unbezahlte Praktika notwendig, sei es nun im sozialen Bereich oder im Kulturmanagementbereich, ganz egal. Die Leute brauchen in ihrer Biographie, ihrer Ausbildung auch Erfahrungsnachweise. Deshalb machen junge Leute im Verlaufe ihres Studiums drei, vier, auch fünf Monate ein Prak­tikum. Das ist sehr oft geringfügig bezahlt, manchmal sogar unbezahlt, und manche Institutionen, sozial-, kulturpolitisch oder was auch immer, sind auch auf solche Prakti­kanten und Praktikantinnen angewiesen. Und was sind die jetzt? – Die sind eigentlich nichts anderes mehr als unfallversichert. Das ist eine Schlechterstellung, das ist eine eklatante Schlechterstellung. Wir wollen heute mit unserer Gegenstimme unseren Wi­derspruch gegen diese Schlechterstellung zum Ausdruck bringen. Wir sind anderer­seits jedoch wegen der Ausgleichszulage auch froh, dass das Gesetz hier eine Mehr­heit hat. – Ich danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.24


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kritzinger. – Bitte.

 


12.25.05

Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Hoch ge­schätzte Teilnehmer! Die 65. ASVG-Novelle ist sehr umfangreich, aber sie bringt doch ganz wesentliche Verbesserungen, und aus diesem Grunde muss man sie einfach akzeptieren. Es wird immer wieder ein Haar in der Suppe zu finden sein, und ich bin auch überzeugt davon, die Opposition findet so etwas. Im Wesentlichen und grund­sätzlich stellt diese 65. ASVG-Novelle jedoch eine schon seit langem notwendige Ver­besserung dar, und zwar gerade auch für PraktikantInnen! Kollege Schennach, es ist das eine Erleichterung für den Arbeitgeber! (Bundesrätin Bachner: Sie sagen es: für den Arbeitgeber!) Sie brauchen nur mehr unfallversichert zu sein. Wir brauchen gerade im Sozial-, im Gesundheits- und auch im Pflegebereich dringend junge Praktikantin­nen, meinetwegen Studentinnen, die ja sowieso schon versichert sind. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Gilt das für Männer auch?) Durch diese Erleichterung ist eine grö­ßere Zahl an Menschen zu erwarten, die da mithelfen und mitarbeiten. Das wird sich durch diese Erleichterung so ergeben. (Bundesrätin Konrad: Gratisarbeit?)

Was die Versicherung anlangt, werden sich nunmehr die Arbeitnehmer bei Arbeits­antritt melden müssen. Damit will man gegen die Schattenwirtschaft ankämpfen, auch gegen die Schwarzarbeit. Diese Maßnahme ist, wie ich meine, gleichfalls ein dringend notwendiger Schritt. Dazu kommt noch die Verpflichtung zur Meldung der letzten Ar­beitsstätte via Lohnzettel. – Auch das wird dazu beitragen, dass die Schattenwirtschaft


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etwas eingebremst wird. Man muss jedoch schon sagen, dass die österreichischen Un­ternehmer sehr korrekt sind und das im Großen und Ganzen sehr korrekt handhaben.

Durch die Erhöhung der Ausgleichszulage für Alleinstehende auf 690 € ab 1. Jänner werden auch die Mindestpensionisten deutlich mehr bekommen; ein wichtiger Schritt zur Verhinderung von Armut in Österreich. Ebenso kann die Ausweitung der Versiche­rung für Pflegende nur im Sinne aller Parteien sein. Jenen Bürgern, die mit großem persönlichen Einsatz Angehörige pflegen, muss der Gesetzgeber entgegenkommen. Diese Menschen leisten einen ganz wesentlichen Beitrag zur Gesellschafts- und Gene­rationensolidarität, und sie übernehmen Aufgaben, die sonst der Staat, das Land oder die Gemeinde übernehmen müsste.

Wir haben einmal in Innsbruck eine Befragung durchgeführt und dabei folgende Daten erhoben: Es sind lediglich 2 Prozent der älteren Menschen, die in Pflegeheimen betreut werden; alle anderen werden mehr oder etwas weniger intensiv zu Hause gepflegt. Es werden da wirklich ganz besondere Leistungen vollbracht – und zu Recht, denn wer will nicht auf seine Angehörigen schauen! Und wer solche Leistungen erbringt, be­kommt jetzt die Möglichkeit, sich selber zu versichern und damit seine eigene Existenz abzusichern.

Als wichtiger Punkt ist in diesem Gesetz auch noch enthalten, dass jetzt jeder, und zwar ohne Beschränkung durch eine Fünfjahresfrist, Versicherungszeiten nachkaufen kann. Das ist ganz wichtig! (Bundesrätin Ebner: Leisten muss man es sich halt kön­nen!)

Wir reden ja auch immer von den so genannten Standbeinen, die man haben muss, und wir wissen alle, dass, wenn eine Privatversicherung nicht mehr die nötigen Gelder hat, wenn sie rote Zahlen schreibt, Leistungen gekürzt oder Prämien erhöht werden müssen. Das haben wir alles schon miterlebt.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Möglichkeit der Höherversicherung bei einer Pensionsversicherungsanstalt hinweisen. Jeder, der hier einzahlt, erhält das ge­samte Kapital mit 1 Prozent monatlich rückvergütet. Das ist eine Versicherungsmög­lichkeit, die auch von uns, die wir in der Politik tätig sind, viel mehr propagiert werden sollte; eine Einrichtung, die unzweifelhaft bereits seit vielen Jahren besteht, die man aber auch viel besser ausnützen müsste.

Ich jedenfalls halte mehr davon – trotz der vielen Werbung, die heute die Privatwirt­schaft auf diesem Gebiet macht.

Abschließend möchte ich sagen: Dieses Sozialversicherungs-Änderungsgesetz ist die richtige Antwort auf die Anforderungen, die an unser Sozialsystem gestellt werden. Sie ist das Ergebnis einer harten, intensiven Arbeit. Auch vielen Dank Ihnen (in Richtung Bundesministerin Haubner), Frau Staatssekretärin (Bundesrätin Bachner: Frau Minis­terin! – Bundesrat Boden: Da haben Sie etwas versäumt!) – Frau Bundesministerin! –, für die Arbeit, die da geleistet wurde!

Es ist dies eine Anpassung, eine Adaption der Sozialgesetzgebung. Ziel muss es wei­terhin sein, Österreich für die Zukunft zu rüsten und eine möglichst effektive und ge­rechte Sozialpolitik zu betreiben. Wir alle sind auf einem guten Weg, wenn wir diesem Gesetzesbeschluss zustimmen. – Wir werden dazu unsere Zustimmung erteilen.

Bedanken möchte ich mich auch für die Anwesenheit der Zuhörer hier, auch wenn sich die Präsenz mittlerweile etwas gelockert hat. Anfangs waren es sehr viele – und das hat auch seine Gründe. Seit Monaten steht der Bundesrat im Blickfeld der Öffentlich­keit, wobei er ja diesbezüglich sonst eher den Kürzeren zieht. Der Bundesrat wurde als „zahnlose Einrichtung“ bezeichnet, als Einrichtung, die abgeschafft werden könne. Frau Bundesrätin Neuwirth, gerade Ihre Frau Landeshauptmann hat sehr vehement


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 65

dazu Stellung genommen. Das wurde von der Presse, von den Medien immer wieder zitiert. (Bundesrat Reisenberger: Nur auszugsweise zitiert!)

Man muss schon sagen, dass man den Bundesrat sicherlich nicht abschaffen wird. In jedem europäischen Staat gibt es eine zweite Kammer, und der Nationalrat wird diese Einrichtung sicher nicht mit einer Zweidrittelmehrheit abschaffen. Wir sind gut beraten, ab und zu den Mund aufzumachen und manchen aberwitzigen Vorstellungen Einhalt zu gebieten. Beim Bundesrat und allem, was wir machen, geht es ja um keinen mora­lischen Schönheitswettbewerb, teilweise auch nicht um die Wahrheit, sondern um die Mehrheit. Das wissen wir alle.

Mir ist immer noch in guter Erinnerung – vielleicht wissen Sie auch, wen ich da zitieren darf –, was ein hoher Politiker in einem Nachbarstaat einmal gesagt hat: Wenn es nicht gelingt, die Arbeitslosenquote gründlich zu senken, habe ich es nicht verdient, wieder gewählt zu werden! – Sie wissen alle, was dann passiert ist. Von einer Senkung der Arbeitslosenquote war keine Spur!

Da sind wir in Österreich wirklich gut dran: mit einer guten Sozial- und Wirtschaftspoli­tik. Das muss man auch einmal sagen! (Bundesrat Kraml: Die Arbeitslosenzahlen stei­gen!)

Ein Kollege hat vorhin von der Regierung Schüssel gesprochen, und da möchte ich schon auch erwähnen, dass die mutige Haltung von Bundeskanzler Schüssel in Brüs­sel mir sowie vielen Millionen Europäern imponiert hat. Damals ist nämlich eine elitäre EU-Führung gegen Bundeskanzler Schüssel gewesen, als es um das Thema Türkei ging. Damit hat sich unser Bundeskanzler Dr. Schüssel jedenfalls einen hervorragen­den Platz in Europa verdient! (Beifall bei der ÖVP.)

12.35


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Gumplmaier. – Bitte.

 


12.35.03

Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Minister! Werte Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesrat Kritzinger! Es spricht wirklich für Sie, dass Sie gerade heute die Wertigkeit des Bundesrates beson­ders betonen. Sie wirken auf mich mit Ihrer väterlichen Gutmütigkeit, die Sie ausstrah­len – und das meine ich wertschätzend –, doch so, als könnten Sie sich die Welt nicht schlecht vorstellen und als würden Sie niemandem einen bösen Gedanken zutrauen. Das ist mein Kommentar zu Ihrem Redebeitrag.

Die sozialdemokratische Fraktion wird heute dem vorliegenden Sozialversicherungs-Änderungsgesetz zustimmen. Das wurde bereits erwähnt. Unsere Kritik an der 65. ASVG-Novelle, wie sie auch bezeichnet werden kann, zielt weniger auf das, was neu geregelt wird, unsere Kritik richtet sich vor allem darauf, was ausgelassen wurde, was wieder herausgefallen ist, aber im ursprünglichen Entwurf drinnen war, jetzt wieder gestrichen wurde und im Regierungsentwurf nicht mehr beinhaltet ist.

Es mag symbolisch sein, liebe Frau Minister, dass Sie sich heute mit einem wollig-war­men Schal schmücken, der Sie nebenbei gesagt hübsch kleidet. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Bachner: Charmeur!)

Offensichtlich steht der Schal symbolisch für die soziale Kälte in der Bundesregierung, die Ihr ehemaliger Ministerkollege Strasser via Medien verkündet und beklagt hat. (Bundesrat Mayer: Das ist genial, eine völlig neue Wendung!) Gemessen an dem, was die Bundesregierung angekündigt hat, und gemessen an dem, was Sie vermutlich heute noch an großen Worten zur 65. ASVG-Novelle verkündigen und an Ankündigun­gen zum Ausdruck bringen werden, ist sie wahrlich kein großer Wurf. Es wurde wieder


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einmal ein Mäuschen geboren, obwohl die Bundesregierung lange Zeit Berge kreißen ließ oder Berge im Kreis schickte; obwohl das Erfordernis eines großen sozialpoliti­schen Wurfs längst anerkannt ist, wurden Sie, liebe Frau Bundesminister, wiederum abgeräumt – das wurde schon erwähnt –, wahrscheinlich in erster Linie vom Finanzmi­nister. So werden die Lücken im sozialen Netz, das von einem hohen ÖVP-Funktionär einmal als soziale Hängematte bezeichnet wurde, wieder größer. Beschämend, dass gerade jetzt – gestern war der Tag des Mannes (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Oho!), aber das ist vermutlich nicht der Grund – just die frauenfreundlichen Bestimmungen, die im ersten Entwurf enthalten waren, herausgestrichen worden sind.

Dabei hätte sich gerade die 65. ASVG-Novelle angeboten, einen größeren Entwurf, einen größeren sozialpolitischen Wurf zu landen, denn vor wenigen Wochen jährte sich zum 50. Mal, dass der Bundesrat und am 9. September 1955 der Nationalrat jenes Jahrhundertwerk beschlossen haben, dessen 65. Novelle wir heute behandeln.

Das ASVG war und ist ein sozialpolitisches Jahrhundertwerk, es war und ist der in Paragraphen gegossene Sozialstaat, der die Arbeitnehmer, die sozial Schwachen mit diesem Staat versöhnt hat.

Es wurde anlässlich der Jubiläumsfeiern zu diesem Gesetz auch von einem Staatsver­trag nach innen gesprochen. Diese Gelegenheit des Jubiläums, an ein großes Werk anzuschließen, wurde leider versäumt, um 50 Jahre später einen sozialpolitischen Vor­wärtssprung zu machen. Schade! Aber, Frau Ministerin, vermutlich ist mit der ÖVP unter dieser Führung kein Sozial- oder Wohlfahrtsstaat zu machen oder gar auszu­bauen. Nicht umsonst hat eben der ehemalige Minister Strasser von sozialer Kälte ge­sprochen. Von dieser ÖVP werden Sie als Mehrheitsbeschaffer benutzt – solange es geht, solange es Sie noch gibt. Die ÖVP räumt die sozial Schwachen ab, die Wähler räumen Sie ab.

Die Schwerarbeitsregelung steht an, wurde aber weiterhin auf die lange Bank gescho­ben. Es gibt Ankündigungen, jede Ankündigung wird jedoch von den ÖVP-Granden in der Luft zerrissen. Also wir können vermutlich diese Legislaturperiode wieder abwar­ten, ohne dass Sie eine Lösung zustande bringen.

Ein Bereich, der von meinen Vorrednern nicht angeschnitten wurde, ist die Schwarz­unternehmerbekämpfung. Hier wird ein erster Schritt gesetzt. Obwohl sie bereits in der Koalitionsvereinbarung Klima-Schüssel beinhaltet war, obwohl bereits ein Gesetzent­wurf von Ministerin Lore Hostasch in der Schublade war, hat man damals die Koaliti­onsvereinbarung von Seiten der ÖVP nicht eingehalten. Diesmal schafft man eine Lösung, die nicht für ganz Österreich gilt, sondern nur für das Burgenland. Es ist offen­sichtlich überhaupt jetzt die neue Mode, das Burgenland zum sozialpolitischen Experi­mentierfeld zu machen oder als Probegelände zu missbrauchen. (Bundesrat Tiefnig: Sind Sie dafür oder dagegen?)

Man kann die Politik fortsetzen, bei der man mit Inszenierungen den Anschein erweckt, als wolle man Lösungen, in Wahrheit nicht viel gegen die eigene Klientel anstellt, sich Kosten sparen will, aber so tut, als wolle man wirkliche Lösungen. Auch diese Schwarzunternehmerbekämpfungs-Lösung, bei der der Unternehmer gesetzlich verpflichtet werden soll, jeden Arbeitnehmer schon am ersten Tag anzumelden, bleibt ohne Sanktionen.

Glauben Sie wirklich, Frau Ministerin, dass ein Unternehmer, der bisher die Arbeitneh­mer absichtlich nicht angemeldet hat, in Zukunft, nur weil es jetzt im Gesetz steht, diese anmelden wird, wenn das ohne Sanktionen bleibt? – Nein. Es wird weiter so ge­schehen wie bisher. Wenn er erwischt wird, dann sagt er, dass der Arbeitnehmer erst heute angefangen hat, und die missbräuchlichen Verhältnisse werden eben weiter fort­gesetzt.


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Ich möchte einen Abgeordneten zitieren, der anlässlich der Beschlussfassung des ASVG im Jahre 1955 eine Rede hielt. Es war der Abgeordnete Köck. Er kam aus den Reihen der ÖVP, war Generalsekretär des ÖAAB und Generaldirektor der Österreichi­schen Mineralölverwaltung. Er hat anlässlich der Beschlussfassung des ASVG von „neidischen Gegnern“ gesprochen und von „unangenehmen Schauklern, die heute er­klären, sie seien für die Sozialversicherung, die aber am nächsten Tag erklären: Alle diese Einrichtungen sind Auswüchse des Kollektivs.“

„Es gibt nun noch eine Gruppe von Gegnern“ – ich zitiere –, „das sind die geheimen Gegner. Ich kann sie mit dem Wort Reaktionäre bezeichnen.

Sie argumentieren folgendermaßen: Die sozialen ‚Lasten‘ müssen abgebaut werden. Die soziale Belastung des Sozialprodukts, also der Erzeugnisse und der Leistungen, ist so groß, dass wir auf dem Weltmarkt bald nicht mehr konkurrenzfähig sein werden.“ – Ende des Zitats. So der Generalsekretär des ÖAAB im Jahr 1955. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Zusammenfassend: Die Defizite in der Sozialpolitik werden trotz dieser Novelle weiter­hin größer. Zu vieles bleibt liegen. Dem vorliegenden Sozialversicherungs-Änderungs­gesetz fehlt es – wie der gesamten Regierung – an Vorausschau und sozialpolitischem Mut. Lösungswege bleiben offen oder werden nur halbherzig beschritten. Insofern ist dieses Gesetz auch ein exemplarisches Beispiel für die gesamte Sozialpolitik dieser Bundesregierung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.47


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


12.47.00

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit der vorliegenden 65. ASVG-Novelle wird eine Fülle von Verwaltungsvereinfachungen und vor allem rechtlichen Be­reinigungen vorgelegt, was eine weitere Verbesserung des Sozialstaates bedeutet.

Sie haben es gesagt, Herr Kollege Gumplmaier: 50 Jahre alt ist dieses Gesetz, und es wurde in den letzten Jahren durch eine maßvolle, vernünftige und ausgewogene Sozi­alpolitik der Regierung Schüssel modernisiert und weiterentwickelt. Das muss ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen. Wenn Sie immer wieder diese soziale Kälte und sozi­alen Abbau ins Spiel bringen (Bundesrat Dr. Gumplmaier: Zitat Strasser!), dann meine ich, Sie sind entweder nicht im Parlament oder Sie hören nicht zu oder Sie haben bei den Gesetzesbeschlüssen der letzten Jahre nicht mitgemacht.

Ich gebe Ihnen ein paar Schlagworte, vielleicht ist es dann leichter für Sie, das nachzu­vollziehen: Kinderbetreuungsgeld, Abfertigung neu, Familienhospizkarenz, die Anhe­bung der Mindestpension auf 690 €, die wir heute diskutieren, die Pensionserhöhung im nächsten Jahr um 2,5 Prozent, eigenständige Frauenpensionen, das Pendlerpau­schale wurde in den letzten sechs Jahren viermal erhöht, Steuerentlastung in Höhe von 3 Milliarden. – Das alles sind für Sie keine Faktoren, die es nachzuvollziehen gilt, das ist soziale Kälte.

Das ist soziale Wärme, soziale Vernunft, weil wir uns auch Gedanken darüber machen, das Ganze zu finanzieren, und nicht so wie Sie handeln, die Sie das Ganze in den letzten Jahrzehnten nur mit Schulden finanziert haben. (Bundesrat Boden: Sie haben die höchsten Schulden gemacht, die wir je hatten!) Das ist der kleine Unterschied, Herr Kollege Gumplmaier. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Reisenberger: Ja, aber die Schulden sind gestiegen!) Die Schulden haben wir in den letzten Jahren abgebaut. Vergleichen Sie doch die Zahlen! Na bitte! Darüber muss man doch gar nicht disku­


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 68

tieren und jetzt das Ganze noch mit sozialer Kälte verbinden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Irgendwo muss das Geld auch herkommen. Auch wenn Sie sagen, dass wir Fonds ausräumen, muss das Ganze finanziert werden, auch der Sozialstaat. Der Sozialstaat kann nur leben, wenn er auch finanzierbar ist. (Bundesrat Reisenberger: Wo nehmen Sie es her, wo geben Sie es hin?) Ja. Und wir machen uns Gedanken darüber. Genau das ist der Faktor. Sie haben es erkannt, Kollege. Genau das ist der springende Punkt. (Bundesrat Reisenberger: Warum sind Sie dann noch bei der ÖVP?) – Weil es die bessere Partei ist, weil wir uns Gedanken machen für Österreich, für die Zukunft. Wir stehen dafür ein. (Beifall bei der ÖVP.) Danke.

Besonders erwähnenswert – ich habe es schon gesagt – ist die Ausgleichszulage, die von 675 € auf 690 € erhöht wird. Das betrifft immerhin 188 000 allein stehende Pensio­nistInnen, wovon 154 000 Frauen sind. Da sind Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, glaube ich, meiner Meinung – Sie haben es heute schon betont –, dass dies eine wich­tige Maßnahme des sozialen Ausgleichs und der Armutsbekämpfung darstellt.

Wenn Kollege Schennach gesagt hat, dass wir hier keine Gesetzespakete beschließen sollen, dann möchte ich schon bemerken, dass diese ASVG-Gesetzesnovelle 25 Punk­te hat. Für jeden einzelnen dieser Punkte einen eigenen Tagesordnungspunkt zu ma­chen, damit Sie sozusagen wieder Ihre Spiele mit Verzögern, Hinausschieben et cetera machen können, das wäre denn doch zu weit hergeholt. (Bundesrat Reisenberger: Ach so ist das!)

Ein nächster wichtiger Punkt ist die Meldepflicht nach dem ASVG. Spätestens beim Arbeitsantritt ist der Arbeitnehmer verpflichtend bei der Sozialversicherung anzumel­den. Damit wird endlich – das muss man wirklich sagen – dem Steuer- und Abgaben­betrug, der im Staate Österreich wirklich zu massiven Wettbewerbsverzerrungen führt, ein Riegel vorgeschoben.

Die Pilotphase mit der Anwendung neu wird im Burgenland gestartet werden und so­dann nach einer Evaluierungsphase von sechs Monaten bundesweit in Kraft treten. Ich weiß nicht, was Sie dagegen haben, wenn man im Burgenland mit diesem Pilotprojekt beginnt. Die Burgenländer haben es bei der e-card gezeigt, dass sie fähig waren, das umzusetzen, und ich freue mich, dass das im Burgenland beginnt. Irgendwo muss es ja beginnen, bevor man es flächendeckend in ganz Österreich macht, Herr Kollege Gumplmaier. Also das ist eine logische und richtige Vorgangsweise, die man nur unter­stützen kann.

Und wenn Sie sagen, dass dieses Projekt schon längst in Angriff genommen hätte werden sollen, so gilt das auch für Ihre Partei. Seit 1980 gibt es Vorschläge, und Sie haben es damals selbst nicht umgesetzt. Das muss ich in aller Deutlichkeit sagen. Und jetzt, wo wir es umsetzen, 2005, sagen Sie, wir haben das verschlafen. Das hätten Sie selbst regeln können. Warum haben Sie es nicht gemacht mit Ihrer Frau Kollegin Hos­tasch? Das wäre einfach gewesen, sehr einfach, Sie haben es aber nicht gemacht. (Bundesrat Reisenberger: Sie haben es immer verhindert! Waren Sie nicht der Partner?) Wenn Sie uns jetzt vorwerfen, dass wir es so lange verzögert haben, dann muss ich sagen, das entspricht einfach nicht den Tatsachen.

Ein ganz wesentlicher und wichtiger Punkt: Ich freue mich auch über die Verbesserung der Weiterversicherung für pflegende Angehörige. Die Pflege zu Hause hat insbeson­dere in Vorarlberg einen sehr hohen Stellenwert. Wir haben ein flächendeckendes Netz von Hauskrankenpflegevereinen und mobilen Haushilfediensten, die viele, viele pflege­bedürftige Menschen betreuen. In Vorarlberg ist es einfach ein wichtiger Faktor, dass man auch zu Hause gepflegt wird, dass man im Familienverband bleibt.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 69

Davon betroffen sind natürlich wieder insbesondere Frauen, die Eltern, Kinder oder kranke Ehepartner pflegen und bisher keine begünstigten Weiterversicherungsmöglich­keiten hatten und somit auf Grund der reduzierten Beitragszahlungen später geringere Pensionsansprüche. Mit einer analogen Anhebung zu den Kindererziehungszeiten auf einer Basis von 1 350 € kann zusätzlich zur Teilzeitbeschäftigung eine begünstigte Weiterversicherung erfolgen und damit eine höhere Pension lukriert werden.

Es ist wieder eine besondere Verbesserung, und ich bedanke mich ganz besonders bei Frau Bundesministerin Haubner für diesen wichtigen Punkt in dieser 65. ASVG-No­velle.

Jetzt auch noch zur Praktikantenregelung. Kollege Schennach hat das sehr kritisiert. Ich denke, wichtig ist auch, dass wir Praktikantenstellen finden. Die Praktika dauern erfahrungsgemäß nicht über Jahre hinaus. Sie dauern, wenn es Amtspraktika sind, zirka einen Monat oder maximal bis drei Monate. Wenn wir – Herr Kollege Schennach hat es selber angedeutet – Probleme haben, Praktikumsstellen zu finden, dann ist das, denke ich, eine Möglichkeit, eine Erleichterung, zusätzlich derartige Praktikumsstellen zu erhalten und auch aus aus- und weiterbildungstechnischen Gründen junge KollegIn­nen, aber auch ältere, die Nachschulungen und Weiterbildungen machen, unterzubrin­gen. Man muss einfach ganz klar und deutlich sagen, dass Praktikumsstellen, Praktika keine Arbeitsverhältnisse im herkömmlichen Sinn sind.

Wir werden diesem Paket an Maßnahmen, das in vielen, vielen Bereichen wiederum sozialpolitische Verbesserung bedeutet, gerne und mit voller Überzeugung unsere Zu­stimmung erteilen und damit auch diesen abgedroschenen Phrasen der sozialen Kälte eine klare Abfuhr erteilen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundes­räte Dr. Böhm und Ing. Kampl.)

12.55


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Kampl. – Bitte.

 


12.55.00

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­ehrte Frau Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Die Regierungsvorlage sollte einer Rechtsbereinigung dienen. Das ist sehr positiv, eine alte Forderung, glaube ich, von uns allen.

25 einzelne Maßnahmen sind vorgesehen. Unter anderem soll mit dieser Vorlage für pflegende Personen eine Verbesserung im pensionsrechtlichen Teil erfolgen. Die Bun­desregierung ist auch bereit, für Leistungsaufwand und für Beitragseinnahmen Vorsor­gen im Budget zu treffen. Für das Jahr 2006 sind es 6,2 Millionen €, 2007 6,4 Millio­nen €, 2008 6,6 Millionen € und 2009 6,8 Millionen €.

Eine wesentliche und sehr positive Änderung sind auch die günstigeren Pensionsversi­cherungszeiten für die Pflege naher Angehöriger. Das ist einfach eine große Aufgabe, meine sehr geehrten Damen und Herren, und da denke ich halt, dass wir, die Bürger­meister, sehr nahe an diesen Fällen sind. Wir wissen daher, welche Problematik das darstellt und welcher, ich möchte sagen, Hilferuf von vielen unserer Mitbürger in Öster­reich ausgeht. Daher sind all diese Verbesserungsmaßnahmen von großer Bedeutung.

Vorteile sind die Möglichkeit für die Nachentrichtung verjährter Beiträge zur Pensions­versicherung, zugänglichere und auch verbesserte Informationen und Beratungen. Regional sollen Familienentwicklungen verstärkt unterstützt werden. Projekte für Be­hinderte in Gemeinden und nicht in großen Einheiten sind sinnvoll, sind überschaubar. Sehr positiv ist auch die Forschungsförderung für Familienforschung. Diese wird zei­gen, welche Schwerpunktaktionen in Zukunft notwendig sind.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 70

Die Ausgleichszulage für Alleinstehende, die die Bundesregierung von 663 € auf 690 €, also um 4 Prozent, erhöht hat, betrifft insgesamt 188 000 allein stehende Personen in Österreich, davon 154 000 Frauen.

Gleichzeitig ist auch eine Verbesserung für die Schüler und Studenten, die ein Prak­tikum machen, wichtig. Man ersieht daraus, mit welcher Verantwortung die Bundes­regierung zu handeln bereit ist.

Die derzeitige Bundesregierung ist bemüht, vor allem jenen, die unverschuldet in eine Notlage kommen, Hilfestellung zu geben. Diese Menschen sollten und müssen sich auf die Solidarität verlassen können. Es ist wichtig, dass die Menschen, die unverschuldet in Not sind, wissen, dass jemand da ist, dass der Staat zur Verantwortung und dement­sprechend auch moralisch zur Rechenschaft gezogen werden kann.

Eine große Leistung der Bundesregierung ist auch die berufliche Einbindung von Men­schen mit Behinderung. Dies wurde im Ministerrat vom 8. März 2005 einstimmig be­schlossen. Die Beschäftigungsoffensive mit der Zur-Verfügung-Stellung der Behinder­tenmilliarde ist die große Hoffung von vielen Behinderten.

Meine Damen und Herren! Durch die Reihen aller politischen und vor allem aller betrof­fenen Menschen in Österreich ist da die Zustimmung sehr, sehr groß, und es ist, glau­be ich, eine sehr ansehnliche und zukunftsorientierte Möglichkeit, mit dieser Milliarde viele Einrichtungen zu verbessern.

Weiters zu erwähnen ist die Förderung für Unternehmen, die behinderte Mitarbeiter in ihren Betrieb aufnehmen, oder die Förderung für Dienstnehmer mit Behinderungen. Es gibt Aktionen, die dann hoffentlich angenommen werden. Wir werden uns alle bemü­hen, dass diese Aktionen auch dementsprechend ermöglicht werden, dass die Men­schen besser eingebunden werden, dass Betriebe sich auch entsprechend ausrüsten, um solchen Menschen Arbeit und letzten Endes auch Brot zu geben.

Mit 1. Jänner 2005 wurden die Pflegegeldbeträge erhöht. Dies betrifft sehr viele Men­schen in Österreich. Mit 1. Jänner 2005 wurde auch die Einbindung der Tätigkeit für eine zukünftige Pflegeanwaltschaft ermöglicht. Die gesellschaftliche Integration ist ein Schwerpunkt der Bundesregierung, siehe Autobahnvignette, Behindertenpass seit 1. Jänner 2005, natürlich für Menschen mit mindestens 50 Prozent Behinderung. Es gibt auch einen Härteausgleichsfonds. Die Abgeltung der Belastung aus der Unfallren­tenbesteuerung soll gleichzeitig mitverantwortet werden. Die Förderung von Investiti­onsmaßnahmen beträgt pro Person bis 50 000 €.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollten alle dieser Gesetzesvorlage zu­stimmen. Es ist unsere Verpflichtung, den Schwächeren zu helfen. Wir sind auch auf Grund der wirtschaftlichen Lage in Österreich finanziell dazu in der Lage. Österreich als Vorzeigeland in Europa und der Welt geht mit gutem Beispiel voran. – Danke schön. (Beifall des Bundesrates Dr. Böhm sowie Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

13.01


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte.

 


13.01.25

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Ministe­rin! Geschätzte Damen und Herren hier im Bundesrat! Mit diesem Gesetz werden auch positive Schritte in Richtung Landwirtschaft gesetzt. Es wird zum Beispiel derjenige belohnt, der tatsächlich einzahlt. Bis jetzt war es in der Landwirtschaft so, dass, auch wenn ein Jungunternehmer am Hof arbeitete und die Einzahlung tätigte, diese dem Konto des Betriebes zugerechnet wurde. Jetzt hat er die Möglichkeit, für seine Leistung einen Pensionsanspruch zu erwerben und auf sein Pensionskonto einzuzahlen.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 71

Mit diesem Gesetz ist auch für die pflegenden Angehörigen ein großer Schritt gesetzt worden, welche besonders im ländlichen Raum in der Landwirtschaft von immenser Bedeutung sind, weil dort die älteren Personen am Hof mit der Jugend, mit der nächsten Generation, leben und meistens nicht in Pflegeheime abgeschoben werden, sondern am Hof ihren Lebensabend verbringen. Daher ist es wichtig, dass dieses Ge­setz hier verabschiedet wird.

Bezüglich sozialer Kälte möchte ich vielleicht noch einmal auf die Rede des Herrn Gumplmaier zurückkommen. Ich denke, die Steuerreform 2005 beweist nicht soziale Kälte (Bundesrat Konecny: Nicht für die Großunternehmer, da war sie sehr warm!), wenn 3 Milliarden € für die Bürger und Bürgerinnen Österreichs zur Verfügung gestellt und besonders zugunsten der Einkommensschwächeren verwendet werden. Man sieht, Pensionisten mit bis zu 13 500 € Einkommen sind steuerfrei. Also es ist schon eine Sache, die man hier für einkommensschwache Pensionisten gemacht hat. (Bun­desrat Reisenberger: Den zeigst du mir! – Bundesrat Konecny: Versuchen Sie ein­mal, davon zu leben!) – Ja, liebe Freunde, die Gesundheitsreform hat diesbezüglich immense Effekte gebracht.

Bezüglich der Abfertigung neu: Habt ihr das in euren Gremien eigentlich bedacht, was der Österreichische Gewerkschaftsbund dafür gemacht hat, dass der Arbeitnehmer die Abfertigung neu in den nächsten Betrieb mitnehmen kann? – Dazu gab es nie die Mög­lichkeit, aber das ist ein wichtiger Punkt für die Zukunft unseres Standortes Österreich und auch für die Arbeitnehmer, so denke ich. Es ist wichtig, dass der Arbeitnehmer ein Recht hat, die Abfertigung für seine Leistung, welche er für den Betrieb erbracht hat, auch bei Eigenkündigung weiter beizubehalten. Es gibt auch Unternehmen, bei denen man nicht immer beschäftigt sein will, und man kündigt selbst. Dann hat man jetzt die Möglichkeit, dass man die Abfertigung neu mitnimmt.

Bezüglich des Kinderbetreuungsgeldes war, so denke ich, von der rechten (Heiterkeit bei der SPÖ), von der linken Reichshälfte das Problem, dass man eigentlich Kinder­betreuung folgendermaßen definierte: Nur wer arbeitet, soll Kinderbetreuungsgeld be­kommen. – Ich denke, Kinderbetreuungsgeld sollen auch Studenten und alle anderen bekommen.

Zur Beschäftigungsoffensive: Wir haben die höchste Beschäftigung in Österreich (Bun­desrat Reisenberger: Arbeitslosenzahlen!), traurig ist aber nur, dass wir die höchste Arbeitslosigkeit haben. Wir haben in Österreich noch nie so viele Einwohner wie jetzt gehabt. Das ist auch ein Punkt, den wir diskutieren müssen. Ich denke, es wäre wirk­lich eine Aufgabe des Bundesrates, dass man sich darüber den Kopf zerbricht. (Bun­desrat Molzbichler hält eine Zeitung in die Höhe.)

Herr Molzbichler, wir wissen, dass wir die höchste Arbeitslosigkeit haben, aber es wäre vielleicht unser Aufgabe, dass wir das debattieren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Aber man muss auch wissen, dass wir die höchste Beschäftigung haben. Schauen wir nach­her in andere ... (Bundesrätin Bachner: Welche Arbeitsplätze? – Keine Vollzeitarbeits­plätze! Lauter atypisch Beschäftigte, und das trifft nur die Frauen!) – Ich bin der An­schauung, das gehört nicht mit Zwischenrufen debattiert, sondern man müsste das wirklich einmal in einer Debatte oder in einem Gespräch behandeln (Zwischenrufe bei der SPÖ) und nicht immer nur mit medialer Ausrichtung.

Ich denke, die Bundesregierung geht mit der Arbeitsplatzoffensive und der Standort­sicherung genau den richtigen Weg. Ich habe zum Beispiel jetzt den Herrn Pierer von KTM gehört. Er hat gesagt, die Politik sollte sich in dieser Hinsicht noch viel mehr zu­trauen: Liberalisierung des Arbeitsmarktes und flexible Arbeitszeit. (Bundesrat Reisen­berger: Das ist toll!) – Wir dürfen uns nicht verschließen vor dem Markt in China (Hei­terkeit bei der SPÖ), wir sehen, die Märkte im Osten sind da. Wir müssen schauen,


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 72

dass wir die Arbeitsplätze in unserer Region halten. Mit hoch qualifizierten Arbeitsplät­zen und mit flexiblen Unternehmen werden wir punkten. – Aber ich denke, das hat die Sozialdemokratische Partei bis jetzt noch nicht verstanden.

Ich komme zurück zur Postgesetznovelle, die wir heute leider nicht behandeln. Wenn man gehört hat, wie die Beamten im Ausschuss davon gesprochen haben, dass es sinnvoll ist und positiv wäre, diese Gesetzesnovelle auf die Tagesordnung der heutigen Plenarsitzung zu nehmen, muss man dies bedauern. Seitens der SPÖ war es leider nicht möglich, dieses Thema aufzugreifen (Bundesrat Konecny: Nein! Nächstes Mal!), aber ich hoffe, dass es im ländlichen Raum nicht zu noch weiteren Schließungen von Postämtern kommen wird. (Bundesrat Konecny: Ja! Das hoffen wir auch! – Bundesrat Boden: Da musst du aber mit uns stimmen, sonst kannst du nicht hoffen! – Demonst­rativer Beifall bei der SPÖ.)

Um darauf zurückzukommen, warum das so ist, muss man sagen: Bei der Post sind schon jahrzehntelang Versäumnisse gemacht worden. Man hat dann gesagt, die Libe­ralisierung des Postgesetzes seitens der EU ab 2009 sollte man nicht übersehen, son­dern mitgestalten. Man kann sich gestalten lassen oder man kann mitgestalten. (Bun­desrat Konecny: Herr Kollege, bleiben Sie bei Ihrem Thema!) Ich denke, Österreich ist ein Land in Europa, das mitgestaltet. Man sieht das in vielen Bereichen, und ich danke, dass wir diese Bundesregierung haben. Ich danke auch der Frau Ministerin, dass diese Gesetze heute zustande kommen. (Bundesrat Konecny: Einer muss es ja sagen!) In diesem Sinne stimme ich mit Freude und mit Begeisterung diesem Gesetzentwurf zu. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Dr. Böhm und Mag. Gude­nus.)

13.08


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Wolfinger. – Bitte.

 


13.08.20

Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Es wurde heute schon viel über die 65. ASVG-Novelle berichtet. Darin enthalten sind eine Reihe von Verwaltungsvereinfachungen und auch Verbesserungen für Senioren, die ich aus meiner Sicht wirklich sehr begrüßen kann. Ich möchte mich herzlich bei Ihnen bedan­ken, dass es gelungen ist, den Ausgleichzulagenrichtsatz für Alleinstehende von 663 € auf 690 € anzuheben. Das ist, so denke ich, nicht so schlecht.

Ich möchte auch den Kollegen von der SPÖ sagen, was sie während ihrer Regierungs­zeit zustande gebracht haben. In den fünf Jahren Ihrer Regierungszeit haben Sie die Richtsätze für die Ausgleichszulage um sage und schreibe 29 € erhöht. Das war auch nicht die Welt, mein Lieber. (Bundesrat Konecny: Also wir haben ein bisschen länger als fünf Jahre regiert!) – Ja, aber in der Zeit, mit der ich das verglichen habe. (Bundes­rat Kraml: In welcher Zeit? – Bundesrat Konecny: Also das war in jener Zeit, als Sie nicht dabei waren!)

Festzustellen ist auch, dass die Richtsätze – und ich denke, dass das richtig ist – vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2006 um 17 Prozent angehoben wurden, für Ehepaare im sel­ben Zeitraum um 25,5 Prozent. Wenn man das den Verbraucherpreisen gegenüber­stellt, sieht man, diese sind in diesem Zeitraum um zirka 15,7 Prozent gestiegen. Ich denke, damit können wir leben. (Bundesrat Konecny: Aber die Pensionisten können nicht leben!) Es wurde des Öfteren schon gesagt, dass über 188 000 Mindestpensio­nisten von dieser Erhöhung profitieren werden, besonders Pensionisten im bäuerlichen Bereich – weil es dort sehr viele gibt –, die auf Grund ihres Einheitswertes eine Aus­gleichszulage zu ihrer Pension erhalten.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 73

Mit der Pensionssicherungsreform 2003 wurde auch der Richtsatz für Ehepaare außer­tourlich erhöht, und zwar auf 1 000 € genau, und wird jetzt im Jahr 2006 1 056 € betra­gen. Wenn man das gegenüberstellt, sieht man: Im Jahr 1999 betrug er nur 841 € und jetzt im Jahr 2006 beträgt er 1 056 €. Ich denke, das kann sich schon sehen lassen. Das ist ein Zuwachs von fast 25 Prozent.

Ich denke, mit dieser Erhöhung ist ein wichtiger Schritt zur Armutsbekämpfung in Ös­terreich getan, und ich freue mich, dass auch die Oppositionsparteien, wenn auch nicht bei allen Punkten, für diese Erhöhung stimmen.

Weiters wird mit dieser Novelle eine begünstigte Selbstversicherung in der Pensions­versicherung für pflegende Angehörige geschaffen. Ich denke, auch in diesem Bereich hat es in der Vergangenheit Härtefälle gegeben, die jetzt beseitigt werden. Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 3 in häuslicher Umgebung pflegen, können sich in der Pensionsver­sicherung selbst versichern. Wie gesagt, diese Neuregelung wird für sehr viele Frauen einen Vorteil bringen. Sie werden damit in die Lage versetzt, Pensionslücken zu schlie­ßen und mit der begünstigten freiwilligen Weiterversicherung Pensionszeiten nachzu­kaufen.

Für die Zukunft ist der Trend klar, und die Fakten liegen auf dem Tisch. Ich habe mir das aus oberösterreichischer Sicht ein bisschen angesehen: Die Zahl der über 60-Jährigen wird in Oberösterreich in den nächsten 15 Jahren ganz gewaltig anwachsen, nämlich von derzeit 293 000 Personen auf 372 000 Personen. Die Analysen zeigen klar, dass die Pflege in den eigenen vier Wänden das zentrale Element in der Altenbe­treuung wird.

Wie bereits gesagt wurde, tragen dabei die Angehörigen – die Kinder oder wer immer das ist – eine tolle Verantwortung und leisten eine gewaltige Arbeit in der Pflege zu Hause. Wenn man das umrechnet, könnte man sagen, dass zirka 13 000 Arbeitsplätze von jenen Frauen, die zu Hause diese Pflegearbeit leisten, gesichert sind. Wir haben in Oberösterreich derzeit 76 000 Personen mit Pflegebedarf in privaten Haushalten und 11 500 sind in Heimen untergebracht. Zirka zwei Drittel davon sind Frauen.

Für die Zukunft ist es daher notwendig, zur Betreuung dieser Gruppe weitere Aus- und Weiterbildungsangebote für pflegende Angehörige zu schaffen, Gesundheitsinfos zu erstellen und den Aufbau dichterer Netze für ehrenamtliche Betreuungsdienste zu for­cieren. Ich denke, das wird in Zukunft ein ganz wichtiger Punkt sein.

Diesbezüglich ist die Politik gefordert. Wir müssen uns in Zukunft – so denke ich –, ent­scheiden, ob wir noch weitere neue Kindergärten und Schulen bauen sollen oder ob wir noch mehr im Sozialbereich investieren sollen. Ich denke, über diese Dinge muss man in Zukunft nachdenken.

Noch einmal herzlichen Dank für diese Maßnahmen, die in diesen Gesetzen enthalten sind. Unserer Fraktion wird dieser ASVG-Novelle gerne ihre Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm.)

13.13


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Bundesministerin, Sie haben das Wort.

 


13.13.35

Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich habe die Dis­kussion sehr aufmerksam verfolgt und habe bei allem unterschiedlichem Zugang zu dieser 65. ASVG-Novelle eines mit Freude feststellen können, dass nämlich einige Punkte drinnen sind, wo Parteipolitik wirklich hintangestellt wird und es darum geht,


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 74

wesentliche Verbesserungen für die Menschen zu schaffen, wobei es große Überein­stimmung gibt.

Ein Bereich sind die Pensionen, die Anhebung der Mindestpensionen für Alleinste­hende, die wir auf der Basis des Sozialberichtes 2003 intern hochgerechnet haben, wobei wir gesagt haben, im Jahr 2006 wird die Armutsgrenze bei rund 690 € liegen. Daher haben wir auch in dieser Größenordnung angehoben.

Eine wichtige Maßnahme, die bei allen Vertreterinnen und Vertretern des Hohen Hau­ses Zustimmung finden wird, worüber ich mich wirklich freue, ist – das ist allerdings noch nicht in dieser ASVG-Novelle drinnen –, dass Pensionen bis zu 1 875 € mit 1. Jänner 2006 auch erstmals wieder um die Inflationsrate – derzeit in der Höhe von 2,5 Prozent – angehoben werden, was dieses Paket sehr positiv abschließt.

Ich möchte dazu sagen, dass wir gerade seit dem Jahr 1999 im Bereich der Pensionen seitens der öffentlichen Hand, seitens des Bundes um 28 Prozent mehr Mittel für Min­destpensionen und andere Pensionen bereitstellen. Das ist, wie ich meine, ein Fort­schritt und kein Rückschritt.

Der zweite Bereich, der von allen so gesehen wird, ist der Bereich der Pflegeversi­cherung, der Verbesserung der Pflegeversicherung. Das war schon sehr lange ein Wunsch seitens der einzelnen Bundesländer und auch der einzelnen Betroffenen. Da, denke ich, haben wir gerade für die Frauen eine wichtige Lücke geschlossen, die einer­seits nicht einsehbar war. Andererseits haben wir gesagt, wenn wir diese Lücke schlie­ßen, dann erhöhen wir die Bemessungsgrundlage gleichzeitig so wie bei den Kinder­erziehungszeiten auf 1 350 €. Auch da ein sehr kompaktes, ein ganzheitliches Modell, das an die Verbesserung der Kindererziehungszeiten angelehnt ist.

Etwas, was gerade in diesem Zusammenhang viel zu wenig herauskommt, ist, dass diese Zeiten der Pflege innerhalb dieses Rahmens von sieben Jahren in Zukunft als echte Erwerbstätigkeit gezählt werden. Sie wissen, wir haben bei der Pensionsharmo­nisierung die Grenze von 15 Jahren Erwerbstätigkeit auf sieben Jahre heruntergesetzt. Pflegearbeit zu Hause mit dieser freiwilligen begünstigten Weiterversicherung fällt in diese sieben Jahre. Daher ist das ein besonderer Fortschritt, speziell für die Frauen.

Heute ist sehr richtig und sehr viel auch von Verbesserungen für Frauen gesprochen worden, und das ist ein wichtiger Beitrag, ein ganz wichtiger Teil, um Frauen auch in Zukunft im Alter mehr Sicherheit zu geben. Ich bitte, das auch immer wieder in die Überlegungen mit einzubinden und mit aufzunehmen, dass hier wirklich etwas Richti­ges geschaffen wurde. Vorredner und Vorrednerinnen haben ja schon gesagt, dass zwei Drittel jener, die Mindestpensionen beziehen, Frauen sind. Also auch das eine sehr wichtige frauenpolitische und familienpolitische Maßnahme.

Genauso ist auch in dieser 65. ASVG-Novelle vielleicht eine kleine frauenpolitische Maßnahme drinnen, dass nämlich in Zukunft Nebentätigkeiten in bäuerlichen Betrie­ben, die bisher ausschließlich dem Betriebsführer angerechnet werden konnten, in Zu­kunft auch der Partnerin angerechnet werden können. Somit wird durch Nebentätigkei­ten, die vorwiegend die Frauen in der Landwirtschaft machen, eine freiwillige Verbes­serung der Pension für Frauen möglich. Somit auch in diese Richtung eine wesentliche Verbesserung.

Ich habe auch herausgehört, dass grundsätzlich Übereinstimmung besteht, dass wir Schwarzarbeit in Zukunft nicht mehr als eine Art Kavaliersdelikt betrachten, sondern ganz klar jetzt Maßnahmen gegen Schwarzarbeit setzen, indem wir die schärferen Anmeldebestimmungen umsetzen wollen. Ich bitte wirklich um Verständnis, dass wir bei Umsetzung eines derart neuen Modells auch einen Probebetrieb machen müssen und sollen.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 75

Die Diskussionen sind ja sehr vielfältig geführt worden. Es waren auch Überlegungen, österreichweit nur eine Branche zu nehmen. Hätten wir nur die Baubranche genom­men – und jeder, der ein bisschen eine Ahnung hat, weiß, dass auf einer Baustelle auch sehr viele arbeiten, die dem Baunebengewerbe zuzurechnen sind, die dann nicht hineinfallen würden –, dann wären die Kontrolle und Überprüfung zusätzlich erschwert gewesen. Und daher haben wir uns – ich glaube, das ist ja auch der Sinn einer Koalition, dass man sich zusammenredet und eine gemeinsame Lösung findet – darauf geeinigt, das in einem Bundesland zu machen, uns das dort anzuschauen und es erst dann flächendeckend umzusetzen.

Es ist ja auch wichtig, dass die Gebietskrankenkasse für diese neue Anmeldung vorbe­reitet ist, und wir müssen auch schauen, wie das funktioniert und ob die das wirklich bewältigen können. Daher stehe ich hundertprozentig hinter diesem Vorschlag, das so zu machen.

Ich möchte vielleicht ganz kurz auch noch darauf hinweisen, wo es Kritik oder, wie ich sage, einen anderen Zugang seitens der Opposition gegeben hat, und zwar bei den Praktika für Schülerinnen, Schüler, Studentinnen, Studenten, die im Rahmen ihrer Aus­bildung ein Praktikum machen, wofür sie kein Entgelt bekommen. Das sind meistens sehr kurzfristige Praktika. Da war es in der Vergangenheit so, dass zwar auf dem Papier eine Krankenversicherung vorgesehen war, aber im Laufe der letzten Jahre niemand davon Gebrauch gemacht hat. Somit hat sich eine Situation ergeben, die total unsicher war, und zwar sowohl für jene, die ein Praktikum gemacht haben, als auch für diejenigen, die einen Praktikumsplatz angeboten haben.

Daher habe ich in den letzten Monaten auch sehr viele Schreiben bekommen, und zwar von Sozialreferenten, von Betroffenen, von Firmen, die dahin gingen, dass wir eine Lösung finden sollen. Ich möchte es jetzt nicht vorlesen, aber ich habe zum Bei­spiel einen Brief bekommen, in dem die Vertreterinnen und Vertreter von 800 Schülern einer Krankenpflegeschule geschrieben haben, dass sie nicht einsehen, warum bei einem Praktikum ein zweiter Krankenversicherungsbeitrag bezahlt werden muss, zu­mal diese Schüler beziehungsweise Schülerinnen sowieso bei den Eltern beziehungs­weise bei ihren Partnern mitversichert und bei Umschulungen über das AMS versichert sind. Sie wollen also eine entsprechende Regelung.

Daher habe ich eine Regelung getroffen, die eine wesentlich bessere Unfallversiche­rung vorsieht – nicht die übliche Schülerunfallversicherung, wo jemand erst finanzielle Mittel und eine Rente bekommt, wenn er 50 Prozent Mindesteinbußen hat –, nämlich bei 20 Prozent, also eine wesentlich bessere Versicherung. Somit haben wir jetzt klare Regelungen geschaffen, und zwar für jene, die ein Praktikum ohne Entgelt machen müssen, und eine klare Regelung auch für die Anbieter von diesen Praktikumsplätzen, denn ich glaube, es ist nicht in unserem Sinn, dass wir theoretisch ausbilden, aber für die Praxis niemand mehr einen Platz anbietet. Da geht es quer über Caritas, Volkshilfe und andere Institutionen. Wen es interessiert, dem kann ich gerne die Briefe zur Verfü­gung stellen, die alle in diese Richtung gehen.

Einen Punkt möchte ich vielleicht noch anführen – ich weiß jetzt nicht mehr, von wem er angesprochen wurde –, nämlich jenen der Härtefonds. Ich erinnere mich an Diskus­sionen gerade seitens der Opposition, dass es im Sozialministerium jede Menge Härte­fonds gebe, dort werde Geld gehortet und man könnte das Geld anders einsetzen, und, und, und. – Das höre ich, seit ich Staatssekretärin und jetzt Ministerin bin. Wir haben Härtefonds für Härtefälle, und diese haben wir auch weiter in Zukunft, für die Familien, für die Pensionisten.

Ich wäre allerdings eine schlechte Sozialministerin, wenn ich den Überschuss in die­sem Härtefonds dem allgemeinen Budget wieder überantworten würde. Daher habe ich


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 76

gesagt, den Familienhärteausgleichsfonds – heuer haben wir sehr viel bezahlt für Hochwasseropfer in Tirol und in Vorarlberg –, den Betrag, den wir brauchen, mit einem guten Polster, wenn etwas passiert, wird es weiter geben. Den Härtefonds für die Pen­sionsübergangsphase mit einem guten Polster gibt es weiter. Und das Geld, das nicht unmittelbar hier eingesetzt wird, soll anderen wichtigen sozialen Maßnahmen zugute kommen.

Eine der wichtigsten sozialen Maßnahmen ist, dass wir die Kleinstpensionisten, die Kleinstpensionistinnen unterstützen. Daher habe ich diesen Weg gewählt, der, wie ich meine, auch sehr sozial und richtig ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, dass die jetzt vorliegende ASVG-Novelle, die ursprünglich aus dem Ansatz der Verwaltungsvereinfachung, der Rechts­bereinigung Priorität hatte, wobei wir uns entschlossen haben, dort, wo es Mängel gibt, dort, wo es Ungerechtigkeiten gibt, nachzubessern, ein weiterer Schritt in Richtung eines sehr ausgewogenen und sehr fairen Sozialsystems ist.

Es handelt sich um ein faires Sozialsystem – ich will es nicht wiederholen, weil viele Vorredner es schon gesagt haben, aber drei Punkte möchte ich trotzdem erwähnen –, das es sich – und ich sage das aus meiner Position als Sozialministerin – zur Aufgabe gemacht hat, Menschen im Alter eine Sicherheit zu geben. Sicherheit kann ich nur geben, wenn Pensionen gesichert sind, wenn Kleinstpensionen die Lebensgrundlage bilden.

Sicherheit für die Familien und Stärkung für die Familien: Hier sind das Kindergeld angesprochen worden bis hin zu den Pensionszeiten für Eltern, die Kinderbetreuung machen, beziehungsweise jetzt auch die Pflegezeiten und natürlich auch die steuer­liche Entlastung für die Familien.

Der dritte Bereich, der für mich als Sozialministerin sehr wichtig ist, ist, dass Men­schen, die Beeinträchtigungen haben, Menschen, die Behinderungen haben, Men­schen, die Pflege brauchen, auch in Zukunft diese Pflege, diese Betreuung bekommen.

Da haben wir neben der Erhöhung des Pflegegeldes, neben Verbesserungen für pfle­gende Angehörige die Herausforderungen, wie ich meine, richtig erkannt. Mein Vor­redner, Herr Bundesrat Wolfinger, hat es ja schon gesagt, die demographische Ent­wicklung zwingt uns europaweit, in diesem Bereich zu handeln. Auch da sind wir in Österreich wieder nicht nachhinkend, sondern vorausschauend und prüfen, wie wir die Dinge regeln können.

Daher bedanke ich mich noch einmal herzlich für die mehrheitliche Zustimmung, aber auch für die Übereinstimmung aller hier vertretenen Parteien dahin gehend, dass die Anhebung der Mindestpensionen ein wichtiger, richtiger und notwendiger Schritt gewesen ist. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Dr. Böhm, Ing. Kampl und Mitterer.)

13.27


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 77

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.27.569. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend einen Vertrag zur Änderung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande über die Binnenschiffahrt (1112 d.B. und 1126 d.B. sowie 7415/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nun kommen wir zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Stadler übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


13.28.26

Berichterstatter Werner Stadler: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend einen Vertrag zur Änderung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande über die Binnenschiffahrt.

Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich beschränke mich daher jetzt auf die Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 2. November 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung, und ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bun­desräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenein­helligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.29.3510. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003 und das Bundesgesetz über Funk­anlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen geändert werden (711/A und 1127 d.B. sowie 7398/BR d.B. und 7416/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen nunmehr zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Frau Bundesrätin Lueger übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


13.30.06

Berichterstatterin Angela Lueger: Werte Frau Präsidentin! Werte Frauen Ministerin­nen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsge­


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 78

setz 2003 und das Bundesgesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendein­richtungen geändert werden, bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung dieser Vorlage am 2. November 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Molzbichler. – Bitte.

 


13.31.10

Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Werte Ministerin­nen links und rechts von mir! Werte Kollegen! Endlich wird das Telekommunikationsge­setz 2003 geändert! Wir stimmen dem selbstverständlich zu, denn eine Änderung hatten wir ja bereits bei der Beschlussfassung im Jahre 2003 vorgeschlagen.

Wir haben damals schon darauf hingewiesen, dass § 107, der Spamming – also Ver­sendung von unerwünschter elektronischer Post wie etwa Werbung für Elektronik, Ero­tik, Kredite und so weiter – regelt, geändert werden muss. Und damals, meine Damen und Herren, hat die Regierung gegen die Bedenken und Alternativen von SPÖ und Grünen das Gesetz beschlossen.

Und nun haben wir die Novellierung dieses Gesetzes vor uns liegen, und, meine Damen und Herren, ich frage mich schon, ob wir uns nicht viele Novellierungen erspa­ren könnten, wenn die schwarz-blau-orange Regierung Gesetze nicht durchpeitschen würde, sondern auch einmal die Gesetze und deren Auswirkungen – sprich die Reali­tät – bedenken und alternative Vorschläge der Opposition annehmen würde. Schaden, meine Damen und Herren, würde es sicherlich nicht.

Die Änderungen dieses Gesetzes sind noch immer nicht optimal, gehen jedoch in die Richtung unserer Vorstellungen. Das Gesetz bedeutet vor allem für die Konsumentin­nen und Konsumenten in Österreich eine Verbesserung.

Dennoch müssen wir auch erkennen, dass es mit einer nationalen Gesetzesänderung nicht getan ist. Verursacher von Spams müssen grenzüberschreitend bekämpft wer­den, da Spamming keine nationalen Grenzen kennt. Immerhin gibt es auf europäischer Ebene schon ein gemeinsames Anti-Spam-Bündnis, dem jedoch nicht alle Länder der Europäischen Union angehören.

Nachforschungen über Urheber von Spamming müssen grenzüberschreitend erfolgen, um die Spam-Flut in den Griff zu bekommen. In der Europäischen Union sind mehr als die Hälfte aller E-Mails unerwünschte Werbesendungen, und ich denke, jede und jeder hier in diesem Raum weiß aus eigener Erfahrung, dass die Anzahl der Spam-Mails wächst. Internationalen Schätzungen zufolge sind inzwischen sogar 70 bis 80 Prozent aller weltweit versandten E-Mails Spams, und das mit steigender Tendenz!

Und diese unerwünschten Werbebotschaften verursachen Milliardenschäden! Die In­ternet-Dienstleister sind nicht bereit, dafür aufzukommen, und berufen sich dabei auf die Praxis in anderen Ländern wie Frankreich oder den USA. Dort bezahlt der Staat für die Nachforschungen über die Urheber der lästigen Werbesendungen.

Meine Damen und Herren! Es ist schwierig, mit gesetzlichen Bestimmungen auf natio­naler Ebene gegen unerwünschte Mails vorzugehen. Darum kann diese Änderung der


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 79

Gesetzgebung nur ein erster Schritt in die richtige Richtung sein. – Danke schön. (Bei­fall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.34


Präsident Peter Mitterer (den Vorsitz übernehmend): Hohes Haus! Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, freue ich mich ganz besonders, Herrn Staatssek­retär außer Dienst Botschafter Dr. Ludwig Steiner in unserem Hause begrüßen zu dür­fen. (Allgemeiner Beifall.)

Herr Staatssekretär und Botschafter Dr. Steiner ist seit 20. Dezember 2000 Vorsitzen­der des Komitees des Österreichischen Versöhnungsfonds für Zwangs- und Sklaven­arbeiter, eines Fonds, der nach Durchführung seiner Arbeit Ende dieses Jahres zu be­stehen aufhört. Es ist mir daher ein besonderes Anliegen, Herrn Botschafter Dr. Steiner gerade im heurigen Gedanken- und Jubiläumsjahr als einer der herausragendsten Persönlichkeiten der Zweiten Republik meinen großen Respekt für sein Wirken auszu­drücken und ihm und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die hervorragende Arbeit zu danken, die so viel an persönlichem Engagement und Einfühlungsvermögen erfordert hat.

Es ist mir durchaus bewusst, dass der materielle Teil dieser Geste der Republik Öster­reich gegenüber den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern das zugefügte Leid niemals wieder gutmachen oder die verlorenen Jahre entschädigen kann, dass es aber für die Betroffenen einen besonderen Stellenwert hat, wenn erstmalig ihr hartes Schicksal anerkannt und ihnen ein aufrichtiges Wort des Dankes gesagt wird. Diesen Dank des österreichischen Bundesrates darf ich an Sie, sehr geehrter Herr Botschaf­ter, weitergeben. (Allgemeiner Beifall.)

Als nächster Redner zu Wort kommt Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Bitte.

 


13.36.35

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Frau Minister! Was die gegenständliche Novelle zum Telekom­munikationsgesetz betrifft, möchte ich sagen, inhaltlich habe ich dem von Kollegem Molzbichler Gesagten nicht viel hinzuzufügen. Ich glaube, alle, die wir das Internet ver­wenden, kennen die lästigen Spam-Mails.

Die vorliegende Novelle, wo auch die Kompetenzen neu geregelt werden, sollte nicht nur dazu dienen, dass das Vertragsverletzungsverfahren eingestellt wird, sondern dass auch mehr Sicherheit gegeben ist, was Spam-Mails anlangt. Und ich kann auch nur unterstreichen, dass diese internationale Zusammenarbeit natürlich wichtig ist – keine Frage! Spams kennen in diesem Sinn keine nationalen Grenzen.

Dass Kollege Molzbichler schon früher gewusst hat, dass man das Gesetz anders hätte machen sollen, den Stolz möchte ich ihm nicht nehmen. Jetzt, registriere ich, wird es eine einstimmige Annahme geben. Daher möchte ich dem nichts mehr hinzufügen. Stimmen wir das dann gemeinsam ab! – Wir werden auch dafür sein. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

13.37


Präsident Peter Mitterer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


13.38.09

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frauen Ministerinnen! Mir bleibt ja jetzt auch nicht mehr sehr viel übrig. Wir hät­ten es allerdings einfacher haben können. Wir haben hier schon darüber diskutiert und genau das angesprochen, was hier jetzt im Nachhinein repariert wird, was ungenügend


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 80

geregelt ist. – Es ist ja klar: Man kann immer gescheiter werden! Das gilt auch für die andere Seite: Auch wir können in manchen Dingen gescheiter werden. Wichtig ist jedenfalls, dass das kommt.

Wir alle wissen, dass Spam nicht nur eine persönliche Belästigung des Konsumenten darstellt, sondern wenn heute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unternehmen ihre Computer aufdrehen und dann einmal die erste halbe Stunde mit dem Löschen von Spams verbringen, dann bedeutet dies auch einen gewissen volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Schaden, was wichtig ist.

Auch die Regelung, dass wir jetzt von elektronischer Post sprechen, und so weiter – all die Dinge sind wichtig! Ich nehme aber an, dass uns das Telekommunikationsgesetz demnächst hier erneut nach der niederösterreichischen Posse beschäftigen wird. Ich verhehle jetzt nicht meine Genugtuung darüber, dass das niederösterreichische Ansin­nen, die Mobilfunkbetreiber durch eine Mastensteuer zu belasten – damit natürlich auch die Konsumenten zu belasten –, damit eine verfehlte Industriepolitik zu machen, jetzt einmal weg ist vom Tisch.

Allerdings wird eine Auswirkung schon sein, dass wir nämlich eine bundesweite Rege­lung zumindest in Ansätzen finden werden müssen für den Fall, dass vielleicht das nächste Bundesland doch noch auf die Idee kommt, genauso „fesch“ dazustehen, wie es Herr Landeshauptmann Pröll versucht hat, beziehungsweise dass es tatsächlich An­sinnen gibt, Budgetlöcher auf diese Art und Weise zu stopfen.

Heute haben wir hier eine Einstimmigkeit, was den Konsumentenschutz, aber auch den Geschäftsschutz letztlich betrifft. Es wird eine europäische Weiterentwicklung in diesem Bereich geben müssen, um eben in eine optimale Situation zu kommen, und ich nehme an, in einem Jahr wird das Telekommunikationsgesetz hier erneut aufgeru­fen werden. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.40


Präsident Peter Mitterer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.41.2011. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Passgesetz 1992 geändert wird (1157 d.B. sowie 7419/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter dazu ist Herr Bundesrat Ing. Haller. Ich bitte um den Bericht.

 


13.41.33

Berichterstatter Ing. Hermann Haller: Bericht des Ausschusses für innere Angele­genheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Passgesetz 1992 geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 81

Der Bericht, sehr geehrte Kollegen, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf daher zum Antrag kommen:

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 2. No­vember 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Wolfinger. – Bitte.

 


13.42.15

Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Die Europäische Union hat mit Verordnung vom 13. Dezember 2004 über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in den von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedo­kumenten Mindestsicherheitsnormen und einheitliche Sicherheitsstandards für Pässe und Reisedokumente zum Schutz vor Fälschungen festgelegt.

Ganz Europa stellt sich auf neue Sicherheitspässe ein. In diesen ist in Zukunft das Lichtbild nicht mehr schlichtes Anschauungsobjekt, das fotografierte Gesicht wird viel­mehr zum biometrischen Merkmal und als solches auf einem Computerchip gespei­chert. Das Foto muss die Gesichtszüge der Person von der Kinnspitze bis zum Haar­ansatz sowie die linke und rechte Gesichtshälfte deutlich zeigen.

Man könnte jetzt sagen: Übergründlichkeit. – Nein, meine Damen und Herren: europäi­sches Niveau, ermöglicht durch eine Elektronik, die kaum Grenzen kennt – und schon gar nicht territoriale.

450 Millionen EU-Bürger bekommen neue Pässe. Die neuen Dokumente sind ausge­stattet mit eingeschweißten Chips, die ganz neue Möglichkeiten in Sachen Fälschungs­sicherheit bieten. Die alten Pässe behalten ihre Gültigkeit noch bis zum 31. Dezember 2006. Erfreulich ist dabei, dass die Verlängerung kostenlos durchgeführt wird.

Ich darf feststellen, dass nach der e-card nun auch der e-Pass und der neue Führer­schein, dieser im handlichen Scheckkartenformat, ausgestellt werden. Mit diesen neuen Dokumenten soll die Fälschung und missbräuchliche Verwendung von Reisedo­kumenten verhindert werden, damit dem internationalen Terrorismus, der organisierten Kriminalität und dem Menschenhandel besser der Kampf angesagt werden kann.

Die Politik in Europa und die westliche Welt müssen sich angesichts der neuen Bedro­hungsszenarien Gedanken darüber machen, wie die Sicherheit der Bürger bestmöglich gewährleistet werden kann. Unsere Fraktion wird daher diesem Gesetz gerne ihre Zu­stimmung geben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.45


Präsident Peter Mitterer: Es liegt mir keine weitere Wortmeldung vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 82

13.45.3012. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung eines Zukunftsfonds der Republik Österreich (Zukunftsfonds-Gesetz) und ein Bundesgesetz über die Errichtung einer Stipendienstiftung der Republik Österreich (Stipendienstiftungs-Gesetz) er­lassen werden (679/A und 1153 d.B. sowie 7420/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Lueger. Ich bitte um den Bericht.

 


13.45.51

Berichterstatterin Angela Lueger: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föde­ralismus bringen, und zwar über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung eines Zukunftsfonds der Republik Österreich und ein Bundesgesetz über die Errichtung einer Stipendienstiftung der Republik Österreich erlassen werden sollen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Daher darf ich gleich zur Antragstellung kommen:

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus den Antrag, einen begründeten Einspruch zu erheben.

Ich darf diese Begründung auch noch zitieren:

„Mit dem vorliegenden Bundesgesetz betreffend den Zukunftsfonds und die Stipendi­enstiftung verlässt die Bundesregierung den Weg, in jenen Angelegenheiten, die den Umgang Österreichs mit seiner Vergangenheit in der Zeit des Nationalsozialismus be­treffen, den Konsens über die Parteigrenzen hinweg zu suchen.

Die Regierungsparteien waren in zwei entscheidenden Punkten nicht bereit, auf die Vorschläge der Opposition einzugehen:

In der Aufgabenstellung des Zukunftsfonds werden die Gräuel des Nationalsozialismus durch den Hinweis auf andere totalitäre Regime relativiert, wie dies vielfach zum Re­pertoire von Argumentationen gehört, die den Nationalsozialismus entschuldigen oder verharmlosen; da es aber gerade beim Zukunftsfonds, der in der Nachfolge des Ver­söhnungsfonds steht, um die Erinnerung an die Mitverantwortung Österreichs an den Geschehnissen der Nazizeit geht, ist der Hinweis auf andere totalitäre Regime völlig unangebracht, zumal – anders als etwa im Nationalfondsgesetz – die Verantwortung auf das nationalsozialistische Regime eingeengt wird und nicht der Nationalsozialismus als solches genannt wird.

In allen Einrichtungen, die bisher zu Gunsten von Opfern des Nationalsozialismus ge­schaffen wurden, waren Vertreter des Parlaments repräsentiert, um damit zu zeigen, dass es sich bei der Aufarbeitung der Vergangenheit um ein gesamtgesellschaftliches Anliegen handelt, das alle Parteien angeht. Sowohl das Kuratorium des Zukunftsfonds als auch das der Stipendienstiftung besteht ausschließlich aus Vertretern der Regie­rung.

Aus all den genannten Gründen wird daher der Antrag gestellt, gegen den genannten Gesetzesbeschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben.“

 


Präsident Peter Mitterer: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

 


Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 83

13.49.08

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär Morak! Herr Staatssekretär Dr. Steiner! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich in den eigentlichen Teil meiner Rede ein­steige, möchte ich dem Herrn Staatssekretär Dr. Steiner und dem Herrn Botschafter Dr. Wotava sehr herzlich für ihre bisher getane hervorragende Arbeit danken. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl und bei Bundesräten der SPÖ und der Grünen.)

Die Bundesregierung und selbstverständlich der Nationalrat und auch der Bundesrat haben den Versöhnungsfonds eingerichtet. Und dieser Versöhnungsfonds war so außerordentlich dotiert, dass etwas übrig geblieben ist. Eine kleine Seitenbemerkung: Das kommt in der Regel in der staatlichen Verwaltung nicht jeden Tag vor. – Dieses Fondsvermögen soll nun entsprechenden Zwecken zugeführt werden. Hier hat man folgende Aufteilung vorgesehen: für die Partnerorganisationen 30 Millionen, für die Sti­pendienstiftung 25 Millionen, für einen Zukunftsfonds 20 Millionen, für den Entschädi­gungsfonds 20 Millionen und für die Lösung diverser offener Fragen 5 Millionen €.

Was soll bei den Partnerorganisationen mit diesem Geld geschehen? – Hier geht es um die Durchführung weiterer humanitärer Projekte zugunsten ehemaliger Sklaven- und Zwangsarbeiter, einschließlich deren Erben.

Bei der Stipendienstiftung ist die Gewährung von Stipendien an Personen aus jenen Staaten, die besonders unter der Rekrutierung von Zwangsarbeitern durch das NS-Regime gelitten haben, vorgesehen. Da natürlich schon viele von denen verstorben sind, sind auch die Nachkommen einbezogen.

Der Zukunftsfonds, die dritte Einrichtung, die mit 20 Millionen dotiert ist, soll sich für zu­kunftsorientierte Förderung von Toleranz und Nichtdiskriminierung vor allem in Öster­reich und den Partnerländern einsetzen. Ich darf erinnern, dass zum Beispiel auch die Vereinigten Staaten eine ähnliche Einrichtung haben.

Dann gibt es den Allgemeinen Entschädigungsfonds, dem 20 Millionen zur Verfügung gestellt werden, die für eventuell noch auftretende Probleme, für eventuell noch zu erbringende Leistungen an ehemalige NS-Opfer herangezogen werden sollen.

Und für die Lösung diverser offener Fragen sind weitere 5 Millionen geplant.

Ich möchte sagen: Das ist doch wirklich etwas grundsätzlich Positives, was hier seitens der Bundesregierung und seitens des Nationalrates ins Auge gefasst ist.

Die so genannten Partnerorganisationen, für die 30 Millionen vorgesehen sind, sind folgende: die Belarussische Stiftung „Verständigung und Aussöhnung“, die Stiftung „Deutsch-Polnische Aussöhnung“, die Russische Stiftung „Verständigung und Aussöh­nung“, der Tschechische Rat für Opfer des Nazismus, die Ukrainische Nationale Stif­tung „Verständigung und Aussöhnung“ und die Gemeinnützige Stiftung „Jüdisches Erbe in Ungarn“. Wenn ich diese sechs Einrichtungen durchgehe, dann kommt zumin­dest mir in den Sinn, dass es sich dabei um zwei bettelarme Staaten handelt, nämlich Weißrussland und Ukraine. Es mag zwar sein, dass es sich im Raum Kiew ganz gut leben lässt. In der Ostukraine möchte ich allerdings nicht Bürgermeister irgendeines Ortes sein.

Ein Grundsatz gilt immer, der auch in der Caritas entsprechend verankert ist: Wer rasch hilft, hilft doppelt! Und Sie haben sich nun erstmals, weil Sie jetzt die Mehrheit im Bundesrat haben, dazu entschlossen, dieses Gesetz zu beeinspruchen.

Eine weitere Einrichtung ist die Stipendienstiftung. Hier geht es darum, dass Nachkom­men von ehemaligen Zwangsarbeitern die Möglichkeit haben, ein Ausbildungsstipen­dium zu erhalten.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 84

Ich möchte jetzt nicht auf alle Details eingehen, das würde zu weit führen und meine Redezeit überschreiten. Aber zum Beispiel bei der Projektförderung ist ein Projekt dar­unter, bei dem ich mich auch frage: Warum soll das mit einem Einspruch verzögert werden? – Es sind Projekte der Politischen Bildung an Schulen zur Bewusstseins- und Menschenrechtsbildung, welche auch die Lehrerausbildung sowie andere Bildungspro­gramme umfassen können, etwa um künftigen Generationen das Vermächtnis zerstör­ter jüdischer und Roma-Gemeinden zu vermitteln, als auch das Gedenken an Einzel­schicksale aufrechtzuerhalten.

Wenn ich das jetzt Revue passieren lasse, ist doch eine dringende Notwendigkeit ge­geben, dass das Gesetz so bald wie möglich in Kraft tritt. Seitens Kollegin Lueger ist die Begründung vorgelesen worden, warum hier ein Einspruch erhoben wird. Ich möchte grundsätzlich zu diesem Einspruch zwei Anmerkungen machen. Die eine ist: Ich bin sehr verankert in der Montesquieu’schen Gewaltenteilung. Und da gibt es eben die Gesetzgebung und die Vollziehung. Daher finde ich es eigenartig, dass Sie, wenn ein Gesetz seitens des Nationalrates beschlossen worden ist und die Durchführung dann durch die Regierung stattfindet, meinen, es müsse sich jemand anders auch noch an der Durchführung beteiligen. Das verstehe ich nicht.

Dann habe ich mir die Protokolle der entsprechenden Nationalratssitzung durchgele­sen. Es ist schwer, genau herauszufiltern, ob eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist, ja oder nein. Und die Rolle des Abgeordneten Wittmann im Verfassungsausschuss war zumindest nicht ganz durchsichtig.

Ein weiterer Grund für einen Einspruch Ihrerseits bezieht sich darauf, dass keine Ver­treter von Ihnen drinnen sind, wobei es dem Herrn Bundeskanzler selbstverständlich noch möglich ist, dass er jemanden von Ihnen ernennt, denn es konnte bisher noch niemand ernannt werden. Aber Sie wissen schon jetzt, dass keiner von Ihnen drinnen sein wird. Okay, ist in Ordnung.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass man, 60 Jahre nachdem das Unrechtsregime, das Gewaltregime, das Terrorregime des Nationalsozialismus glücklicherweise besei­tigt worden ist, doch die Welt so betrachten kann und darf, dass man sagt: Es gibt eben auch andere Diktaturen – von der Staatslehre her gesehen: Rechtsdiktaturen, Linksdiktaturen –, die Scheußlichkeiten großer Zahl vollbracht haben. Diese Betrach­tung ist sicher nach 60 Jahren erlaubt.

Und eines möchte ich ganz offen sagen: Ich möchte nicht im Gulag gewesen sein, ich möchte aber auch nicht in irgendeinem KZ gewesen sein. Ich lehne daher, bitte, mit größter Überzeugung jede Art von Zwangsregime ab! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

Und weil ich das ablehne und ein unheimlich großer Anhänger, ein leidenschaftlicher Anhänger der Demokratie bin, möchte ich haben, dass es derartige Gewaltregime, ob die jetzt links oder rechts stehen, nicht gibt. Wie diese argumentieren, ist mir egal, der Mensch jedenfalls steht dort nicht im Mittelpunkt, sondern irgendeine Ideologie. Und wenn eine Ideologie im Mittelpunkt steht, dann ist es für den Einzelmenschen immer sehr gefährlich.

Zum Abschluss: Ich darf nochmals daran erinnern: Wer rasch hilft, hilft doppelt! – Dass Sie jetzt mit Ihrem Einspruch den armen Menschen in Weißrussland oder auch in der Ukraine erklären, dass Sie das hier verzögern, dafür habe ich überhaupt kein Ver­ständnis (Bundesrat Konecny: Sie wissen, dass Sie einen Unsinn sagen!), und ich würde Ihnen doch empfehlen, Ihren Einspruch noch einmal zu überdenken. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Dr. Böhm.)

13.58



BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 85

Präsident Peter Mitterer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Konecny. –Bitte.

 


13.58.33

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich wähle eine andere Anrede für Sie: Herr Abgeordneter Steiner. Das haben Sie nicht er­wähnt, Kollege Kühnel. Sie haben geschmunzelt beim „Staatssekretär“, Herr Abgeord­neter Steiner. Also ich gehe auf ein weiteres Element Ihrer Biographie ein. Wir haben Sie in jeder dieser Funktionen geschätzt, und ich möchte mich nicht allem, was Kollege Kühnel gesagt hat, jedenfalls aber dem Dank für Ihre Mitarbeit im Versöhnungsfonds namens meiner Fraktion ganz besonders herzlich anschließen. (Beifall bei der SPÖ, der ÖVP und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Es war zweifellos ein wichtiger Schritt, ein Schritt, dem auch die sozialdemokratische Opposition ihren Respekt gezollt hat, dass es für die seiner­zeitigen Zwangsarbeiter – neben anderen Regelungen für andere Opfer des National­sozialismus – spät, aber doch nicht ganz zu spät den Versuch gegeben hat, mit mate­riellen Mitteln einen Teil, einen winzigen Teil jenes Leides, das diese Menschen erfah­ren mussten, nicht wiedergutzumachen, aber wenigstens anzuerkennen, dass es Leid war, das zugefügt wurde, und diesen Menschen eine bescheidene materielle Anerken­nung zugute kommen zu lassen.

Herr Kollege Kühnel hat bei seiner für mich völlig unverständlichen Argumentation hin­sichtlich des Nationalsozialismus und anderer totalitärer Regime meiner Überzeugung nach völlig den Sinn dieser Gesetzgebung verkannt. – Der Versöhnungsfonds hat an die Zwangsarbeiter nicht deshalb Leistungen erbracht, weil das österreichische Parla­ment der Überzeugung ist, dass Zwangsarbeit etwas Schlechtes ist, sondern er hat Leistungen erbracht, weil der Nationalsozialismus Menschen gezwungen hat, auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich Zwangsarbeit zu leisten. Diese Zwangsarbeit hat letztlich zu materiellen Werten, die geschaffen wurden, etwas beigetragen, und auch wenn der Einzelne diese Zwangsarbeit ablehnt, sind wir kollektiv doch auch Emp­fänger dieser Leistung geworden.

Nun ist im Hinblick darauf eine Sühneleistung erbracht worden. Es wurde hiemit nicht zum Ausdruck gebracht, dass wir abstrakt Zwangsarbeit ablehnen, sondern dass wir ganz konkret und individuell in der Schuld jener stehen, die Zwangsarbeit in Österreich abdienen mussten. Im Einzelfall wurden diese Zwangsarbeiter etwa von einer Bauern­familie, einem Gewerbebetrieb oder von Mitmenschen gut behandelt, was im Zuge der Aufarbeitung dieser Fälle in beeindruckender Vielfalt auch zum Ausdruck gekommen ist und was einen retrospektiv nur freuen kann. Nichtsdestoweniger ist die Sühne, die wir kollektiv hier erbringen, aber in vollem Umfang gerechtfertigt. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

Dass die dafür vorgesehenen Mittel nicht zur Gänze ausgeschöpft wurden, ist ein fast tragisches Zeichen dafür, wie spät diese Geste gesetzt wurde: Der Grund hiefür ist nämlich nicht, dass die Verwaltung des Fonds besonders restriktiv mit Ansuchen um­gegangen wäre – ganz im Gegenteil! –, sondern vielmehr, dass in den nahezu 60 Jah­ren seither zu viele verstorben sind, als dass der volle Betrag in Anspruch genommen werden hätte können. Es ist auch das ein Monitum an uns alle, vor allem die, die älter sind und länger im politischen Entscheidungsprozess stehen, dass diese Geste der Republik spät, wenn auch erfreulicherweise nicht zu spät gesetzt wurde.

Ich halte es auch für richtig, dass diejenigen Mittel, die nicht in Anspruch genommen wurden, unter neuen Rechtsformen und mit naturgemäß etwas veränderten Verwen­dungsbestimmungen, aber doch im Sinne des ursprünglichen Fonds eingesetzt wer­den. Ich habe heute in einer anderen Debatte die Formulierung verwendet: Das, was


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 86

wir den eigentlichen Opfern nicht direkt zukommen lassen konnten, soll wenigstens für oder zumindest im Interesse ihrer Enkel eingesetzt werden. Auch das gehört zur Sühne dazu, und so weit können wir mit dem Gesetzesantrag beziehungsweise dem Gesetzesbeschluss des Nationalrates vollinhaltlich mitgehen.

Im begründeten Einspruch, der im Verfassungsausschuss die Mehrheit gefunden und den Kollegin Lueger als Berichterstatterin hier vorgelesen hat, werden auch jene zwei Argumente angeführt, warum wir Einspruch erheben. Ich werde dann noch ein biss­chen darauf eingehen. Zuallererst muss ich mich aber doch nicht mit den Bemerkun­gen des Kollegen Kühnel, denn diese richten sich selbst, sondern mit dem Brief, den Kollege Steiner an mich gerichtet hat, auseinander setzen, weil es natürlich eine be­rechtigte Frage ist, welche Auswirkungen ein solcher Einspruch bei dieser Gesetzes­vorlage nun hat.

Kollege Steiner – und vielleicht war es nicht nur ein Zufall, dass ich Sie in Ihrer ehe­maligen Abgeordnetenqualität angesprochen habe – verweist darauf, dass natürlich die Abwicklung des Fonds – sagen wir es einmal in Kurzfassung – durch einen Einspruch nicht einfacher wird. Er hat hinzugefügt – ich darf das zitieren, Herr Botschafter – , dass er als ehemaliger Parlamentarier aber betonen möchte, „dass es das selbstver­ständliche Recht jedes Abgeordneten ist, alle Möglichkeiten der Geschäftsordnung voll bis in die letzte Konsequenz auszuschöpfen. Dieses Recht ist nicht nur zu respektie­ren, sondern es lohnt sich, sich voll dafür einzusetzen.“

Ich danke Ihnen für diese Worte! Und ich gestatte mir, davon auch mit guten Gründen Gebrauch zu machen. Es geht hiebei nämlich nicht – wenn jetzt der Nationalrat nicht in eine Trotzhaltung verfällt, das räume ich ein, aber davon gehe ich nicht aus – um eine Verzögerung dieser Vorlage. Wir schreiben heute, wenn ich das richtig sehe, den 4. November. Der Fonds läuft am 31. Dezember aus, aber auch vor dem 31. Dezem­ber sind natürlich noch eine Menge von Arbeiten zu leisten, damit das Geld letztlich dort landet, wo es landen soll. Selbstverständlich. Dennoch müsste es dem Nationalrat einfach möglich sein, ganz egal, ob er jetzt unsere Einwendungen berücksichtigt oder nicht, innerhalb des Monats November die erforderlichen Beschlussfassungen herbei­zuführen.

Ich erinnere daran: Die erforderlichen Beschlussfassungen können entweder der Be­harrungsbeschluss oder aber die Aufnahme der einen oder anderen unserer Ein­wendungen sein. Und wir werden kein Problem haben, einen unseren Einwendungen gerecht werdenden neuen Gesetzesbeschluss am 1. Dezember zu beschließen.

Herr Kollege Kühnel! Deshalb bekommt kein Not leidender Weißrusse eine Leistung auch nur um eine Minute später! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grü­nen.) Ich bitte Sie inständig, bei aller Rechtfertigung von Polemik, die mir nicht ganz fremd ist, wie die Kolleginnen und Kollegen des Hauses wissen, doch mit Beispielen dieser Art, die einen Angriff auf die moralische Integrität des anderen darstellen, sehr, sehr zurückhaltend zu sein! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

Wir haben zwei Gründe, warum wir Ihnen diesen Einspruch zur Beschlussfassung vor­schlagen. – Ja. Auch wir, Herr Kollege Kühnel, lehnen jede Form des Totalitarismus und der Diktatur ab. Aber dafür, dass der Kommunismus in Osteuropa seine blutigen Spuren gezogen hat, gibt es keine österreichische Mitschuld. Wir haben diesen Län­dern geholfen, die Folgen zu überwinden, wir werden das weiter tun, und manche von uns haben – durchaus auf allen Seiten der Parteigrenzen – ihren sehr persönlichen Beitrag in dieser Auseinandersetzung mit den kommunistischen Machthabern, als das noch eine Rolle gespielt hat, geleistet.

Nur: Die Mittel, die für die Opfer des Nationalsozialismus bestimmt sind und die eine österreichische Sühneleistung darstellen, sollen naturgemäß gleich gewertet und gleich


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 87

gerichtet verwendet werden. Daher ist die diesbezügliche Formulierung eine völlige Verzerrung, ja geradezu eine Überschattung des eigentlichen Motivs, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das mittragen können!

Der zweite Gesichtspunkt ist kein formaler, und er ist vor allem kein parteipolitischer. Wenn ich hoffe, dass dieser Fonds seine Wirkung über eine gewisse Zeit hinweg erfüllt, und ich mir sogar vorstellen könnte, dass es irgendwann einmal eine gewisse Nachdotierung geben kann, Herr Kollege Kühnel, dann habe ich nicht die geringsten Bedenken, dass nicht auch Sozialdemokraten, wenn auch nicht exklusiv, in diesen Gremien sitzen werden. Natürlich wird in einem Jahr ein sozialdemokratischer Bundes­kanzler dort zumindest einen Sozialdemokraten hinschicken. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist nicht meine Problemstellung. Gut. Das verschieben wir – das habe ich schon in der letzten und in der vorletzten Sitzung vorgeschlagen – auf eine Diskussion im Nachhinein. Bisher habe ich allerdings immer Recht gehabt. (Zwischenruf des Bundesrates Ager.) Richtig! 2002 war es! Da hast du Recht! Ja, ja! Okay! Also: Bei den letzten drei Malen habe ich Recht gehabt. Die Serie kann auch einmal zu Ende sein.

Der entscheidende Punkt ist aber: Es war ja nicht Jux und Tollerei und auch nicht die Selbstbedienung von Parlamentariern, die nicht nur diesen Fonds, sondern auch den anderen Fonds im Bereich des Parlaments und nicht im Bereich der normalen staat­lichen Verwaltung angesiedelt haben. Die Überlegung dabei war, hier zum Ausdruck zu bringen, dass es ein Anliegen der österreichischen Gesellschaft, vertreten durch das Parlament in seiner ganzen politischen Breite, ist, diese Versöhnungs- und Sühnezah­lungen zu leisten, und dass das natürlich auch in den Gremien zum Ausdruck kommen soll. Botschafter Steiner wird mir bestätigen, dass mit Sicherheit niemals in irgend­einem dieser Gremien entlang parteipolitischer Linien abgestimmt wurde.

Darum geht es nicht. Es geht ... (Bundesrätin Roth-Halvax: Wo ist das Problem?) Wenn Sie es nicht verstehen, dann werde ich es kein zweites Mal versuchen! Auch ich halte mich ein bisschen an die vorgenommene Redezeit. Es geht darum, dass durch die parlamentarische Besetzung dieser Funktionen bewusst unterschieden wird zwi­schen der normalen staatlichen Verwaltung, die auch den wechselnden politischen Verhältnissen unterliegt, und einem gesamtgesellschaftlichen Anliegen, das, weil eben hier alle politischen Gruppen vertreten sind, ganz egal, ob sie regieren oder nicht, durch das Parlament mit seinen beiden Kammern repräsentiert wird. Um dieses Prinzip geht es, und dieses Prinzips wegen erheben wir Einspruch.

Wir sagen dazu: Wir haben diesen Einspruch heute auf die Tagesordnung gesetzt, weil es uns in diesem ganz besonderen Fall wichtig ist, dass der Nationalrat rechtzeitig seine abschließende Meinung – so oder so – kundtun kann, damit die Überführung die­ser Mittel des Versöhnungsfonds zu den neuen Verwendungszwecken in Ordnung und zeitgerecht durchgeführt werden kann. Damit verzögern wir nichts; damit stellen wir dem Nationalrat wahrlich keine unerfüllbare Aufgabe, aber damit werden wir einer moralischen Verantwortung gerecht, die weiter gilt, auch wenn der Versöhnungsfonds ausläuft. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

14.13


Präsident Peter Mitterer: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Kampl. Ich darf ihn zum Rednerpult bitten.

 


14.14.12

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Geschätzte Damen und Her­ren! Liebe Kollegen! Der Antrag betrifft die Aufteilung der nicht aufgebrauchten Gelder


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 88

des Versöhnungsfonds. 100 Millionen stehen für die Aufteilung zur Verfügung. Mit die­sen Bundesgesetzen, dem Zukunftsfonds-Gesetz und einem Stipendienstiftungs-Ge­setz, sollte eine nachhaltige Restmittelaufteilung erfolgen.

Rund 102 000 Opfer des Nationalsozialismus sind von 1995 bis 2004 entschädigt wor­den. Diese Entschädigung bleibt der Teil, den wir gutmachen können. Vieles, was an Unmenschlichem geschehen ist, ist und bleibt eine Tragödie des 20. Jahrhunderts. Ich habe dafür tiefes Mitgefühl.

Wie sollten diese 100 Millionen € an Restmitteln laut Bundesregierung aufgeteilt wer­den? – 30 Millionen sollen an die Partnerorganisationen zugunsten ihrer Zwangsarbei­ter gehen, 25 Millionen für die Stipendienstiftung mit eigener Rechtspersönlichkeit für Zwangsarbeiter und ihre Nachkommen, 20 Millionen für einen Zukunftsfonds für zu­künftige Toleranz mit den Partnerländern, 20 Millionen für einen Entschädigungsfonds zur erforderlichen Rechtssicherheit und moralischen Verantwortung und 5 Millionen für eventuell offene Problembereiche.

Die Aufteilung der Mittel erfolgt auf Grund der positiv erledigten Anträge: 42 584 An­träge aus der Ukraine, 22 693 aus Polen, 12 693 aus Russland, 10 958 aus Tsche­chien, 8 692 aus Ungarn und 4 356 aus den GUS-Staaten. Insgesamt waren es fast 102 000 Anträge.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir tragen Verantwortung für viele betroffene Schicksale der nationalsozialistischen Zeit. 60 Jahre nach dem Regime und 60 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg gebührt der Bundesregierung und allen, die mitgewirkt haben, für diese internationale und nationale Geste große Anerkennung.

In Anbetracht dieser großzügigen und verantwortungsvollen Geste Österreichs sollten aber auch die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges in einer Nachdenkphase Überle­gungen bezüglich der geschundenen österreichischen Kriegsgefangenen anstellen. Das sollte auch für die Heimatvertriebenen auf Grund der Beneš-Dekrete und der Avnoj-Beschlüsse der betroffenen EU-Mitgliedsländer gelten. – Meine Fraktion wird die Zustimmung geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Professor als Vorredner hat ge­meint, dass es bei vielen Familien ohnedies gut gegangen ist. – Ich habe hier Briefe – und das ist sehr interessant –, in welchen sich Leute, die bei unseren Eltern am Hof gearbeitet haben, heute noch bedanken, dass es ihnen gut gegangen ist, wenngleich meine Eltern auch nicht mehr leben. (Bundesrat Gruber: Es hat andere Fälle auch gegeben!) Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir können es bewältigen!

Nun zur Verzögerung durch die SPÖ-Fraktion und die grüne Fraktion: Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler Kreisky würde heute den Appell an Sie richten: 60 Jahre danach ist es höchste Zeit, dass wir das endlich zahlen! Verzögern Sie es nicht. – Danke. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

14.18


Präsident Peter Mitterer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desrat Schennach. Ich erteile ihm das Wort.

 


14.18.39

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Botschafter Steiner! Meine Damen und Herren! Dass es heute hier von der SPÖ und den Grünen 19 Jahre nach dem letzten Einspruch in diesem Haus einen Einspruch gibt, hat sich die Regierungskoalition selbst zuzuschreiben.

Geschichte und Geschichte aufarbeiten ist ein gemeinsamer Prozess. Es ist dies ein gemeinsamer Prozess, so wie es auch ein gemeinsamer Prozess war, diesen Versöh­


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 89

nungsfonds ins Leben zu rufen, vor dessen Einrichtung ich nicht tief genug den Hut ziehen kann. Es war dies eine Großtat, eine späte, aber immerhin wesentliche Initiative zur Aufarbeitung der österreichischen Geschichte, zur Aufarbeitung aber auch von Ver­brechen, die im Nationalsozialismus geschehen sind. Es war wichtig, hier den Versöh­nungsfonds einzurichten, und alle Parteien haben dies mitgetragen. 414,2 Millionen € wurden vom Versöhnungsfonds aufgebracht, der am 31. Dezember 2005 ausläuft.

Es geht jetzt darum, die übrig gebliebenen Gelder in diesem Sinne zuzuführen. Wir hätten uns erwartet, dass der Bundeskanzler sein Wort hält, das er gegeben hat – die­ses hat er nachweislich nicht gehalten –, nämlich dass es eine gemeinsame Entschei­dung darüber geben wird, wie diese übrig gebliebenen Mittel wohin übergeführt wer­den. Dieses Wort hat er nicht gehalten! Wenn er ehrlich ist, dann wird er auch sagen, dass er es anders gemeint hat, als er es nachher getan hat.

Unser Einspruch erfolgt genau aus diesem Grund. Aber es gibt auch noch andere Gründe, meine Damen und Herren. Zum einen: Wir haben immer gesagt, es gibt einen praktischen Erben, der diesbezüglich Erfahrung und Kompetenz hat; das ist der Natio­nalfonds. Was die Regierung beabsichtigt hat, ist, zwei Fonds zu gründen, wobei der Herr Bundeskanzler zwei Vertreter bestellt, die Frau Außenministerin zwei Vertreter be­stellt, und gemeinsam können sie noch einen fünften bestellen. Damit wird eigentlich dieser gemeinsame Pfad verlassen.

Dazu kommt, dass wir dringend ersucht haben, das Ganze auch der Kontrolle der Volksanwaltschaft – es geht ja bei diesen Fonds, die wir einrichten, um Kontrolle – zu unterstellen. Auch dies wurde nicht berücksichtigt! Wenn wir heute hier in Kürze die Volksanwaltschaft haben werden, werden wieder alle Fraktionen tief beeindruckt vom Tätigkeitsfeld der Volksanwaltschaft sein (Bundesrat Bieringer: Na ja!) und auch se­hen ... Na gut, wenn Herr Kollege Bieringer es nicht ist, dann müssen Sie das der Frau Bauer erklären.

Aber wir müssen gleichzeitig sehen, dass in den letzten Jahren der Wirkungsbereich der Volksanwaltschaft immer wieder eingeschränkt wurde, insbesondere Auslagerun­gen betreffend. Auch da hat man gesagt: Nein, wir wollen die Volksanwaltschaft nicht als Kontrollorgan dabei haben.

Meine Damen und Herren! Angesichts dieses Verlassens des gemeinsamen Weges der Aufarbeitung der Geschichte unseres Landes möchte ich betonen – gerade weil diese Aufarbeitung so spät erfolgt und wir in den letzten Jahren, in denen Botschafter Steiner als Vorsitzender des Komitees diesem Fonds vorgesessen ist, noch Überle­bende, die zu Sklaverei, zu Zwangsarbeit gezwungen wurden, entschädigen konnten – wie wichtig es ist, dass wir hier weiterhin einen gemeinsamen Weg gehen.

Herr Kollege Kühnel! Genau das tun wir heute, indem wir eben unseren Einspruch sichtbar machen. Der Nationalrat hat jetzt noch alle Zeit der Welt, wenn er einen Be­harrungsbeschluss fassen will. Es wird nichts verzögert. Deswegen fassen wir diesen Einspruch auch heute. Wir wollen dokumentieren, dass dieses Verlassen des gemein­samen Weges in einer so sensiblen und wichtigen Materie der falsche Weg ist.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss – die Grünen sind sicher die jüngste Fraktion, die hier in den Bundesrat eingezogen ist – auch ein paar persönliche Worte sagen, nicht nur von Tiroler zu Tiroler, sondern: Als ich als Mitarbeiter in dieses Haus gekommen bin, habe ich Herrn Botschafter Steiner, damals den Parlamentarier Steiner, im Lucona- und Noricum-Ausschuss kennen gelernt. Ich war damals schon von seiner parlamentarischen Persönlichkeit sehr beeindruckt. Damals habe ich mir gedacht, aha, das sind also die Menschen, von denen wir im Unterricht gehört haben, jene, die über die Grenzen hinweg diese Zweite Republik wiedererrichtet haben.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 90

Aus diesem Grund, Herr Botschafter Steiner, wollen wir Ihnen von Seiten der grünen Fraktion für Ihre Arbeit im Versöhnungsfonds ein herzliches Dankeschön sagen. (Allge­meiner Beifall sowie Beifall von Staatssekretär Morak. – Bundesrat Mag. Himmer: Stimmen Sie zu bei der Gelegenheit! – Bundesrat Schennach überreicht Botschafter Dr. Steiner einen Blumenstrauß.)

14.25


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich noch Herr Bundesrat Bieringer. Ich darf es ihm erteilen.

 


14.25.49

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Meine Herren Staats­sekretäre im und außer Dienst! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorerst möchte ich mich dem Dank des Vorsitzenden der grünen Fraktion anschließen und dir, sehr geehrter Herr Botschafter Dr. Steiner, sehr herzlich für all das danken, was du in 60 Jahren für diese Republik als Mitglied der Bundesregierung, als Parlamentarier und als Botschafter Österreichs, unter anderem in den USA, geleistet hast. Du bist ein Mann, zu dem wir alle mit Stolz, Respekt und Ehrfurcht aufschauen. Herzlichen Dank für all das, was du für diese Republik getan hast! (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Botschafter Steiner hat in seiner Funktion als Vorsitzender des Österreichischen Versöhnungsfonds den vier Fraktionsvorsitzenden einen Brief geschrieben, in dem er auf die Schwierigkeiten hinweist, falls eine Verzögerung bei der Verteilung der Mittel eintritt. – Sehr zu Recht.

Meine Damen und Herren! Ich verstehe Ihren Einspruch beim besten Willen nicht. Sie – und Kollege Schennach hat das auch gesagt – kritisieren, dass es hiebei um alle totalitären Systeme geht, Sie kritisieren die Nicht-Prüfung durch die Volksanwaltschaft, und Sie kritisieren, dass keine Parteienvertreter in diesen neuen Fonds hineinkommen. (Bundesrat Konecny: Nein! Keine Parlamentarier! Das ist nicht dasselbe!) – Keine parlamentarischen Vertreter. Entschuldigung! Sie haben Recht, Herr Kollege Konecny.

Nun möchte ich dazu schon etwas anmerken: Gemäß Artikel 148a der österreichi­schen Bundesverfassung ist es nur mit einer qualifizierten Mehrheit möglich, die Volks­anwaltschaft mit Prüfungen zu beauftragen. Das heißt, im Nationalrat wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit für solch ein Ansinnen notwendig gewesen. Da sich die sozialdemokra­tische Fraktion aber geweigert hat, dem zuzustimmen, hat es keine Zwei-Drittel-Mehr­heit gegeben. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: keine parlamentarischen Vertreter. Auch hiezu – lieber Albrecht (in Richtung des Bundesrates Konecny), das wirst du ja wissen – ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig. Im ursprünglichen Entwurf, den die Bundesregierung eingereicht hat, hat man von einer Halbe-Halbe-Regelung gesprochen. Das heißt, dass eine Hälfte von Parlamentariern in dieses Kuratorium entsandt wird und die andere Hälfte von der Bundesregierung bestellt wird. Auch hiefür ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig. Diese Zwei-Drittel-Mehrheit hat die sozialdemokratische Fraktion aber verweigert.

Daher, meine Damen und Herren, kann man nur den Schluss ziehen: Überall dort, wo Sozialdemokraten eine Mehrheit haben, sind sie gegen einen Konsens, stimmen aber dann in umgekehrter Weise dort, wo sie keine Mehrheit haben, großes Wehklagen an, wenn sie nicht Recht bekommen. Das, meine Damen und Herren, ist zweischneidig und äußerst traurig. Das möchte ich ausdrücklich sagen! Das soll nicht auf Kosten des Versöhnungsfonds ausgetragen werden. Man soll den Damen und Herren, die wirklich schwerste Arbeit zum Wohle der Republik Österreich leisten mussten, das Leben nicht so erschweren.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 91

Ich würde Sie daher eindringlich bitten: Ziehen Sie Ihren Antrag, Einspruch zu erhe­ben, zum Wohle und zum Ansehen dieser Republik zurück! (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Dr. Böhm und Ing. Kampl.)

14.30


Präsident Peter Mitterer: Dazu liegt mir keine Wortmeldung mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist mit Stimmenmehrheit geschehen. Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit angenommen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

14.31.1213. Punkt

Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2004 (III-283-BR/2005 d.B. sowie 7421/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir kommen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Roth-Halvax. Ich bitte um den Bericht.

 


14.31.56

Berichterstatterin Sissy Roth-Halvax: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2004.

Der vorliegende 28. Bericht stellt die Tätigkeit und Wahrnehmungen der Volksanwalt­schaft vom 1. Jänner bis 31. Dezember 2004 dar.

Dem Berichtsteil über die Ressorts ist ein Grundrechtsteil beigefügt, der die Wahr­nehmungen der Volksanwaltschaft auf dem Gebiet der Gesetzgebung und Vollziehung im Bereiche ausgewählter Grundrechtsmaterien enthält. Legistische Anregungen der Volksanwaltschaft sind am Ende des Berichtes aufgelistet.

Die Gliederung des Berichtes liegt Ihnen allen schriftlich vor.

Bei der Abstimmung im Ausschuss wurde mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen, dem Bundesrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes zu empfehlen.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 2. November 2005 den Antrag, den Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2004 zur Kenntnis zu nehmen.


Präsident Peter Mitterer: Ich bedanke mich.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Reisenberger. Ich darf ihm dieses erteilen.

 


14.32.38

Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Wir behandeln heute den Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 92

Jahr 2004. Lassen Sie es mich so sagen: Wir beraten über die Tätigkeit einer Erfolgs­einrichtung unserer Bundesverfassung.

Wie man dem Allgemeinen Teil des Berichtes entnehmen kann, ist der Geschäftsanfall im Jahr 2004 gegenüber dem Jahr 2003 wieder gestiegen. Im Kalenderjahr 2004 wur­de die Volksanwaltschaft in 16 189 Fällen in Anspruch genommen. In 6 502 Fällen wurde ein Prüfungsverfahren eingeleitet. Schon diese nackten Zahlen geben die Be­deutung der Volksanwaltschaft wohl eindeutig wieder.

Aber, meine Damen und Herren, hinter diesen Zahlen stehen Schicksale unserer Bür­gerinnen und Bürger: abgeschlossene Verfahren, wo sich Bürger von der Verwaltung schlecht oder ungerecht behandelt, unter Druck gesetzt fühlen und wo die letzte Hoffnung eben der Gang zur Volksanwaltschaft ist.

Interessant ist auch, wie sich die Beschwerden beispielsweise im Bereich des Bundes verteilen. Die Hitparade führt das Bundesministerin für Justiz mit 986 Prüfverfahren an. Damit ist ein Viertel aller Prüfungsverfahren im Bereich des Bundes gegen Aktivitäten der Justiz eingeleitet worden. Dies macht schon betroffen, da es gerade Bürgerinnen und Bürger sind, die das Recht suchen und die dieses Recht nicht erhalten oder die zumindest glauben, es nicht zu erhalten.

Ich denke, nein, ich bin überzeugt davon, dass hier Aktivitäten zu setzen sind. Bei al­lem Respekt gegenüber der Unabhängigkeit der Justiz: Auch die Justiz hat zu dienen, nämlich den Bürgerinnen und den Bürgern!

Es ist in einem Rechtsstaat und in einem reichen Staat wie Österreich unakzeptabel, dass Bürgerinnen und Bürger durch eine überlange Verfahrensdauer jahrelang warten müssen, um zu ihrem Recht zu kommen. Man hat manchmal das Gefühl, dass eine Sache ausgesessen und gewartet wird, dass sie sich vielleicht doch von selbst erledigt. Da sind bei Wahrung der Unabhängigkeit der Richterschaft alle Anstrengungen zu unternehmen, diesen unzumutbaren Zustand abzustellen.

Etwas abgeschlagen, aber dennoch mit einer prägnant hohen Zahl von Prüfverfahren vertreten ist das Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsu­mentenschutz. Ich möchte hier ein Beispiel herausnehmen.

Sehr viele BürgerInnen haben sich wegen Verfahrensverzögerungen in der Pensions­versicherungsanstalt bei der Volksanwaltschaft beschwert. Wie dem Bericht zu entneh­men ist, ist es in Zusammenarbeit von Volksanwaltschaft und den Pensionsversiche­rungsträgern gelungen, Verfahrensbeschleunigungen zu erzielen. Es ist eine Tendenz zur Verkürzung der Verfahren festzustellen, die aber noch immer unbefriedigend ist.

Ich möchte mich aber hier dafür bedanken, dass die Volksanwaltschaft ihre gesamte Kraft dazu genützt hat, sich für die Menschen, die aus dem Berufsleben in den Lebens­abschnitt Pension wechseln, dahin gehend einzusetzen, dass das Verfahren zur Zuer­kennung der Pension möglichst rasch durchgeführt wird.

Was mir zu denken gibt, ist die Statistik – auf Seite 18 können Sie das nachlesen –, die die Beschwerdehäufigkeit nach Bundesländern darstellt. Da gibt es große Abweichun­gen. In den Ballungszentren werden demzufolge viel mehr Beschwerden eingereicht als auf dem Land.

Ich nehme an, dass die BürgerInnen im ländlichen Gebiet nicht so viel glücklicher mit ihrer Verwaltung sind als jene in den Städten oder in den großen Ballungsräumen. Ich würde daher die Volksanwälte ersuchen, kurz Auskunft darüber zu geben, auf welche Umstände die Volksanwaltschaft diese Differenzen zurückführt.

Sollte es tatsächlich zu massiven Schwankungen zwischen Ballungszentren und den ländlichen Regionen gekommen sein, spreche ich als Bundesrat mich dafür aus, dass


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 93

gerade in den ländlichen Regionen eine Bewerbung der Volksanwaltschaft und ein Be­kanntmachen ihrer Leistungen und ihrer Aufgaben stattfinden soll.

Schließlich möchte ich mich noch recht herzlich dafür bedanken, dass der Grund­rechtsteil nun zu einem fixen Bestandteil der jährlichen Tätigkeitsberichte der Volks­anwaltschaft geworden ist.

Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, das Grundrechtsbewusstsein der BürgerInnen, aber auch der Verwaltung selbst zu schärfen. Den BürgerInnen sollten ihre Rechte be­kannt sein und die Verwaltung hat die Grundrechte einzuhalten.

Gerade in sensiblen Bereichen, dort, wo der Staat mit Einsatz von Gewalt handelt, ist das Grundrechtsbewusstsein von besonderer Bedeutung. Ich möchte einen konkreten Fall ansprechen. Ich ersuche das Bundesministerium für Inneres, seine Beamtinnen und Beamten nachweislich so gut und bewusst in Menschenrechtsfragen zu schulen und zu unterrichten, dass gewisse bedauernswerte Situationen, in denen Menschen Schaden an ihrer Gesundheit nehmen oder sogar ihr Leben verlieren, in Zukunft nicht mehr vorkommen können.

Nochmals recht herzlichen Dank für Ihre Arbeit, meine Dame und mein Herr, muss ich in diesem Fall sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere auch dafür, dass sich Ihre Mitarbeiter immer wieder sehr intensiv und sehr freundlich um die Anliegen unserer Bürgerinnen und Bürger kümmern.

Abschließend muss ich doch noch eine kleine Bemerkung loswerden. Trotz aller Be­teuerungen, die Berichte der Volksanwaltschaft rasch zu behandeln, hat es der Natio­nalrat bisher nicht einmal geschafft, Ausschussberatungen durchzuführen. Daran zeigt sich wieder einmal, so glaube ich, der Vorteil eines Zweikammernsystems in Öster­reich. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)

14.38


Präsident Peter Mitterer: Als Nächstem darf ich Herrn Bundesrat Saller das Wort erteilen.

 


14.38.26

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Frau Volksanwältin! Herr Volksanwalt! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zwei Punkte aus dem Bericht herausgreifen, die von allgemeinem Interesse sind. Im Grund­rechtsteil wird das Thema „Besuch in sprengelfremder Schule – unzulässige Überwäl­zung des Schulerhaltungsbeitrages an Eltern“ behandelt.

Dieser Fall ist von allgemeiner Bedeutung, weil über die gesetzlichen Voraussetzungen hinaus sehr oft Vereinbarungen zwischen den Gemeinden getroffen werden. In Öster­reich gilt grundsätzlich das Prinzip der Schulgeldfreiheit an öffentlichen Schulen – egal, welche sozialen oder finanziellen Hintergründe die Betroffenen haben –, um im Inter­esse der Chancengleichheit die bestmögliche Ausbildung zu gewähren. Jede Verein­barung, die diese Freiheit umgeht, widerspricht den Rechtsvorschriften.

Es treffen hier zwei Dinge aufeinander: einerseits die Frage des Privatrechtes. Die Eltern sagen sich, ich schicke mein Kind in eine andere Schule, weil es dort für mein Kind am besten ist. Ich habe das Recht dazu.

Parallel dazu stellt sich die Frage des öffentlichen Rechts. Öffentliche Schulen sind als unselbständige Anstalten öffentlichen Rechts anzusehen. Dazu gehört auch das Recht auf unentgeltlichen Schulbesuch.

Zwei weitere Dinge treffen aufeinander: auf der einen Seite die Situation der Gemein­den – die Berechenbarkeit für Investitionen: Wie viele Schüler sind in der Schule zu erwarten?; das ist durch den verpflichtenden Schulsprengel vorauszusehen – und auf


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 94

der anderen Seite die Situation der Eltern, wo es vorkommt, dass manche in einer anderen Gemeinde bessere Voraussetzungen finden und es fallweise, wie wir wissen, zu Scheinanmeldungen kommt, wobei Verwandte herangezogen werden und man den Schüler dort anmeldet, sodass er dann das Recht hat, dort in die Schule zu gehen. Das wird sehr oft so praktiziert.

Verwaltungsrechtliche Verträge sind nur auf ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage möglich. Es gibt daher keinen Verzicht auf Schulgeldfreiheit.

Zweiter Punkt – das hat auch mein Vorredner schon angeschnitten –: Unter Punkt 11.1.1.3 stellt die Volksanwaltschaft erneut beträchtliche Verfahrensverzögerun­gen bei der Pensionsversicherungsanstalt fest. Dazu muss man sagen: Es sind deut­liche Verbesserungen eingetreten. Es ist noch nicht ausreichend und zufrieden stel­lend, aber es sind doch sehr wesentliche Verbesserungen. Es wird seitens der Versi­cherungsanstalt empfohlen, zwei bis drei Monate vor dem gewünschten Antritt das An­suchen abzugeben. Es geht natürlich viel schneller, wenn einige wichtige Dinge erfüllt werden, und zwar dann, wenn zum Beispiel die Wehrdienstzeiten gespeichert sind, wenn die Kindererziehungsanrechnungszeiten genau vorliegen und wenn Daten aus der Zeit vor 1972 zur Verfügung stehen, weil es erst ab da eine computermäßige Da­tenerfassung gibt und die älteren Daten händisch eingetragen werden müssen.

Schwierigkeiten bereiten nach wie vor Pensionsansprüche, die man im Ausland er­worben hat, weiters die Mehrarbeit, die von der Fusionierung der Anstalten herrührt, und natürlich insbesondere geburtenstarke Jahrgänge, bei denen vor 1972 Leistungen erbracht wurden.

Ich stelle abschließend fest: Die Volksanwaltschaft ist eine wichtige und unverzichtbare Anlaufstelle für die Bevölkerung. Ich möchte daher auch meinen Dank für diesen um­fassenden Bericht aussprechen. (Beifall bei der ÖVP und des Bundesrates Dr. Böhm sowie Beifall bei Bundesräten der Grünen.)

14.42


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Schenn­ach. Ich darf ihm das Wort erteilen.

 


14.42.59

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Ich glaube, es gibt selten eine Institution, eine Einrichtung dieser Republik, die in den Augen der Bevölkerung so unumstritten ist wie die Volksanwaltschaft. Dazu hat Ihre Tätigkeit wesentlich beigetra­gen.

Wenn man Ihren Bericht über das Jahr 2004, den Sie dem Nationalrat und dem Bun­desrat vorgelegt haben, durchblättert beziehungsweise wenn man darin liest, sieht man, dass eine große Zahl von verzweifelten Bürgerinnen und Bürgern bei Ihnen quasi die letzte Möglichkeit, Hilfe zu bekommen, sieht und sich an die Volksanwaltschaft wendet. Einige dieser Fälle – es können ja nur einige sein – werden von Ihnen auch öffentlich präsentiert, und diese öffentliche Präsentation hat auch Auswirkungen auf die Verwaltung, auf die Behörden, denn niemand möchte von Ihnen – das ist jetzt nicht böse gemeint – vor die Fernsehkamera gezerrt werden. (Heiterkeit.)

Wenn in Behördengesprächen das Wort „Volksanwaltschaft“ fällt, so hat das schon eine abschreckende Wirkung dahin gehend, dass sich die Behörden den Fall gleich zweimal anschauen beziehungsweise genau durchschauen.

Meine Damen und Herren! Wenn man sich diese Einzelfälle – und um Einzelfälle geht es vielfach –, in Folge derer eigentlich der Gesetzgeber Handlungen setzen sollte und


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 95

die entsprechenden Verordnungen adaptiert werden sollten, vor Augen führt, dann kann man sich die Verzweiflung der Betroffenen gut vorstellen.

So hat zum Beispiel eine Frau aus Zaire in Österreich neun Jahre – mittlerweile war sie schon mit einem Österreicher verheiratet – auf die Erledigung des Asylverfahrens, das dann übrigens positiv erledigt wurde, gewartet. In diesen neun Jahren durfte sie keiner Beschäftigung nachgehen und konnte auch ihre Niederlassung nicht verfesti­gen. Ich betone: Neun Jahre! Das Asylverfahren wurde dann, wie bereits erwähnt und auch dem Bericht der Volkanwaltschaft zu entnehmen, positiv erledigt.

Oder: Es musste jemand sechseinhalb Jahre auf die Zuerkennung einer Waisenrente warten.

Oder: In Tirol wartet jemand schon seit vier Jahren auf eine Entschädigung. – Wenn es im Bericht heißt: Bis heute gibt es keine Entscheidung!, und 2004 Redaktionsschluss war, so kann es möglich sein, dass es auch jetzt noch keine Entscheidung gibt und diese Person nun schon seit fünf Jahren auf diese Entschädigung wartet.

Oder: Weitergabe sensibler Gesundheitsdaten. – Das wird im Grundrechtsteil Ihres Be­richtes angeführt.

Oder: Wie geht es einer Person und an wen wendet sich diese Person, der nach 13 Jahren Bezug einer Witwenversorgung diese über Nacht um zwei Drittel – um zwei Drittel! – gekürzt wird? – Auch diese Person hat bei Ihnen Aufnahme gefunden, Zu­spruch gefunden. Diese Ihre Tätigkeit ist daher sehr wichtig.

Aufgefallen ist mir an Ihrem Bericht ein besonders hervorgehobenes Kapitel – darüber muss, wie ich meine, der Gesetzgeber noch nachdenken –, und das ist jenes Kapitel, in welchem Sie über die unzureichende Hilfe für die Opfer von Verbrechen sprechen. Das, was Sie da eingerahmt haben, ist meiner Meinung nach als besonders dringender Appell zu verstehen. Ich fasse das auch so auf und kann von meiner Seite sagen – aber ich hoffe, im Namen aller hier sprechen zu dürfen –, dass wir den Appell der Volksanwaltschaft betreffend die unzureichende Information von Verbrechensopfern gar nicht ernst genug nehmen können. Da besteht ganz offensichtlich für uns als Ge­setzgeber Handlungsbedarf.

Ich könnte jetzt noch sehr lange reden, etwa zur „Chefarztpflicht neu“ und so weiter, zu all den Themen, die Sie hier angeschnitten haben, möchte es aber bei dem Gesagten belassen.

Ich danke Ihnen namens meiner Fraktion, und ich darf Ihnen, nehme ich an, auch im Namen aller Mitglieder des Bundesrates danken für Ihre Tätigkeit, dafür, dass Sie den Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern das Gefühl vermitteln, dass da jemand ist, an den sie sich tatsächlich wenden können, jemand, der ihre Anliegen prüft, ihnen nach­geht und dem Nationalrat und Bundesrat darüber berichtet und aufzeigt, wo ein Rege­lungsbedarf besteht, wo durch mangelhafte gesetzliche Grundlagen Härtefälle entste­hen, wo Behördenunzuständigkeiten Verfahren zum Nachteil der Betroffenen unendlich in die Länge ziehen.

Für all diese Tätigkeiten danken wir Ihnen und hoffen, dass wir bald auch nachweisen können, dass wir Anregungen, die Sie in Ihrem jüngsten Bericht gemacht haben, auf­gegriffen und auch von gesetzgeberischer Seite her einer positiven Regelung zugeführt haben. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Dr. Böhm.)


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 96

14.49


Präsident Peter Mitterer: Als Nächsten darf ich Herrn Bundesrat Dr. Böhm an das Rednerpult bitten.

 


14.49.24

Bundesrat Dr. Peter Böhm (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Einmal mehr – von meiner Seite heute im Bundesrat ein letztes Mal – ist der heute bereits rechtsstaatlich unverzichtbaren, so bürgernahen wie engagierten Arbeit der Volksan­waltschaft höchster Dank, Anerkennung und Respekt auszusprechen.

Wenn Ihren, aus Ihrer praxisbezogenen Tagesarbeit erwachsenen rechtspolitischen Anregungen bis heute leider vielfach nicht ausreichend entsprochen worden ist – Herr Kollege Schennach hat das auch schon zutreffend angesprochen –, und zwar auch solchen legislativpolitischen Forderungen, die seit mehreren Jahresberichten wieder­holt erhoben wurden, so kann ich das nur bedauern. Da müssen wir uns in beiden Häusern selbstkritisch auf die Brust klopfen. Ich hoffe, dass wir uns da verbessern wer­den.

Aus meinem engeren Tätigkeits-, Wissens- und Erfahrungsbereich im Zivilberuf be­klage ich vornehmlich, dass es unverändert gravierende Missstandsfeststellungen im Bereiche der Justiz gibt; ich stimme da auch mit Kollegen Reisenberger voll überein. Diese bereits in mehreren Debatten im Hohen Haus auf Grund wiederholter Beanstan­dungen in den laufenden Tätigkeitsberichten der Volksanwaltschaft geübte Kritik ist leider nur vereinzelt auf fruchtbaren Boden gefallen.

Eine echte Schwachstelle sehe ich daher nach wie vor im Bereich der Dienstaufsicht seitens der Justizverwaltung, sei es bei institutionellen Vorkehrungen der Prävention, der Ausbildung und der Personalauswahl – und damit meine ich nicht etwa den ominö­sen Psychotest –, sei es bei leider auch nötigen repressiven Maßnahmen, gemeint, echten Sanktionen im Dienst- und Disziplinarrecht in Fällen schwer wiegenden Fehl­verhaltens gerichtlicher Organe. Anders wäre es sonst undenkbar, dass sensible Ge­richtsverfahren überlange dauern, zum Beispiel bei Sorgerechts- und Besuchsrechts­streitigkeiten im familiären Bereich, bei Erbrechtsstreitigkeiten oder sogar bei Unter­haltsrechtsstreitigkeiten, die für die anspruchsberechtigten Personen zweifellos eine existentielle Bedeutung haben. Mehrfach wurde Österreich in dieser Richtung bereits vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention, namentlich des Artikels 6, bescheinigt, der eine angemessene Verfahrensdauer garantiert.

Im gegenwärtigen Jahresbericht wird unter anderem von einem Obsorgestreit berich­tet, der fünfeinhalb Jahre lang dauerte und damit endete, dass das arme mehrfach hin und her geschobene Kind irreversibel verkrüppelte Füße hatte, und das, obwohl der Vater Facharzt für Orthopädie war.

Ein anderer einschlägiger Obsorgestreit dauerte sechs Jahre. Es war dies der spekta­kuläre Fall von Großgmain, der auch durch die Zeitungen ging, wo es sogar zu einer gewaltsamen Übergabe des Kindes kam, und zwar in einer Weise, wie man das nicht vollziehen kann. Zum Glück wurde das auch im Justizministerium zum Anlass genom­men, sich da andere Ausbildungen der Gerichtsvollzieher und überhaupt andere Maß­nahmen, bis hin zur Einrichtung eines Kinderanwalts, zu überlegen.

Erneut plädiere ich daher angesichts dieser Lücken und Defizite im Bereich der Dienst­aufsicht für die rechtspolitische Forderung der Volksanwaltschaft, ihr die prozessuale Legitimation für einen Fristsetzungsantrag im Sinne des § 91 Gerichtsorganisations­gesetz einzuräumen, denn entgegen der Besorgnis des Bundesministers für Justiz und der Richterschaft wäre das meines Erachtens durchaus keine Durchbrechung des Grundsatzes der Gewaltenteilung, denn die Antragsbefugnis ist ja keine Entschei­dungsbefugnis. Stets hätte das zuständige Gericht höherer Instanz darüber zu befin­


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den, ob der Fristsetzungsantrag berechtigt ist, das heißt, eine sachlich unangemes­sene Verfahrensverzögerung vorliegt. Die Rechtsanwälte als Parteienvertreter machen von diesem Rechtsbehelf aus psychologisch nachvollziehbaren, wenn auch sachfrem­den Gründen kaum Gebrauch. Mit einer Antragslegitimation der Volksanwaltschaft wäre folglich eine letzte tatsächliche Lücke im österreichischen Rechtsschutzsystem geschlossen.

Abschließend: Alles in allem erachte ich aber den aktuellen Bericht der Volksanwalt­schaft für durchaus erfreulich, das sowohl deshalb, weil die Volksanwaltschaft wieder einmal hervorragende Arbeit im Dienste des rechtsuchenden Bürgers geleistet hat, als auch deshalb, weil die Vollziehung der Gesetze durch die österreichischen Behörden und Gerichte im Allgemeinen – Ausreißer und die heute schon angesprochenen Schwachstellen ausgenommen –, und zwar auch im internationalen Vergleich gese­hen, sachgerecht und effizient funktioniert.

Mein Lob gilt auch dem Abschnitt über die Wahrung der Grundrechte, dem Grund­rechtsteil, obwohl man gewiss auf diesem Gebiet nie ganz zufrieden sein kann, denn jeder einzelne Verstoß auf diesem Gebiet ist einer zu viel.

Mit voller Zustimmung nehmen wir Freiheitliche diesen Bericht der Volksanwaltschaft dankend zur Kenntnis. Da ich selbst letztmals namens meiner politischen Gruppierung dazu Stellung nehme, wünsche ich allen Volksanwälten weiterhin ihrem so engagierten Einsatz entsprechendes Gelingen ihres Wirkens zum Wohle unserer Bürger. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

14.55


Präsident Peter Mitterer: Ich darf als nächstem Redner Herrn Bundesrat Ing. Kampl das Wort erteilen.

 


14.56.02

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Es wurden 2003 laut Bericht der Volksanwaltschaft 15 587 Fälle an die Volksanwaltschaft herangetragen. 2004 waren es um 3 Prozent mehr, nämlich 16 189 Fälle. Es gab 10 745 Beschwerden betreffend die Verwaltung, und in 6 502 Fäl­len wurde ein Prüfungsverfahren eingeleitet. In 4 107 Fällen ist bezüglich Bundesver­waltung noch sehr viel offen. In 2 395 Fällen waren Landesregierung und Gemeinde­verwaltung zuständig.

Die Aufteilung der Arbeiten erfolgt bezüglich Prüfverfahren nach Schwerpunkten. Auf Volksanwalt Dr. Peter Kostelka entfallen 2 347 Fälle, auf Volksanwältin Rosemarie Bauer 1 818 Fälle, auf Volksanwalt Mag. Ewald Stadler 2 337 Fälle. Dank dafür an alle drei verantwortlichen Volksanwälte!

Dank aber auch an die Volksanwälte dafür, dass sie bereit sind, im Rahmen einer ORF-Sendung so manchen Fall für uns und für die Öffentlichkeit nachvollziehbar zu bringen. Damit wird auch eine große Wertschätzung der Volksanwaltschaft erlangt.

Sehr interessant im Prüfbericht sind die großen Unterschiede bezüglich Beschwerde­häufigkeit unter den Bundesländern. Da sollte man auch einmal nachfragen. Während es in Wien pro 1 000 Bürger 123 Beschwerden gab, waren es in Tirol pro 1 000 Bürger 40 Beschwerden, also weitaus weniger. Kärnten lag mit 84 Beschwerden pro 1 000 Einwohner im Mittelfeld. Dem Bundesland Kärnten kommt zugute, dass von Landeshauptmann Dr. Jörg Haider vor fünf Jahren ein Bürgerbüro eingerichtet wurde. Das Bürgerbüro, eine bürgernahe Beschwerdestelle der Landesregierung, hat sehr große Beliebtheit gewonnen. Es wird täglich von 30 bis 40 Personen besucht. Es gibt dort täglich bis zu 100 Telefonate, und täglich treffen dort bis zu 100 Briefe ein.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Allen, ob auf Bundesebene oder Landes­ebene, sollten wir für ihren Einsatz unseren Dank aussprechen. Es ist nur schade, dass sich die Entwicklung ausweitet beziehungsweise die Zahl der Beschwerdefälle zunimmt. Man ist eigentlich der Meinung, dass wir in einer Demokratie leben, wo die Gemeindeverwaltung, die Landesverwaltung und die Bundesverwaltung sehr effizient arbeiten und wo die Kommunikation immer besser wird und die Verfahren immer kür­zer werden, aber man muss zur Kenntnis nehmen, dass das Menschliche immer mehr auf der Strecke bleibt. Daher gilt allen, die große Verantwortung in dieser Tätigkeit getragen und viel geleistet haben, ein herzliches Dankeschön. (Beifall des Bundesrates Dr. Böhm und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.59


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Volksanwalt Dr. Kostelka. Ich darf ihm das Wort erteilen.

 


14.59.36

Volksanwalt Dr. Peter Kostelka: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich darf vor allem auf die Bemerkung des Herrn Bundesrates Schennach zum Verbrechensopfergesetz eingehen und da aus Sicht der Volksanwalt­schaft nachlegen.

Dieses Gesetz ist Mitte der siebziger Jahre als Begleitmaßnahme zur damaligen Straf­rechtsreform entstanden und war mit Sicherheit vor 30 Jahren ein modernes Gesetz – oder damals wahrscheinlich sogar das modernste Gesetz Europas. Mittlerweile hat sich aber die Zeit darüber hinwegentwickelt, und es ist notwendig geworden, diese Frage der Behandlung der Verbrechensopfer seitens der öffentlichen Hand auf ein europäisches Niveau zu bringen, das das derzeitige Verbrechensopfergesetz nicht mehr hat.

Staaten, die damals keine derartige vergleichbare Regelung hatten – wie die Bundes­republik Deutschland oder die Schweiz –, haben jetzt wesentlich modernere, dem Bür­ger wesentlich mehr unter die Arme greifende Regelungen. In diesem Zusammenhang sei auch darauf verwiesen, dass das letztendlich das Ergebnis des Umstandes ist, dass der Staat nicht nur die Strafverfolgung, das Gewaltmonopol in Anspruch nehmen soll, sondern auch den Opfern einer ausgeübten Gewalt zur Seite stehen soll.

In diesem Zusammenhang ist zwar anzuerkennen, dass durch die jüngste gesetzliche Maßnahme – auch mit Zustimmung dieses Hauses – das Verbrechensopfergesetz in die Hoheitsverwaltung übernommen worden ist, aber eine Reihe von Wünschen ist immer noch offen.

Nach wie vor langen relativ viele Beschwerden darüber ein, dass es keine entspre­chende Information für Verbrechensopfer über Anlaufstellen gegeben hat – teilweise über Jahre hinweg! –, obwohl im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist, dass sowohl die Justiz als auch die Exekutive eine solche Belehrung über die Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz vorzunehmen haben.

Es wird auch nicht als verständlich empfunden, dass in diesem Bereich nicht zumin­dest in Teilen Schmerzengeld gezahlt werden kann, dass kein Sachschaden ersetzt werden kann und dass es keine Übernahme der Prozesskosten gibt, obwohl Verbre­chensopfer in vielen Fällen auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden – mit all den Risiken, die es in diesem Zusammenhang gibt. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Daher noch einmal mit allem Nachdruck: Eine Modernisierung, eine zeitgemäßere Ge­staltung dieses Rechtsgebietes wäre notwendig. Herr Bundesrat Böhm, wie haben Sie


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doch Recht: Die Volksanwaltschaft hat im Bereiche der Gerichtsbarkeit leider keine Zuständigkeiten. Ich sage in diesem Kreise ganz offen: So sehr die Justiz in der Lage ist, das Selbstreinigungssystem bei den höheren Instanzen entsprechend einzusetzen, so wenig ist die Justiz in der Lage, in der ersten Instanz, bei Richterinnen und Richtern Richter, die begriffen haben, dass sie in dieser Instanz bis zum Ende ihrer Tage ver­bleiben werden, entsprechende Maßnahmen zu setzen.

Der Bürger ist in diesem Zusammenhang den Justizorganen teilweise hilflos ausgelie­fert. Es sind wenige Fälle, aber – das sage ich Ihnen aus Erfahrung – Fälle von einer Intensität, wie sie in der allgemeinen Verwaltung kaum mehr vorkommen würden. Da wäre, glaube ich, eine externe Kontrolle – wie die der Volksanwaltschaft – durchaus sinnvoll.

Letzte Bemerkung aus meiner Sicht, in aller Deutlichkeit: Wir wollen keinen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit. Es geht nur darum, dass wir Anträge stellen können, denn, meine Damen und Herren, wenn Sie in einem Bezirksgerichtsbereich leben, in dem es fünf Richter und acht oder neun oder zehn Anwälte gibt, dann muss der An­walt mit den Richtern „können“ – wie man in Österreich so schön sagt –, und stellt daher keinen Ablehnungsantrag und in der Regel auch keinen Fristsetzungsantrag.

Diese Anträge zu stellen und eine richterliche Entscheidung herbeizuführen wäre durchaus eine Aufgabe der Volksanwaltschaft! (Allgemeiner Beifall.)

15.04


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Frau Volksanwältin Bauer. – Bitte.

 


15.04.13

Volksanwältin Rosemarie Bauer: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Kollege Kostelka! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich für die lobenden Worte und nehme sie gerne stellvertretend für unseren Vorsitzenden, Kollegen Stadler, mit in unser Haus. Die Mitarbeiter freuen sich sicher, und sie haben sich dieses Lob auch verdient.

Es wurde seitens des Herrn Bundesrates Reisenberger der ländliche Raum angespro­chen. Es ist ihm aufgefallen, dass es in Ballungszentren viele Beschwerden gibt, im ländlichen Raum hingegen nicht.

Ich will jetzt nicht belehrend wirken – ich weiß, ich habe das auch im Vorjahr gesagt –, möchte aber darauf hinweisen, dass ich durch unsere interne Geschäftsteinteilung Landesvolksanwältin von sieben Bundesländern bin, weil in diesen sieben Bundeslän­dern die Volksanwaltschaft damit beauftragt ist, die Gemeinde- und Landesverwaltung zu prüfen. Da gibt es eigene Berichte an die Länder. Zwei Bundesländer, Tirol und Vor­arlberg, haben jeweils einen eigenen Landesvolksanwalt, die auch eigene Berichte an die Länder vorlegen.

Ich meine, als Bundesrat befindet man sich in einer Vermittlungssituation – sowohl in den Landesgremien als auch hier im Bund –, und daher ist mir Folgendes ein persön­liches Anliegen: Ich würde Sie wirklich bitten zu versuchen, über die Landtagsklubs zu diesen Berichten zu kommen, weil ich meine, dass sie von ganz besonderer und zent­raler Bedeutung für Abgeordnete und Bundesräte sind.

Wir von der Volksanwaltschaft brauchen Sie als Verbündete, und wir brauchen Sie auch unter Umständen als Umsetzende oder als Sich-Einschaltende. Es ist auch er­laubt, dass sich ein Bundesrat oder ein Abgeordneter dieses Hauses oder eines Land­tages in verschiedenen Fragen an uns wendet, was ja auch passiert. Da werden dann die Fälle im ländlichen Raum aufgezeigt.


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Erlauben Sie mir eine persönliche Bemerkung: Sie haben über die Statistik gespro­chen – vor allem Herr Bundesrat Kampl. Wir haben nach wie vor zwischen 16 000 und 17 000 Anbringen.

Es bereitet uns aber besondere Sorge – ich möchte das hier ansprechen –, dass wir zwar sehr viele Anbringen haben, dass aber letztendlich die Effizienz und die Substanz nachlassen. Die Fragen, die wir uns stellen, sind jetzt: Ist die Verwaltung um so viel besser geworden? Ist es tatsächlich so, dass es weniger Fälle gibt? Wie kommen wir noch besser an die Menschen heran?

Ich glaube, dass wir durch unsere Sendung, die hier auch angesprochen wurde, sehr nahe an die Menschen herankommen und sie auch motivieren können, sich an uns zu wenden. In aller Offenheit: Kollege Schennach hat ja schon ein bisschen schelmisch, glaube ich, gesagt (Bundesrat Schennach: Schelmisch?) – ja, schelmisch! –, dass er meint, dass durch die Fernsehfälle, die wir vorzeigen, natürlich auch ein gewisser Lö­sungsdruck entsteht (Bundesrat Schennach: Ja, sicher! Das ist nicht schelmisch!), und ich gestehe ganz offen, genau das erwarten wir uns auch. (Beifall der Bundesräte Konecny, Dr. Böhm und Schennach. Bundesrat Schennach: Ja, gut!)

Jeder von uns hat seine eigene Amtseinstellung, aber ich spekuliere natürlich bei mei­nen Fällen – Raum- und Bauordnungssachen – auch genau damit. – Das sage ich offen. Andererseits suche ich die Fälle schon danach aus, dass es eine Sendung ist, bei der auch der Zuseher etwas lernen kann, denn es kann ja auch der Bürger oder die Bürgerin Fehler machen. Darauf soll aufmerksam gemacht werden. Das heißt, wir schlagen da gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe.

Es ist tatsächlich so, dass durch diese Veröffentlichung ein gewisser Druck entsteht, aber mir ist es besonders wichtig – und das möchte ich auch sagen –, dass dabei die Verwaltung, aber auch der einzelne Bürger etwas lernt, und schließlich gewinnen auch wir aus vielen dieser Fälle Erkenntnisse. – So viel dazu. (Bundesrat Schennach: Ich würde mir niemals erlauben, eine Volksanwältin zu unterbrechen, aber in dem Fall zei­gen diese Fälle, dass Sie nicht das Salzamt sind, und das ist sehr wichtig!) – Das freut uns sehr! Es freut uns in besonderem Maße, dass wir das in dem Bereich aufzeigen können.

Jetzt noch etwas aus meiner persönlichen Erfahrung: Mir fällt auf, dass im ländlichen Raum, der hier angesprochen wurde, die Verwaltung näher am Bürger ist. Das muss man natürlich auch offen sagen: Je näher die Verwaltung am Bürger ist, umso besser sind Lösungen möglich, weil die Behörde, die entscheidet, auch die Situation vor Ort besser kennt. (Bundesrat Ing. Kampl: ... persönlicher, näher!) – Die Personen spielen keine so große Rolle, es ist ja keine Intervention, sondern es soll ja ein Verwaltungs­handeln nach den Rechtsnormen sein. Aber man kennt die Situation, und dadurch ist es natürlich auch leichter, zu Lösungen zu kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe die Bitte, sich für unsere Tätigkeit nicht nur im Bericht zu interessieren, sondern vielleicht auch im Rahmen unserer Sen­dung – jetzt mache ich Eigenwerbung – beziehungsweise auch anderen zu vermitteln, sich diese Fälle anzusehen, denn dann versteht man unsere Arbeit umso besser.

Mir geht es vor allem darum, dass Sie als Bundesräte doch zu den Länderberichten der Volksanwaltschaft kommen, denn auch da haben wir gravierende Wünsche. – Die Grundrechtsfälle sind hier im Parlamentsbericht verankert, aber die anschaulichen Fälle, die wir in den Länderberichten aufzeigen und die Probleme, die dort sichtbar werden, würde ich Ihnen sehr ans Herz legen.


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In diesem Sinne bedanke ich mich noch einmal für das Lob für unser Haus und freue mich über die gute Zusammenarbeit und die hohe Anerkennung, die wir in diesem Gre­mium genießen. (Allgemeiner Beifall.)

15.10


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist somit geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegen­ständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmen­einhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

15.10.5014. Punkt

Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichts­hofes für die Jahre 2003 und 2004, vorgelegt vom Bundeskanzler (III-284-BR/2005 d.B. sowie 7422/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Roth-Halvax. – Ich bitte sie um den Bericht.

 


15.11.09

Berichterstatterin Sissy Roth-Halvax: Im Auftrag des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus berichte ich über die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichts­hofes und des Verfassungsgerichtshofes für die Jahre 2003 und 2004, vorgelegt vom Bundeskanzler.

Die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtsho­fes für die Jahre 2003 und 2004 wurden vom Bundeskanzler – wie auch schon für die Jahre 2001 und 2002 – unter einem vorgelegt.

Die Gliederung der Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfas­sungsgerichtshofes liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ebenso wie die Beilage 1 und die Beilage 2.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 2. November 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für die Jahre 2003 und 2004, vorgelegt vom Bundeskanzler, zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Bevor wir in die Debatte eingehen, begrüße ich den Vizepräsidenten des Verwaltungs­gerichtshofes, Herrn Universitätsprofessor Wolfgang Pesendorfer, recht herzlich. (All­gemeiner Beifall.)

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Lindinger das Wort. – Bitte.

 


15.12.40

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Herr Vizepräsident! Geschätzte Damen und Herren! Liebe KollegInnen! Vor­erst einmal herzlichen Dank an die Damen und Herren des Verfassungsgerichtshofes


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 102

und des Verwaltungsgerichtshofes für die Erstellung dieser Tätigkeitsberichte für die Jahre 2003 und 2004.

Die Damen und Herren aus den Regierungsfraktionen ersuche ich um Aufmerksam­keit. Es wurde gerade der Bericht der Volksanwaltschaft so gelobt, und das verstehe ich auch, weil er sehr umfassend war. Ich ersuche aber auch, den Bericht des Ver­fassungsgerichtshofes auf diese Weise zu betrachten, in dem an der Regierung, aber auch am Nationalrat Kritik geübt wird, der Gesetze beschließt, die nicht nachvollzieh­bar sind.

Ich konzentriere mich nicht auf statistische Daten, sondern gehe auf Formulierungen und auf Feststellungen ein, die der Verfassungsgerichtshof – genauso wie der Verwal­tungsgerichtshof – in seinem umfassenden Bericht gemacht hat.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Tätigkeitsbericht scharfe Kritik an der For­mulierung mancher Gesetze geübt, deren – wie es wortwörtlich im Bericht heißt – „Sys­tematik nur mit Mühe zu durchschauen und deren Sinnermittlung nicht zuletzt deshalb schwierig ist, weil in den anzuwendenden Rechtstexten die Regeln der Grammatik“ – also dürfte niemand von denen, die die Gesetze machen, Grammatik beherrschen – „und sonstige Prinzipien der deutschen Sprache gröblichst missachtet werden“. (Bun­desrat Dr. Böhm: Leider wahr!)

Das heißt, dass jene Damen und Herren, die an der Ausarbeitung von Gesetzen betei­ligt sind, die oft sehr rasch gemacht werden und dann wieder vom Verfassungsge­richtshof aufgehoben werden, eigentlich der deutschen Sprache und auch der Gram­matik nicht mächtig sind. – Das ist hier in diesem Bericht bestätigt.

Dann heißt es wörtlich: „mangelnde sprachliche Präzision und überlange Sätze mit ineinander verstrickten Gedanken“. – Diese ineinander verstrickten Gedanken dürften vielleicht bei den Debatten in den Ausschüssen entstehen, wo man nur darüber nach­denkt, wie man schnell ein Gesetz durchziehen kann und wie man bei manchen Geset­zen rasch über die Bevölkerung drüberfährt, nur um dem Staatsbürger so schnell wie möglich das Geld aus der Tasche ziehen zu können. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Das ist hier in diesem Bericht bestätigt worden, geschätzte Damen und Her­ren!

Ebenso sind den Verfassungshütern „die kaum durchschaubare[n] Verweisungsketten und die häufige Novellierung mancher Gesetze mit zum Teil rückwirkendem Inkrafttre­ten“ ein großer, spitzer Dorn im Auge.

Es soll aber zum Beispiel auch nicht mehr vorkommen, dass ein Gesetz – wie das, das wir heute hier einhellig beschlossen haben, nämlich die Änderung des Passgesetzes – zum Beispiel am 19. Oktober im Nationalrat beschlossen wird, und am 21. Oktober wird vom Bundesministerium für Inneres schon bekannt gegeben, dass dies beschlos­sen ist. (Bundesrat Mayer: ... drei Tage ...!) – Da wurde der Bundesrat missachtet, denn das Bundesministerium teilte mit, dass das Gesetz beschlossen ist. – Es ist aber noch nicht beschlossen!

Das Ministerium schreibt auch, dass es erst später verlautbart wird. Solche Mitteilun­gen der Bundesministerien sollten in Zukunft nicht mehr stattfinden. – Das entnehme ich dem Bericht des Verfassungsgerichtshofes.

Der Verfassungsgerichtshof spricht in seinem Bericht auch an, dass viele Rechtsbe­reiche, vor allem aber das Sozialrecht und das Energierecht von legistischen Unzu­länglichkeiten betroffen sind.

Der Verfassungsgerichtshof regt auch an – und zwar dringend! –, der legistischen Aus­arbeitung künftig erhöhtes Augenmerk zuzuwenden, das heißt, entweder die Mann­


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schaften zu wechseln, die in den Ministerbüros arbeiten, oder sich die Gesetze ordent­lich zu überlegen und vielleicht auch mit manchen Gesetzen in die Begutachtung zu gehen, was auch nicht mehr die Praxis ist.

In dem Bericht steht weiters, dass es mehrere Fälle gegeben hat, in denen zwischen der Aufhebung eines Gesetzes beziehungsweise einer Verordnung durch den Verfas­sungsgerichtshof und der Kundmachung des Erkenntnisses einige Monate verstrichen sind. Das ist, wie es den Richterinnen und Richtern erscheint, auch nach rechtsstaat­lichen Gesichtspunkten überaus bedenklich.

Konkrete Rügen gehen dabei an Frau Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat, die heute Vormittag hier bei uns war. Sie bekommt vom Verfassungsgerichtshof eine Rüge, dass sie rechtsstaatlich überaus bedenkliche Handlungen setzt. Verkehrsminis­ter Hubert Gorbach erhält die gleiche Rüge, und der ehemalige Landeshauptmann von Salzburg, Franz Schausberger, ebenfalls, aber das hat sich ja in der Zwischenzeit erledigt. – Er wird die Rüge sicher nicht mehr in Empfang nehmen. Er schreibt ja der­zeit Bücher. Die Frage wird aber auch bei den beiden anderen, glaube ich, in kürzester Zeit überholt sein, geschätzte Damen und Herren!

Aus den Berichten des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes geht hervor, dass beide Gerichtshöfe überlastet sind. Sie mahnen schon seit einigen Jahren eine Reform und auch mehr Personal ein beziehungsweise durch eine Reform eine erste und zweite Instanz besonders im Bereich des Verwaltungsgerichtshofes, damit unnötige Anträge schon im Vorfeld abgewiesen werden können und man sich nicht in langwierigen Verfahren damit beschäftigen muss.

Es sind einige Gesetze aufgehoben worden, wie aus dem Bericht des Verfassungsge­richtshofes hervorgeht. In den vergangenen Jahren sind von 72 geprüften gesetzlichen Normen 49 teilweise oder zur Gänze aufgehoben worden. Mehr als die Hälfte der gesetzlichen Normen wurde vom Verfassungsgerichtshof wieder aufgehoben, und das spricht wirklich für eine Unzulänglichkeit in den Gremien, in den Ministerien. Das sollte in einem Rechtsstaat nicht vorkommen. Dazu kommt noch, dass diese Normen Teile wesentlicher Gesetze sind; so zum Beispiel des Asylgesetzes, des Krankenkassen-Ausgleichsfonds, des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, Teile des Zivildienst­gesetzes, des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes, der Gewerbeordnung, des Ein­kommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes, des KommAustria-Geset­zes, des Beamten-Dienstrechtsgesetzes.

Geschätzte Damen und Herren! All das wurde vom Verfassungsgerichtshof wieder auf­gehoben, und das bestätigt uns Oppositionsparteien, dass hier eine verfassungsrecht­lich bedenkliche Regierung am Werk ist, die unterstützt wird von Gruppierungen wie etwa Orange-Blau oder wie auch immer, die im Nationalrat auch verfassungsrechtlich bedenkliche Gesetze mit Mehrheit beschließen.

Weil diese Berichte so objektiv sind, werden wir sie sehr gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.22


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.22.24

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssek­retär! Herr Vizepräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte namens meiner Fraktion dem Verfassungsgerichtshof, dem Herrn Vizepräsidenten, weil er persönlich anwesend ist, und dem Verwaltungsgerichtshof unseren Dank aus­sprechen für die viele Arbeit, die in die Berichte eingeflossen ist, die uns Parlamenta­


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riern die Möglichkeit geben, das eine oder andere herauszugreifen und vielleicht doch einer gewissen Würdigung zuzuführen oder andererseits auch einer etwas kritischeren Betrachtung, jetzt nicht in Richtung der Gerichtshöfe, sondern vielleicht allgemeiner Natur, zu unterziehen.

Wenn sich „Deutschprofessor“ Lindinger zum Beispiel über die mangelnden Deutsch­kenntnisse der Legisten und so weiter beschwert, dann stelle ich mir insgeheim die Frage, ob diese vielleicht während der Kreisky-Ära in die Volksschule gegangen sind und die Firnbergsche Universitätsreform über sich ergehen lassen mussten, denn viel­leicht war es früher doch so, dass auf den Universitäten und in den Schulen etwas mehr verlangt worden ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Spaß beiseite!

Wir wissen aus der letzten PISA-Studie, dass das Lesen und das Schreiben nicht die ganz besonderen Stärken unserer Volksschüler sind. Was kann man dagegen tun? – Am besten ist es, Lesen und Schreiben zu üben, zu üben und noch einmal zu üben. Es ist natürlich bei vielen heute nicht mehr so üblich, dass man den Fleiß ein bisschen mehr in den Vordergrund stellt und versucht, eben mehr zu lesen, ordentliche Literatur und nicht nur Triviales. Ich weiß noch aus meiner früheren Zeit beim Bundesheer, wenn ich gelegentlich Aufsätze unserer Grundwehrdiener lesen durfte, was darin an Fehlern und so weiter enthalten war. Daher sollte Lesen und Schreiben wirklich wieder intensiver geübt werden.

Was das Formulieren von Gesetzen betrifft, ist es so: Es gibt Legistikabteilungen in einigen Ressorts, die in der Regel sehr gute Arbeit leisten, und dann gibt es andere, die sich halt auch versuchen. Beim Gesetzemachen ist es aber doch sehr wichtig, dass Spezialisten am Werk sind, und Spezialisten bekommt man auch wieder nur dann, wenn sie entsprechend üben können.

Nun zu den beiden Tätigkeitsberichten. Eines ist beim Verwaltungsgerichtshof festzu­stellen, nämlich dass es von 2003 auf 2004 zu einer Reduktion der Rückstände ge­kommen ist; ich gehe später noch darauf ein. Das ist eine erfreuliche Entwicklung, aber hier sei doch kritisch angemerkt, dass dieser Rückstand für einen Rechtsstaat schlicht und einfach zu groß ist. Ich will jetzt nicht die Schuld in irgendeine Richtung verschie­ben, weil das ja meistens ein längerer Prozess ist, aber hier müsste etwas geschehen.

Das Zweite, was mich wirklich nachdenklich stimmt, ist die Aufhebung wegen Rechts­widrigkeit des Inhaltes. Da kommt in mir so ein dumpfes Gefühl auf, dass für jene, die Bescheide zu erstellen haben, die Ermittlungsverfahren abzuwickeln haben, mehr Schulung notwendig ist. Es ist auch angesichts der Praxis, die schon seit Jahrzehnten besteht, dass nicht immer Juristen die Bescheide machen, zu hinterfragen, ob es viel­leicht nicht doch besser wäre, auf diesem Sektor Juristen einzusetzen, damit, einer­seits was den formellen Bereich betrifft, andererseits was die Gesetzesanwendung be­trifft, einfach bessere, qualitätsvollere Bescheide entstehen.

Eine weitere Beobachtung im Bereich des Verwaltungsgerichtshofes betrifft die dem Sicherheitswesen – wie es dort so schön heißt – zugeordneten Quantitäten. 2 600 Ver­fahren im Jahre 2003 und nicht ganz 2 000 Verfahren im Jahre 2004 bedeuten natür­lich eine unheimliche Belastung des Verwaltungsgerichtshofes, für die er überhaupt nichts kann, sondern das ist etwas, das dort hineingeschwemmt wird.

Aus dem heraus lässt sich sagen, dass doch versucht werden muss, zum Beispiel im Bereich des Sicherheitswesens die Gesetze so zu verfassen und vor allem auch ent­sprechende Filter einzubauen, dass nicht alles zum Verwaltungsgerichtshof getragen wird. Wenn die Verfahrensdauer nämlich zu lange währt, dann könnte es sein, dass der Rechtsstaat ein bisschen – ich will nicht sagen total, aber ein bisschen – in Gefahr ist.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 105

Beim Verfassungsgerichtshof sind, habe ich gesehen, die Rückstände ebenfalls im An­wachsen. Nun wissen wir auf Grund der Verfassung, wie viele Mitglieder dort sind, und es wäre grundsätzlich zu überlegen – aber das geht natürlich nur mit einer Verfas­sungsbestimmung –, was man hier macht: ob man eine Aufstockung der Richterzahl herbeiführt, ob man eventuell nicht immer das Plenum entscheiden lässt, ob man nicht vielleicht doch Senate wie zum Beispiel in Karlsruhe einrichtet oder Ähnliches tut.

Der langen Rede kurzer Sinn: Es ist einerseits der Gesetzgeber gefordert, damit die Höchstgerichte entlastet werden, andererseits sind aber auch die Regierung und Ein­richtungen wie eben Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof gefordert, zu überlegen, was im organisatorischen Bereich getan werden könnte.

Vom Gesetzgeber noch etwas: Der Instanzenzug ist zu hinterfragen. Ist es notwendig, dass zum Verwaltungsgerichtshof fast alles hinaufgezogen werden kann? Im Zivilpro­zessbereich, Professor Böhm wird mir zustimmen, gibt es zum Beispiel eine Art Baga­tellgrenze, es geht einfach nicht alles hinauf. Es wäre im weitesten Sinne zu überlegen, ob man nicht auch im Verwaltungsverfahren Ähnliches machen könnte.

Zuletzt noch einmal herzlichen Dank für die Berichte, sie sind sehr aufschlussreich. Ich sehe mit großem Interesse dem Bericht des Jahres 2005 entgegen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm.)

15.29


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Universitätsprofessor Dr. Böhm. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.30.02

Bundesrat Dr. Peter Böhm (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Vorweg bedanke auch ich mich dafür, dass Sie, Herr Präsident, Herr Professor Pesendorfer, uns erneut die Ehre Ihrer An­wesenheit geben.

Wieder einmal gilt es, auf Grund des aktuellen Tätigkeitsberichtes die unzumutbare Überlastung unserer beiden Höchstgerichte des öffentlichen Rechtes darzustellen. Einige Bemerkungen zu den Zahlen: Von den 6 918 im Berichtsjahr getroffenen Erle­digungen führten 2 768 Fälle zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides; das sind 50,8 Prozent. In 1 711 Fällen wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen, in 980 Fällen wurde schon die inhaltliche Behandlung der Beschwerden abgelehnt, weil sie unzulässig waren.

Somit verblieben 7 700 anhängige Rechtssachen des Beschwerderegisters und 266 anhängige Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. 4 062 Fälle waren demnach länger als ein Jahr anhängig, also 52,75 Prozent; davon 24 Fälle bis 1998, 140 Fälle aus 1999, 365 Fälle aus 2000, 1 577 Fälle aus 2001 und 1 956 Fälle aus 2002.

Die durchschnittliche Erledigungsdauer der 4 489 mit Erkenntnis erledigten Beschwer­den betrug zirka 22 Monate, bei den 15 mit Sachentscheidung erledigten Säumnisbe­schwerden über 22 Monate.

Den Rückstau von 1 021 Akten zu Ende 2000, die länger als drei Jahre anhängig waren, konnte der Gerichtshof auf 529 Akte zu Ende 2004 abbauen. Das bewirkt im Blick auf die Rückstände in ihrer zeitlichen Tiefenstaffelung und die erneut gestiegene durchschnittliche Verfahrensdauer aber noch keinesfalls eine grundlegende Verbesse­rung.

Kurz auch zu den Zahlen für den Verfassungsgerichtshof. 2004 wurden an ihn 1 957 neue Fälle herangetragen; 2 280 Fälle aus früheren Jahren und dem Berichtsjahr


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selbst konnten im gleichen Zeitraum erledigt werden. Unter Berücksichtigung der aus früheren Jahren noch offenen Fälle ergibt sich zu Ende 2004 ein Rückstand von insge­samt 931 unerledigten Rechtssachen.

Was ließe sich institutionell verbessern, um diese extreme Überlastung zu verringern, und zwar zur Sicherung der Qualität der Rechtsprechung, zum Schutze des Höchst­gerichtes und seiner Richter vor Überforderung selbst und nicht zuletzt, um den Be­schwerdeführern früher zu ihrem Recht zu verhelfen? Immer noch gilt ja: Bis dat, qui cito dat – doppelt gibt, wer rasch gibt! Eine noch so richtige, aber zu spät kommende Entscheidung wird von der Lebensrealität überholt.

Was könnte Abhilfe bieten? – Auf der Ebene der Verwaltungsgerichtsbarkeit geht es nach wie vor um die verfassungspolitische Forderung nach der Einrichtung von Lan­desverwaltungsgerichten. Im Österreich-Konvent war das ein nahezu unbestrittenes Anliegen. Das wäre jederzeit, selbst unter den Anforderungen einer verfassungsän­dernden Mehrheit erreichbar – zumindest mit gutem Willen der politischen Akteure – und ohne unsachliche Junktimierungen damit zu verbinden. Zweifellos liegt es aber auch an der Bereitschaft der Länder zur Schaffung dieser Einrichtungen und an einem fairen Finanzausgleich zwischen ihnen und dem Bund, der sich ja dann auch etwas ersparen würde.

Im Bereich der Verfassungsgerichtsbarkeit wäre zweierlei grundsätzlich zu bedenken: Zum einen sollte jene wahrhaft bahnbrechende Bereinigung des österreichischen Ver­fassungsrechtes beschlossen werden, über die ja im Österreich-Konvent Konsens, und zwar parteienübergreifend, erzielt wurde. Oftmals zu Recht – auch heute wieder – wur­den, und zwar vom früheren VfGH-Präsidenten Adamovich sowie vom derzeitigen Prä­sidenten Korinek, legistische Unsitten beanstandet, die wir im Hohen Hause selbst abstellen müssten.

Zum anderen sollte nochmals überdacht werden, ob der Verfassungsgerichtshof hin­künftig im Hinblick auf seinen Anfall eine nicht auf Sessionen beschränkte kontinuier­liche Tätigkeit durch vollbeschäftigte Verfassungsrichter leisten müsste.

So sehr das wünschenswert wäre, müsste uns dabei freilich bewusst sein, dass dann Angehörige bestimmter Berufszweige, insbesondere renommierte Rechtsanwälte, aber auch hoch qualifizierte Richter und Verwaltungsbeamte – wohl auch Universitätspro­fessoren –, gegebenenfalls nicht mehr als Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes ge­wonnen werden könnten.

Hiezu wird also noch einiges zu überlegen sein; auch die angesprochene Frage der Entscheidung in Senaten.

Legislative und Exekutive, Wissenschaft wie auch Praxis – und nicht zuletzt die Mitglie­der der Höchstgerichte selbst – sind dazu aufgerufen, Reformkonzepte zu entwickeln und praktikable Vorschläge zu deren rechtspolitischer Umsetzung zu erstatten.

Den höchst professionell erstellten Bereicht nehmen wir Freiheitlichen jedenfalls mit Dank und Anerkennung zur Kenntnis. – Bei diesen kursorischen Hinweisen muss ich es jetzt aus Zeitgründen bewenden lassen.

Erlauben Sie mir aber noch persönliche Schlussbemerkungen. Im Rahmen meiner letz­ten Rede hier im Hohen Hause möchte ich mich heute von Ihnen verabschieden und tief empfundene Dankesworte aussprechen.

Es war mir eine Ehre und ein persönlicher Gewinn, im Hohen Haus in der zweiten Kammer neun Jahre lang Mitglied gewesen zu sein. Gerade in einer Zeit, in der die verfassungspolitische Frage diskutiert wird, ob es des Bundesrates überhaupt bedarf, habe ich diesem gerne angehört und mich stets bewusst zu ihm bekannt. Ich bin von


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seiner Unverzichtbarkeit, und zwar sowohl unter föderalistischer als auch demokratie­politischer Perspektive, mehr denn je überzeugt. (Allgemeiner Beifall.)

Im Österreich-Konvent bin ich für eine Aufwertung des Bundesrates in Bezug auf seine Aufgaben, seine Kompetenzen, seine rechtzeitige Mitwirkung und Einbindung in die Bundesgesetzgebung und seine Kontrollrechte entschieden eingetreten. Wie immer sein Rechtsstatus künftig auch sein mag: Jedenfalls habe ich heute auch persönlich zu danken, und zwar vielen und für vieles.

Herrn Präsidentem Mitterer danke ich dafür, dass er sein Amt in einer Phase, die für seine und auch meine politische Gruppierung nicht einfach war und ist, so souverän ausübt. – Das möge ihm auch fortan gelingen!

Herrn Vizepräsidentem Jürgen Weiss, der mir inzwischen längst freundschaftlich zuge­tan ist, verdanke ich wichtige Belehrung aus dem Schatz seiner reichen Erfahrung.

Auch Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach ist für ihre stilvolle Haltung und stets auf die Würde des Hauses und den ihr tätigen Personen bedachte Einstellung zu danken, und es ist ihr tiefer Respekt zu zollen.

Ludwig Bieringer, dem langjährigen Obmann der ÖVP-Fraktion, danke ich für die mehr­jährige hervorragende Zusammenarbeit. Auf seine Zusagen konnte ich mich schon damals verlassen, als Kollege Bieringer bereits die Bundesregierung und ich noch eine Oppositionspartei zu vertreten hatte. Dass sich dann im Rahmen der gemeinsamen Arbeit in der Regierungskoalition unsere Zusammenarbeit noch vertieft hat, versteht sich wohl von selbst.

Aber auch dem Fraktionschef der SPÖ, Herrn Professor Albrecht Konecny, und dem später eingetretenen Obmann der Grünen, Stefan Schennach, danke ich neben den in­tellektuell anregenden Kontroversen auch für die weithin gute Zusammenarbeit, wenn­gleich diese zuletzt dadurch überschattet war, dass uns Freiheitlichen kein Fraktions­status mehr zugebilligt wurde, wobei wir selbst diesen den Grünen – eben aus demo­kratiepolitischen Gründen – mit zuerkannt haben.

Ganz besonders danken will ich der Bundesratsdirektion, allen voran Herrn Bundes­ratsdirektor Dr. Walter Labuda, der uns stets mit Rat und Tat hilfreich zur Seite stand – egal ob unserem Präsidenten, unserer Fraktion oder mir selbst.

Auch Frau Dr. Alice Alsch-Harant, die ich stellvertretend für alle übrigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Bundesratsdirektion hervorheben möchte, danke ich aufrichtig.

Meiner Fraktion, ihrem vormaligen Vorsitzenden und Mitgliedern sowie den gegenwär­tigen Mitgliedern danke ich gleichfalls recht herzlich. Nicht immer haben sie es mir in unseren internen Krisen allzu leicht gemacht, vielleicht auch ich ihnen nicht; aber das gehört auch dazu. Viele sind jedenfalls echte Freunde geworden – und es über alle Wirrnisse hinweg geblieben.

Aufrichtiger Dank gebührt auch unserer Betreuung durch die Klubmitarbeiter und -mit­arbeiterinnen, vor allem und nicht zuletzt Herrn Dr. Wolfgang Janele.

Dem Bundesrat, der nach meiner festen Überzeugung als Institution zu Unrecht in Frage gestellt worden ist, wünsche ich künftig die ihm zustehende öffentliche Anerken­nung und ein weiteres erfolgreiches Wirken.

Ihnen allen dafür und auch persönlich alles Gute und viel Glück! (Allgemeiner Beifall.)

15.40


Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Professor Böhm! Fraktionsvorsitzende haben – wie in allen Parlamenten so auch hier – eine wichtige, verantwortungsvolle Aufgabe, die nicht immer einfach ist, in Ihrer Situation naturgemäß nicht immer einfach sein


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konnte. Das vertrauensvolle Zusammenwirken der Fraktionsvorsitzenden ist eine wich­tige Voraussetzung für das Funktionieren des parlamentarischen Betriebes. Dass du dazu auch einen wesentlichen Beitrag geleistet hast, sei dankend vermerkt. Die Zu­sammenarbeit war nicht nur von profunder Sachkenntnis und Sachlichkeit, sondern auch von einem hohen – das mag jetzt etwas altmodisch klingen – Berufsethos getra­gen, dessen Bewahrung wir alle uns für die Zukunft wünschen.

Alles Gute für deinen weiteren Weg! (Allgemeiner Beifall.)

*****

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. Ich erteile es ihm.

 


15.41.17

Bundesrat Mag. John Gudenus (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Vizepräsident! Alle zwei Jahre findet das Berichtsritual betref­fend diese beiden Höchstgerichte statt, und früher konnten wir dabei, soweit ich mich erinnern kann, den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes und den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes hier begrüßen. Ich verstehe, dass diese hohen Herren nicht stets hierher kommen können, aber es sind sicher nicht immer nur zeitliche Gründe, die dies verhindern.

Vorweg möchte ich noch eine Bemerkung meines Kollegen und Generalskameraden Kühnel zurückweisen, welcher sehr polemisch die von mir geschätzten Personen Bun­deskanzler Kreisky und Bundesministerin Firnberg angegriffen hat. Ich lehne es ent­schieden ab, zu sagen, mangelnde Schulkenntnisse seien auf Kreisky und Firnberg zurückzuführen. Das ist schlichtweg lächerlich, lieber Kamerad Kühnel. Das kann nicht wahr sein. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ich komme jetzt zu den beiden Berichten. Der Verwaltungsgerichtshof – darauf hat schon mein Kollege Professor Böhm hingewiesen – zeigt eine durchschnittlich sehr lange, 22 Monate dauernde Verfahrensdauer auf. Eine Verkürzung – das glaube ich sehr gerne – ist auf Grund der Gegebenheiten nicht möglich. Es ist das unzureichende Raumangebot, es sind die unzureichenden Arbeitsbedingungen, die das verunmög­lichen. Wir können auch nachlesen, dass die Akten von 1939 bis 1979 im Österreichi­schen Staatsarchiv, also nicht mehr im Gerichtshof lagern.

Die Aufgaben wurden vermehrt. Der Gerichtshof hat auch als Gerichtshof des Euro­päischen Parlaments oder der Europäischen Union zu wirken. Das ist sicherlich eine große Aufgabe, unabhängig davon, wie man zur Europäischen Union und der Mitglied­schaft Österreichs in dieser steht.

Ich möchte hier noch einmal wiederholen, dass diese Klagen, die wir mit diesem Be­richt vorgetragen bekommen haben und nachlesen konnten und können, doch seit Jahren bekannt sind. Ich kann mir fast schon vorstellen, dass jene, die diesen Bericht schreiben, einfach nachschauen, was sie vor zwei Jahren geschrieben haben. Sie tun das mit Recht, denn man braucht das Rad nicht täglich neu zu erfinden, wenn es ohne­hin da ist. Es hat sich nämlich nichts zum Besseren gewendet. Das muss ich sagen und muss damit dem Herrn Vizepräsidenten zumindest meine Hochachtung dafür aus­drücken, dass man trotz der Erschwernisse, die hier gegeben sind, immer noch die Aufgaben so erfüllt und der Rückstand nicht noch größer und die Arbeitsdauer nicht noch länger wird. (Beifall des Bundesrates Dr. Böhm.)

Aber weder in der Zeit der roten Regierung noch in der Zeit der schwarzen Regierung, vertreten jeweils durch den Bundeskanzler – das sage ich jetzt dem Herrn Staatssek­retär –, war es möglich, Abhilfe zu schaffen.


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Herr Staatssekretär! Ich richte an Sie die Bitte, sich vielleicht in den nächsten zwölf Monaten – so lange sollte diese Regierung voraussichtlich noch stehen – selbst ein Denkmal zu setzen und das, was diese Berichte eigentlich bezwecken sollen, teilweise herzustellen. Es kann doch nicht angehen, dass meine Kollegen in 24 Monaten wieder hier sind und das, was wir heute besprochen haben, wieder besprechen – und es ändert sich nichts! Das ist doch eine Karikatur des Parlamentarismus, aber auch eine Karikatur des Ernstnehmens von berechtigten Anliegen unserer hohen Gerichte.

Beim Verfassungsgerichtshof ist es ja ähnlich. Die Verfahrensdauer beträgt rund neun Monate – aber das hat andere Gründe, darauf möchte ich nicht eingehen. Und seit Jahren gibt es auch beim Verfassungsgerichtshof die gleichen Klagen; Kollege Ewald Lindinger hat ja schon verlesen, welche dies sind und wie der Verfassungsgerichtshof die Deutschkenntnisse und die Formalismen, die in unseren Gesetzen enthalten sind, darstellt.

Es gibt eine Anregung, aber die habe ich schon gehört, als ich noch studiert habe: Man sagt immer, die Gesetze werden im Parlament gemacht. Liebe Kollegen und Kollegin­nen, im Parlament wird überhaupt kein Gesetz gemacht! Hier wird über etwas abge­stimmt, was ein Machwerk vieler Personen ist, denen ich zumindest den guten Willen nicht abspreche. Aber dadurch, dass nicht nur das jeweils betroffene Ministerium, son­dern auch verschiedenste begutachtende Gruppierungen und weitere Ministerien mit­wirken, kommt eben das heraus, was auf Seite 15 angeführt und vom Kollegen Lindin­ger so treffend geschildert worden ist.

Ich rege daher an – aber das ist nicht ursprünglich von mir –, eine Legislativabteilung im Parlament einzurichten, die die Gesetze schreibt, wohl manchmal vielleicht auf An­regung des einen oder anderen Ministeriums, aber es muss doch der Form nach mög­lich sein, dass wir, das Parlament, ihr, meine lieben Kollegen, in Zukunft die Gesetze macht und euch nicht irgendetwas Zusammengestoppeltes vorgelegt wird, dem ihr dann ein- oder mehrstimmig zustimmt! – Das ist auch eine Karikatur der Demokratie, aber nicht nur der Demokratie, sondern auch des Parlamentarismus. Das ist nämlich ein großer Unterschied.

Der berühmte Carl Schmitt hat gesagt – er ist nicht ganz unumstritten –, der Parlamen­tarismus funktioniert, aber die Demokratie funktioniert nicht. Damit hat er auch absolut Recht.

Die Bürger und die Gesetzesanwender, Kollegen und Kolleginnen, haben ein Recht – ein Recht! – auf lesbare und einfach anwendbare Gesetze. Und auch hier bitte ich Sie, Herr Staatssekretär – wiederum ein Denkmal für Sie; ich hoffe, Sie können es stück­weise verwirklichen –, da etwas durchzubringen, denn es soll nicht sein, dass die Kol­legen in zwei Jahren wieder ähnliche Berichte zu lesen bekommen. (Beifall der Bun­desräte Dr. Böhm und Ing. Kampl.)

15.48


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Ebenfalls nicht.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, die gegen­ständlichen Berichte zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stim­meneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.


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15.48.4215. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (Anlagenrechtsbereinigungs-Gesetz 2005) (999 d.B. und 1148 d.B. sowie 7423/BR d.B.)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (695/A und 1149 d.B. sowie 7424/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zu den Punkten 15 und 16 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth. – Bitte.

 


15.49.05

Berichterstatterin Mag. Susanne Neuwirth: Der Bericht des Ausschusses für Wirt­schaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (Anlagen­rechtsbereinigungs-Gesetz 2005), liegt Ihnen in Schriftform vor. Ich komme daher gleich zum Antrag:

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 2. No­vember 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 16: Auch der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Ar­beit über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird, liegt Ihnen in Schriftform vor, ich komme daher auch hier sogleich zum Antrag:

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 2. No­vember 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker. – Bitte.

 


15.50.21

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Zu beiden jetzt zu behandelnden Gesetzesvorla­gen wird es unsererseits keine Zustimmung geben, obwohl schon auch gesagt werden muss, dass das vorliegende Anlagenrechtsbereinigungs-Gesetz kleine Fortschritte bringen wird; das muss man auch sehen, und das möchte ich auch betonen. Nichts­destotrotz ist es noch immer so, dass die Nachbarn solcher Anlagen nicht in der Form geschützt werden, wie wir uns das konsequenterweise vorstellen.

Das heißt, hier ist man auf halbem Weg stehen geblieben, hier ist keine Regelung ge­troffen worden, um die Nachbarn tatsächlich zu schützen.

Ähnlich ist die Sachlage bei der zweiten jetzt zu behandelnden Gesetzesvorlage, einer Vorlage, mit der vorwiegend die so genannte Schanigarten-Regelung repariert werden soll. Letztendlich ist jedoch unserer Meinung nach diese Reparatur nicht wirklich gelun­


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gen, denn die Rechte der AnrainerInnen werden durch dieses Gesetz nicht ausrei­chend geschützt. Insbesondere wird das Thema Lärm zu wenig behandelt.

Dass der Lärm nicht wirklich als Problem gesehen wird, zeigen ja verschiedene andere Dinge auch, nicht nur die uns jetzt vorliegende Gesetzesmaterie. Erwähnt sei in die­sem Zusammenhang beispielsweise nur, dass Herr Vizekanzler Gorbach daran denkt, eine 160-km/h-Erlaubnis auf Autobahnen einzuführen, was nicht nur vom Sicherheits­aspekt her gesehen höchst gefährlich ist. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein.) – Nicht in Schanigärten! Das stimmt, Herr Minister! (Heiterkeit.) – Aber wer weiß, was Herrn Vizekanzler Gorbach noch alles einfällt! Lassen Sie von der ÖVP sich von Ihrem Koalitionspartner überraschen! Ich bin überzeugt davon, dass es da noch das eine oder andere Interessante geben wird.

Fakt ist also, dass es nicht nur um ein schwerwiegendes Sicherheitsproblem geht. Werbekampagnen des ORF gegen zu schnelles Fahren – so gut sie auch gemacht sein mögen –, des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, des Ministeriums und so weiter, sind das eine. Das andere ist aber, dass wir zunehmend mit Emissionen zu rechnen haben, mit Feinstaub, CO2 und so weiter, Dinge also, die dem Klimaschutzziel absolut unzuträglich sind.

Falls sich Herr Vizekanzler Gorbach einmal als Testperson zur Verfügung stellen und sich dazu neben einer Autobahn ansiedeln würde, könnte ich ihm bei uns in Oberöster­reich nur die Innkreis Autobahn beziehungsweise die neu ausgebauten Autobahnspu­ren empfehlen. Dann wüsste er nämlich, wovon wir reden, wenn wir sagen, dass der Lärm dort unerträglich ist. (Zwischenruf des Bundesrates Wolfinger.) Und was man den Anrainern von Autobahnen nicht zumuten kann und soll, das sollten wir auch hier mitten in der Stadt berücksichtigen. Insofern ist diese jetzt vorliegende Regelung mehr als unglücklich.

Da ein Kollege die Lärmschutzwände entlang der Autobahnen angesprochen hat, möchte ich sagen: Neue Herausforderungen brauchen neue Antworten! Eine Lärm­schutzwand ist letztendlich immer nur die Konsequenz einer verfehlten Politik. (Bun­desrat Mag. Himmer: Weil eine Autobahn gebaut worden ist? Das ist die „verfehlte Politik“? Das ist ja unglaublich!) Möglich, dass durch Lärmschutzwände Abhilfe ge­schaffen wird, aber auf Dauer kann man das nicht wirklich als glückliche Lösung be­zeichnen.

Aber in diesem Sinne macht vielleicht die ÖVP-Fraktion ... (Bundesrat Mag. Himmer: Wie fahren Sie heute nach Hause?) – Natürlich mit dem Zug, Herr Kollege Himmer! Womit fährst denn du nach Hause? Doch nicht von hier mit dem Auto?!

Ihnen von der ÖVP-Fraktion sollte man vielleicht empfehlen, im Sommer zumindest einmal zwei Nächte in der Grazer Innenstadt zu verbringen, dann wären Sie wahr­scheinlich etwas näher am Bürger/an der Bürgerin, und dann würden Sie vielleicht solche Gesetze wie dieses nicht wirklich vorantreiben. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen sowie der Bundesrätin Bachner.)

15.54


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schimböck. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.54.52

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich meine, dass das Anlagenrecht, wie meine Vorrednerin auch aufgezeigt hat, zwei Seiten hat, nämlich jene Seite, die den Gewerbetreibenden betrifft – da wird ja immer gerne der Gastgarten genannt –, und dann das Problem der Anrainer.


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Im Anlagenrecht, muss ich sagen, ist ja bereits sehr viel geschehen, nur sind die aktu­ellen Daten, Herr Bundesminister, für den einzelnen Gewerbetreibenden noch immer nicht sehr erfreulich. Sie, Herr Bundesminister Bartenstein, kommen ja selbst aus einem Industriebetrieb, und ich rolle dieses Thema daher von hinten auf, fange jetzt gleich mit Ihrer Heimat an und führe das Spielberg-Projekt an.

Bei einem umfangreichen Voest-Projekt dauerte die Umweltverträglichkeitsprüfung 450 Tage! Das muss man sich einmal vorstellen! Heute, in der Zeit von Internet, e-Mail und so weiter muss man ja fast annehmen, dass diese Akten mit reitenden Boten durch unsere Republik transportiert worden sind! Wenn man sich andere Projekte anschaut, gerade auch im regionalen Bereich, so kommen wir dort ... (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.)

Herr Kollege Himmer, was Wien betrifft, so habe ich mir das einmal in einem Bezirks­verwaltungsraum des Wiener Magistrates mit Freunden vom sozialdemokratischen Freien Wirtschaftsverband angeschaut und kann Ihnen dazu nur sagen: Wenn man die entsprechenden Unterlagen vorher auf elektronischem Wege zur Verfügung gestellt hat, dann geht man dort nach 45 Minuten und im Besitz eines Gewerbescheines wie­der heraus! – Die Gemeinde Wien hat sich da Applaus verdient, denn sie hat gezeigt, wie man das anders handlen kann. (Bundesrat Mag. Himmer: Spielberg-Projekt ...!)

Es ist also enorm wichtig, von diesen langen Fristen wegzukommen, und es sollte auch zu einem besseren Zusammenspiel der einzelnen Bundesbehörden und vor allen Dingen auch der Sachverständigen kommen. Seitens des Freien Wirtschaftsverbandes gibt es ja dazu eine Reihe von Vorschlägen. So ist zum Beispiel nicht einzusehen, Herr Bundesminister, warum man eine neunfache Betriebsanlagengenehmigung im Schau­stellergewerbe braucht, oder warum ein Schausteller, der mit seinen Geräten am Donauinselfest und in Linz beim Urfahrer-Jahrmarkt tätig ist, zwei Gewerbescheine und zwei Betriebsanlagengenehmigungen braucht – und das alles nur, weil das durch Lan­desrecht geregelt ist. Das gilt doch als Veranstaltung und sollte daher gar nicht auf dieser Ebene angesiedelt sein.

Diesbezüglich sollte auch einmal Kontakt mit der Landeshauptleutekonferenz herge­stellt werden, denn die vielen kleinen Gewerbetreibenden ächzen und stöhnen bereits sehr unter diesem Betriebsanlagenrecht.

Konkret möchten wir da natürlich auch das Thema Gastgarten ansprechen. Mein Sitz­nachbar hier, Herr Bürgermeister Wiesenegg, ist ja einer der vielen betroffenen Bürger­meisterinnen und Bürgermeister. Ich glaube, Herr Bundesminister, dass das jetzt bei der lokalen Behörde vor Ort ganz gut angesiedelt ist, dort gibt es nämlich wirklich eine richtige Ansprechperson.

Und dazu noch etwas: Ein Bürgermeister unterliegt da erstens einmal vielfacher Kon­trolle, so natürlich auch der Kontrolle des Gemeinderates. Im Berufungsverfahren lan­det das ja dann bekanntlich beim Gemeindevorstand. Anzuführen sind weiters noch: Rechnungshofkontrolle sowie Landes- und Gemeindeaufsicht.

Ich mache mir daher keine Sorgen, dass das nicht klappt. Das ist bei den Bürgermeis­tern sehr gut aufgehoben. Konkret sprechen wir diesbezüglich von 37 000 Betrieben in Österreich, und immerhin 35 Prozent dieser 3,7 Millionen Plätze in Gastwirtschaften sind so genannte Outdoor-Verabreichungsplätze, wobei diese sehr, sehr wichtig für den Tourismus in Österreich sind – da wird mir Kollege Ager sicherlich Recht geben –, wichtig auch für das Wohlbefinden unserer Gäste. Das ist also eine ganz bedeutende Sache.

Folgendes Ersuchen auch an Sie, Herr Bundesminister Bartenstein, etwas, was ganz wichtig für den Bereich Gastronomie ist, wo es ja auch immer schwieriger wird: Was


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die Eigenkapitalisierung und dergleichen mehr anlangt, sollte man – zum Betriebsanla­genrecht dazu – zusätzliche strukturelle Verbesserungen schaffen. Dazu bedürfte es sozusagen auch eines Schubes seitens der Bundesregierung.

Sie, Herr Bundesminister Bartenstein, und Ihre Regierungskollegen haben sehr viel ge­tan, um Konzerne, um Großbetriebe steuerlich zu entlasten. Was jedoch jene Betriebe anlangt, von denen wir jetzt reden, was also die kleinen Gastgärten und dergleichen mehr betrifft, da sollte man sich eventuell eine Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes überlegen, denn dort lässt sich – das wird Kollege Ager als Hotelier sicherlich bestä­tigen – die Produktivität nicht erhöhen (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl), und dies­bezüglich muss man sich eben etwas anderes einfallen lassen.

Frau Präsidentin, man muss all diese Dinge gesamtheitlich betrachten (neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl), denn es ist dem einzelnen Wirten nicht geholfen, wenn man zwar das Anlagenrecht verbessert, indem man einem Bürgermeister die Möglichkeit einräumt, die örtlichen Gegebenheiten zu nutzen, auf der einen Seite je­doch durch ein Anziehen der Steuerschraube immer mehr kleine Gastronomiebetriebe zum Zusperren geradezu zwingt.

Meine Damen und Herren! Es geht darum, aufzusperren, neue und zusätzliche Be­triebe zu schaffen und etwas für den Tourismus in Österreich zu tun. Diese Gesetzes­vorlage ist sicher als ein weiterer Beitrag dazu zu sehen, weshalb unsere Fraktion die­ser Vorlage zustimmen wird. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.00


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Zwazl. Ich erteile es ihr.

 


16.00.08

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Für das Anlagenrechtsbereinigungs-Gesetz sind zwei EU-Richtlinien maßgeblich: zum einen die EU-Richtlinie über die integrierte Ver­meidung zur Verminderung von Umweltverschmutzung, zum anderen die Seveso II-Richtlinie zur Beherrschung der Gefahr schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen.

Diese Richtlinien wurden im Jahr 2000 in die Gewerbeordnung eingearbeitet. Damit gelten für Betriebe, die bestimmte gefährliche Stoffe in einer bestimmten Menge ver­wenden, besondere Anforderungen an die Anlagensicherheit. Für solche schweren Un­fälle wurde im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit eine zentrale Meldestelle eingerichtet; im letzten Jahr gab es einen schweren Unfall, der gemeldet wurde.

Nun zur Ursache für dieses Anlagenrechtsbereinigungs-Gesetz.

Für Betriebe, die dem Schieß- und Sprengmittelgesetz unterliegen, galt bislang nicht das Anlagenrecht der Gewerbeordnung, sondern gab es eigene Bestimmungen im Schieß- und Sprengmittelgesetz. Der Europäische Gerichtshof hat dazu festgestellt, dass das teilweise nicht EU-konform ist und dass Betriebe, welche den zuvor genann­ten EU-Richtlinien unterliegen, bestimmten erhöhten Anforderungen genügen müssen. Um diese Anforderungen zu erfüllen, sollen daher auch diese Betriebe den Bestim­mungen der Gewerbeordnung unterstellt werden.

Betroffen sind Produktionsbetriebe von Schieß- und Sprengmitteln, die bestimmte ge­fährliche Stoffe in einer bestimmten Menge verarbeiten. Erteilte Bewilligungen für be­stehende Anlagen bleiben aufrecht. Die Genehmigung von Neuanlagen und Entschei­dungen über anhängige Verfahren erfolgen nach den nunmehrigen Bestimmungen der Gewerbeordnung.


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Ich weiß, die Vertreter der Grünen wenden ein, dass ein Nachbar im Störfallsrecht keine Parteienstellung hat. Dabei geht es aber um Folgendes: Zur Vermeidung von Störfällen beziehungsweise Unfällen müssen die Betriebe zahlreiche unternehmensin­terne Maßnahmen setzen: Sie müssen Notfallspläne erstellen, die Mitarbeiter entspre­chend einweisen (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das ist auch gut so!) – ja, das sagen wir ohnedies –, und sie haben Informationspflichten gegenüber der Öffentlichkeit. Das sind typische unternehmensinterne Maßnahmen, die mit dem Anlagenrecht nicht im Zusammenhang stehen und wo daher die Nachbarn in vergleichbaren Fällen keine Parteistellung haben. Die Betriebe haben diese Anforderung zusätzlich zu den anderen Bestimmungen des Anlagenrechts zu erfüllen, und die Behörde muss diese Maß­nahme von Amts wegen prüfen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass durch dieses Anlagenrechtsbereinigungs-Gesetz die Rechtssicherheit erhöht wird und die Nachbarn in ihrer Rechtsstellung in keiner Weise beeinträchtigt werden.

Nun komme ich zum zweiten Gesetz, der Änderung der Gewerbeordnung.

Der Verfassungsgerichtshof hat eine Bestimmung der Gewerbeordnung als verfas­sungswidrig aufgehoben. Dies deshalb, weil die darin angeordnete Zuständigkeit des Landeshauptmannes zur Abänderung der Öffnungszeiten für Gastgartenbetriebe der Bundesverfassung widerspricht. Laut Verfassungsgericht fällt die Abänderung der Öff­nungszeiten für Gastgärten in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden.

Das ist aus unserer Sicht eine sehr sinnvolle Entscheidung, weil die Bürgermeister in­dividuell auf die jeweilige Situation in ihrem Ort, in ihrer Stadt eingehen können und entsprechend entscheiden können. Und sie tragen für diese Entscheidung eine viel direktere Verantwortung als der Landeshauptmann.

Zum näheren Verständnis: Für Gastgärten, die an öffentliche Verkehrsflächen angren­zen, gibt die Gewerbeordnung einen Öffnungszeitenrahmen von 8 bis 23 Uhr vor. Die Gemeinden können nun abweichend von dieser Regelung kürzere, aber auch längere Zeiträume vorsehen, je nach Situation und Lage des Gastgartens.

Zum Einwand der Grünen, dass hierbei das Einvernehmen mit den Betreibern und Anrainern hergestellt werden soll, möchte ich sagen: Wir sollten realistisch bleiben. Es wird keinen Bürgermeister geben, der sich ganz einfach über die Interessen der An­rainer hinwegsetzt; dafür ist er viel zu nahe am Bürger. (In Richtung der Bundesrätin Dr. Lichtenecker): Ruperta, ich komme aus Klosterneuburg. Wenn du in einer so schö­nen Stadt lebst, dann ist ganz klar, dass dort auch Heurige sind, und wenn Leute kom­men, muss man mit diesem so genannten Lärm auch leben – sonst muss man sich in Tripstrü ansiedeln. Das wissen wir, und die Bürgermeister wissen auch ganz genau, was man der Bevölkerung zumuten kann, denn du weißt, es gibt immer wieder Wah­len – und die Wahlen entscheiden. Man sieht also, dass die Bürgermeister ganz genau wissen, was ihre Bevölkerung braucht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.05


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Barten­stein.

 


16.05.34

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! In aller Kürze: Ich kann mich nicht nur in vielem, sondern in allem den Ausführungen der Bundesrätin Zwazl anschließen, insbesondere dem Aspekt, ob Anrainerrechte durch die Unterstellung von Schieß- und Sprengmittelanlagen unter die Gewerbeordnung geschmälert werden: ja oder nein? Ich schließe mich dem Nein hier klar und deutlich an. Das ist ganz ausgezeichnet argumentiert worden.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 115

Wir standen vor der Alternative, entweder Schieß- und Sprengmittelanlagen auf recht komplizierte Art und Weise um Seveso-II- und IPPC-Merkmale zu ergänzen oder diese in die Gewerbeordnung zu übernehmen. Und da scheint mir der letztere Weg der deut­lich bessere zu sein.

Zum Thema Schanigärten. – Hier kommen wir einem Erkenntnis des Verfassungsge­richtshofes nach. Das ist von mir nicht zu werten, aber trotzdem sage ich, es macht allemal Sinn, wenn das die Bürgermeister tun und nicht mehr die Landeshauptleute. – Das ist, wenn Sie so wollen, nun doch eine Wertung und damit ein Widerspruch zu meiner vorigen Aussage.

Das, was die Grünen hier verlangen, nämlich das Einvernehmen, das ginge wohl – mit Verlaub – hier und auch in vielen anderen Bereichen einen Schritt zu weit. Dann würde es in Österreich wahrscheinlich weder Schanigärten noch vieles andere geben. Daher: Eine ausreichende Berücksichtigung ja, aber auf Einvernehmen zu pochen, das geht wohl nicht.

Zum Dritten: Herr Bundesrat Schimböck, Sie haben von der UVP gesprochen, von der elektronischen Gewerbeanmeldung. Ich möchte es nur nicht ganz so stehen lassen. Die Anmeldung eines Gewerbes ist in Wien und in vielen anderen Bezirkshauptmann­schaften Österreichs mittlerweile elektronisch möglich. Da muss man auch gar nicht mehr aufs Amt gehen, sondern kann es gegebenenfalls auch von zu Hause machen. Das funktioniert, das soll bald auch flächendeckend in ganz Österreich funktionieren.

Etwas anderes ist es, wenn es um anlagenrechtliche Fragen geht. Das Spielberg I-Pro­jekt wäre wohl auch mit der besten Elektronik nicht kurzfristig umzusetzen. Das sind umfangreichere Dinge. Trotzdem soll man auch hier so ökonomisch wie möglich vor­gehen.

Was Ihre Anmerkung zu Steuern anbelangt: Finanzminister Grasser und ich haben vor ein paar Wochen den ersten Gründertag Österreichs ausgerufen und letztlich auch in vielen Finanzämtern und Kammern abgehalten. Gründungswillige Österreicher oder auch Nicht-Österreicher sind dort beraten worden. Im Zuge der Durchführung dieses Gründertages ist auch eine Zahl im Mittelpunkt gestanden, nämlich, dass 90 Prozent der Unternehmensgründer Österreichs in den Genuss der Unternehmensteuerreform kommen, weil es ja nicht um die Großen geht, weil es ja nicht um die Kapitalgesell­schaften geht, sondern weil auch die Halbierung des Steuersatzes bis zu 100 000 € für die Personengesellschaften natürlich kleinen Unternehmen zugute kommt.

Es wird durch Wiederholung Ihrerseits und anderer nicht wahrer, dass das eine Unter­nehmenssteuerreform für die Großen sei, sondern das war vor allem eine Entlastung des Mittelstandes und der Kleinen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bun­desräte Mitterer und Ing. Kampl.)

16.08


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Von der Berichterstattung wird ebenfalls kein Schlusswort gewünscht.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend Anlagenrechtsbereinigungs-Gesetz.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 116

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Gesetzesbeschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

16.09.5617. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Weiterverwendung von Informationen öffentlicher Stellen (Informations­weiterverwendungsgesetz – IWG) (1026 d.B. und 1150 d.B. sowie 7425/BR d.B.)

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Vermessungsgesetz geändert wird (1151 d.B. sowie 7400/BR d.B. und 7426/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zu den Punkten 17 und 18 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist wieder Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth. Ich bitte sie um die Berichte.

 


16.10.17

Berichterstatterin Mag. Susanne Neuwirth: Der Bericht des Ausschusses für Wirt­schaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betref­fend ein Bundesgesetz über die Weiterverwendung von Informationen öffentlicher Stel­len (Informationsweiterverwendungsgesetz – IWG) liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 2. No­vember 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. (Vizepräsidentin Haselbach über­nimmt den Vorsitz.)

Auch der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ver­messungsgesetz geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme so­gleich daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 2. No­vember 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


16.11.25

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Das Informationsweiterverwendungsgesetz ist


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 117

de facto nichts anderes als die Umsetzung einer EU-Richtlinie, längst überfällig, und vom Grundgedanken her eine kluge, gescheite Sache, weil Informationen, die mit Steuermitteln erhoben worden sind, auch öffentlich zugänglich sein und effizienter genutzt werden sollen.

Es ist aber schon bedauerlich – und das sage ich hier in der Länderkammer –, dass es die Regierung nicht schafft, ein einheitliches Gesetz zu machen, sondern zehn ver­schiedene Gesetze gemacht werden und die Sache wieder auf die Länder ausgelagert wird.

Ein Mangel ist auch, dass es nicht die Pflicht zur Weitergabe von Informationen gibt. Das ist im Sinne des öffentlichen Interesses sicherlich nicht in dieser Form gewollt. (Beifall bei den Grünen.)

Warum Institutionen wie der ORF, Bildungs- und Forschungseinrichtungen, Museen und Bibliotheken ausgenommen sind, ist in keinerlei Weise nachvollziehbar. Der Herr Wirtschaftsminister ist mit Sicherheit an Wirtschaftsforschung sehr interessiert, um entsprechend Wirtschaftspolitik planen zu können. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Anfrage eines meiner Kollegen – ein Ökonom von der Universität Linz – an die Statistik Austria verweisen, bei der es darum gegangen ist, für ökonometrische Berech­nungen und Modelle die Daten der Statistik Austria zu erhalten. Er fragt an: Besteht eine Möglichkeit, die Daten vor Ort auszuwerten?, nachdem es vorher schon Briefver­kehr gegeben hat, aus dem hervorgegangen war, dass es nicht möglich ist, die Daten zu übermitteln. Okay, das kann man verstehen: Mikrozensus und so weiter.

Der Kollege schreibt auch noch: selbstverständlich unter Einhaltung aller Verschwie­genheitspflichten, keine Veröffentlichung von Ergebnissen, die einen Rückschluss auf Individuen zulassen.

Die Antwort der Statistik Austria – und immerhin auch finanziert aus öffentlichen Steu­ermitteln – ist: Nach Rücksprache mit der Direktionsleitung muss ich Ihnen leider mit­teilen, dass ein Zugang zu den Mikrodaten nicht möglich sein wird.

Das kann ja wohl nicht tatsächlich der Weisheit letzter Schluss sein, Herr Minister, dass Daten, die erhoben werden, dann unter Verschluss bleiben und daher nicht den ForscherInnen in diesem Land zugänglich gemacht werden, außer die Universität Linz, das Institut für Volkswirtschaftslehre, bezahlt wieder die Statistik Austria, damit das ausgewertet wird. Das ist eine unglückliche Regelung, und es wäre sehr vorteilhaft, da etwas weiterzubringen.

Natürlich ist es im Sinne einer Wissensgesellschaft insgesamt vorteilhaft für die Gesell­schaft und die Wirtschaft, wenn es im Bereich der Informationsweitergabe Fortschritte gibt und entsprechende Regelungen getroffen werden, damit das tatsächlich auch kos­tenlos vonstatten gehen kann.

Der vorliegenden Änderung des Vermessungsgesetzes werden wir in dieser Form zustimmen, zumal es sich dabei um eine Regelung handelt, die vielen Bereichen des öffentlichen Lebens und auch der Wirtschaft zugute kommt. (Beifall bei den Grünen.)

16.14


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Stadler. – Bitte.

 


16.14.48

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Damen und Herren! Wie wir schon gehört haben, geht es im vor­liegenden Informationsweiterverwendungsgesetz um eine Umsetzung einer EU-Richt­linie, die eigentlich schon mit 30. Juni zu erledigen gewesen wäre. Wir sind also fast


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um ein halbes Jahr zu spät dran. Dieses Gesetz soll die zielgerechte Weitergabe und Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors ermöglichen. Ziel ist, Mindestregeln für die Weiterverwendung von Dokumenten festzulegen.

Insgesamt ist es natürlich wichtig, dass europaweit ein möglichst einheitlicher Mindest­standard für die Weitergabe dieser Informationen und Daten geschaffen wird. Warum ist das so wichtig? – Weil es in der Vergangenheit sehr oft der Fall war, dass Daten und Informationen zeit- und kostenaufwendig gesammelt und aufbereitet, letztendlich jedoch ungenutzt in irgendwelchen Aktenschränken abgelegt wurden. Dem soll mit die­ser Gesetzesvorlage entgegengewirkt und Abhilfe geschaffen werden und die Weiter­gabe beziehungsweise Weiterverwendung ermöglicht werden.

Dies ist sicherlich ein wichtiger und richtiger erster Schritt, und unsere Fraktion wird dem gerne zustimmen. Warum ein „erster Schritt“? – Wie wir schon gehört haben, gibt es darüber hinaus noch neun Landesgesetze, und in der Praxis wird sich weisen, ob das überhaupt nötig ist. Meiner Meinung nach genügt ein Bundesgesetz, es braucht nicht noch neun Landesgesetze.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der zweite Tagesordnungspunkt, der hier mit in Verhandlung steht, eine Novelle zum Vermessungsgesetz, ist eine erste positive Auswirkung des Informationsweiterverwendungsgesetzes, denn die Schaffung eben dieser Rahmenbedingungen in der Novelle erleichtert die Weiterverwendung und Nut­zung von Geobasisdaten, Daten, die das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen österreichweit erfasst und in höchster Qualität bereitstellt.

In Zukunft wird durch dieses Vermessungsgesetz ein einfacher und rascher Zugang zu diesen Geobasisdaten möglich sein. Die erfassten Daten können daher besser genutzt und verarbeitet werden, was wiederum die tägliche Arbeit besonders der Wirtschaft und erfreulicherweise sehr vieler Klein- und Mittelbetriebe erleichtern wird.  – Wir wer­den daher auch diesem Vermessungsgesetz unsere Zustimmung geben.

Geschätzter Herr Minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Am Ende meiner Ausführungen möchte ich noch ein paar Worte zu unseren vielen Eich- und Vermes­sungsämtern, besonders auch jenen in den ländlichen Regionen, sagen.

Ich glaube, wir alle sind uns über den Nutzen und die Wichtigkeit dieser Bundesein­richtungen einig. Die Bediensteten dort leisten wichtige und vor allem gute Arbeit. Die Vermessungsämter sind Anlaufstation für sehr vieler Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Sie sind im ländlichen Raum besonders wichtig, auch für die Landwirtschaft.

Es hat Gerüchte – oder nicht Gerüchte – über diverse Zusammenlegungen bezie­hungsweise Reformen diese Ämter betreffend gegeben. Ich bitte Sie, Herr Minister, auch für die Zukunft: Sollten es Gerüchte gewesen sein, dann vergessen wir es. Sollte sich aber in irgendwelchen Köpfen doch die Idee festgesetzt haben, in Zukunft solche Zusammenlegungen anzustreben – was, wie bereits gesagt, besonders schlimm für die ländlichen Regionen für die Landwirtschaft wäre –, bitte ich, diese Idee zu vergessen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.18


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gelangt Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

 


16.19.02

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Begutachtungsverfahren zum Informationswei­terverwendungsgesetz hat dazu geführt, dass einige verfassungsrechtliche Unschärfen im Schnittstellenbereich zu den Zuständigkeiten der Länder bereinigt werden konnten. In der Kommentierung darüber sind Kollegin Lichtenecker und ich vermutlich etwas an­


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derer Ansicht. Ich finde es eher gut, dass man die Länder entsprechend berücksichtigt hat. (Abg. Dr. Lichtenecker: Ich auch!) Frau Kollegin Lichtenecker hat kritischere Worte dazu gefunden. Das ist eben auch die Bandbreite an Bundesstaatlichkeit, die selbst in der Länderkammer sichtbar wird.

Zum Inhalt des Ausschussberichtes: Über das Vermessungsgesetz wäre inhaltlich eigentlich nicht viel zu sagen, wohl aber zur Art des Zustandeskommens dieses Geset­zesbeschlusses. Es gab kein Begutachtungsverfahren, es gab keinen Initiativantrag, lediglich in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses wurde ein so genannter Aus­schussantrag geboren. (Beifall des Bundesrates Schennach.) Das ist umso bemer­kenswerter, als es zwar wegen der Umsetzung einer EU-Richtlinie sicherlich einen gewissen, aber wohl keinen starken Zeitdruck gegeben hat und weil es bei diesem Gesetz insgesamt doch auch Berührungspunkte mit den Ländern und Gemeinden gibt.

Herr Kollege Schennach hat mich vorhin mit Beifall bedacht. (Bundesrat Schennach: Ja, sicher!) Ich möchte jetzt aber aus diesem Anlass wieder auf die Debatte, die wir zu den Fristsetzungsanträgen hatten, zurückkommen. Herr Kollege Schennach hat dort gemeint, so genannte Ruckizuckigesetze, die sozusagen im Schnellzugsverfahren durch die gesetzgebenden Körperschaften gefahren werden sollen, müssten beein­sprucht werden.

Wenn ich mir jetzt ansehe, welche Gesetze ohne Begutachtungsverfahren, ohne ent­sprechendes Einvernehmen beschlossen werden, dann frage ich mich nach dem Maß­stab. Ich habe den Eindruck, der Maßstab dafür, im unterlassenen Begutachtungs­verfahren einen Mangel zu sehen, ist nicht der Sachverhalt an sich, sondern die Frage: Hat die rote oder auch die grüne Nationalratsfraktion dem Gesetz zugestimmt oder nicht? – Das war im konkreten Fall Vermessungsgesetz der Fall – es ist ein einstimmi­ger Gesetzesbeschluss, es ist auch inhaltlich eigentlich gar nichts anderes denkbar –, aber da stört das offenbar nicht.

Beim Vermessungsgesetz – und das ist noch ein weiterer Punkt ... (Bundesrat Ko­necny: Entschuldigung! Dagegen stimmen sollen wir nicht, aber zustimmen sollen wir auch nicht! – Heiterkeit. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nein, nein, ich frage Sie lediglich nach dem Maßstab, den Sie an das Gesetzgebungsverfahren anlegen: Ist es das Un­terlassen eines Begutachtungsverfahrens? Ist es Kritik aus den Ländern? Oder ist es Kritik aus den parlamentarischen Klubs? (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Konecny: ... ein Weg! Das sind verschiedene Konstruktionsmöglichkeiten! – Weitere Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Ich bin mit der Interpretation, es sei „verschieden“, schon zufrieden. Es ist jedenfalls nicht eindeutig. (Bundesrat Konecny: Wir sind in der Lage, multifunktional zu den­ken! – Heiterkeit des Redners. – Bundesrat Schennach: Außerdem freue ich mich, dass offensichtlich die Vorarlberger Abgeordneten, neben uns, dagegen stimmen!) Wir sind guten Argumenten gegenüber stets aufgeschlossen, Herr Kollege Schennach. (Bundesrat Reisenberger: Genau wie wir, Herr Kollege! – Weitere Zwischenrufe.)

Beim Vermessungsgesetz hat diese Vorgangsweise schon eine gewisse Tradition. Die letzte große Änderung, immerhin mit der Einrichtung des Adressregisters sowie des Gebäude- und Wohnungsregisters, beruhte auch nicht auf einer begutachteten Regie­rungsvorlage, sondern auf einem Initiativantrag, den eine als Zivilingenieur zweifels­ohne fachkundige Nationalratsabgeordnete mit eingebracht hatte. Dies war umso bemerkenswerter, als damals nicht nur organisatorische, sondern auch finanzielle In­teressen der Länder und Gemeinden betroffen waren, was dann auch in den Stellung­nahmen geltend gemacht wurde.

Das erweckt – ich sage das jetzt ein bisschen pointiert – den Eindruck, dass das Bun­desvermessungsamt, über den Kopf des für die Begutachtung eigentlich zuständigen


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Bundesministeriums hinweg, im Wege selbstständiger Anträge von Abgeordneten offenbar selbst Gesetzgebung veranlassen will. Und das, meine Damen und Herren, gefällt mir ganz und gar nicht!

Wenn schon von problematischen Vorgangsweisen in der Gesetzgebung die Rede ist und vorhin der Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes diskutiert wurde: Unter zwei verschiedenen, unmittelbar aufeinander folgenden Tagesordnungspunkten haben wir heute zwei verschiedene Änderungen ein und desselben Gesetzes beschlossen. Die Tagesordnungspunkte 15 und 16 lauten – Sie können das nachlesen – „Bundes­gesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird“, in dem einen Fall die Re­gierungsvorlage 999 mit der Kurzbezeichnung „Anlagenrechtsbereinigungs-Gesetz“ – Umsetzung einer EU-Richtlinie, wir haben das alles vorhin diskutiert –, im anderen Fall Selbständiger Antrag 695/A betreffend die Öffnungszeiten für Gaststätten.

Das ist der Regierung und dem Ministerium natürlich nicht vorzuhalten. Aber der zu­ständige Nationalratsausschuss, konkret der Wirtschaftsausschuss, hat am selben Tag die Gelegenheit versäumt, beide Gesetze in einer Novelle zusammenzufassen, so wie es der Präsident des Verfassungsgerichtshofes immer wieder einfordert, weil er zu Recht beklagt, es sei ein Unfug der Gesetzgebung, in derselben Ausgabe des Bundes­gesetzblattes dasselbe Gesetz unter zwei verschiedenen Gesetzestiteln zu ändern. Das müsste umso mehr möglich sein, als in einem ähnlichen Fall der Gesundheitsaus­schuss des Nationalrates es geschafft hat, eine doppelte Änderung des Arzneimittel­gesetzes, nämlich durch die Regierungsvorlagen 1092 und 997, unter einen Hut zu bringen. Wenn man also will, geht das!

Abgesehen von diesen allgemeinen Anmerkungen gibt es auch aus der Sicht des Lan­des Vorarlberg und meiner Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Ländern natur­gemäß keinen Anlass, gegen den konkreten Gesetzesbeschluss Einspruch erheben zu wollen. Daher findet der Antrag auf Nichtbeeinspruchung meine Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Grünen.)

16.26


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister, Sie haben das Wort.

 


16.26.07

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Wiederum nur einige Anmerkungen.

Frau Bundesrätin Lichtenecker, Sie haben kritisiert, dass es keine Pflicht zur Weiter­gabe von Informationen oder keine Normierung einer solchen Pflicht durch dieses Gesetz gäbe. Das ist auch nicht Ziel und Absicht dieses Gesetzes, sondern es geht in Umsetzung einer EU-Richtlinie lediglich darum, wie weitergegeben wird, wenn es dazu kommt – zum Beispiel diskriminierungsfrei. Die Verpflichtung zur Weitergabe von Infor­mationen ist beispielsweise im Umweltinformationsgesetz normiert; dort ist genau ge­sagt, was wann weiterzugeben ist. Ich habe schon im Nationalratsplenum ausgeführt, dass öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten wie der ORF durch die EU-Richtlinie aus­genommen sind. Daher kommt es zu dieser Vorgangsweise.

Zum Thema neun plus eins: warum ein Bundesgesetz und neun Landesgesetze? – Da geht es um die Rechtsposition und Rechtsansicht, dass es sich hier um eine geteilte Kompetenz handle. Gerade in der Länderkammer ist es, so denke ich, sehr sinnvoll, das auch anzuerkennen, jedenfalls aus meiner Sicht. Unsere Vorgangsweise ent­spricht dem.

Was Ihre Kritik an der Beantwortung durch die Statistik Austria angeht, nur eine kurze erste Antwort: Datenschutz ist ein Thema, das gerade auch im Interesse der Grünen


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immer wieder sehr genau und vor allem im Einzelfall zu bewerten ist. Um eine solche Bewertung dürfte es sich da gehandelt haben.

Herr Bundesrat Stadler! Zum Thema Gerüchte: Es ist schwer, zu Gerüchten Stellung zu nehmen. Es ist aus meiner Sicht nicht geplant, irgendwelche Ämter zusammen­zuführen. Sollte es dazu kommen, so würde ich das sehr ausführlich diskutiert wissen wollen, durchaus auch unter meiner Einbindung. Aber das steht zurzeit nicht zur Dis­kussion. Doch von den Gerüchten habe auch ich gehört.

Lieber Herr Bundesrat und Vizepräsident Weiss! Die Argumentation zum Vermes­sungsgesetz ist formal sicherlich nachvollziehbar. Ich bitte aber, zu bedenken, dass es sich dabei vom Inhalt her um etwas handelt, was allen Beteiligten nützt. Es war näm­lich das kurzfristige Interesse des BEV, hier eine Gesetzesänderung zu erlangen, die es dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen ermöglicht, nicht nur zu Vollkos­ten, sondern auch zu Grenzkosten Informationen weiterzugeben. Für das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen entsteht dadurch ein Mehrumsatz, weil man dort offensichtlich weiß, dass vieles zu Vollkosten nicht absetzbar ist, aber zu Grenzkosten unter Umständen absetzbar wäre. Die Kunden, Klienten, Bürger – wie auch immer – wiederum bekommen dann Dinge und Informationen zu Grenzkosten, die sie sonst allenfalls zu Vollkosten bekämen.

Was die Vorgangsweise betrifft, überlegen wir uns sehr genau, wann wir etwas zur Be­gutachtung versenden. In dem konkreten Fall schien es mir und uns im Hinblick auf die Geringfügigkeit und gleichzeitig die Sinnhaftigkeit der Materie gerade noch angemes­sen zu sein. Aber die Kritik, Herr Vizepräsident, nehme ich namens des BEV selbstver­ständlich zur Kenntnis. (Beifall bei der ÖVP.)

16.29


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Kollege Schennach.

 


16.29.50

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich melde mich nur kurz zu Wort. Aber ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Das gibt es auch?) – Das gibt es, ja, Herr Kollege Kühnel!

Herr Bundesminister Bartenstein! Sie haben gesagt, die EU-Richtlinie schließe das öf­fentlich-rechtliche Radio- und Rundfunkwesen aus. Das heißt ja nicht, dass man nicht etwas über diesen Regelungsbedarf hinaus regeln kann. Ich verstehe da eines nicht. Wenn Sie heute surfen – und ich lade Sie dazu ein –, dann surfen Sie doch einmal zum Flaggschiff der Öffentlich-Rechtlichen, zur BBC. Bei der BBC hat jedes Unterneh­men – Frau Kollegin Zwazl, jedes Unternehmen! – und jeder Mensch die Möglichkeit, sich in den Archiven der BBC maßgebliche, substanzielle Informationen ohne irgend­welche Hürden und Zugänge anzueignen. Ich finde das sensationell! Ich finde, was die BBC zur Verfügung stellt, ist eines der spannendsten zeithistorischen Archive, die es überhaupt gibt. Sie können sich dort herunterladen, was Sie brauchen, was Sie wollen.

Das gibt es beim ORF nicht! Aber insbesondere bei öffentlich-rechtlichen Anstalten halte ich das geradezu für eine Verpflichtung. Kostenerstattung: ja – die Frage ist hier wirklich die nach angemessener Kostenerstattung. Doch dass wir Museen, Bibliothe­ken und auch öffentliche Rundfunkunternehmen, gerade was die Informationsweiter­gabe über den normalen Betrieb ihrer Tätigkeiten hinaus betrifft, als Schatz von Infor­mationen betrachten und dies im Interesse einer größeren Öffentlichkeit – auch im Interesse von Unternehmen, die etwas nachschauen, auch im Interesse von einzelnen Leuten – hier einer Regelung zuführen, ist bei uns derzeit leider unzureichend geklärt.


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Was ich bedauere, ist, dass der ORF überhaupt nicht erkennt, dass da tatsächlich eine Geschäftssparte, die mit dem öffentlich-rechtlichen Anspruch durchaus vereinbar ist, vorhanden ist.

Im Übrigen möchte ich mich bei Kollegen Böhm für die gute Zusammenarbeit in den letzten Jahren herzlich bedanken. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

16.32


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich nehme an, auch von der Berichterstattung wird kein Schlusswort gewünscht.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates getrennt erfolgt.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Informationsweiterverwendungsgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Ok­tober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Vermessungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche wieder jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist Stimmeneinhelligkeit gegeben. Der Antrag ist somit angenommen.

16.33.5319. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikergesetz 1993 geändert wird (1090 d.B. und 1152 d.B. so­wie 7401/BR d.B. und 7427/BR  d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen zum 19. Punkt der Tages­ordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Wiesenegg übernommen. Ich darf um den Bericht bitten.

 


16.34.17

Berichterstatter Helmut Wiesenegg: Geschätzte Frau Präsident! Sehr verehrter Herr Minister! Als Berichterstatter bringe ich Ihnen den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Wirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikergesetz 1993 geändert wird.

Ihnen liegt der Bericht in schriftlicher Form vor, daher erübrigt sich jede Detailvorgabe.

Ich komme nun zur Antragstellung. Der Ausschuss für Arbeit und Wirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 2. November 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht. – Es liegen mir keine Wortmeldungen vor.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 123

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

16.35.3320. Punkt

Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2003 (III-265-BR/2004 d.B. sowie 7428/BR d.B.)

21. Punkt

Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2004 (III-288-BR/2005 d.B. sowie 7429/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nun gelangen wir zu den Punkten 20 und 21 der Tagesordnung, über welche die Debatte wieder unter einem durchgeführt wird.

Die Berichterstattung zu den Punkten 20 und 21 hat ebenfalls Herr Bundesrat Wiesen­egg übernommen. Ich darf um die Berichte bitten.

 


16.36.05

Berichterstatter Helmut Wiesenegg: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Als Berichterstatter bringe ich den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Wirtschaft betreffend den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2003 und stelle eingangs fest, dass Österreich ein Top-Tourismusland ist.

Ihnen allen, geschätzte Damen und Herren, liegt der Bericht vor. Es ist dazu also keine Detailerklärung notwendig.

Ich denke aber doch, erstmals sagen zu dürfen: Ein Beschluss, den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2003 zur Kenntnis zu neh­men, ist infolge Stimmengleichheit nicht zustande gekommen.

Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Ich komme zum Punkt 21, für den dasselbe gilt.

Ich komme auch zur Antragstellung: Ein Beschluss, den Bericht über die Lage der Tou­rismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2004 zur Kenntnis zu nehmen, ist infolge Stimmengleichheit nicht zustande gekommen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichterstattung. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

 


16.37.16

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss eingangs eine kleine Berichtigung einbauen, die allerdings gleich zu diesem Bericht passt, Herr Bundesminister. Gerade die Tourismus- und Freizeitwirtschaft bedürfte einer besonderen steuerlichen Situation, da, wie schon vorhin erwähnt, in diesen Be­reichen eine Produktivität eigentlich nur mit einem sehr hohen Personalanteil möglich ist. Die Produktivität ist dort schlecht steigerbar, mit ganz wenigen Ausnahmen, wie mir auch Kollege Ager bestätigen wird. Es gibt jetzt Hotels, in denen sich die Gäste beim Automaten ein Frühstückshäferl herunterlassen, und dergleichen mehr, aber ich glaube nicht, dass das die Zukunft unserer Tourismuswirtschaft ist.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 124

Da Sie heute gesagt haben, Herr Bundesminister, dass es auch zu einer begünstigten steuerlichen Situation der Personengesellschaften gekommen ist, habe ich mir extra noch die Zahlen herausgesucht. Da muss man ehrlicherweise schon sagen, dass das gerade einmal 39 641 Unternehmen insgesamt in Österreich sind; da sind auch die Touristiker drinnen. Aber 140 000 Unternehmerinnen und Unternehmer in unserem Land sind mit einem so genannten Einzelunternehmen tätig, und die schauen leider, wie man in Oberösterreich sagen würde, durch die Finger, wenn es darum geht, einen Steuervorteil zu lukrieren, so wie es eben größeren Unternehmungen und, wie Sie rich­tig gesagt haben, auch Personengesellschaften jetzt möglich ist. Ich glaube, das sollte man hier berücksichtigten.

Nun aber zum eigentlichen Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirt­schaft: Ich glaube, ganz vorweg muss man wirklich einmal ein großes Kompliment an die vielen Unternehmerinnen und Unternehmer richten, die in diesem Bereich tätig sind. Ich habe erst vor wenigen Tagen in Linz mit einer Gastronomiefamilie am Haupt­platz gesprochen, die 60 bis 80 Stunden in der Woche in ihren Betrieben drinsteht und sich oft am Wochenende – Kollegin Zwazl wird das auch wissen –, am Sonntag noch mit der Vorbereitung der Unterlagen für den Steuerberater herumplagt.

Es ist dies wirklich kein leichtes Los, und was die Ertragslage betrifft – mir ist einmal so ein Bericht in die Hand gekommen –, haben sie gesagt: Wir bewegen uns auf dünnem Eis. Es ist das wirklich keine leichte Aufgabe. Die oft mittätige Unternehmergattin – oder Lebensgefährtin, wie auch immer – ist dort häufig nur als geringfügig Beschäftigte angemeldet, das heißt, sie kann daraus eigentlich nicht einmal eine Pension lukrieren. Das ist also wirklich keine leichte Situation.

Diesen Unternehmerinnen und Unternehmern gebührt ein großes Kompliment dafür, was da in dieser Branche an Wertschöpfung in unserem Land bewegt wird. Ich finde auch ganz toll, dass dort insgesamt 13 000 Lehrlinge ausgebildet werden. Das kann man sagen, vor allem dann, wenn man die Lehrlingsarbeitslosigkeit, die Arbeitslosig­keit insgesamt in Rechnung stellt.

Das wahre Problem, das auch diesem Bericht zu entnehmen ist, könnte man eigentlich mit einem Satz umreißen: Die Gäste kommen zwar immer öfter, aber sie kommen leider immer kürzer. Dem müssen wir Rechnung tragen.

Herr Bundesminister! Sie sind ja der Eigentümervertreter in der Österreich Werbung. Man müsste dort ein bisschen kritischer ans Werk gehen. Was die Pinguine in unserer Tourismuswerbung verloren haben, das sei einmal dahingestellt. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Die finde ich lieb!) Mit großer Freude habe ich vernommen, dass es um diese so genannten Kultfiguren sogar einen Urheberrechtsstreit gegeben hat.

Mit Urheberrecht und Wettbewerbsrecht beschäftigen sich unsere großen Tourismus­manager, die leider nur sehr selten aus der Tourismuspraxis kommen, überhaupt häufig. In Oberösterreich ist das sogar schon so weit gegangen, dass der Landestou­rismusverband für ein eigenes operatives Untenehmen Werbung macht, was er ja nicht dürfte, denn er müsste die privaten Unternehmungen genauso in seine Werbemaßnah­men einbeziehen. Es hat zwei Verurteilungen nach dem Wettbewerbsrecht gegeben, und – das muss man einmal auf der Zunge zergehen lassen – der an der Spitze des Tourismusverbandes Oberösterreich stehende Manager, Mag. Pramendorfer, hat es so weit getrieben, dass das Oberlandesgericht Linz gegen ihn eine Beugestrafe in Höhe von 7 000 € verhängt hat. Wer hat diese 7 000 €, Herr Bundesminister, bezahlt? Ich habe mir gedacht, das kann es ja wohl nicht sein. Das zahlen nämlich die so genann­ten Interessenten, also solche wie Kollege Ager, die für jeden Gast ihre Beiträge zah­len.


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Das ist ein starkes Stück. Ich weiß, Herr Bundesminister, diese Tourismusinstitutionen haben den Status eines Selbstverwaltungskörpers. Ich würde mir schon wünschen, dass bei solchen eklatanten Fehlleistungen etwas der Amtshaftung, aber auch der Dienstnehmerhaftung im Bundesdienst Vergleichbares zur Verfügung stünde, denn das sind schon starke Stücke. Ich weiß auch nicht, wie es in der Österreich Werbung zu einem eigenen Urheberrechtsstreit hat kommen können. Jedenfalls hat der auch wieder viel Geld gekostet, das man viel sinnvoller hätte verwenden können.

Wir müssen uns verstärkt den neuen Beitrittsländern zuwenden. Überhaupt ist der Tou­rismus der früheren Ostländer für uns ganz wichtig. Ich konnte das selber einmal in der Praxis miterleben. Es hat eine sehr unglückselige, glücklose Staatssekretärin in ihrem Ressort gegeben, die in Moskau eine Veranstaltung für so genannte Outgoing-Reise­büros durchgeführt hat. Sie hat dann leider den Termin vergessen, wie ich miterleben durfte. Frau Sektionschefin Udolf-Strobl war, glaube ich, mit dabei. Man muss sich diese Blamage vorstellen! Es ist ja zu einer gewissen personellen Flurbereinigung bei Ihrem Regierungspartner gekommen. Wenn es einmal so weit geht, dass mit österrei­chischen Tourismusgeldern im Ausland so fahrlässig umgegangen wird, dann wird es nur gut sein, wenn sich die verantwortlichen Persönlichkeiten einmal selbst hinterfra­gen.

Es gibt das bekannte Werk des Wifo-Experten Egon Smeral, der ein Buch über die Zu­kunft des internationalen Tourismus herausgebracht hat und darin bestimmte Bereiche anspricht, etwa den Gesundheitstourismus, aber auch die so genannte künstliche Destination. Smeral also meint, dass wir bei den Slowaken, Ungarn, Tschechen und so weiter zweistellige Zuwachsraten anstreben können. Das ist auch im Vorjahr dank all jener gelungen, die sich hier in den operativen Betrieben engagieren.

Ich muss wieder zu meinem alten Steckenpferd zurückkehren, Herr Bundesminister. Es wird wirklich wichtig sein, zusammen mit Bundesminister Grasser endlich etwas zu tun, um zum Beispiel die Abschreibdauer der Häuser, die noch immer bei 30 Jahren liegt – nicht wahr, Kollege Ager, Sie sind ja selber Besitzer eines solchen Hauses –, zu ändern. Da wird man also etwas tun müssen. Es wird auch notwendig sein, den Um­satzsteuersatz zu senken, denn – und das werden Ihnen auch Experten bestätigen – die Absenkung des Körperschaftssteuersatzes bringt in einem Bereich, der so von Einzelunternehmerinnen und Einzelunternehmern gekennzeichnet ist, wirklich nur sehr, sehr wenig.

Insgesamt muss ich den Beamtinnen und Beamten wirklich ein großes Kompliment machen, denn der Bericht ist sehr ambitioniert verfasst. Ich bewundere die Frau Minis­terialrätin, die es wirklich geschafft hat, die Dinge auf den Punkt zu bringen, denn es hätte uns nur wenig gebracht, wenn Sie uns hunderte Seiten vorgelegt hätten. Sie haben uns ganz einfach in einer stilistisch sehr gut lesbaren Form verdeutlicht, worauf es ankommt.

Es gibt natürlich ein paar politische Punkte, die mir da fehlen. So ist es natürlich schlimm, wenn man in Österreich für Reiseautobusse Maut zahlen muss. Herr Bundes­minister, das führt bereits dazu, dass sogar Schulausflüge in benachbarte Bundeslän­der nicht mehr stattfinden, weil es dadurch zu einer Verteuerung der Autobusfahrten gekommen ist.

Es ist auch nicht verwunderlich, dass eine zweite Schwierigkeit im Bericht nur sehr rudimentär angesprochen wird, nämlich dass jetzt Basel II ins Haus steht. Es gibt das Instrument des Mezzaninkapitals, wo Anleger Geld einbringen und dafür gewisse er­höhte Zinsen lukrieren können, diese Gelder von der Bank aber durchaus als Eigenka­pital angesehen werden. Für solche Modelle wird es also irgendeine Unterstützung ge­ben müssen, damit man das wirklich in die Höhe fährt, denn eine Zukunft wird nur dann


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möglich sein, wenn wir weiter in den Qualitätstourismus investieren. Aus dem Bericht wird klar ersichtlich, dass es dort, wo wenig investiert wird, wo nur zwei Sternchen am Haus sind, wirtschaftlich bergab geht, dort wird einfach nicht gebucht.

Es geht auch um eine Rückholaktion von Österreichern, die bisher eher einen Aus­landsurlaub bevorzugt haben. Das ist im Jahr 2004 so ziemlich gelungen. Es ist in diesem Bereich im Vorjahr zu einer Stagnation gekommen. Immerhin gab es 2003 noch ein Plus von 6,4 Prozent, um das sich die Auslandsurlaube von Österreichern vermehrten. Den Touristikern ist es also gelungen, den Österreichern Tirol, die Steier­mark, andere Bundesländer als Destination schmackhaft zu machen. Das ist sicher eine gute Sache.

Ich möchte hier abschließend den aus meiner Sicht völlig unverdächtigen Bundesob­mann der Sparte Tourismus zitieren, einen Oberösterreicher, der aber auch in Tirol ein zweites Hotel zusammen mit seiner Lebenspartnerin betreibt, Kommerzialrat Johann Schenner, der meint: Wir wären mutiger, wenn die Betriebsnachfolge steuerlich besser geregelt wäre. Es würden noch viel mehr gute Unternehmerinnen und Unternehmer schwächere Betriebe aufkaufen und vermehrt investieren.

Wichtig ist, die Rahmenbedingungen in Ordnung zu bringen. Insgesamt würde ich mir von Fördermaßnahmen mehr versprechen. Im Bericht ist ein Beispiel der Österreichi­schen Hotel- und Tourismusbank, der ÖHT, angeführt. Es wurden 14 Anträge geprüft, 10 hat man sich vor Ort angesehen und 3 wurden genehmigt. Sofern ich die Zahlen ungefähr richtig im Kopf habe, dann bewegen wir uns mit den Fördermaßnahmen im Bereich von Promillebruchteilen.

Herr Bundesminister! Hier wäre jeder Euro, den die Regierung investiert, ein Wachs­tumsschub für unsere Republik. Das wäre wirklich eine Arbeitsplatzmaschine. Ange­sichts der heute von mir zitierten wirklich sehr schlimmen Arbeitslosenzahlen wäre das vonnöten. Ich ersuche, dass man in diesem Sinne die erfolgreiche Tourismusarbeit in unserem Land fortsetzt, verstärkt und ausbaut. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Bei­fall bei der SPÖ und der Bundesrätin Dr. Lichtenecker.)

16.48


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ager. – Bitte.

 


16.49.01

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Liebe Frau Präsident! Geschätzter Herr Bundes­minister! Meine sehr geschätzten Kollegen, Damen und Herren! Lieber Wolfgang Schimböck, ich mag dich ja. (Ruf bei der SPÖ: Nein! – Ruf bei der ÖVP: So!) – Ich mag den wirklich. Nachdem ich mir das jetzt aber angehört habe, muss ich dir irgendwo unterstellen, dass du den Bericht nicht gelesen hast. Ein Konzept für die Zukunft des Tourismus – da ist in deinen Ausführungen nichts dabei gewesen, muss ich sagen. Du hast versucht, Dinge aufzuzeigen. Das ist ja auch in Ordnung, und das tun wir gemein­sam immer wieder, aber heute geht es wirklich um den Bericht. Ich denke, wir sollten uns dem Bericht wieder zuwenden.

Den Bericht über die Lage des Tourismus und der Freizeitwirtschaft in Österreich gibt es alle zwei Jahre, wie wir wissen. Wir reden also über die touristische Entwicklung der Jahre 2003 und 2004, und ich verspreche euch eines: Ich werde euch heute
von diesem Pult aus mit sämtlichen Zahlen verschonen. Zum einen kriegen Sie die nach mir wahrscheinlich noch von sehr vielen nachgereicht, auch von meiner lieben Kollegin Fröhlich, die auch Zahlen bringen wird. Zum anderen verweise ich auf die
sehr gute und sehr tolle Homepage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft. Unter www.bmwa.gv.at/tourismus können Sie alles abrufen, was im Tourismus kreucht und


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fleucht und was da läuft. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Kollege Ager als Werbeträ­ger!)

Liebe Freunde! Diese Homepage wird monatlich aktualisiert: Wenn Sie im November hineinschauen, sind Sie schon viel weiter als heute – die Zahlen, die wir heute da verbreiten, sind im November schon wieder Schnee von gestern.

Eines muss ich hier auch einmal feststellen: Solch eine Transparenz und Ausführlich­keit im Bericht hat es noch nie gegeben, lieber Herr Minister. Dafür den herzlichsten Dank, auch der Sektionschefin Udolf-Strobl und dem ganzen Team. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte mich heute auf zwei wesentliche Punkte beschränken und den Tourismus vielleicht ein bisschen in ein anderes Licht stellen, als man es normal gewöhnt ist. Zuerst möchte ich die Humanressource im Tourismus – die Menschen, die dort arbei­ten, die Unternehmerfamilien und ihre Mitarbeiter – beleuchten und Folgendes in den Raum stellen: Haben Sie als Gast schon einmal daran gedacht, dass ein im Tourismus Tätiger oder eine im Tourismus Tätige arbeiten muss, wenn Sie alle frei haben – Silvester, Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Sonn- und Feiertage, abends und nachts –, dass die dort Tätigen großen Schwankungen unterworfen sind – sie können 10 Gäste haben, dann haben sie 100 Gäste, so schnell können Sie gar nicht schauen –, was mit Stresssituationen verbunden ist? Haben Sie schon einmal daran gedacht, dass sowohl Mitarbeiter wie auch Unternehmer Familien haben mit all ihren Problemen, die es unter einen Hut zu bringen gilt, und beide unter einem großen Konkurrenzdruck stehen?

Wir haben zurzeit auch Probleme in der Branche, und die möchte ich nicht verschwei­gen: Unser Hauptkunde Deutschland hat Probleme, und das spüren wir natürlich haut­nah. Die Eigenkapitaldecke im Tourismus ist sehr dünn, und dadurch haben wir manchmal auch Probleme bei der Übergabe der Betriebe. Der Erfolg ist oft witterungs­bedingt, und das bezieht man selten mit ein. Für einen normalen Menschen in Öster­reich ist es kein Problem, wenn es im Sommer regnet und im Winter nicht schneit. Er kann eben im Sommer weniger baden gehen und im Winter weniger Schi fahren, aber wir spüren das natürlich sofort bei den Umsätzen. Wir sind konfrontiert mit hohen Kos­ten und geringer werdenden Margen – wir sind eben keine Insel der Seligen –, und wir sind konfrontiert mit ständig wachsenden und nachwachsenden anderen Urlaubsdesti­nationen in Europa.

Jetzt komme ich aber zu sehr vielen positiven Dingen im Tourismus, die auch aus diesem Bericht stammen. Man kann es ja auch umdrehen: Wenn Sie alle arbeiten müssen, haben wir im Tourismus frei. Das duale Ausbildungssystem in Österreich ist weltweit führend und eine Schule für das ganze Leben, behaupte ich hier einmal. Man arbeitet im Tourismus immer mit Menschen und für Menschen, und ein Arbeitsplatz im Tourismus ist ein zukunftsorientierter und ein sicherer Arbeitsplatz – das möchte ich hier auch einmal betonen –, auch wenn es nicht ganz standesgemäß ist in Öster­reich. – Liebe Frau Lichtenecker, ich bitte, da nicht den Kopf zu schütteln, das ist so! (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Ich habe genickt!) – Ach genickt! Dann ist das ohnehin schön.

Arbeitsplätze im Tourismus sind sicher und zukunftsorientiert. Ich denke auch, wir müs­sen von der Auffassung wegkommen, dass die Dienstleistung – und da gehören wir einfach einmal dazu – etwas Grausiges und etwas Schlimmes ist. Einem Menschen zu dienen, das ist immer eine tolle Sache gewesen, sie ist eben nur momentan nicht ganz modern. Wenn Sie an einiges von dem, was ich Ihnen hier „aufgetischt“ habe, bei Ihrer nächsten Begegnung mit einer oder mit einem im Tourismus Tätigen denken, wird diese Begegnung eine ganz andere Qualität haben, da bin ich mir ganz sicher.


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Über 117 Millionen Gäste jährlich bestätigen den österreichischen Touristikern, dass sie herzliche und freundliche Gastgeber sind. Wir alle wissen, dass Wirtschaft und Tou­rismus und ihre Entwicklung nie geradlinig verlaufen – einmal oben, einmal unten, so, wie auch im richtigen Leben –, aber Zahlen und Statistiken können auch relativ sein. Ich darf da ein Beispiel bringen, weil da immer ein bisschen die Panik ausbricht, wenn wir einmal 1,5 bis 2 Prozent weniger Nächtigungen in einem Jahr haben. Wenn irgend­ein anderes Land 20 Millionen Nächtigungen hat, dann bedeuten 5 Prozent Steigerung trotzdem immer noch erst 22 Millionen. Wenn dagegen wir heute von 120 Millionen Nächtigungen einmal kurzfristig in einem Jahr auf 117,5 Millionen zurückfallen, dann ist das eben insgesamt immer noch eine tolle Geschichte und dann ist die Hotellerie im­mer noch eine Branche, zu der man aufschauen kann, bin ich der Meinung.

Für das Jahr 2005 schauen die Prognosen ja nicht schlecht aus. Da soll es ja wieder eine Steigerung von etwa 4 Prozent geben, sodass wir wieder plus/minus auf unseren 120 Millionen Nächtigungen sind, und damit können wir uns auf der Welt schon sehen lassen.

Sehr erfreulich ist auch der Gastkommentar im Bericht – der hat mir gut gefallen – über das Thema Jugendtourismus. Das brauche ich euch wohl nicht zu sagen: Jugendliche sind die Gäste von morgen. Und was für uns Tiroler ganz wichtig ist: Die Jugend-Schi­kurse von in- und ausländischen Schulen sichern im Prinzip den Wintertourismus für die nächsten Jahre in Österreich, auch in Tirol und in Kärnten und überall.

Wandern im alpinen Gelände weckt die Liebe zu den Bergen. Das ist auch wichtig, denn wir haben einen Hauptkonkurrenten, und das sind die, die am Meer sind. Es gibt im Grunde nur zwei Destinationen: Fährst du ans Meer, in die Hitze, oder fährst du in die Berge? Und wenn wir da nicht aufpassen und in der Werbung nicht anständig wei­ter werben, dann werden uns vielleicht zu viele ans Meer fahren.

Ich bin der Meinung, man sollte die Jugendherbergen, günstige Privatquartiere und al­les Mögliche für Jugendliche nicht gering schätzen. In vielen Fällen kommt der Jugend­liche, wenn er erwachsen wird und selber einmal eine Familie hat, fast immer wieder an den „Tatort“ seines ersten Urlaubs zurück, und darauf können wir auch in Zukunft wieder bauen.

Im Jahr 2004 wurde von dir, lieber Bundesminister, das Projekt „Maßnahmenpaket Tourismus – Arbeit & Ausbildung“ gestartet mit dem Ziel, eine Verbesserung des Ar­beitskräftepotenzials für den Tourismus zu ermöglichen. Das ist auch eine wichtige Geschichte.

Mit Freude habe ich im Bericht gelesen, dass Österreich anlässlich seiner EU-Präsi­dentschaft im nächsten Jahr die Tourismusminister der 25 EU-Mitgliedstaaten, der Bei­trittsländer, EWR- und EFTA-Staaten zu einer Tourismusminister-Konferenz im März eingeladen hat. Es ist wichtig, dass wir dieses Schaufenster, dieses internationale Schaufenster zur Welt mit österreichischer Gastlichkeit und unserer herrlichen Land­schaft nützen und uns da präsentieren.

Ich komme zum Schluss meiner Ausführungen: Wir sollten in einem zusammenwach­senden Europa immer über die Zukunft der Tourismus- und Freizeitwirtschaft nachden­ken!

Lieber Herr Minister! Dieser Bericht ist eine sehr, sehr gute Grundlage dafür, und wir nehmen ihn gerne zur Kenntnis. Um das zu unterstreichen, darf ich zwei Anträge ein­bringen:


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Antrag

der Bundesräte Bieringer, Kolleginnen und Kollegen auf Kenntnisnahme des Berichts über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2003 (III-265-BR/2004 d. B.) – TOP 20

Die unterfertigten Bundesräte stellen folgenden Antrag:

Der Bundesrat wolle beschließen, den Bericht über die Lage der Tourismus- und Frei­zeitwirtschaft in Österreich 2003 (III-265-BR/2004 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

*****

Antrag

der Bundesräte Bieringer, Kolleginnen und Kollegen auf Kenntnisnahme des Berichts über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2004 (III-288-BR/2005 d.B.) – TOP 21

Die unterfertigten Bundesräte stellen folgenden Antrag:

Der Bundesrat wolle beschließen, den Bericht über die Lage der Tourismus- und Frei­zeitwirtschaft in Österreich 2004 (III-288-BR/2005 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

*****

Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

16.59


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke schön.

Die von den Bundesräten Bieringer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachten Anträge zum Verhandlungsgegenstand sind gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung genü­gend unterstützt und stehen demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


17.00.11

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Die Entwicklung im Tourismus ist sicherlich differenziert zu betrachten im Hinblick darauf, dass die Ertragssituationen teilweise sehr schwierig sind, dass wir in manchen Bereichen positive Entwicklungen haben, ins­besondere in den hochpreisigen Bereichen, dass es in den anderen Sektoren schwie­rig ist, dass wir konfrontiert sind mit sinkenden Übernachtungszahlen, die, Kollege Ager, natürlich zu einem Teil auf den Rückgang der Zahl der Gäste aus Deutschland zurückzuführen sind, aber wenn man sich die Statistik von Statistik Austria anschaut, dann kann man sehen, dass es nicht in dem Ausmaß ist, wie wir es vermuten.

Das Problem, das wir eher haben, ist, dass wir neue Märkte nicht in dem Ausmaß er­schließen, in dem es eigentlich möglich wäre. Wenn man sich die Zahlen anschaut – die sind bedauerlicherweise nicht in dieser Detailliertheit im Bericht angeführt –, dann sieht man, dass sich das trotz allem noch in relativ marginalen Prozentbereichen be­wegt. Da ist viel mehr drinnen. Genauso auch bei Gästen aus Russland. Aber ein Punkt, der nach wie vor sehr verwundert, ist das Thema Asien. Der ganze Raum mit China, Indien, der unglaublich dynamisch ist, unglaubliche Wachstumsraten hat, ist noch in einem unglaublich marginalen Prozentsatz vertreten, wiewohl es sich da um Kundinnen und Kunden handelt, die sehr kaufkräftig sind, wie wir wissen. (Bundesrat


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Ager: Der Städtetourismus ist gut!) Beim Städtetourismus schon, aber wir wollen, wie du ja angeführt hast, doch auch forcieren, dass unsere Berge geliebt werden und damit auch der Wandertourismus, die Regionen gestärkt werden, und insofern gibt es sicher noch Mankos.

Es ist der Tourismus für die österreichische Wirtschaft, für die heimische Wirtschaft si­cherlich eine ganz wichtige Größe: wichtig für unsere Wertschöpfung, wichtig für die regionale Entwicklung – da schaue ich die Kollegen aus Tirol an –, genauso wichtig für die Arbeitsplätze, für die Ausbildung, keine Frage, aber genauso auch für unsere Zah­lungsbilanz.

An dieser Stelle sei zu den Berichten an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Minis­teriums einmal angebracht: Wir werden diesen Bericht in dieser Form zur Kenntnis nehmen, weil wir die Arbeit sehr schätzen, die dort geleistet wird, und als Dank dafür. Nichtsdestotrotz gibt es natürlich eine Menge an Punkten, die wir uns wünschen. Spe­ziell vom Minister wünschen wir uns, dass es hier mehr an Drive, mehr an Fortschritt, mehr an Innovation gibt. Aber das ist sozusagen der andere Teil, der hier Thema ist.

Ich meine, ist es zunächst einmal angesagt, dass man eine Qualitätsoffensive macht, und zwar erstens einmal natürlich bei den Investitionen, bei den Infrastrukturinvestitio­nen. Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann sieht man, dass der Betrag für die geförderten Projekte tatsächlich um 200 Millionen € zurückgegangen ist. Das ist, auch wenn im Ausschuss erklärt wurde, dass das auch konjunkturell bedingt und mit einem gewissen Zyklus versehen ist, dennoch nicht unbedingt das optimale Zeichen, Herr Minister. Hier gibt es sicherlich auch Handlungsbedarf.

In den Berichten gibt es Prognosen für die Jahre 2004 und 2005, die von jeweils 4 Pro­zent und 5 Prozent Wachstum ausgehen. Das ist so nicht eingetreten, und es ist etwas zu billig, zu sagen, die Konjunktur sei nicht so gelaufen, wie man sich das gewünscht hat – das stimmt zwar –, es habe Entwicklungen bei unseren Nachbarn gegeben, die auch nicht gerade glücklich waren! Das ist so in der Analyse einfach zu wenig. Da gibt es Bereiche, wo man wesentlich progressiver, fortschrittlicher vorgehen muss, um das auch voranzutreiben.

Was die Qualitätsoffensive betrifft, geht es natürlich auch um das Thema Arbeitswel­ten. Kollege Ager hat beschrieben, wie es denn ist. Er erlebt es hautnah, er kommt aus diesem Bereich, genauso wie die Kollegin Gansterer, die ja auch noch auf der Red­nerInnenliste steht. Von unserer Seite her gibt es eine klare Anerkennung der Leistung, eine klare Wertschätzung. Ich selbst komme aus einem kleinen Kurort und habe genug Freunde und Bekannte, die in diesem Bereich arbeiten beziehungsweise Lokale besit­zen. Ich weiß daher, was es heißt, das über die Bühne zu bringen, auch in Bezug auf Arbeitsrecht, Regelungen und so weiter. Da gibt es eine Menge an Dingen, die es zu verbessern gilt.

Aber ich möchte zunächst noch bei dem Thema Arbeitskräfte bleiben. Es stellt sich schon die Frage: Warum gibt es bei der hohen Jugendarbeitslosigkeit, die wir haben, in diesem Sektor wesentlich mehr offene Lehrstellen als Lehrstellensuchende? Jetzt kann man natürlich sagen: Das ist ein Mismatch! Wir haben regionale Probleme, die dazu führen, dass es beispielsweise in Tirol viel mehr offene Lehrstellen gibt, als wir dort abdecken können. Aber ich glaube, dass es damit zusammenhängt, wie attraktiv die Arbeitsplätze sind, wie attraktiv die Arbeitsbedingungen sind, die die Jugendlichen dann perspektivisch haben.

Da gebe ich dem Kollegen Ager Recht. Man muss diesen Bereich stärken, das Selbst­bewusstsein der Menschen, die dort arbeiten, stärken – das ist ein guter Bereich –, und man muss auch das Bildungssystem, das wir dort haben, durchlässiger machen. Es gibt zum Beispiel an unserer Universität eine Ausbildung im Tourismusmanagement,


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und ich halte das für gescheit. Das kann man auch mit MBA abschließen. Das ist ein Fortschritt, da geht etwas weiter.

So gibt es viele Beispiele, wobei es auch darum geht, neue Lehrberufe zu schaffen, die genau dieser Branche zugute kommen. Es gibt aber auch arbeitsrechtliche Bereiche und auch Entlohnungskomponenten, die man besser regeln muss. Es geht nicht an, den Trend zu Billig- und Billigstarbeitskräften mehr und mehr zu stärken. Doch dazu gehört natürlich auch wieder so etwas wie Qualität, damit die Menschen bereit sind, für das, was ihnen geboten wird, auch in dieser Form zu bezahlen. Das halten wir für einen sehr, sehr zentralen Bereich.

Eines ist auch klar: Der österreichische Tourismus lebt einerseits von der Qualität seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch von der Qualität der Landschaft, von der Kultur, die in diesem Land geboten wird. Und da ist es schon klar, dass es nicht besonders glücklich ist, wenn Wahlkämpfe wie in Wien verlaufen, die nicht eine welt­offene Stadt präsentieren, sondern Töne aufkommen lassen, für die man sich de facto dann auch genieren muss.

Das heißt, generell ist in diesem Bereich die Offenheit des Landes, die Kultur zu stär­ken, aber natürlich, Herr Minister, auch das Thema Umwelt und Umweltschutz. Es ist im Bericht ein Teil enthalten, der sich „Internationale Studien, WTO-Papier, Klimawan­del und Tourismus“ nennt. Es ist fein, dass wir uns an diesen Studien beteiligen, sie mit finanzieren, es geht aber auch um die Konsequenzen, die daraus gezogen werden sollen. Wir erleben es jetzt selbst in Oberösterreich hautnah bei den Regionen, die mit Schitourismus zu tun haben, dass es zunehmend schwieriger wird auf Grund des Kli­mawandels. Wir haben eine immer schlechtere Schneelage, es wird die Saison immer kürzer, und damit ändern sich auch die Finanzierungskomponenten.

Herr Minister! Eines, was Sie hier unmittelbar tun können, ist zum Beispiel die Öko­stromregelung, um aus Ihrem Ministerium auch den entsprechenden Beitrag zum Thema Klimaschutz zu liefern. Aber – da bin ich jetzt anderer Meinung als der Kollege Schimböck – die Trademark Austria, nämlich gute Qualität und schöne Natur, ist viel mehr zu promoten, insbesondere eine Marketingoffensive im Ausland ist wichtig. Auch wenn das teilweise angegangen wird, wird das nicht tatsächlich in dem Ausmaß geför­dert, wie es notwendig wäre.

Zwei Punkte noch. Zunächst das Thema „Ferienordnungen“. Für die Ferienordnungen hat man noch immer keine wirklich glückliche Lösung gefunden. Die Idee, im Herbst Ferien einzuführen, nachdem es jetzt eine tolle Buchungslage gegeben hat, ist zu begrüßen und vermutlich auch lerntechnisch durchaus eine effiziente Geschichte.

Zum Schluss, Herr Minister, bleibt mir noch darauf hinzuweisen: E ist wichtig, dass Gäste aus dem Ausland zu uns kommen, die Gastfreundschaft genießen, die Natur und die Kultur genießen, aber wichtig ist es auch, dass sich die Österreicherinnen und Österreicher einen Urlaub in Österreich leisten können. Dabei geht es darum, die Kauf­kraft zu stärken, und das ist das, was wir noch immer bei dieser Regierung sehr ver­missen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.09


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundesrätin Fröhlich. – Bitte.

 


17.09.31

Bundesrätin Christine Fröhlich (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Ich bringe jetzt ein paar Fakten von Österreich und im zweiten Teil von unserem Bezirk. Mein Kollege Ager hat ja schon viel gesagt, daher ist es nicht so leicht, danach zu reden.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 132

In Bezug auf den Bericht zur Tourismus- und Freizeitwirtschaft 2004 möchte ich Fol­gendes feststellen: Auf Grund der Bedeutung der Tourismus- und Freizeitwirtschaft für den Wirtschaftsstandort Österreich wurde in das Arbeitsübereinkommen der Bundes­regierung von 17. Dezember 1990 eine Aussage darüber aufgenommen, dass dem Nationalrat unter Einbeziehung der Tourismusforschung jährlich über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich berichtet werden soll.

Diesen Tourismusbericht verstehe ich allerdings nicht nur als einen Gegenstand eines parlamentarischen Auftrags, sondern vielmehr soll er allen, die im Tourismus tätig sind, als Informationsquelle dienen. Der vorliegende Bericht soll vor allem einen Überblick über das abgelaufene Tourismusjahr 2004 sowie einen Ausblick auf die künftige Ent­wicklung liefern.

Österreich bleibt ein überaus beliebtes Urlaubsland. Im Jahre 2004 konnten die Um­sätze wieder um 2,4 Prozent auf 18,55 Milliarden € gesteigert werden, obwohl das erste Mal seit 1997 ein leichter Rückgang der Nächtigungen von 0,6 Prozent auf 117,2 Millionen hingenommen werden musste. Auch bei den Ankünften konnte ein Plus verzeichnet werden: 28,5 Millionen, das ist ein Plus von 1,2 Prozent bei den Gäs­ten insgesamt; davon sind 19,4 Millionen Ausländer, was ein Plus von 1,5 Prozent aus­macht, und 9,1 Millionen Inländer, was ein Plus von 0,4 Prozent ausmacht.

Die Tendenz zu kürzeren Reisen setzte sich auch im abgelaufenen Jahr fort. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der inländischen Gäste sank auf 3,4 Nächte. Die ausländischen Reisenden übernachten im Schnitt 4,4-mal in Österreich. In Tirol findet man mit zirka 360 000 Betten ein Drittel der gesamten Gästebetten Österreichs bei zirka 8 Prozent der Einwohner.

44 Prozent der gesamten Nächtigungen in Österreich entfallen auf Tirol. Die Zahl der Gästebetten liegt derzeit auf dem Niveau von 1980, wobei eine Abnahme bei der Pri­vatzimmervermietung, zum Beispiel auf Bauernhöfen, und eine Zunahme in den Vier-Sterne-Hotels festzustellen ist. Die Geldmenge, die ein Tourist bei seinem Tirolaufent­halt im Land lässt, ist nicht zuletzt auf Grund der Verlagerung in Richtung Wintertouris­mus stark gestiegen.

Ich als Außerfernerin und zwanzig Jahre im Tourismus Beschäftigte kann mit Stolz berichten, dass wir im Bezirk Reutte mit zirka 32 000 Einwohnern im Jahre 2004 eine Nächtigungszahl von 3 113 357 erreicht haben. Die Verteilung auf Sommer- und Win­ternächtigungen ist beinahe gleich. Die genannte Zahl entspricht etwa 100 Nächtigun­gen pro Einwohner. Damit liegen wir an dritter Stelle in Tirol. Dabei gilt es aber zu be­denken, dass wir im Wettbewerb mit Regionen wie Kitzbühel, Arlberg und Paznaun stehen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.14


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist Herr Präsident Mitterer. – Bitte.

 


17.14.23

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Österreich ist und bleibt Tourismusweltmeister, auch wenn einige krampfhaft versuchen, aus den Berichten 2003 und 2004 negative Dinge herauszulesen. Allein in Europa, wo der Durchschnitt des Einkommens pro Kopf der Bevölkerung aus dem Tourismusbereich 458 € beträgt, ist Österreich, wenn es schon Weltmeister ist, natürlich auch überlegener Europameister mit einer Wertschöpfung von 1 515 €. Es lässt den Zweitgereihten, die Schweiz, mit 1 118 € pro Kopf der Bevöl­kerung bereits weit zurück.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 133

Die Wertschöpfung der Tourismus- und Freizeitwirtschaft – denn es gibt nicht nur die Gastronomie und Hotellerie, man muss den ganzen Komplex Tourismus- und Freizeit­wirtschaft sehen – betrug in Österreich im Jahre 2003 nach wie vor 42,6 Milliarden € oder 19 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

Der Vergleich Nächtigungen und Ankünfte gibt uns eigentlich Recht, dass nicht alles in der Werbung schlecht sein muss, denn in den besten Jahren im Tourismus, in den achtziger Jahren, lag zum Beispiel in Kärnten, aber auch in anderen Bundesländern die Zahl der Ankünfte wesentlich unter jener, die wir jetzt verzeichnen. Der Trend zum Zweit-, Dritt- und Viert-Urlaub ist nach wie vor ungebrochen, was natürlich den Haupt­urlaub einschränkt und verkürzt. Das heißt, es ist uns gelungen, mehr Gäste nach Österreich zu bekommen, aber sie sind im Schnitt kürzer geblieben, und das ist es eben, wo wir noch Nachholbedarf haben.

Wir sind aber trotzdem hoffnungsfroh, denn die Tourismuswirtschaft ist und bleibt eine Wachstumsbranche. Immer mehr Menschen auf dieser Welt haben mehr Zeit und mehr Geld, ihren Urlaub nicht nur zu Hause in ihren vier Wänden, sondern auch auf den schönsten Plätzen – und dazu zählt natürlich Österreich – zu verbringen.

Erfreulich ist es auch, aus dem Bericht herauszulesen, dass der Österreicher selbst verstärkt das eigene Land wieder als Tourismusland nicht nur entdeckt, sondern es wieder annimmt, und das wird, glaube ich, auch dazu führen, dass das Bewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher für die Probleme des Tourismus und der Tou­rismuswirtschaft noch besser entwickelt werden kann.

Zu den Zuwächsen aus dem Osten kann man immer sagen, sie könnten noch größer sein, aber sie sind da. Sie sind – ich spreche noch einmal von Kärnten – in einem hohen Ausmaß im Wintertourismus zum Beispiel aus dem ungarischen Raum bereits zu spüren. Da ist einfach nachzusetzen.

Schwankungen im Tourismus hat es immer gegeben und wird es auch in Zukunft geben. Es geht dabei um die wirtschaftliche Situation der Herkunftsländer unserer Ur­laubsgäste, wie wir heute hier schon gehört haben. Es ist klar, dass davon, dass es gerade in Deutschland mit den Einkommen nicht so gut bestellt ist, ein Land wie Öster­reich, dass einen hohen Anteil an deutschen Urlaubsgästen hat, natürlich stärker be­troffen ist (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Aber man darf sich nicht nur darauf ausre­den!) als ein anderes Land, Frau Kollegin Lichtenecker.

Das Wetter kann man als Ausrede abtun oder auch nicht. Wenn ich bedenke, dass wir in einigen Bundesländern, so auch in Kärnten, im Sommer einen 25-prozentigen Näch­tigungsanteil bei Campinggästen haben, dann kann mir bitte niemand sagen, dass ein schlechter Juli und ein schlechter August, was das Wetter anbelangt, sich nicht auch negativ auf die Aufenthaltsdauer der Gäste, die in einem Zelt auf einem Campingplatz wohnen, auswirkt. Das hat natürlich auch negative Auswirkungen für uns.

Da kann die Politik nicht gegensteuern. Die Politik kann bei der Österreich Werbung mit verstärkter Werbung gegensteuern. Aber so lange es Werbung gibt, wird es auch die Diskussion darüber geben, ob die Werbung richtig oder falsch ist. Ein Experte hat einmal gemeint, 50 Prozent der ausgegebenen Werbemittel seien hinausgeworfenes Geld. Ich möchte nur wissen, welche der 50 Prozent es waren. Sehr wohl kann die Re­gierung – und da ist sie auf dem richtigen Weg – bei den inländischen Gästen gegen­steuern, indem sie die Kaufkraft oder das Einkommen der Bürger stärkt. Da ist mit der neuen Steuerreform der richtige Weg bereits beschritten, ebenso bei der Ertragssteige­rung der Betriebe in der Tourismuswirtschaft. Auch da gibt es wesentliche Akzente in der Steuerreform.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber um etwas möchte ich die Regierung auch ersuchen: Wir sind in einem zusammenwachsenden Europa, und es heißt immer, Österreich habe dort auch ein Mitspracherecht. Vielleicht kann sie doch auch stärker dahin gehend wirken, dass wir europaweit die Ferienordnung besser anlegen können, denn das ist etwas, wo wir Nachholbedarf haben. Es ist weder für die Lebensqualität noch auch für die Urlaubsqualität zuträglich, wenn zu viele Bürger zur gleichen Zeit das Gleiche wollen, denn den Massentourismus macht nicht die Tourismuswirtschaft, den Massentourismus machen die Menschen, die zur gleichen Zeit das Gleiche wollen. Das können wir entzerren, indem wir stärker Einfluss auf eine europäische Ferienord­nung nehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte zum Schluss mei­ner Ausführungen den Dank an die Unternehmerinnen und Unternehmer anbringen, da ich selbst einer dieser Unternehmer bin. Alle Unternehmerinnen und Unternehmer ar­beiten 60 bis 80 Stunden in der Woche, auch in anderen Branchen, aber – auch das wurde von meinem Kollegen Ager bereits angesprochen – bedenken wir, dass es diese Branche ist, die dann zu arbeiten hat, wenn die anderen alle frei haben. Das betrifft eben das Wochenende, Weihnachten, Ostern, Sommerferien oder, vom täglichen Ablauf her, den Abend- und Nachtdienst.

Das, Frau Kollegin Lichtenecker, führt auch dazu – zum Lehrlingsproblem werde ich beim nächsten Tagesordnungspunkt Stellung nehmen –, dass wir in Kärnten mehr offene Lehrstellen im Bereich des Tourismus haben als Lehrstellensuchende. Auch das gibt es. Aber ich habe nichts davon, einen jungen Menschen zu überreden, dass er Koch oder Kellner lernen soll, wenn er nicht bereit ist, das hinzunehmen, dass er näm­lich genau zu anderen Zeiten als andere – seine Schulfreunde zum Beispiel – seine Lehre absolvieren muss. Das werden wir nie ändern. Wir werden unsere Lehrlinge nur dann ausbilden können, wenn Gäste im Hause sind, und das sind eben die Zeiten, in denen die anderen frei haben.

Ich möchte also der Tourismuswirtschaft, die diese Leistungen vollbringt und die trotz dieses harten Berufes unsere Gäste in Österreich mit Freude, mit Freundlichkeit und Motivation bewirtet, Danke sagen. Als Dank haben wir etwas zur Verfügung, nämlich, dass wir nicht am Fließband stehen, sondern als „Material“, mit dem wir zu arbeiten haben, Menschen haben. – Ich bedanke mich. (Beifall der Bundesräte Dr. Böhm und Ing. Kampl sowie Beifall bei der ÖVP.)

17.22


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Gansterer. – Bitte.

 


17.22.15

Bundesrätin Michaela Gansterer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Der Touris­musbericht 2004 liegt uns hier heute vor, und ich denke, mit diesem Bericht dürfen wir durchaus zufrieden sein. Österreich bleibt ein überaus beliebtes Urlaubsland.

Wir haben gehört, dass sich die Umsätze um 2,4 Prozent gesteigert haben, und diese Summe von 18,55 Milliarden € lässt sich absolut sehen. Ich denke auch, dass der Rückgang der Nächtigungen von lediglich 0,6 Prozent eigentlich vernachlässigbar ist, wenn wir, was wir heute mehrmals gehört haben, die Marktwirtschaft beziehungsweise die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland betrachten. Wir wissen, dass der deut­sche Gast nach wie vor unser treuester Gast ist. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Schau dir die Zahlen an!)


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 135

Dass die Aufenthaltsdauer zurückgeht, ist Faktum, und das kann ich auch immer wie­der im eigenen Betrieb beobachten. Aber gleichzeitig beobachte ich auch, dass die Be­reitschaft der Gäste oder Konsumenten, mehr Geld für Qualität auszugeben, wächst. Das zeigt, dass das Konsumverhalten heute anders ist: Der Gast möchte in der kürzes­ten Zeit einen maximalen Erholungswert herausholen.

Wir können diesem Anspruch gerecht werden, wenn wir wie bisher auch in Zukunft drei Faktoren beachten, nämlich, dass wir wirklich höchste Qualität in der Dienstleistung bringen – eben bei Speisen und Getränken –, dass wir weiterhin auch darauf achten, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Tourismusschulen, aber auch in den Lehrbetrieben bestens ausgebildet werden, und schließlich wird es in Zukunft im­mer wichtiger sein und bleiben – und für mich persönlich im Betrieb ist es ganz beson­ders wichtig –, dass wir eine enge und gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen der Gastronomie und der heimischen Landwirtschaft, unseren Bauern, haben, denn das sichert Qualität und stärkt schlussendlich unsere Regionen.

Wenn diese drei Punkte auch in Zukunft beachtet werden und wenn sich zusätzlich die durchaus positive Entwicklung unserer neuen EU-Staaten weiterhin fortsetzt – da denke ich an Slowenien, an die Slowakei, an Tschechien, an Ungarn, unsere un­mittelbaren Nachbarn, für die es Prognosen gibt, die 5 Prozent voraussagen, auf die ich mich gerne verlasse und denen gegenüber ich zuversichtlich bin –, so sehe ich dem wachsenden Tourismusmarkt Österreich ohne Sorge und mit Optimismus entge­gen. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Dr. Böhm, Mitterer und Ing. Kampl.)

17.24


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister, ich erteile Ihnen das Wort.

 


17.25.09

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich möchte mich den Wortmeldungen anschließen, die von Öster­reich als einem Tourismusland, als dem Tourismusland – wahrscheinlich der Num­mer 1 auf der Welt – gesprochen haben. Das sind wir, wenngleich wir anerkennen müssen, dass Österreich und Europa in Sachen Marktanteile im Welttourismusbereich in den nächsten Jahren zweifellos zurückfallen wird. Das ist gewissermaßen unaus­weichlich, weil vor allem die asiatische Region stark nachzieht. Sosehr wir uns Gäste aus China und Indien wünschen – dort gibt es einkommensstarke Schichten, die sich das sicherlich leisten können –, so sehr wissen wir natürlich auch, dass wir Qualität und Individualität bieten wollen und dass das in dieser Beziehung natürlich auch zu berücksichtigen ist.

Österreich ist ein Tourismusland, welches strukturell auf gutem Wege ist, im Winter und im Sommer viel anzubieten hat und alle wesentlichen Mainstreams der Tourismus­branche offerieren kann. Österreich wird im nächsten Jahr nicht nur kulturpolitisch, sondern natürlich auch tourismuspolitisch aus dem Mozart-Jahr viel herausholen. Was die Großveranstaltung EURO 08 betrifft, bei der die Österreicher endlich auch einmal selbst teilnehmen können, weil Österreich mit den Schweizern auch Mitveranstalter ist, so wird das ein Großevent sein, der touristisch naturgemäß zu einigem an Wachstum bei den Nächtigungen führen wird.

Der Wintertourismus ist kontinuierlich steigend, im Sommertourismus gibt es Um­schichtungen. Gerade wer aus Kärnten kommt, weiß davon ein Lied zu singen. Das hat auch etwas mit der Qualität zu tun und damit, dass gerade im Sommer Camping und andere Schienen naturgegeben stärker gefahren werden als im Winter. Aber vieles ge­hört der Vergangenheit an, und, wie gesagt, strukturell sind wir auf gutem Wege.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 136

Ich möchte an dieser Stelle aber auch noch zwei Aspekte betonen, die mir in Sachen Tourismus als ganz wesentlich erscheinen.

Erstens: Wie wäre um die Zukunft unseres ländlichen Raumes bestellt, gäbe es den Tourismus nicht? – Natürlich spielt die Landwirtschaft eine wichtige Rolle und wird auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen, aber denken Sie an die vielen inneralpinen Regionen, in denen die Landwirtschaft vor vielen offenen Fragen und Problemen steht, wo in Wahrheit der Tourismus der Träger von Wohlstand, Arbeitsplätzen und letztlich auch Leben selbst ist. Der Kulturraum Alpen ist ganz eng mit der Entwicklung des Tou­rismus verbunden.

Zweitens: die Tourismusbranche oder der Tourismus als Arbeitsplatzmaschine. – Der Tourismus ist insgesamt eine wachsende Branche, rund 6 Prozent aller Arbeitsplätze sind im Tourismusbereich, und Gott sei Dank sind sie da, mit all den Problemen, die es natürlich auch dort gibt. Es ist nicht zu übersehen, dass es sich dabei um den einzigen Sektor handelt, in dem mehr offene Lehrstellen vorhanden sind als Lehrstellensuchen­de. Herr Präsident Mitterer hat die Gründe dafür klar angesprochen. Die Sozialpartner sind dabei, Tourismusberufe zu attraktivieren.

Ich würde mir insgesamt wünschen, dass wir nicht nur als Exporteure Tourismus-Know-how über exzellente junge Leute, die hervorragend in Klessheim, in der Touris­musschule „Modul“, in Bad Gleichenberg oder sonst wo ausgebildet werden, exportie­ren, sondern dass wir auch als Investoren stärker auftreten, vor allem in unseren Nachbarländern in Mittel- und Osteuropa, zum Beispiel auch in einer Tourismusregion wie Kroatien/Dalmatien.

Der Tourismus ist, wie gesagt, Arbeitsplatzträger, ein wichtiger Erbringer von Wirt­schaftskraft im Rahmen unseres Bruttoinlandsproduktes. Die Zahlen wurden schon genannt.

Nach diesen allgemeinen Anmerkungen werde ich nun auf Konkretes, das in der De­batte gefallen ist, eingehen, ohne zu lang zu werden.

Herr Bundesrat Schimböck, wenn Sie die Österreich Werbung und einen gewissen Mag. Pramendorfer nennen, dann müssen, können und wollen Sie das sicher ausein­ander halten. Es handelt sich dabei um den Direktor des Oberösterreich Tourismus, und er wird in dieser Funktion auch vom Land Oberösterreich bezahlt. Was immer Sie an Fragen oder Kritik zu äußern haben, kann die Österreich Werbung nicht betreffen. Es besteht da kein wie immer gearteter Zusammenhang.

Kritik an Werbelinien, an Werbestrategien, an Pinguinen oder anderen liebevollen Tie­ren von nah oder fern traue ich mir nicht zu. Ich meine jedenfalls, dass allein die Diskussion über Werbung schon zeigt, dass sie auf- und anregt. Werbung stößt dort an ihre Grenzen, wo sie Gefühle verletzt, wo sie geschmacklos ist. Das sind sie – ich denke, sie heißen Joe & Sally – sicherlich nicht. Wie gesagt, man kann geteilter Mei­nung sein. Ob sich das für eine politische Auseinandersetzung eignet, bezweifle ich nachhaltig.

In aller Deutlichkeit, Herr Bundesrat, weise ich Ihre – in Wirklichkeit ja auch durch nichts begründete – Kritik gewissermaßen im Nachhinein an meiner früheren Touris­musstaatssekretärin Mares Rossmann zurück. Ich weiß nicht, wie das heute in die Dis­kussion kommt. Frau Staatssekretärin Rossmann war weder unglückselig noch sonst etwas, sondern hat ausgezeichnete Arbeit geleistet, zuletzt im Übrigen auch als Regie­rungskommissärin rund um die Weltausstellung in Nagoya Aichi. Das war eine höchst erfolgreiche Teilnahme Österreichs. Die Japaner würden niemals Türen einlaufen, aber sie sind zivilisiert vor den Türen gestanden, um auf unseren Rodelbahnen zu rodeln, um Österreich zu erleben, auch um dort Österreichs Tourismus zu erleben.


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Im Gegensatz dazu gebe ich Ihnen Recht, wenn Sie von der Tourismuschance Mittel- und Osteuropa sprechen. Leider können wir nicht ganz das kompensieren, was durch die mangelnde Reiselust unserer lieben deutschen Freunde und Nachbarn an Touris­muspotenzial zuletzt verloren gegangen ist. (Bundesrat Schennach: Was ist mit den Franzosen?) – Herr Bundesrat? (Bundesrat Schennach: Franzosen! Holländer!) – Ich habe jetzt nicht alle Herkunftsländer genau im Kopf. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Ich kann Ihnen gerne eine Liste geben! – Bundesrat Schennach: Wir schauen immer nur auf die Deutschen!) – Herr Bundesrat, ich schaue deswegen auf die Deutschen, weil zwei Drittel unserer Auslandsgäste aus Deutschland kommen und wir in einem Maße von ihnen abhängig sind, dass uns mangelnde Reiselust der Deutschen ganz kräftig nach unten reißt.

Ich weiß schon: Jede Referenz in Richtung Deutschland erinnert Sie wie auch mich dort an vergangene Zeiten von Rot und Grün (Bundesrat Gruber: Wird jetzt nicht bes­ser!), aber trotzdem sei es erwähnt. (Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger. – Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ und der Grünen.) – Herr Bundesrat, niemand wünscht sich mehr Aufschwung und Wirtschaftskraft und Optimismus bei und in unse­rem Nachbarland, aber die Reiselust und die Reiseunlust der Deutschen hat zweifellos etwas mit der wenig erfreulichen wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre zu tun. Wenn sich das jetzt ändert, möglicherweise unter einer Großen Koalition und unter einer Frau als Bundeskanzlerin, Frau Präsidentin, dann ist das allemal positiv.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Ferienordnung auch ein Wort: Seien wir schon so realistisch, dass wir einmal vor unserer eigenen Tür kehren. Wenn die Her­kunftsbundesländer, meine Damen und Herren, Wien und Niederösterreich und Bur­genland zeitgerecht – die Termine sind allen bekannt – die entsprechenden Anträge stellen – und das betrifft dann dort die Aufgaben der Landesschulräte, und die sind nicht selten auch in enger Beziehung zu den jeweiligen Landeshauptleuten, Herr Präsi­dent des steirischen Landesschulrates –, dann wird das zielführend sein. Wenn aber zu einem zu späten Zeitpunkt aus den Tourismuszielen, nämlich aus Tirol und Salz­burg, die Rufe kommen, dann ist es von der Sache her der verkehrte Weg und letztlich auch vom Termin her zu spät.

So gesehen ist das in Österreich also prinzipiell denkbar, das hat Frau Ministerin Geh­rer immer gesagt, aber das ist weder die Aufgabe der Frau Ministerin Gehrer noch meine, sondern das ist auch im Rahmen der Zuständigkeiten klar geregelt, da liegt der Ball einmal primär dort.

Insgesamt werden wir es, glaube ich, in Österreich schaffen, unseren Beitrag zur Ver­meidung einer allzu großen Kumulierung vor allem der Semester-Schiferien mit deut­schen Ferien zu leisten.

Zu dem, was in Deutschland und anderswo geschieht, sage ich Ihnen: Machen wir uns nichts vor! Es ist völlig illusorisch, zu glauben, wir könnten jetzt nach Brüssel gehen und dort sagen, dass Brüssel hier eine europäische Ferienordnung degradieren wolle. Das betrifft in Deutschland nicht einmal Berlin, sondern das ist die Aufgabe der Kultus­minister der Länder, allenfalls der Kultusministerkonferenz. Dorthin gibt es höfliche Schreiben von mir und höfliche Rückantworten. Aber, ob jetzt die Deutschen unseren Tourismusbedürfnissen entsprechen, kann man nicht sagen.

Das eine, was bei den Deutschen allemal ein Motiv sein kann, ist, dass sie es natürlich ihren Bürgern auch anheim stellen wollen, günstiger zu buchen und vernünftig Ski fahren zu können, und zum Zweiten, dass natürlich deutsche Ferienkumulationen in Deutschland auch zu unerwünschten Staus führen. Das Motiv führt dort durchaus dahin, dass es mittelfristig auch dort zu einer gewissen Entzerrung kommt.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 138

Aber, mit Verlaub, überschätzen wir uns nicht selbst. Weil in Österreich ein Touris­musminister oder der Hohe Bundesrat sagt: Bitte, Brüssel, schaffe eine europäische Ferienordnung!, wird es das vermutlich in den nächsten zwei oder drei Wochen nicht spielen. Da bitte ich um Realismus. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Dr. Böhm, Mitterer und Ing. Kampl.)

17.35


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Ebenfalls nicht.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die über diese beiden Berichte getrennt erfolgt.

Wir gelangen zunächst einmal zur Abstimmung des Antrages der Bundesräte Bierin­ger, Kolleginnen und Kollegen, und zwar besagt dieser Antrag, dass der vorliegende Bericht zur Kenntnis genommen werden soll. – Nicht so, wie es sich im Ausschuss eben ergeben hat, dass keine Kenntnisnahme erfolgen soll, sondern wir haben den An­trag auf Kenntnisnahme des Berichts vor uns liegen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag, den gegenständ­lichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzei­chen. – Es ist dies die Mehrheit. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.) Der Antrag Bierin­ger, Kolleginnen und Kollegen ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den zweiten Bericht, also über den Bericht über das Jahr 2004. Auch dazu liegt wieder der Antrag vor, diesen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, entgegen dem Bericht, den wir aus dem Ausschuss erhalten haben.

Ich bitte wieder jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, die­sen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist wieder die Stim­menmehrheit gegeben, und der Antrag Bieringer, Kolleginnen und Kollegen ist somit angenommen.

Es sind also beide Berichte, über die wir diskutiert haben, zur Kenntnis genommen.

17.38.0222. Punkt

Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der ge­werblichen Wirtschaft (Mittelstandsbericht 2002/03) (III-267-BR/2005 d.B. sowie 7430/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nun kommen wir zum 22. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Dr. Dernoscheg übernommen. – Ich bitte um den Bericht.

17.38.13

 


Berichterstatter Dr. Karl-Heinz Dernoscheg: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit betreffend den Bericht über die Situation der kleinen und mitt­leren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft, bekanntermaßen Mittelstandsbe­richt 2002/03. Ich darf Ihnen auch mitteilen, dass der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit den gegenständlichen Bericht, der Ihnen schriftlich vorliegt, in der Sitzung am 2. November in Verhandlung genommen hat.


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Ein Beschluss, den Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmun­gen (Mittelstandsbericht 2002/03) zur Kenntnis zu nehmen, ist infolge der Stimmen­gleichheit nicht zustande gekommen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner hiezu ist Herr Bundesrat Einwallner. – Bitte.

 


17.39.14

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kollegen! Wenn wir heute den Mittelstandsbericht 2002/03 behandeln, dann möchte ich einmal grundsätz­lich zu diesen Berichten feststellen, dass es sich zwar immer um eine sehr genaue und detaillierte Aufgliederung des Bestehenden handelt und das auch ausführlich wieder­gegeben wird. Ich stelle mir allerdings vor und würde mir wünschen, dass auch eine Form von Ausblick in diesen Berichten vorkommt, dass man sich ein bisschen orientie­ren kann, wohin der Weg geht. Das fehlt mir in diesen Berichten, fehlt mir einerseits in den Tourismusberichten und fehlt mir auch im Mittelstandsbericht.

Es ist mir aber gleich zu Beginn sehr wichtig, in meinem Debattenbeitrag darauf einzu­gehen, welch wichtige Rolle die kleinen und mittleren Unternehmen, die kleinen und mittleren Betriebe in Österreich spielen. Diese Wichtigkeit sieht man an Fakten, die ich Ihnen nennen möchte.

Die zirka 330 000 Unternehmen sichern immerhin 2,45 Millionen Arbeitsplätze in unse­rem Land. Es sind ungefähr 65 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und -nehmer in klei­nen und mittleren Betrieben beschäftigt.

Ein weiterer Punkt, den man nicht vergessen sollte: Immerhin werden fast 75 Prozent der Lehrlinge in kleinen und mittleren Unternehmungen ausgebildet.

Allein diese Zahlen zeigen ganz klar, welch wichtigen Bestandteil beschäftigungspoli­tisch die kleinen und mittleren Unternehmen in unserem Land darstellen. Daher ist es wichtig, Beschäftigung sichernde Maßnahmen für kleine und mittlere Betriebe zu set­zen und nicht nur – da muss ich Ihnen wiederum widersprechen, Herr Minister – eine steuerliche Bevorzugung von Großbetrieben vorzunehmen.

Die Zahl der KMUs ist in den letzten Jahren gestiegen, das ist richtig. Sie ist, glaube ich, seit 1995 um 11 Prozent gestiegen. In der Ausschussdebatte wurde auch darauf hingewiesen, dass es weiterhin positive Entwicklungen bei den Neugründungen gibt. Das ist zu begrüßen, das ist positiv. Man muss aber auch sehen, dass sehr viele Jung­unternehmer nicht über die ersten drei Jahre hinauskommen. Ich glaube, gerade in die­sem Bereich braucht es dann Maßnahmen, die junge Unternehmer in den ersten Jah­ren schützen und unterstützen. Ich denke da zum Beispiel an ein Jungunternehmer-Coaching für die ersten drei Jahre, um Insolvenzen so gut wie möglich zu vermeiden.

Auch eine großzügige Abschreibungsmöglichkeit in den ersten Jahren und eine spe­zielle Förderung von Investitionen wären in diesem Zusammenhang zu begrüßen und – da denke ich an die vielen Übernahmen, die in den nächsten Jahren vor der Tür stehen – eine Gleichstellung der Übernehmerinnen und Übernehmer mit den Gründe­rinnen und Gründern.

Aber wenn wir uns die Situation der KMUs in unserem Land genauer anschauen, dann sehen wir, dass die Situation nicht so rosig ist, wie sie auch in diesem Bericht darge­stellt wird. Viele Kleinunternehmer kämpfen tagtäglich mit zahlreichen Problemen. Eine Studie der KMU Forschung Austria zeigt folgendes Ergebnis: Die Bilanzgewinne der KMUs liegen durchschnittlich bei nur mehr 2,1 Prozent vom Umsatz. Die durchschnitt­


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 140

liche Eigenkapitalquote liegt bei nur 16 Prozent. Im Tourismus, von dem wir vorhin ge­sprochen haben, ist die Eigenkapitalquote noch viel schlechter, dort weist sie teilweise sogar negative Zahlen auf.

Dazu kommen zusätzlich Basel II und die Vorboten und verschärfen die Situation. Es gibt auch Unsicherheiten in anderen Bereichen. Auch hier sind Sie aufgefordert, Herr Minister, einmal klar Stellung zu beziehen. Viele kleine und mittlere Unternehmungen sind verständlicherweise durch die Position, die Sie hinsichtlich der EU-Dienstleis­tungsrichtlinie einnehmen, verunsichert. Ich fordere Sie hier noch einmal sehr eindring­lich auf, dass Sie eine klare österreichische Position beziehen und vom Herkunftsland­prinzip abweichen, denn das bringt unseren kleinen und mittleren Unternehmungen Schwierigkeiten, und das wird unseren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern viele Schwierigkeiten bereiten. Da bitte ich Sie wirklich, Ihre Position zu überdenken und von diesem Herkunftslandprinzip abzuweichen und diese Dienstleistungsrichtlinie nicht so zu akzeptieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Zusammenfassend kann man sagen: Die KMUs sichern viele Arbeitsplätze, bieten vie­le Ausbildungsplätze und haben nichts bis wenig von der derzeitigen Wirtschafts- und Budgetpolitik. Die KMUs sind unser Wirtschaftsmotor. Sie wurden von der Regierung Schüssel sträflich vernachlässigt und sind eben – meine Zahlen zeigen es – teilweise in einer sehr dramatischen Situation.

Mit dieser Politik werden die Arbeitsplätze der Zukunft vernichtet, denn ohne Steuer- und Investitionsanreize können kleine Unternehmen nicht gesund wachsen. Investiti­onsbegünstigungen, die gerade für KMUs wichtig sind, wurden auf Kosten von Steuer­geschenken an Konzerne und Großbetriebe gestrichen.

Von der KöSt-Senkung und der Gruppenbesteuerung profitieren nur zirka 1 000 Unter­nehmen in Österreich, Herr Minister. Frau Zwazl, Sie können schon darüber schmun­zeln, aber dann würde ich Ihnen einmal empfehlen, dass Sie wirklich hinaus in die Betriebe gehen und sich die Situation vor Ort anschauen. (Bundesrätin Zwazl: Mir brauchen Sie das nicht zu sagen!) Schauen Sie einmal hinaus! Verlassen Sie einmal Ihr Wirtschaftskammerbüro, gehen Sie in die Betriebe und schauen Sie sich die Situa­tion der österreichischen Unternehmer an! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Was soll die Unterstellung? Ich bin ständig bei meinen Betrieben!)

Diese einseitigen konzernfreundlichen Maßnahmen und Steuergeschenke sind meines Erachtens der falsche Weg, um Wohlstand und Arbeitsplätze zu sichern, die Wirtschaft anzukurbeln und den Standort Österreich zu stärken. Ich denke, es braucht dringend steuerliche Maßnahmen und Investitionsanreize für kleine und mittlere Unternehmen. Es braucht eine Entlastung des Faktors Arbeit durch eine Lohnnebenkostensenkung nach dem Prinzip halbe-halbe. Das heißt, der halbe Anteil der Senkung sollte wirklich auch den Arbeitnehmern zugute kommen, denn damit haben die Leute endlich wieder ein bisschen mehr in der Geldtasche. Das hat eine direkte Auswirkung auf die Kauf­kraftentwicklung und ist positiv für die österreichische Entwicklung und die österrei­chische Wirtschaft und auch positiv für die Konsumentinnen und Konsumenten.

Der Weg, den diese Regierung eingeschlagen hat, ist meines Erachtens falsch. Gehen wir weg von den Steuergeschenken für wenige Großunternehmer und hin zu einer Steuer- und Wirtschaftspolitik, von der alle profitieren können und durch die der Wirt­schaftsstandort Österreich gestärkt wird! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Ruf bei der ÖVP: So wie in Deutschland!)

17.46


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ager. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 141

17.47.03

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Liebe Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Lieber Herr Kollege Einwallner! Soweit ich mich erinnern kann – und das liegt ja noch nicht so lange zurück, die Wirtschaftskammerwahlen sind ja noch nicht so lange vor­bei –, diesen Rat, den Sie uns da gegeben haben, glaube ich, hätten Sie besser Ihren Leuten damals gegeben. Dann hätten Sie vielleicht besser abgeschnitten. Das einmal zu Beginn. (Bundesrätin Bachner: So schlecht haben wir nicht abgeschnitten!) – Über­trieben gut habt ihr nicht abgeschnitten, aber man kann ja alles so hindrehen, wie man will.

Ich bin sicher nicht der Anwalt unserer Präsidentin der Wirtschaftskammer. Aber gere­det wird viel, wenn der Tag lang ist.

Liebe Freunde! Punkt 22 der heutigen Tagesordnung beschäftigt sich, wie wir bereits gehört haben, mit den kleinen und mittleren Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft. Die mittelständische Wirtschaft beschäftigt mehr als 65 Prozent aller Arbeitnehmer Ös­terreichs. Das hast du auch schon gesagt. Und dass sie wichtig ist, hast du auch schon gesagt. Und dass die bestehende Struktur mit Mikrobetrieben, mit Großbetrieben und kleinen Betrieben eine ausgewogene ist, das sage jetzt ich dazu.

Ich glaube, niemand in Österreich profitiert, wenn man die Betriebe gegeneinander ausspielt, die kleinen gegen die großen und die großen gegen die ganz großen. Ich glaube, wir sollten das nicht tun, denn eine insgesamt florierende Wirtschaft sichert die Arbeitsplätze und den Wohlstand auch in Österreich.

KMUs profitieren aber sehr von den Großen als Zulieferer, als Spezialisten. Wenn ich das nur erwähnen darf: 75 Prozent der Aufträge der Bundesbeschaffungsgesellschaft gehen an KMUs. Das geht auch immer wieder unter. Die Leistungen der Klein- und Mittelbetriebe bei der Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen, bei der Ausbildung von Lehrlingen und als brave Steuerzahler sind gigantisch. Das hast du auch schon gesagt, Kollege. Man kann KMUs als die Schwungräder der österreichischen Wirt­schaft bezeichnen. Ich glaube, dass das auch so stimmt.

In diesem Mittelstandsbericht 2002/03 sind eine Menge von positiven Punkten enthal­ten. Nur kann man die natürlich, wo immer man steht, ja auch überlesen oder nicht se­hen. Ich glaube einmal, die Liberalisierung von Berufszugang und Nebenrechten ist ein positiver Aspekt. Die flexible Gestaltung der Öffnungszeiten für den Handel ist bis zu einem gewissen Grad ein positiver Effekt. Erleichterungen von Betriebsneugründungen sind damit geschaffen. Mit der Investitionszuwachsprämie hat man auch einen positi­ven Aspekt. Verschiedene Aktionsprogramme für kleinere und mittlere Unternehmen sind enthalten.

Konzentration der unternehmensbezogenen Wirtschaftsförderung mit der AWS. Da habe ich heute schon einmal eine Kritik gehört. Ich glaube, so schlecht funktioniert das auch nicht. (Zwischenruf bei den Grünen.) Nein, das passt schon. Es sind nur einige unzufrieden, weil nicht jeder den entsprechenden Job bekommen hat. Das muss man aber unterscheiden. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Nein, das stimmt nicht!) Nein, die Konzentration ist kein unwesentlicher Faktor.

Maßnahmen im Bereich Internationalisierung. Die Initiative Jusnet KMU zur juristischen Unterstützung von Klein- und Mittelbetrieben halte ich für sehr maßgeblich, weil jeder weiß, wenn heute in einem Betrieb beide Partner arbeiten müssen, dann haben sie wenig Zeit, sich um juristische Dinge zu kümmern.

Maßnahmen im Bereich Ausbildung und Arbeitskräfte. Hier darf ich erwähnen, die sehr hohe finanzielle Unterstützung in Höhe von 400 € pro Monat für den zusätzlichen Lehr­ling ist, wie ich meine, schon eine tolle Sache. Das vergisst man einfach immer wieder.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 142

Ich glaube, dass da schon sehr, sehr viele Lehrlinge zusätzlich einen Lehrplatz gefun­den haben.

Lieber Herr Minister! Auch dies ist ein ausführlicher und sehr guter Bericht mit vielen guten Informationsmöglichkeiten für KMUs. Vielen Dank auch dafür.

Wie ich schon in meiner Rede zum Tourismusbericht festgestellt habe, muss ich auch hier sagen, auch KMU-Betriebe haben eine sehr dünne Eigenkapitaldecke durch zu viel Fremdfinanzierung. Und da verspreche ich mir doch einiges von den neuen För­dermöglichkeiten oder ausgebauten Fördermöglichkeiten in der AWS, wie Barzuschüs­se, günstige Kredite, Übernahme von Haftungen und Beratungen für unternehmensbe­zogene Bundesförderung. Da erhoffe ich mir doch eine deutliche Verbesserung.

Hinweisen darf ich noch auf eine Aktion zur Stärkung der Rahmenbedingungen, „go in­ternational“ – es muss ja alles ein bisschen einen internationalen Anstrich haben, dafür hätte es vielleicht auch ein deutsches Wort gegeben –, wo man beim KMU-Unterneh­mer ein wenig mehr Mut einfordert. 13 zusätzliche Marketingbüros hat es da gegeben, da bekommen KMUs wertvolle Unterstützungen, um in neue Länder zu gehen. Viele, viele mutige Unternehmer haben diese Möglichkeit ergriffen. Ich nenne nur die Tisch­ler, die sind schon dort, die haben Pionierarbeit geleistet, haben sich aber auch schöne zusätzliche Umsätze geholt.

Besonders interessant in diesem Zusammenhang sind immer wieder Firmenkoope­rationen, denn als Drei-, Vier-Mann-Betrieb tut man sich relativ schwer, in der Welt draußen zu bestehen. Aber niemand hindert einen daran, eine Kooperation mit Firmen einzugehen.

Zum Schluss hätte ich noch eine Bitte, da man aus allen Lagern immer hört, wie wich­tig kleine und mittlere Betriebe sind: Unterstützen Sie die Bestrebungen der Klein- und Mittelbetriebe, indem Sie diese kleinstrukturierten Unternehmer mit großer Bedeutung für Österreich immer in Ihre geschäftlichen Überlegungen mit einbeziehen! Ich glaube, Sie alle wissen, was ich damit meine, dass man nämlich nicht immer zum Größten ein­kaufen geht, dass man vielleicht auch den heimischen Tischler mit einbezieht, wenn man ein Haus baut, und, und, und.

Jetzt bin ich schon am Ende meiner Ausführungen. Ich vergesse nicht, wiederum fol­genden Antrag zu stellen:

Antrag

der Bundesräte Bieringer, Kolleginnen und Kollegen auf Kenntnisnahme des Berichts über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirt­schaft (Mittelstandsbericht 2002/03) (III-267-BR/2005 d.B.) – TOP 22

Die unterfertigten Bundesräte stellen folgenden Antrag:

Der Bundesrat wolle beschließen, den Bericht über die Situation der kleinen und mitt­leren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft (Mittelstandsbericht 2002/03) (III-267-BR/2005 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

*****

Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mitterer.)

17.54


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der Antrag der Bundesräte Ager, Bierin­ger, Kolleginnen und Kollegen, der zum Verhandlungsgegenstand gemäß § 43 Abs. 1


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 143

der Geschäftsordnung des Bundesrates eingebracht wurde, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Jetzt bitte ich Frau Dr. Lichtenecker, zum Rednerpult zu kommen. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker spricht gerade mit Bundesrat Mag. Himmer.)

 


17.55.11

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Entschuldigung, Frau Präsidentin! Hohes Haus! Wir haben über die Werte und Wertschätzung des Bun­desrates diskutiert, und das sozusagen Partei übergreifend. Das war der Hintergrund der Gespräche.

Unsere klein- und mittelständische Wirtschaft und der Bericht, der uns vorliegt, bergen eine Fülle von Zahlen, Daten, Entwicklungen; weniger Vorschläge, wo es denn hinge­hen soll. Dennoch halte ich ihn für eine wichtige Grundlage.

Kollege Ager hat vorhin die AWS angesprochen. Man muss doch sagen, dass das na­türlich in den letzten Jahren nicht wirklich eine glückliche Entwicklung in Bezug auf die Personalbesetzungen war, wobei wir das vor einiger Zeit wieder einmal diskutiert und gesagt haben: Okay, soll einmal arbeiten. Es gibt eine Menge von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der AWS und in der ERP-Kreditkommission, in diesen ganzen Berei­chen, die sehr gut sind, also sollen sie einmal tun und schauen.

Aber was schon ein Punkt ist in diesem ganzen Förderbereich bei den klein- und mittelständischen Unternehmungen, was sicherlich auch bei den Ländern angesiedelt ist, wo aber auch die Wirtschaftskammer gefordert ist, ist das Thema des Forschungs­transfers. Die klein- und mittelständischen Unternehmungen haben zwar in manchen Bundesländern die Möglichkeit, Forschungsassistenten und so weiter in Anspruch zu nehmen, aber das ist ein Bereich, der zu wenig ausgebaut ist.

F & E – ich mache da jetzt keine langen Ausführungen dazu, wie wichtig es ist. Aber ich möchte das noch einmal ansprechen, Herr Minister, es sollten Vorschläge erarbei­tet werden, damit das wirklich zugänglich ist für diesen Bereich.

Ich möchte einen Punkt herausnehmen. Bevor ich genauer darauf eingehe, möchte ich hier anmerken, dass für uns die klein- und mittelständische Wirtschaft und Unterneh­mungen tatsächlich das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft, der österreichischen Gesellschaft darstellen.

Wir werden den Bericht in der heute vorgelegten Form in Wertschätzung der Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter, die ihn erstellt haben und dafür geradestehen, zur Kenntnis nehmen. Nichtsdestotrotz gibt es so wie auch beim Bericht über die Lage der Touris­mus- und Freizeitwirtschaft eine große Zahl von Bereichen, wo die derzeitige Regie­rung durchaus säumig ist.

Jetzt gibt es Zahlen in diesem Bericht, wo es um die Wertschöpfung geht. Diese Wert­schöpfung ist gestiegen, und zwar um 1,93 Prozent, und liegt damit nach Aussagen des Berichtes um 28 Prozent über dem Durchschnitt der EU. Die Frage ist, wo das weitergegeben wird.

Jetzt wissen wir, dass Lohnverhandlungen im Konkreten natürlich auch immer Aus­druck, außer der Inflationsrate und so weiter, des Produktivitätswachstums sind und Löhne und Steuerpolitik immer ein Zeichen dafür sind, wie kaufkräftig eine Gesellschaft ist, wie kaufkräftig die Menschen in einem Land sind, um auch die Wirtschaft unterstüt­zen zu können.

Da komme ich jetzt zu einem Punkt, der die Einkommensverteilung in unserem Land betrifft. Im letzten Bericht des Wirtschaftsforschungsinstitutes vom September 2005 geht es in einer Analyse um die langfristigen Tendenzen der Einkommensverteilung in


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Österreich. Dieser ist, wie zu erwarten war, nicht wirklich erfreulich. Die Schlagzeile lautet: Die Einkommensverteilung zwischen unselbständig Beschäftigten wird langfris­tig ungleicher. Weiters heißt es darin: Die Einkommen der obersten Schichten nahmen kräftig zu, während der Anteil der unteren Einkommensgruppen am Gesamteinkom­men deutlich zurückging. – Dies stärkt nicht unsere Wirtschaftskraft, nicht unsere Kauf­kraft.

Wir wissen genau, dass ein gut Teil des BIP aus dem Konsum kommt, aus dem priva­ten Sektor. Daher ist das nachteilig für unsere Wirtschaft und für die wirtschaftliche Entwicklung. Es gibt hohe Lohnunterschiede zwischen den Branchen. Die hohen Ein­kommensunterschiede zwischen Frauen und Männern sind inzwischen beinahe in jedem Plenum Thema, aber es tut sich in diesem Bereich auch nicht wirklich viel zum Positiven.

Die Realeinkommen der unselbständig Beschäftigten sind nicht gewachsen. So kön­nen Sie das in vielen Bereichen weiterführen bis zu dem, dass der Lohnanteil am Volkseinkommen weiter sinkt und massiv gesunken ist.

Das alles, meine Damen und Herren, widerspricht einem wesentlichen wirtschaftspoliti­schen Ziel, nämlich einer gerechten Einkommensverteilung – auch in dem Sinne, dass man die Wirtschaft als Gesamtes stärken kann. Herr Minister, genau in diesem Punkt, glauben wir, ist diese Regierung auch säumig. – Das war der eine Bereich.

Der andere Bereich, der in diesem Bericht sehr kurz angesprochen wird, ist das Thema der Nachhaltigkeit – ich glaube, die Ausführungen dazu umfassen in etwa 1,5 Seiten. Nun können wir in manchen Bereichen durchaus zufrieden sein mit den Entwicklungen, was die Umwelt betrifft, in manchen Bereichen hingegen nicht wirklich. Aber, Herr Mi­nister, es gibt einen Bereich, wo sich Ökologie und Ökonomie sehr gut vereinbaren las­sen, das ist der gesamte Bereich der Ökoenergie und der Umwelttechnikindustrie. Das sind Hoffnungsgebiete, die wir forcieren sollten, in die wir mehr investieren sollten und wo wir, was die Förderungen und die Steuerpolitik betrifft, ein System schaffen sollten, das tatsächlich zu einer Stärkung dieses Bereiches führt.

Zahlreiche Analysen – Sie werden sie zur Genüge kennen – zeigen, dass wir riesige Hoffnungsmärkte haben, sowohl bei unseren neuen Beitrittsländern im südosteuropäi­schen Raum, aber genauso natürlich auch die Hoffnungsmärkte in Asien, also China, Indien, aber natürlich auch in Lateinamerika. Diese Chancen gilt es jetzt zu nutzen und wahrzunehmen. Herr Minister, hier gilt es, Forschung und Entwicklung zu stärken, hier gilt es, in die Ausbildung zu investieren, und hier gilt es auch, bei den Förderinstrumen­tarien der AWS und aller anderen Ressourcen und genauso natürlich auch bei der Wirtschaftskammer, bei den Außenwirtschaftsorganisationen und so weiter die Export­offensive voranzutreiben. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Bachner.)

Das wird uns nicht nur im Export stärken, unsere Zahlungsbilanz verbessern, uns Ar­beitsplätze bringen – etwas ganz Zentrales! –, sondern wir werden damit auch im klein- und mittelständischen Bereich entsprechende Impulse setzen. Und es ist eines ganz klar, wenn man sich die Zahlen aus der Ökowirtschaft, aus der Umweltwirtschaft und aus dem Bereich der Ökoenergie anschaut: dass genau diese Unternehmen sich im klein- und mittelständischen Bereich bewegen – außer einige große Branchen-Leader wie zum Beispiel die voestalpine, die in diesem Bereich auch unterwegs ist.

Bevor ich meine Ausführungen schließe, sei hier noch angemerkt, dass laut Studien – erst vor kurzem hat die Wirtschaftskammer Oberösterreich die Zahlen bekannt gege­ben – im Jahr 2010 60 Prozent der Unternehmungen Einzelpersonen-Unternehmungen sein werden. Und hier gilt es genauso, sozialrechtliche Absicherungen zu schaffen und eine Steuerpolitik zu machen, die genau diese 60 Prozent der Unternehmungen sichert


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und ihnen eine Perspektive bietet – und nicht nur den großen Betrieben. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

18.03


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist nun Herr Bun­desrat Präsident Mitterer. – Bitte.

 


18.03.27

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Es ist legitim, dass man in dem Spiel Opposition – Koalition Berichte aus der je­weiligen Sicht des Betrachters kommentiert. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Mein Bericht war eh sehr freundlich!) Ich bin nicht überrascht darüber, dass man natürlich in einem Bericht, der umfassend ist, auch da und dort Kritikpunkte findet – die man auch hier vorbringen kann. Was mich eher überrascht, ist, dass es dann bei der Abstimmung über die Zustimmung zu diesem Bericht beziehungsweise über die Kenntnisnahme dieses Berichtes hier eine Splittung der Oppositionsparteien gibt. (Bundesrat Ko­necny: Sie sehen eben, wie differenziert wir vorgehen! – Zwischenruf der Bundesrä­tin Dr. Lichtenecker.)

Frau Kollegin Lichtenecker, ich wollte Sie jetzt gerade positiv erwähnen (Bundesrat Ko­necny: Tun Sie ihr das nicht an!), denn das ist ja gerade der richtige Weg: aufzuzei­gen, was nicht passt, Vorschläge zu machen, was man besser machen könnte. Aber einen Bericht, der sich auf den zurückliegenden Zeitraum des Jahres 2003 bezieht, so­zusagen zur Kenntnis zu nehmen, das ist eigentlich auch ureigenste Aufgabe im Rah­men unserer Abgeordnetentätigkeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die KMUs – es wurde schon angedeutet – sind einfach die Säulen unserer Wirtschaft, und ich glaube, dass die Bundesregierung hier einen erfolgreichen Weg vorzeichnet. Deshalb bringe ich zwei positive Zahlen aus diesem Bericht, die vorher nicht erwähnt wurden: dass wir im Jahr 2003 mit 31 500 Neugründungen einen Firmengründungsrekord und – in einer schwierigen Zeit – einen Beschäftigungszuwachs von 1,5 Prozent aufzuweisen hatten.

Dass es in Österreich auch Betriebsansiedlungen aus dem Ausland gibt, ist positiv. Das war eigentlich immer schon der Fall, ist es jetzt aber in einem noch verstärkten Maße, wenn man bedenkt, dass auch aus der Bundesrepublik Deutschland, aus Mün­chen Infineon verstärkt in Kärnten tätig ist. Infineon Technologies Austria hat Bereiche nach Kärnten verlagert und dort seine Mannschaft, seinen Beschäftigungsstand we­sentlich erhöhen können.

Ich glaube, dass die Bundesregierung dem Auftrag, den Wirtschaftsstandort Österreich attraktiver und konkurrenzfähiger zu gestalten, in hervorragender Weise nachkommt. Das ist ja die Aufgabe der Bundesregierung: den Wirtschaftsstandort nach vorne zu bringen, ein wirtschaftsfreundliches Klima zu schaffen. Das bedeutet auch wirtschafts­freundliche Steuergesetze. Es wird das eine oder andere noch zu machen sein, aber der Weg, der beschritten wird, ist der richtige. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg – er wird auch teilweise schon gemacht –, ist eine unbürokratische Abwicklung von Ge­nehmigungsverfahren. Auch das ist etwas, wodurch Betriebe sich dann wohl fühlen und infolgedessen sagen: Ich lasse mich in diesem Land nieder und schaffe dort Ar­beitsplätze!

Ein wichtiger Punkt für die Ansiedlung von Betrieben und für deren Fortbestand sind aber auch die qualifizierten und motivierten Mitarbeiter.

Damit komme ich noch zu einem Punkt, der heute noch nicht angesprochen wurde beziehungsweise der negativ beleuchtet wurde, nämlich dass wir zu viele Lehrstellen­


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suchende und zu wenige Lehrstellen haben. Die Aktion, die die Bundesregierung seit 1. September 2005 gesetzt hat und durch die jeder Betrieb, der einen zusätzlichen Lehrling aufnimmt, im ersten Lehrjahr 400 € pro Monat, im zweiten Lehrjahr 200 € und im dritten Lehrjahr 100 € pro Monat erhält – das sind summa summarum 8 400 € für einen zusätzlichen Lehrling –, ist eine Investition in die Zukunft. Das ist eine Investition in unsere jungen Mitarbeiter, die dann als qualifizierte Mitarbeiter vor allem auch unse­ren KMUs zur Verfügung stehen werden.

Anders der ÖGB: Ich habe gerade gestern ein Schreiben beantwortet, in dem dringend eingefordert wurde, den so genannten Ausbildungsfonds zu schaffen. Das, Herr Kolle­ge Einwallner, wäre eine weitere Steigerung der Lohnnebenkosten, denn dabei würde man auch jene Betriebe zusätzlich belasten, die gar nicht in der Lage wären, Lehrlinge auszubilden (Bundesrätin Bachner: Das stimmt ja nicht!), oder es gar nicht dürfen, weil sie die Voraussetzungen nicht haben oder, wie im Tourismusbereich, ein Saisonbetrieb sind. Das ist meines Erachtens nicht der richtige Weg. (Bundesrat Gruber: Das wäre der richtige Weg!) Eine Mischvariante – darüber können wir reden. (Bundesrat Gruber: Das wäre der richtige Weg, Herr Kollege! Das andere ist eine Unternehmerförderung!)

Nein, die undifferenzierte Einführung eines Ausbildungsfonds, wie Sie sie verlangen, bedeutet eine Lohnnebenkostensteigerung, und gleichzeitig treffen wir damit nicht den Kern. (Bundesrat Dr. Gumplmaier: In Vorarlberg gibt es das schon! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Es ist mir lieber, wenn wir – und ich glaube, dass man das auch in vielen anderen Bereichen, so etwa auch im Sport, tun sollte – nicht mit Bestra­fungen, sondern mit Belohnungen arbeiten. Einem Betrieb, der zusätzlich einen Lehr­ling aufnimmt, im Laufe von vier Jahren 8 400 € zu übergeben – seit Jahren werden den Betrieben 1 000 € zusätzlich pro Lehrling und Jahr zur Verfügung gestellt und da­mit eigentlich die zweimonatige Berufsschulzeit, die wir im dualen Ausbildungssystem haben, abgegolten –, das ist Belohnung und nicht Bestrafung der Unternehmer, und das ist der richtige Weg! Dazu möchte ich der Regierung gratulieren, und selbstver­ständlich werden wir diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. (Beifall der Bundesräte Dr. Böhm und Ing. Kampl sowie bei der ÖVP.)

18.09


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Zwazl. – Bitte.

 


18.09.11

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Es ist selbstverständlich, dass ich mich zu Wort melden muss. Vor allem möchte ich mich recht herzlich bedanken: Es ist wirklich erfreulich, hier einmal solch große Aner­kennung für Klein- und Mittelbetriebe zu bekommen, denn sie sind wirklich das Rück­grat unserer Wirtschaft – wir schaffen Arbeitsplätze, wir bilden Lehrlinge aus –, und aus Ihrem Mund tut mir das wirklich irrsinnig gut.

Aber eines stört mich immer: Sie zeichnen alles so düster! (Bundesrätin Dr. Lichten­ecker: Na geh!) Wenn Sie das so düster darstellen und sagen, wir alle hätten nichts gemacht, es sei nichts geleistet worden, dann muss ich ehrlich sagen: Sie informieren sich nicht! Und mit dem Malen eines solch düsteren Bildes bewirken Sie nur, dass sich die Menschen noch mehr auf ihren Sparstrumpf setzen (Bundesrat Gruber: ... den Leuten Geld geben, damit Sie es ausgeben können!) und dass sie mehr in ihren Spar­strumpf stecken und dadurch weitaus weniger einkaufen. (Beifall bei der ÖVP. – Bun­desrat Gruber: Wenn man den Leuten das Geld wegnimmt, dann können sie keines ausgeben!)

Auf der anderen Seite erinnere ich mich daran, dass gerade die Arbeiterkammer Vor­reiter bei der „Preisfinder“-Aktion war. Worum ist es dabei gegangen? – Um die Frage:


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Wo bekomme ich etwas billiger ohne Service? – Wenn ich aber kein Service habe, dann brauche ich auch keine Mitarbeiter! Ich habe das damals nicht verstanden, denn dabei geht es ja darum, Mitarbeiter wegzurationalisieren. Und wenn Sie Kunden sind, dann sollten Sie auch wissen, dass Qualität ihren Preis hat. Wir stehen dazu, wir ent­lohnen unsere Mitarbeiter anständig, denn wir wollen auch Kunden haben. Und ich würde Sie, was Ihr Einkaufsverhalten betrifft, darum bitten, erstens unseren kleinen Betrieben eine Chance zu geben und bei ihnen einzukaufen und zweitens dort nicht ständig wegen des Preises zu handeln. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Die Kunden müssen es sich leisten können!)

Aber etwas anderes: Weil Herr Kollege ... (Zwischenruf des Bundesrates Reisenber­ger.) – Warten Sie ein bisschen, Sie kommen auch dran! Sie können sich ja zu Wort melden.

Kollege Einwallner hat gesagt, dass die Bundesregierung für Kleinbetriebe nichts ge­macht hat. Dazu kann ich ganz einfach nur sagen: Schaut euch doch einmal wirklich die Landschaft an! Macht euch bitte die Mühe! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundes­rates Reisenberger.)

Schauen Sie: Wir haben eine Halbierung des Steuersatzes für nicht entnommenen Gewinn. – Super, ist geschafft! Wir haben die KöSt-Senkung. Warum verteufelt ihr, um Gottes willen, die KöSt-Senkung so sehr? Wir haben österreichweit 16,4 ... (Zwischen­ruf der Bundesrätin Dr. Lichtenecker.) – Wart ein bisschen, Ruperta! – 16,4 Prozent haben wir Kapitalgesellschaften, und (Bundesrat Ing. Einwallner geht, entlang der Rückwand des Sitzungssaals auf seinen Platz zurückkehrend, an der Ausgangstür des Saales vorbei) – Moment, Herr Einwallner, gehen Sie nicht hinaus! (lebhafte Heiter­keit) – 69 Prozent dieser Kapitalgesellschaften haben nur bis zu zehn Mitarbeiter. Also bitte sagt doch nicht immer, dass da nichts für die KMUs geschehen ist!

Ich möchte noch etwas sagen, wofür ich mich auch recht herzlich bedanke: Wir haben die Streichung der fünfjährigen steuerlichen Sperrfrist geschafft. Das ist etwas ganz genau für unsere Kleinstbetriebe in den Orten! Konnten diese, wenn sie aufhörten, die Steuer nicht zahlen, dann konnte der Betrieb nicht von jemandem übernommen wer­den. Diese Regelung ist seit 1. Jänner 2005 ersatzlos weggefallen. Das ist doch etwas wirklich Gutes! Man sollte mit dem zufrieden sein, was wir erreicht haben! (Bundesrat Reisenberger: „Sei zufrieden ...!“) Lange Jahre haben wir uns das gewünscht – jetzt haben wir es geschafft. Das ist doch wirklich eine super Sache! (Beifall bei der ÖVP.)

Was die Einnahmen/Ausgaben-Rechner betrifft, so haben Sie Recht: Sie sind diejeni­gen, die bei der Steuerreform vielleicht bislang am wenigsten bekommen haben. (Ruf bei der SPÖ: Gar nichts!) Die Einnahmen/Ausgaben-Rechner haben einen nur dreijäh­rigen Anlaufverlust. Da haben wir es aber jetzt geschafft – denn das Jahr 2002 war auf Grund des Hochwassers ein Katastrophenjahr –, dass hier dieser Verlustvortrag mög­lich ist. Da sind wir jetzt in Verhandlungen mit dem Finanzministerium, und ich glaube schon, dass wir vielleicht bei den evaluierten 400 Millionen € für den nicht entnomme­nen Gewinn die Einnahmen/Ausgaben-Rechner hineinbekommen.

Man muss die Kirche im Dorf lassen. Es ist in der letzten Periode sehr viel geschehen, gerade für Klein- und Mittelbetriebe, und dafür mein Dank an die Bundesregierung!

Weil vom Herrn Kollegen Einwallner immer so lockere Sager kommen und er meint, die Präsidentin solle ein bisschen zu ihren Mitgliedern hinausgehen, möchte ich Ihnen nur Folgendes sagen: Weil ich so „wenig“ bei meinen Mitgliedern draußen bin und weil ich „nicht weiß, wo sie der Schuh drückt“, deswegen haben sie mich auch in diesem Aus­maß gewählt. Ich sage Ihnen das jetzt ganz einfach. (Bundesrat Stadler: Sind sie nicht weniger geworden, die Wähler?)


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Wir haben heuer ja Wirtschaftskammerwahlen gehabt (Bundesrat Stadler: Sind es we­niger geworden oder mehr?) – ich sage Ihnen das nur, denn er soll das wissen –, und ich habe 78,51 Prozent der Mandate erhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube daher, Sie brauchen sich um meine Mitgliederbetreuung keine Sorgen zu machen (Bundesrat Stadler: Es sind weniger Mandate!) – wenn ich mir vor Augen halte, dass Sie 8,8 Prozent erreicht haben! (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Dr. Böhm, Ing. Kampl und Mitterer.)

18.14


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Einwallner. – Bitte. (Bundesrat Schennach – auf den sich zum Rednerpult begeben­den Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner weisend –: Ein echter KMU-ler!)

 


18.14.32

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Meine geschätzten Damen und Herren! Zwei Sachen sind mir wichtig: Zum einen möchte ich Kollegen Mitterer darüber informieren, dass dieser Lehrlingsfonds sehr wohl sehr gut funktioniert, nämlich in Vorarlberg. (Ruf bei der SPÖ: So ist es!) Das ist ein vorbild­liches Modell, und es wird ausgezeichnet angenommen. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.) – Ich glaube, das sollte man hier auch einmal ganz deutlich sagen.

Zum Zweiten schon noch ein Wort zu Frau Kollegin Zwazl, auch wenn sie mir jetzt nicht zuhört. (Bundesrätin Zwazl: Doch!) Ah doch? Jetzt geht es schon, Sie sind schon wieder da – sehr gut! (Bundesrätin Zwazl: Ich höre immer zu!) Na ja, „immer“? – Na gut.

Es gibt zwei Punkte: Ich halte nichts davon, Sachen schlechtzureden, aber ich nehme auch nicht Ihre Position ein, die Sie hier ständig vertreten, indem Sie sich hier her­ausstellen und ständig Sachen schönreden. (Bundesrätin Zwazl: Nein, ich sage nur, was Sache ist!) Das ist genau das Gegenteil, was Sie machen! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Zwazl, weil Sie Ihr Wahlergebnis angesprochen haben: Sehr viele werden sich noch daran erinnern, wie diese Wahlergebnisse bekannt gegeben wurden. Das war an einem Plenartag, und ich weiß noch, wie Sie einen Tag lang verzweifelt – verzweifelt! –Ihren Pressesprecher in Telefongesprächen davon überzeugen wollten, dass er eine positive Darstellung Ihres Wahlergebnisses auf der Homepage initiiert; eines Wahl­ergebnisses, das keineswegs so positiv war, wie Sie es jetzt hier dargestellt haben! – Danke schön. (Heiterkeit, Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Zwazl mel­det sich neuerlich zu Wort.)

18.16


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Bundesrätin Zwazl, melden Sie sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort, oder handelt es sich um eine weitere Wortmeldung? (Bundesrätin Zwazl: Darf ich da jetzt etwas darauf sagen?) – Natürlich. Gut, dann ist es eine Wortmeldung. – Bitte.

 


18.16.31

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Kollege Einwallner, es nützt nichts, wenn man ein gutes Ergebnis heruntermachen will. Es hat bei der Veröffent­lichung ... (Bundesrat Schimböck: Sie haben ... Prozent verloren!) Also bitte schön, das ist doch gar nicht wahr! Wir haben 0,89 Prozent dazugewonnen! Bitte, schauen Sie sich das an!

Ich kann Ihnen auch erklären, warum bei den Stimmen ein Fehler war: Wir haben bei der Wirtschaftskammerwahl 124 Fachgruppen, und die Banken und die Industrie wer­den nicht beim Wirtschaftsbund dazugezählt. Und bei der Veröffentlichung des letzten


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Wahlergebnisses wurden die Stimmen zum Wirtschaftsbund dazugegeben und jetzt nicht. Das haben wir ganz einfach korrigiert. Das war alles! (Bundesrat Konecny: ... Chuzpe! Das ist ja ungeheuerlich! – Ironische Heiterkeit des Bundesrates Konecny.)

Aber was das Wahlergebnis bei der Wirtschaftskammerwahl betrifft, so hat der Wirt­schaftsbund zugelegt. Sie können sich da wehren, soviel Sie wollen: Das sind Ergeb­nisse, von denen Sie nur träumen können. Ich bin jetzt zweimal bei der Wirtschafts­kammerwahl angetreten und habe zweimal zugelegt. Das ist Fakt! (Beifall und Bravo­rufe bei der ÖVP sowie Beifall der Bundesräte Dr. Böhm und Ing. Kampl.)

18.17


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: So, bevor noch ein Tor geschossen wird, erteile ich Herrn Bundesminister Bartenstein das Wort. – Bitte. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

 


18.17.52

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Das schadet nie, Herr Bundesrat Schennach! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Präsi­dentin! Ich habe in der Tat gerade darüber nachgedacht, wie groß bei mir die Freude wäre, würde ich jemals ein knapp 80-prozentiges Wahlergebnis bejubeln können. (Bundesrat Kraml: Das glaube ich! – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen sowie demonstrativer Beifall des Bundesrates Schennach.) Bei mir wäre sie sehr groß!

Ich habe gerade auch darüber nachgedacht, Herr Bundesrat, wo denn die Unter­schiede liegen zwischen dem, was Teile der Vorarlberger Wirtschaft auf freiwilliger Basis als Fonds etabliert haben, und dem, was Sie politisch wollen, nachdem das nicht einmal Rot-Grün in Deutschland im Endeffekt dann in die Tat umgesetzt hat – beson­ders schlimm wäre das gewesen. Und mein Nachdenken hat zu der Erkenntnis geführt, hoher Bundesrat, dass die Unterschiede ganz erheblich sind.

Selbstverständlich, wenn sich Arbeitgeber zusammentun – und das gibt es ja –, be­triebsübergreifende Ausbildungswege, zum Beispiel auch gemeinsame Lehrwerkstät­ten zu etablieren – das muss ja nicht immer von der öffentlichen Hand finanziert wer­den, sondern kann durchaus auch von mehreren Arbeitgebern gemeinsam finanziert werden –, dann ist das eine Sache, die Sinn macht. Wenn Sie aber ein System etablie­ren wollen, das in Richtung einer Lehrlingsstrafsteuer geht – und das ist es in Wahr­heit, was Sie wollen –, dann sagen Sie es den Betrieben! Sie vertreiben sie damit aus Vorarlberg und aus Österreich überhaupt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Aber nur so viel zu Ihrer zweiten Wortmeldung, Herr Bundesrat Einwallner: In man­chem kann ich ja dem, was zum Thema Mittelstand gesagt wurde, voll beipflichten – ich muss das nicht wiederholen –: Rückgrat unserer Wirtschaft, Träger der Arbeitsplät­ze in diesem Lande – 65 Prozent oder so ähnlich sind in kleinen und mittleren Unter­nehmen beschäftigt.

Was ich mir im Übrigen wünschen würde, wäre, dass auch andere Fraktionen dann und wann einmal, wenn wirklich mittelstandsfreundliche Politik gemacht wird und es sich nicht nur um Lippenbekenntnisse anlässlich eines Berichtes handelt, konkret mit­stimmen. Dann, wenn zum Beispiel steuerliche Entlastungen beschlossen werden, dann, wenn Neugründungsförderungsgesetze verlängert werden, würde mir Ihre Zu­stimmung, vor allem auch im Nationalrat, ein großes Anliegen sein, dann könnten Sie wirklich Mittelstandsfreundlichkeit beweisen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)


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Lassen Sie mich zusammenfassen: Österreich, ein Land des Mittelstandes, Österreich, ein Land, dessen Wohlstand, dessen Exportfähigkeiten, dessen Innovationskraft in ho­hem Maße von den kleinen und mittelständischen Unternehmungen abhängen.

In Richtung der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion möchte ich an dieser Stelle sagen: Es überrascht mich immer, mit welcher Verve, mit welcher Nachhaltigkeit Sie in den letzten Monaten große Unternehmungen attackieren, große Unternehmungen, die in nicht geringer Zahl von ehemaligen Regierungsmitgliedern Ihrer Fraktion geführt werden. Wenn ich an Siemens denke, wenn ich an die OMV denke, an andere Unter­nehmungen, die als sehr erfolgreiche Privatunternehmungen (Bundesrätin Bachner: Zählen Sie die vom Prinzhorn auch auf!), als Konglomerate zum Beispiel von ehemali­gen Vizekanzlern und Finanzministern der sozialdemokratischen Fraktion geführt wer­den, dann wundert es mich, wie gesagt, sehr, mit welcher Deutlichkeit Sie diese Unter­nehmungen direkt und indirekt attackieren, denn auch die brauchen wir. Wir brauchen die kleinen und mittleren Unternehmungen in Österreich, wir brauchen aber auch die großen und die Flaggschiffe. Und wenn Sie es nicht tun, ich stelle mich hinter die OMV, ich stelle mich hinter die Voest, ich stelle mich hinter Siemens (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das tun wir auch!), ich stelle mich hinter Magna. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

Die Unternehmungen und auch ihre Mitarbeiter und ihre Betriebsräte sollen wissen, woran sie sind, wenn sie Unterstützung in diesem Lande brauchen. Von Ihnen ist sie offensichtlich nicht mehr zu erhalten.

Herr Bundesrat Einwallner, wenn Sie sagen, Sie wünschen sich einen Jungunterneh­mergutschein, Sie wünschen sich bessere Abschreibungsmöglichkeiten, Sie wünschen sich Investitionsmöglichkeiten: Gut, aber ich darf Sie schon darauf aufmerksam ma­chen, dass es eben unter dieser Bundesregierung eine unbefristete Verlängerung des Neugründungsförderungsgesetzes gegeben hat, die gerade jungen Unternehmungen, aber auch übernehmenden Unternehmern das Leben deutlich leichter macht. Erstmals wurde das auch ausgedehnt auf übernehmende Unternehmer. Das, was Sie gefordert haben, wurde also umgesetzt.

Sie, sehr geehrter Herr Bundesrat, haben kritisiert: Dienstleistungsrichtlinie als Weg zur Dienstleistungsfreiheit. – Man soll diese Dienstleistungsrichtlinie diskutieren, und die Kommission wird Anfang nächsten Jahres einen völlig neuen Vorschlag vorzulegen haben. So, wie sie es geplant hat, geht es nicht. (Bundesrätin Bachner: Bis jetzt waren Sie aber anderer Meinung!) Ich wundere mich schon, dass gerade als Vorarlberger Un­ternehmervertreter ... (Bundesrat Kraml: Sie haben das immer unterstützt, Herr Bun­desminister!) – Den Weg zur Dienstleistungsfreiheit, wie Ihr Präsident Verzetnitsch, der einer der 13 Autoren des Kok-Berichtes war, der als oberste Priorität im Rahmen des Lissabon-Prozesses und im Rahmen der Wachstumsstrategie für Europa die rasche und umgehende Umsetzung der Dienstleistungsfreiheit eingefordert hat. (Bundesrätin Bachner: Richtig! Richtig!) Das, was jetzt auf dem Tisch liegt, und zwar seit zwei Jah­ren, ist dieser mäßige ... (Bundesrätin Bachner: Aber nicht unter diesen Bedingungen, die in dieser Richtlinie drinnen stehen! Das müssen Sie auch dazusagen, Herr Minister! Nicht nur die halbe Geschichte erzählen!)

Auch wenn Sie mit dem Zeigefinger auf mich deuten, sehr geehrte Frau Bundesrätin, gilt für mich jedenfalls, so wie unter vielen europäischen Gewerkschaftern, auch der Wunsch nach einer Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit. Und gerade Unterneh­men in Vorarlberg und andere österreichische mittelständische Unternehmer klagen zu Recht darüber, dass sie als Dienstleistungsexporteure zum Beispiel in Baden-Württem­berg, zum Beispiel in Bayern immer wieder den einen oder anderen Prügel zwischen die Beine geworfen bekommen, den sie ganz gern mit klaren europäischen Vorgaben zur Dienstleistungsfreiheit beseitigt sehen würden.


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Und wenn Sie jetzt sagen: Weg mit dem Herkunftslandprinzip!, so kann man mit mir selbstverständlich darüber reden. Ich durfte zum Beispiel auch in der „Kronen Zeitung“ vor einigen Tagen in einem Gastkommentar formulieren, dass wir in den zentralen Rechtsbereichen wie dem Umweltrecht, dem Arbeitsrecht, dem Sozialrecht das Ziel­landprinzip brauchen werden.

Aber zu sagen, das Herkunftslandprinzip brauchen wir überhaupt nicht – sehr geehrte Frau Bundesrätin, ich weiß, dass Sie die Kenntnisse haben, einschätzen zu können, dass es dann überhaupt nichts mehr braucht. Das ist der rechtliche Status quo. Wir leben in Europa, Österreich ist seit zehn Jahren Mitglied der Europäischen Union, und eine der zentralen Freiheiten in der Europäischen Union ist die Dienstleistungsfreiheit. Die gibt es! Nach dem Ziellandprinzip können auch Sie nicht, kann auch der Österrei­chische Gewerkschaftsbund keinen Franzosen, keinen Engländer, keinen Deutschen daran hindern, nach unseren Vorschriften hier in Österreich Dienstleistungen anzubie­ten und zu betreiben. Das haben wir schon! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Stellen Sie daher nicht so apodiktisch Dinge in den Raum, die so nicht stimmen, son­dern halten Sie sich an das, was Ihr Präsident Verzetnitsch gemeinsam mit dem frühe­ren holländischen Gewerkschaftschef Wim Kok im Kok-Bericht formuliert hat! Wir brau­chen schnellstens Dienstleistungsfreiheit, und zwar auf geeigneten Wegen, und über diese Wege sind wir uns im Übrigen nicht so uneinig, weil wir zum Beispiel das Glücks­spiel gemeinsam ausnehmen wollen, weil wir zum Beispiel eine klare Abgrenzung zur Entsenderichtlinie, zur Diplomanerkennungsrichtlinie brauchen, weil wir zum Beispiel Daseinsvorsorge wie zum Beispiel den Bereich Gesundheit und Sozialdienstleistungen hier auch ausgenommen haben wollen.

Ich erwarte dann von den österreichischen Arbeitnehmervertretern und Gewerkschaf­tern auch Solidarität, Solidarität, wenn es darum geht, den Arbeitnehmervertretungen zum Beispiel in den zehn neuen Mitgliedstaaten zu erklären, dass wir das, was sie wollen, nicht wollen. Denn die wollen nämlich genau das, was die Kommission vor zwei Jahren vorgeschlagen hat und was so nicht gehen wird. Das, was mich immer wieder „erfreut“, ist, dass Ihre Solidarität in der Regel 50 Kilometer östlich von Wien endet und, wenn es darum geht, mit den Slowaken, mit den Tschechen, mit den Ungarn über der­lei Dinge zu sprechen, die Dinge von Ihnen ganz anders gesehen werden. (Bundes­rätin Bachner: Das ist eine Unterstellung!)

Wenn Sie mich jetzt ansprechen und sagen „Unterstellung“ (Bundesrätin Bachner: Das ist eine Unterstellung und stimmt ganz einfach nicht!): Wer war es denn, der in Wahrheit den Beitritt der neuen Mitgliedstaaten in Sachen Arbeitnehmerfreizügigkeit am nachhaltigsten hinterfragt hat? Wer war es denn, der über Jahre zuerst einmal das Erreichen von 75 und 80 Prozent der Einkommenshöhe des europäischen Schnittes in diesen Ländern verlangt hat, bevor ein Beitritt stattfinden könne, bevor Arbeitnehmer­freizügigkeit gelten könne? (Bundesrätin Bachner: Ja, wir waren das, Herr Minister! Gott sei Dank! Und jetzt seid ihr draufgekommen, dass es notwendig sein wird ange­sichts der Arbeitslosenrate, die wir momentan haben!)

Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, sehr geehrte Frau Bundesrätin, dann gäbe es den Beitritt dieser Länder nicht nur heute nicht, sondern vermutlich auch in fünf Jahren noch nicht. (Bundesrätin Bachner: Nein, das stimmt nicht!) Ich bin froh darüber, dass es ihn gegeben hat, denn diese Länder sind wichtige Partner für uns.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Aspekt noch, weil er mir wesentlich ist: Herr Bundesrat Einwallner hat das Thema Steuern einmal mehr angeführt. Die Unter­nehmenssteuerreform – Frau Bundesrätin Zwazl hat das ja deutlich ausgeführt – ist sicherlich keine Unternehmenssteuerreform, die gerade einmal 1 000 Unternehmun­gen – diese Zahl haben Sie in den Mund genommen, sehr geehrter Herr Bundesrat –


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zugute kommt. Das ist unwahr. Diese Unternehmenssteuerreform kommt Zigtausen­den Unternehmungen zugute. Diese Unternehmenssteuerreform kommt selbstver­ständlich auch kleinen und mittleren Kapitalgesellschaften zugute, und diese Unterneh­menssteuerreform kommt natürlich auch bilanzierenden Personengesellschaften und Kleinstgesellschaften zugute.

Für den Fall, dass ein Unternehmer so klein ist, dass er es vorzieht, ein Einnah­men/Ausgaben-Rechner zu bleiben, respektive das für sich als besser erachtet, hat Frau Präsidentin Zwazl Recht: Das ist ein Bereich, hinsichtlich dessen wir und auch Präsident Leitl seit Monaten sagen, dass dort noch etwas geschehen muss, dass diese Gruppe von Unternehmen noch begünstigt gehört. Da bin ich aber, Frau Präsidentin Zwazl, sehr gespannt darauf, was die Sozialdemokratie sagen wird, wenn wir meinen, im Rahmen des Einkommensteuerrechtes müsse man diesbezüglich Besserstellungen treffen, denn darum wird es letztlich gehen. Das sind Einkommensteuerzahler. Und da höre ich ja dann immer, dass das überhaupt nicht gehe.

Also: Einnahmen/Ausgaben-Rechner, diese Zielgruppe ist noch zu begünstigen im Rahmen der Unternehmenssteuerreform. – Ich gehe einmal davon aus, dass auch Ihr Unternehmen bilanziert, Herr Bundesrat. Wenn es das tut und wenn Ihr Unternehmen, was ich hoffe und wovon ich ausgehe, schwarze Zahlen schreibt – das soll auch für rote Bundesräte sinnvoll und möglich sein (Beifall und Heiterkeit bei der ÖVP – Bun­desrat Gruber: Was soll dieser Zynismus? Dieser Zynismus ist unangebracht! – Ruf bei der SPÖ: Herr Minister, haben Sie schon etwas von Niveau gehört?) –, dann gehe ich davon aus, dass Sie entweder durch die Körperschaftsteuersenkung profitieren oder durch die Halbierung des Steuersatzes auf nicht entnommene Gewinne bis zu 100 000 € und dass Sie dann nicht einmal auf einen Steuersatz von 25 Prozent kom­men, weil im Regelfall der Bruttosteuersatz bei 40, 45 Prozent liegt und die Halbierung des Steuersatzes dann zu einer effektiven Steuerbelastung von 20 Prozent, 22 Prozent oder sogar unter 20 Prozent führen kann.

So gesehen bin ich nicht nur der Überzeugung, sondern weiß, dass schon jetzt diese Unternehmenssteuerreform der überwiegenden Zahl österreichischer Unternehmungen zugute kommt. Und was die Einnahmen/Ausgaben-Rechner anlangt: Da bleibt noch etwas zu tun, das wissen wir.

Aber tun Sie von den Oppositionsparteien doch nicht so, als käme diese Unterneh­menssteuerreform gerade einmal 1 000 Unternehmungen beziehungsweise lediglich großen Unternehmungen zugute! Das stimmt einfach nicht! (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl, Dr. Böhm und Mitterer.)

18.31


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, und zwar stimmen wir ab über den Antrag der Bundesräte Ager, Bieringer, Kolleginnen und Kollegen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen. Anders als der Ausschussbericht, den wir gehört haben, geht es jetzt um die Abstimmung des Antrages Ager, Bieringer, Kolleginnen und Kollegen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag, den gegenständ­lichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzei­chen. – Es ist dies Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 153

18.31.3523. Punkt

Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit an das österrei-
chische Parlament zum EU-Arbeitsprogramm 2005 (III-272-BR/2005 d.B. sowie 7237/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 23. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Roth-Halvax. Ich bitte um den Bericht.

 


18.32.23

Berichterstatterin Sissy Roth-Halvax: Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit an das österreichische Parlament zum EU-Arbeitspro­gramm 2005. (Präsident Mitterer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Am 22. November 2004 wurde vom Ministerrat ein Bericht zustimmend zur Kenntnis genommen, demzufolge jedes Mitglied der Bundesregierung dem Parlament unter an­derem einen Bericht zum jährlichen Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission und zum Jahresprogramm des Rates übermittelt. Daher legt der Bundes­minister für Wirtschaft und Arbeit diesen Bericht vor.

Der Bericht behandelt die Themen Lissabon-Strategie, Außenhandel, Binnenmarkt, In­dustrie und Unternehmen, Innovation und Forschung, Energie, Beschäftigung, Arbeit­nehmerschutz und Arbeitnehmerrecht.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen, dem Bundesrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes zu empfehlen.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 12. April 2005 den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit an das österreichische Parlament zum EU-Arbeitsprogramm zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte. (Ein Großteil der Bundesräte der SPÖ und der Grünen verlässt den Saal.)

 


18.33.56

Bundesrat Mag. John Gudenus (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße auch noch zu später Stunde hier eingelangte Besucher, die auf der so genannten Galerie sitzen. Es ist dies meine letzte Rede hier im Hohen Haus, und es könnte jemand sagen, natürlich hat man dann vielleicht Tränen in den Augen. – Ich habe nicht Tränen in den Augen, son­dern eher Tränen im Herzen. Warum ich diese Tränen im Herzen habe, will ich Ihnen auch im Zusammenhang mit diesem Bericht darstellen: Es sind 290 000 Arbeitslose, welche mir Sorge bereiten, und ich bin sicher, nicht nur mir, sondern jedem hier im Saal, den Herrn Bundesminister dabei inkludiert.

Zum Bericht selbst: Nur beim Thema Innovation und Forschung des EU-Arbeitspro­grammes bleibt dieser Bericht zurückhaltend und will die EU-Vorlage abwarten. – Das scheint mir der EU gegenüber zu beflissen zu sein. Überhaupt zeichnet sich dieser Bericht durch eine sehr starke EU-Freudigkeit aus.

Beim Arbeitsprogramm Binnenmarkt unterstützt Österreich die Zielrichtung der EU-Richtlinie. In diesem Zusammenhang weise ich erstens auf die letzte Sitzung hier hin und zweitens auch auf Präsident Tumpel von der Arbeiterkammer, der meinem Gefühl nach eine ausgesprochen vernünftige, eine patriotische, eine österreichfreundliche so­


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 154

wie österreich-arbeitnehmerfreundliche Aussage schriftlich an uns alle – ich nehme an, jeder hat das gelesen – gemacht hat.

Ich kann mich daher mit dem Programm Binnenmarkt in der Form, wie es hier vorge­legt wird, nicht in vollen Zügen identifizieren.

Zum Thema Energie brauchen wir nur auf die zu Ende gegangene Konferenz der Umwelt- und Energieminister in London hinweisen. Der Schwerpunkt lag nicht mehr auf Einhaltung der Kyoto-Ziele, auf der Forderung, den Ausstoß von Umweltschmutz mit Hilfe der Politik und internationaler Verträgen zu reduzieren, sondern der wirkliche Schwerpunkt lag bei der Weiterentwicklung der Technik, die helfen soll, diesen Schmutz zu verhindern.

Eine Überlegung, die der amerikanische Präsident Bush stets vertrat und jetzt auch sein „europäischer Mond“ Blair ebenso vertritt: Man will das Kyoto-Protokoll ... (Zwi­schenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein.) – Mond, ja. Man will das Kyoto-Protokoll auslaufen lassen, ein Protokoll, welches auch in der österreichischen Politik, vertreten durch Herrn Bundesminister Bartenstein, ein gewisses Gewicht hat; vielleicht – ich hoffe es fast –: hatte.

Die USA, China, Indien, Brasilien, Mexiko, Südafrika, Indonesien, Australien, Spanien, Polen, Südkorea sind auf dieser Linie; es sind dies industriestarke Nationen. Aber wenn uns wir in Österreich an das Kyoto-Protokoll halten, schädigen wir unsere Indust­rie, bringen ihr Wettbewerbsnachteile – ohne weltweit etwas zum Klima beitragen zu können. Ich hoffe daher, dass das Kyoto-Programm demnächst auch bei uns ad acta gelegt wird.

China sollte bei dieser Konferenz überredet werden, seine in Zukunft zu bauenden 500 Kohlekraftwerke – man höre: 500 Kohlekraftwerke! – mit modernsten Reinigungs­techniken zu entgiften. Das kann ich nur nachvollziehen.

Großbritannien und andere Staaten planen, mehr Atomkraftwerke zu bauen bezie­hungsweise die Betriebsdauer solcher Anlagen zu verlängern.

Herr Minister! Meine Damen und Herren! Kyoto – so behaupte ich hier in diesem Saa­le – ist tot! Es wird von keinem der großen Industriestaaten ernst genommen werden!

Ich frage jetzt nur als Zwischenbemerkung, Herr Bundesminister, was es mit der Stromleitung durch den Brenner-Tunnel auf sich hat, denn in diesem Bericht kommen ja auch der Brenner-Tunnel und eine Stromleitung durch diesen vor. Wenn das in einem Bericht steht, können wir vielleicht davon ausgehen, dass der Brenner-Tunnel schon in den nächsten Jahren fertig sein wird und dann auch eine Stromleitung durch den Brenner-Tunnel gelegt wird.

Wenn dieser Tunnel jedoch noch nicht gebaut wird – und vieles deutet darauf hin –, dann erhebt sich die Frage: Warum wird eine Stromleitung in dem Bericht überhaupt erwähnt? So segensreich eine Leitung durch einen Tunnel sicherlich ist, wird der Tunnel noch auf Jahre hinaus nicht existieren. Das könnte man wahrscheinlich im Jahr 2013 in einen Bericht aufnehmen, wenn es wahr ist.

Dass Österreich alle Maßnahmen zur Erhöhung der Kaffeepreise unterstützt, betrachte ich im wahrsten Sinn des Wortes als konsumentenfeindlich. Herr Bundesminister! War­um unterstützt Österreich alle Maßnahmen zur Kaffeepreiserhöhung? Ich halte das schlichtweg für frivol! Wir trinken doch alle gerne Kaffee. Warum will man die österrei­chischen Konsumenten ... (Bundesrat Bieringer: Kaffee ist das wichtigste Getränk!) Ja, Kaffee ist das wichtigste Getränk! Warum will man die österreichischen Konsu­menten schädigen? – Die Begründung lautet: Es soll damit Kaffeebauern der weniger entwickelten Länder geholfen werden.


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 155

Herr Bundesminister! Sagen Sie mir, wie Sie den Kaffeebauern in Brasilien oder irgendwo in Afrika helfen wollen? – Diese werden weiterhin Sklavenarbeit für irgend­welche Großkonzerne verrichten müssen, bei uns wird der Kaffee teurer sein, und die armen Leute haben noch immer nichts! Ich empfinde das als eine ausgesprochen – ich bleibe mit meiner Formulierung vorsichtig – nicht durchdachte Aussage, Herr Bundes­minister! Den Österreichern den Kaffee wegzunehmen bedeutet so viel, wie den Wein­bauern den Wein wegzunehmen. Aber wir trinken sehr gerne Kaffee!

Ich möchte sagen, es ist ein Beispiel einer fast österreichfeindlichen Politik, den Kaf­feepreis erhöhen zu wollen, ohne zu wissen, was mit der Erhöhung dann in Wirklichkeit passiert.

Allein bei der Vorlage „Innovation und Forschung“ bleibt Österreich löblicherweise ab­wartend. Wie in dem Arbeitsprogramm „Beschäftigung“ der Bericht der EU-Kommission generell begrüßt werden kann, ist mir unerklärlich. 290 000 Arbeitslose klagen an. Die Regierung trägt in erster Linie für 290 000 Arbeitslose, und nicht für 362 000 Aus­länder, die in Österreich Arbeit und Beschäftigung gefunden haben, die Verantwortung!

Herr Bundesminister, jede Regierung trägt in erster Linie Verantwortung für ihr Staats­volk und nicht für internationale Organisationen und internationale Verträge. In dem Bericht wird auch die Mobilität der Arbeitnehmer gefordert! Herr Bundesminister, was bedeutet „Mobilität der Arbeitnehmer“? Wollen Sie die Arbeitnehmer von ihrer Woh­nung, von ihrem Haus, von ihrer Familie trennen? – Es geht ja nicht nur, wie in dem Bericht steht, um die internationale Mobilität, sondern auch um die innerstaatliche Mobilität, nicht nur die Mobilität von einer Berufssparte zur anderen, sondern um die geographische Mobilität. Und ich halte es für zutiefst unsozial, von den Arbeitnehmern eine Mobilität zu verlangen, die sie von ihrer Heimat trennt. Das kann man doch nicht ernsthaft als EU- und österreichfreundliche Politik betrachten, Herr Bundesminister!

Im Übrigen wird für die Winterzeit inklusive der Schulungsteilnehmer eine Arbeitslosig­keit von rund 360 000 erwartet. Jetzt sind 290 000 Menschen arbeitslos, im Winter wer­den es bis zu 360 000 sein! Ich erwarte mir von einer österreichischen Regierung eine streng österreich- und österreicherbetonte Politik. Bei diesem Arbeitsprogramm der EU vermisse ich dies, Herr Bundesminister! Zu lange schon rangieren die EU und weitere internationale Organisationen vor den staatlichen Interessen und Erfordernissen Öster­reichs, besonders den Interessen seiner Arbeitnehmer. Bemerkenswert ist, dass bei der eigentlich unerwünschten und daher nicht vorhandenen öffentlichen Debatte über die EU-Verfassung festgestellt wurde, dass eben diese unerwünscht ist, dass die Ös­terreicher nichts zu sagen haben, dass eine Demokratie ohne Volk stattfinden soll. Und das ist etwas, was man nicht nur theoretisch, sondern praktisch im höchsten Maße verurteilen kann.

Ich bin beim Abschluss meiner parlamentarischen Tätigkeit wirklich stolz darauf, ge­meinsam mit meiner Kollegin Rosenkranz im Nationalrat und meinem Freund Profes­sor Böhm hier im Bundesrat zu den drei Parlamentariern zu zählen, welche das Mach­werk – ich bezeichne es als Machwerk! – EU-Verfassung nicht befürwortet haben, welche zum Glück von den Bevölkerungen Frankreichs und der Niederlande abgelehnt wurde. Der nicht griffige, gescheiterte Verfassungsentwurf, meine Damen und Herren, zählt mit 68 635 Wörtern zu den längsten Verfassungen der Welt und wird nur von den Verfassungen Zimbabwes – ein echtes Vorbild! – mit 77 671 Wörtern und der Verfas­sung Kenias mit 74 989 Wörtern übertroffen. (Bundesrat Bieringer: Wie viele Wörter hat die österreichische Verfassung?) – Sie hat 3 546 Wörter. Bitte nachzählen! Ich habe es nicht gemacht.

In der Deklaration von Laeken war noch die Rede davon, dass nicht die Lebensäuße­rungen der Bürger reguliert werden dürfen, dass Effizienz, Transparenz und Demokra­


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 156

tie verbessert werden sollen und dass schließlich auch über die Möglichkeiten nachge­dacht werden soll, Kompetenzen an die Mitgliedstaaten zurückzuverlagern.

Der gescheiterte Verfassungsentwurf war ökonomisch unsinnig und ist zudem dras­tisch von den Präferenzen der Bürger abgewichen. Idealerweise sollten Verfassungsre­geln nicht von denjenigen geschrieben werden, die sie später anwenden. Der nächste Versuch einer Verfassung, der möglichst lange auf sich warten lassen soll, sollte durch mehr kluge Köpfe erfolgen, die selbst keine politischen Ambitionen hegen!

Herr Bundesminister! Kollegen und Kolleginnen! Bleiben wir unseren österreichischen Bürgern treu!

Wenn ich mich heute Abend hier von Ihnen verabschiede, weiß ich, dass Sie es oft nicht leicht mit mir hatten. Glauben Sie mir aber: Ich hatte es auch mit dem einen oder anderen nicht immer ganz einfach! Folgen wir, auch hier im Hohen Haus, mehr unse­rem Gewissen, weniger den Klubs, noch weniger den Parteien und am allerwenigsten der öffentlichen Meinung!

Ich danke allen Mitarbeitern des Hohen Hauses. Ich danke besonders den Mitarbeitern des Bundesratsdienstes, welche alle Sitzungen klaglos sicherstellten. Ich danke auch jenen, die mir besonders in Zeiten, in denen ich es nicht ganz einfach hatte, freund­schaftlich oder zumindest in kollegialer Art und Weise verbunden geblieben sind.

Ich wünsche allen, unbeschadet mancher Animosität, Glück und Gesundheit und wei­terhin einen vollen Einsatz für die Republik Österreich. Es lebe die Republik Österreich! (Beifall der Bundesräte Dr. Böhm und Ing. Kampl sowie Beifall bei der ÖVP.)

18.48


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


18.48.59

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich habe eigentlich in erster Linie die Absicht, über das Scheitern eines gut gemeinten Ver­suches zu sprechen. Nach dem Schock der Ablehnung der Europäischen Verfassung in zwei wichtigen Mitgliedstaaten – und das war zweifellos für viele ein Schock – ist wie überall in der EU, auch in Österreich, eine Diskussion darüber eröffnet worden, in wel­cher Form man den Bürgerinnen und Bürgern auf der politischen, insbesondere auch auf der parlamentarischen Ebene die Probleme, die Pläne, die internen Auseinander­setzungen der Union in verständlicherer Weise nahe bringen könnte und damit dem europäischen Projekt eine andere Art von Verständnis der Bürgerinnen und Bürger bereiten kann.

Der Nationalrat hat sich zu einem Europatag entschlossen. Der erste dieser Tage hat inzwischen stattgefunden, und bei aller Höflichkeit gegenüber der anderen Kammer muss ich dennoch sagen: Ein wirklich überzeugendes Modell der Vertrauensgewin­nung ist dies offensichtlich nicht! – Der Bundesrat hat vernünftigerweise von derartig hoch mögenden, aber wenig durchdachten Plänen Abstand genommen.

Aber ich räume ein, damit hier kein falsches Bild entsteht: So ganz klug waren jene Entscheidungen, an denen auch ich voll verantwortlich mitgewirkt habe, auch wieder nicht. Ich meine damit die Art und Weise, wie wir die Stellungnahmen der einzelnen Minister zum EU-Arbeitsprogramm abhandeln. Sie, Herr Minister, sind nicht der Grund, Sie sind nur der, der sich das anhören muss. Ich verstehe natürlich, dass eine gewisse Rationalisierung im parlamentarischen Ablauf auch einen gewissen Charme hat, vor allem auf der Seite der Regierungsmitglieder, die selbst beziehungsweise deren Kabi­nette – wie ich doch annehme – ganz offensichtlich die Anregung an uns herangetra­


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 157

gen haben, man solle den jeweiligen Bericht im Zusammenhang mit mehreren anderen Tagesordnungspunkten, wenn der betreffende Ressortchef ohnehin da ist, abhandeln.

Wie gesagt: Ich bekenne mich dazu. Ich habe dieser Lösung in der Präsidialkonferenz zugestimmt. Aber nachdem wir jetzt den dritten Anlauf machen und die Debatte irgend­wie zeigt, dass die Lust an der Auseinandersetzung stark zurückgegangen ist, würde ich meinen, wir sollten diesen Versuch nicht wiederholen. Eine zusammengefasste De­batte über die einzelnen Berichte der Bundesminister zum nächstjährigen EU-Arbeits­programm scheint mir doch die wirkungsvollere und zielführende Form zu sein, um zu einer ernsthaften und seriösen europapolitischen Debatte zu gelangen. Ob diese einen Beitrag zur Bewusstseinsbildung der österreichischen Bevölkerung darstellt, hängt nur begrenzt von uns ab, sondern auch von den Transporteuren dessen, was wir hier sprechen. Aber ich habe nichts dagegen, in einem Kreis von 62 politischen Mandata­ren auch unter uns eine Diskussion zu führen. Auch da ist mit Sicherheit ein gewisser Beitrag zur Bewusstseinsbildung nicht schädlich.

Herr Bundesminister, ich sage daher meritorisch sehr ehrlich zu diesem Bericht nichts mehr, auch im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit. (Bundesrat Dr. Kühnel: Bravo!) Ich meine, dass eine konzentrierte Debatte im nächsten Jahr, in der wir all diese Vor­lagen unter einem zusammengefassten Tagesordnungspunkt in Behandlung nehmen, zielführender wäre. Ich bitte die Vertreter der Regierungsfraktionen, auch auf die Regierung einzuwirken, dass diese halbwegs gleichzeitig eintreffen, was diesmal auch nicht so ganz der Fall war, so dass wir auch vom Einlangen her diese Zusammenfas­sung der Debatte vornehmen können. – Ich halte zu diesem Thema kritisch und selbst­kritisch fest: Freuen wir uns aufs nächste Jahr! Der heurige Versuch war nicht wirklich gelungen.

Ich meine aber – und das ist der zweite Grund, warum ich mich unter diesem Tages­ordnungspunkt zu Wort gemeldet habe –, dass wir uns überhaupt darüber unterhalten müssen, in welcher Form europapolitische Debatten in diesem Haus stattfinden und welchen Beitrag der Regierung es dazu gibt. Ich bedaure sehr, dass die Frau Außen­ministerin und der Herr Bundeskanzler bisher nicht das Bedürfnis gehabt haben, den Bundesrat über die Schwerpunkte und die Absichten der österreichischen Präsident­schaft, die immerhin am 1. Jänner 2006 beginnt, zu informieren.

Ich hätte es für angemessen gehalten, dass von der Regierungsseite selbst hier ein Informationsbeitrag kommt. Und ich würde eigentlich auch unterstellen, dass es im Interesse der Regierung liegt, eine Kammer, auch wenn sie dort nicht die Mehrheit hat, entsprechend zu informieren. Ich bedaure in diesem Zusammenhang sehr, dass die letzte Sitzung des EU-Ausschusses des Bundesrates – auch eines möglichen Forums für solche Berichte – in geradezu prähistorischen Zeiten zurückliegt. Und wir haben es bisher auch nicht zuwege gebracht, diesem Ausschuss wirklich Substanz zu geben. Ganz im Gegenteil: Unsere zarten Versuche, dort Debatten auszulösen, sind in Wirk­lichkeit versandet. Und auch das ist ein Eingeständnis unseres Scheiterns.

Ich möchte daher, weil wir hier Defizite haben, einen Entschließungsantrag der Bun­desräte Konecny, Schennach, Kolleginnen und Kollegen einbringen, der zumindest be­wirken will, dass wir, bevor diese Präsidentschaft Österreichs in der EU beginnt, auch in dieser Kammer Berichte über die Pläne der österreichischen Bundesregierung, die beabsichtigten Schwerpunkte, die Risken und die heiklen Themen hören und darüber debattieren können. Es tut mir ein bisschen weh, dass der EU-Hauptausschuss des Nationalrates auf Initiative der Frau Bundesminister einen solchen Bericht mündlich er­halten hat, wir aber leider nicht.

Die Entschließung, der zuzustimmen ich Sie ersuche, hat folgenden Wortlaut:


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 158

Entschließungsantrag

der Bundesräte Konecny, Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bericht der Außenministerin über die österreichische EU-Präsidentschaft

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten wird ersucht, einen Bericht zum Thema österreichische EU-Präsidentschaft und deren politische Schwerpunkte so rechtzeitig dem Bundesrat vorzulegen, dass dieser in der Bundesratssitzung am 1. De­zember 2005 in Verhandlung genommen werden kann.

*****

Ich gehe davon aus, dass es auch im Interesse der Regierung liegt, dieser Entschlie­ßung nachzukommen. Ich gehe davon aus, dass wir eine Debatte zuwege bringen, die ein bisschen etwas zum europapolitischen Bewusstseinsbildungsprozess beitragen kann. Und ich würde meine Kolleginnen und Kollegen in der Präsidialkonferenz einla­den, einmal in einer ruhigen Stunde darüber nachzudenken, wie wir zu einer kontinu­ierlichen, fruchtbaren und vielleicht auch der Öffentlichkeit vermittelbaren europapoliti­schen Tätigkeit in diesem Haus kommen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

18.58


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Bieringer. – Bitte.

 


18.58.42

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Konecny, die Idee für diesen Entschließungsantrag ist nicht schlecht; das möchte ich ausdrücklich betonen. Aber ich bin nicht gewillt, aus Zurufen von außen hier eine Abstimmung zu machen. Dieser Entschließungsantrag ist bereits um 15.02 Uhr über die APA gelaufen. Ich erachte es als unhöflichen Akt den Regierungsfraktionen gegenüber, so etwas aus der APA zu erfahren.

Der Antrag liegt da, darüber wird abgestimmt werden. Wir nehmen ihn zur Kenntnis. Ich bin gerne bereit, bei der nächsten Präsidialsitzung über Europaangelegenheiten zu sprechen, aber ich bin beziehungsweise wir sind – das sage ich für die ÖVP-Fraktion –unter keinen Umständen bereit, auf Zurufe von außen zu reagieren.

Das, meine Damen und Herren, wollte ich zu diesem Entschließungsantrag sagen.

Aber da ich schon am Wort bin, möchte ich einem Mann danken, der heute hier an seiner letzten Sitzung teilnimmt. Es ist der Fraktionsvorsitzende der Freiheitlichen, der einige Jahre lang, gemeinsam mit mir, hauptverantwortlich die Regierungspolitik in die­sem Hause vertreten hat.

Lieber Peter Böhm, du warst ein ehrlicher Makler. Wir haben uns vorher auf Gegen­seite zueinander befunden: Du warst in der Opposition, wir in der Regierung, das hat aber einer Freundschaft – ich denke, das so sagen zu können – keinen Abbruch getan.

Ich danke dir sehr herzlich für all das, was wir gemeinsam gemacht haben. Es war nicht schlecht, was wir gemacht haben. Wir haben gute Arbeit geleistet: gute Arbeit für diese Republik und gute Arbeit für unsere Fraktionen.

Ich wünsche dir für die Zukunft alles erdenklich Gute, ich wünsche dir viel Kraft für dein weiteres Berufsleben! Und ich bedauere es zutiefst – und sage das im Namen meiner


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 159

gesamten Fraktion –, dass du in Hinkunft dem Hohen Hause nicht mehr angehören wirst.

Glück auf für die Zukunft! Alles Gute! (Anhaltender allgemeiner Beifall sowie Beifall von Bundesminister Dr. Bartenstein.)

19.01


Präsident Peter Mitterer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, und ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bun­desräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Konecny, Schennach, Kolleginnen und Kollegen vor betreffend Bericht der Außenministerin über die österreichische EU-Präsidentschaft, eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit an das österreichische Parlament zum EU-Arbeitsprogramm.

Dieser Antrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Es gibt keine Wortmeldung dazu.

Ich lasse daher über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Minderheit! – Bundesrat Konecny: Das war einmal!) – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen. (E 195-BR/05.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Tagesordnung ist somit erschöpft.

19.02.01Abstimmung über Fristsetzungsanträge

 


Präsident Peter Mitterer: Wir kommen nun zur Abstimmung über die eingebrachten Fristsetzungsanträge; es sind dies acht an der Zahl.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Stefan Schennach gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates, dem Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumen­tenschutz zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung der Gesellschaft „Fa­milie & Beruf Management GmbH“ erlassen sowie das Familienlastenausgleichsge­setz 1967 geändert wird (1070 d.B.), eine Frist bis 30. November 2005 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit an­genommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Stefan Schennach gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesra­tes, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Beschluss des Natio­


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 160

nalrates betreffend ein Zahnärztekammergesetz (1091 d.B. und 1134 d.B.) eine Frist bis 30. November 2005 zu setzen.

Ich ersuche auch hier jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Somit ist dieser Antrag angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Stefan Schennach gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über die 7. Ärztege­setz-Novelle (1088 d.B. und 1135 d.B.) eine Frist bis 30. November 2005 zu setzen.

Auch hier ersuche ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die für diese Fristsetzung sind, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Somit ist dieser Antrag ange­nommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Stefan Schennach gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesra­tes, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Beschluss des Natio­nalrates betreffend ein Zahnärztereform-Begleitgesetz (1086 d.B. und 1136 d.B.) eine Frist bis 30. November 2005 zu setzen.

Jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, bitte ich um ein Zeichen mit der Hand. – Das ist Stimmenmehrheit. Somit ist dieser Antrag an­genommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Stefan Schennach gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz, das Rezeptpflichtgesetz, das Medizinproduktegesetz, das Tierarzneimittelkontrollgesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz und das Arzneiwareneinfuhrge­setz 2002 geändert werden (1092 d.B. und 1142 d.B.), eine Frist bis 30. November 2005 zu setzen.

Wer für diesen Fristsetzungsantrag ist, möge zum Zeichen der Zustimmung ein Hand­zeichen geben. – Auch das ist Stimmenmehrheit. Somit ist dieser Antrag angenom­men.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Stefan Schennach gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundes­rates, dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie zur Berichterstattung über die Postgesetznovelle 2005 (1068 d.B. und 1123 d.B.) eine Frist bis 30. Novem­ber 2005 zu setzen.

Wer für diesen Fristsetzungsantrag ist, möge zum Zeichen der Zustimmung die Hand erheben. – Das ist Stimmenmehrheit. Somit ist dieser Antrag angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Stefan Schennach gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundes­rates, dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie zur Berichterstattung über die 8. Führerscheingesetz-Novelle (1073 d.B. und 1130 d.B.) eine Frist bis 30. November 2005 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Somit ist dieser Antrag angenommen.

Schließlich kommen wir zum letzten dieser acht Anträge.

Wir stimmen ab über den Antrag der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Stefan Schennach gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates, dem Aus­


BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 161

schuss für innere Angelegenheiten zur Berichterstattung über den Beschluss des Nati­onalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geän­dert werden (685/A und 1154 d.B.), eine Frist bis 30. November 2005 zu setzen.

Ich ersuche auch hier jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustim­men, um ein Zeichen mit der Hand. – Das ist Stimmenmehrheit. Somit ist dieser An­trag angenommen.

Einlauf

 


Präsident Peter Mitterer: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungs­weise in der heutigen Sitzung insgesamt vier Anfragen, 2366/J bis 2369/J, eingebracht wurden.

*****

Weiters möchte ich noch darauf hinweisen, dass das Amtliche Protokoll der 726. Sit­zung des Bundesrates von vorgestern, 2. November 2005, aufgelegen, unbeanstandet geblieben ist und daher als genehmigt gilt.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 1. Dezember 2005, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Natio­nalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht bezie­hungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 29. November 2005, ab 14 Uhr vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

19.09.06Schluss der Sitzung: 19.09 Uhr

 

 

 

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