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748. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

Donnerstag, 11. Oktober 2007

 

 


Stenographisches Protokoll

748. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 11. Oktober 2007

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 11. Oktober 2007: 9.05 – 16.39 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Immissionsschutzgesetz-Luft geändert wird

2. Punkt: Achter Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union erlassen wird sowie das Firmenbuchgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Rechtspflegergesetz, das GmbH-Gesetz, das Aktiengesetz 1965, das Umwandlungsgesetz, das Unter­nehmens­gesetzbuch und das Übernahmegesetz geändert werden (Gesellschafts­rechts-Änderungsgesetz 2007 – GesRÄG 2007)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Insolvenzrechtseinführungsgesetz und die Konkursordnung geändert werden (Schuldenberatungs-Novelle – Schu-Nov)

5. Punkt: Zusatzprotokoll gegen die Schlepperei von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüber­schreitende organisierte Kriminalität

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von bestimm­ten Unterrichts- und Erziehungstätigkeiten an Schulen im Bereich des Bundesminis­teriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft sowie das Bundesgesetz über das Unterrichtspraktikum geändert werden

7. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtsstaatliche Möglichkeit zum Verbleib integrierter Personen (160/A(E)-BR/2007)

8. Punkt: Petition von SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern des GRG Ettenreich­gasse, überreicht von Bundesrat Peter Florianschütz (18/PET-BR/2007)

9. Punkt: Petition betreffend Bleiberecht für gut integrierte Asylwerber/-innen, die von Abschiebung bedroht sind, überreicht von Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (20/PET-BR/2007)


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10. Punkt: Petition betreffend Bleiberecht für Asylsuchende, überreicht von Bun­desrätin Mag. Susanne Neuwirth (21/PET-BR/2007)

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Ergänzung der Tagesordnung ........................................................................................ 34

11. Punkt: Selbständiger Antrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Sonja Zwazl, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Termins und Ergän­zung des Teilnehmerkreises im Beschluss vom 20. Juli 2007 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Bildung – Beruf – Wirtschaft – Mehr Chancen für Alle“ (164/A-BR/2007)

*****

Inhalt

Bundesrat

Wortmeldung des Bundesrates Ludwig Bieringer zur Geschäftsbehandlung     12, 81

Unterbrechung der Sitzung ...................................................................................  12, 34

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Alfred Gusenbauer betreffend Nominierung eines Mitgliedes in den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz          ............................................................................................................................... 32

Antrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Sonja Zwazl, Stefan Schen­nach, Kolleginnen und Kollegen, den Selbständigen Antrag 164/A-BR/2007 der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Sonja Zwazl, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Termins und Ergänzung des Teilnehmer­kreises im Beschluss vom 20. Juli 2007 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Bildung – Beruf – Wirtschaft – Mehr Chancen für Alle“ gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen – Annahme              33, 34

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte gemäß § 44 (3) GO-BR .................................................................................................. 34

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 12

Fragestunde (129.)

Gesundheit, Familie und Jugend ............................................................................... 13

Ing. Reinhold Einwallner (1575/M-BR/07); Christine Fröhlich, Stefan Schennach

Sissy Roth-Halvax (1571/M-BR/07); Monika Kemperle, Eva Konrad, Monika Mühlwerth

Franz Breiner (1574/M-BR/07); Monika Kemperle, Sissy Roth-Halvax

Helmut Wiesenegg (1576/M-BR/07); Franz Wolfinger, Elisabeth Kerschbaum


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Martina Diesner-Wais (1572/M-BR/07); Monika Kemperle, Stefan Schennach, Ing. Siegfried Kampl

Peter Mitterer (1578/M-BR/07); Elisabeth Kerschbaum, Monika Kemperle, Helmut Kritzinger

Maria Mosbacher (1577/M-BR/07); Günther Köberl, Eva Konrad

Edgar Mayer (1573/M-BR/07); Harald Reisenberger, Franz Breiner

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 13

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 33

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  33, 113

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. September 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Immissionsschutzgesetz-Luft geändert wird (276/A und 221 und Zu 221 d.B. sowie 7759/BR d.B.)        ............................................................................................................................... 34

Berichterstatter: Helmut Wiesenegg ............................................................................ 35

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum .........................................................................................  35, 41

Maria Mosbacher .................................................................................................... ..... 36

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll .................................................................. ..... 37

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 38

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ..... 40

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 42

2. Punkt: Achter Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-326-BR/2007 d.B. sowie 7760/BR d.B.) ...................................... 42

Berichterstatter: Helmut Wiesenegg ............................................................................ 42

Redner/Rednerinnen:

Manfred Gruber ............................................................................................................ 42

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 44

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 45

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ..... 48

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll .................................................................. ..... 50

Günther Köberl ....................................................................................................... ..... 53

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-326-BR/07 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................... 55

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. September 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die grenzüberschreitende Ver­schmelzung von Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union erlassen wird


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sowie das Firmenbuchgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Rechtspfleger­gesetz, das GmbH-Gesetz, das Aktiengesetz 1965, das Umwandlungsgesetz, das Unternehmensgesetzbuch und das Übernahmegesetz geändert werden (Ge­sell­schaftsrechts-Änderungsgesetz 2007 – GesRÄG 2007) (171 d.B. und 218 d.B. sowie 7758/BR d.B. und 7766/BR d.B.) ................................... 55

Berichterstatter: Peter Florianschütz ........................................................................... 55

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Schimböck ............................................................................................. ..... 55

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ..... 56

Franz Breiner ........................................................................................................... ..... 57

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 58

Bundesministerin Dr. Maria Berger ..................................................................... ..... 59

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 60

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. September 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenzrechtseinführungsgesetz und die Konkurs­ordnung geändert werden (Schuldenberatungs-Novelle – Schu-Nov) (172 d.B. und 219 d.B. sowie 7767/BR d.B.) ............................................... 60

Berichterstatter: Peter Florianschütz ........................................................................... 60

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Schimböck ............................................................................................. ..... 60

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ..... 62

Franz Breiner ........................................................................................................... ..... 63

Wolfgang Sodl ......................................................................................................... ..... 65

Bundesministerin Dr. Maria Berger ..................................................................... ..... 66

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 67

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. September 2007 betreffend das Zusatzprotokoll gegen die Schlepperei von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüber­schreitende organisierte Kriminalität (170 d.B. und 220 d.B. sowie 7768/BR d.B.) ............................................................................................................................... 67

Berichterstatter: Peter Florianschütz ........................................................................... 67

Redner/Rednerinnen:

Johann Giefing ........................................................................................................ ..... 68

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 69

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 69

Bundesministerin Dr. Maria Berger ..................................................................... ..... 71

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegen­ständ­lichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben ......................................................................................................................................... 72

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. September 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von bestimmten Unterrichts- und Erziehungstätigkeiten an Schulen im Bereich des Bundes­ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft sowie das Bundes-


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gesetz über das Unterrichtspraktikum geändert werden (137 d.B. und 207 d.B. sowie 7762/BR d.B.)                       72

Berichterstatterin: Waltraut Hladny .............................................................................. 72

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 73

Renate Seitner ......................................................................................................... ..... 74

Dr. Andreas Schnider ............................................................................................. ..... 74

Eva Konrad .............................................................................................................. ..... 77

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 79

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtsstaatliche Möglichkeit zum Verbleib integrierter Personen (160/A(E)-BR/2007 sowie 7761/BR d.B.)         ............................................................................................................................... 79

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ........................................................................... 80

8. Punkt: Petition von SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern des GRG Etten­reichgasse, überreicht von Bundesrat Peter Florianschütz (18/PET-BR/2007 sowie 7763/BR d.B.) ...................... 79

Berichterstatter: Wolfgang Sodl ................................................................................... 80

9. Punkt: Petition betreffend Bleiberecht für gut integrierte Asylwerber/-innen, die von Abschiebung bedroht sind, überreicht von Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (20/PET-BR/2007 sowie 7764/BR d.B.)                80

Berichterstatter: Wolfgang Sodl ................................................................................... 80

10. Punkt: Petition betreffend Bleiberecht für Asylsuchende, überreicht von Bun­desrätin Mag. Susanne Neuwirth (21/PET-BR/2007 sowie 7765/BR d.B.) ......................................................... 80

Berichterstatter: Wolfgang Sodl ................................................................................... 80

Redner/Rednerinnen:

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 81

Albrecht Konecny ................................................................................................... ..... 88

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 91

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 93

Eva Konrad .............................................................................................................. ..... 97

Peter Florianschütz ................................................................................................ ..... 99

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 102

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ... 103

Mag. Susanne Neuwirth ......................................................................................... ... 106

Dr. Erich Gumplmaier ............................................................................................ ... 108

Franz Breiner ........................................................................................................... ... 110

Ablehnung des Entschließungsantrages 160/A(E)-BR/2007 .................................... 112

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, den Ausschuss­bericht 7763/BR d.B. zur Kenntnis zu nehmen .................................................................................................................... 112

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, den Ausschuss­bericht 7764/BR d.B. zur Kenntnis zu nehmen ................................................................................................................ ... 112


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 6

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, den Ausschuss­bericht 7765/BR d.B. zur Kenntnis zu nehmen .................................................................................................................... 112

11. Punkt: Selbständiger Antrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Sonja Zwazl, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Termins und Ergänzung des Teilnehmerkreises im Beschluss vom 20. Juli 2007 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Bildung – Beruf – Wirtschaft – Mehr Chancen für Alle“ (164/A-BR/2007) ..... 112

Annahme des Selbständigen Antrages 164/A-BR/2007 .............................................. 112

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Errichtung des Klima- und Energiefonds (2561/J-BR/07)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Sicherheit älterer Atomkraftwerke in Europa (2562/J-BR/07)

Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend betreffend Rückforderung beim Kinderbetreuungsgeld (2563/J-BR/07)

Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz betreffend kommunistisches Regime in Kuba als Vorbild für den Sozialminister (2564/J-BR/07)

Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend den „Klimaschutzbeauftragten“ des Bundeskanzlers (2565/J-BR/07)

Alfred Schöls, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend geplanten Stellenabbau bei der Post AG (2566/J-BR/07)

Dr. Franz Eduard Kühnel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend aufklärungsbedürftige Aussagen des Landesverteidigungsministers (2567/J-BR/07)


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 7

Dr. Franz Eduard Kühnel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Lan­desverteidigung betreffend aufklärungsbedürftige Aussagen des Landesver­teidigungs­ministers (2568/J-BR/07)

Alfred Schöls, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Inseratenschaltungen von Staatssekretärin Kranzl (2569/J-BR/07)

Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Medienauftritte uniformierter Polizisten (2570/J-BR/07)

Michaela Gansterer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz betreffend Finanzierung der 68. ASVG-Novelle (2571/J-BR/07)

Dr. Franz Eduard Kühnel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend aufklärungsbedürftige Aussagen des Bundeskanzlers in Israel (2572/J-BR/07)

Dr. Franz Eduard Kühnel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Lan­desverteidigung betreffend widersprechende außenpolitische Aussagen des Bundes­kanzlers und des Verteidigungsministers (2573/J-BR/07)

Alfred Schöls, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst betreffend SP-Forderungen nach 785 Exekutivbeamten in Wien (2574/J-BR/07)

Alfred Schöls, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Inseratenkampagne von Staatssekretärin Kranzl auf Kosten der Steuerzahler (2575/J-BR/07)

Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Bleiberechtsformular (2576/J-BR/07)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst betreffend Brand­schutzbeauftragte an Pflichtschulen (2577/J-BR/07)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Zollabfertigung an der Schweizer Grenze (2578/J-BR/07)

Peter Florianschütz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Vorgangsweise bei Auszeichnungen nach § 30a des Berufs­ausbildungsgesetzes (BAG) (2579/J-BR/07)

Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Entwicklung des Aufkommens an veranlagter Einkommensteuer (2580/J-BR/07)

Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit, Familie und Jugend betreffend HPV-Impfung (2581/J-BR/07)

Zurückgezogen wurde die Anfrage der Bundesräte

Alfred Schöls, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Inseratenschaltungen von Staatssekretärin Kranzl (2569/J-BR/07) (Zu 2569/J-BR/07)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bekämpfung des Feuerbrandes im Obstbau (2320/AB-BR/07 zu 2529/J-BR/07)

der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur auf die Anfrage der Bundesräte Ana Blatnik, Kolleginnen und Kollegen betreffend Polytechnische Schulen (2321/AB-BR/07 zu 2518/J-BR/07)

der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bun­desräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutz­gesetzes (LMSVG) (2322/AB-BR/07 zu 2524/J-BR/07)

der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend HPV-Impfung (2323/AB-BR/07 zu 2527/J-BR/07)


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 8

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Martin Preineder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau von Parkplätzen an Autobahnauffahrten (Initiative Park & Drive) (2324/AB-BR/07 zu 2519/J-BR/07)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Alfred Schöls, Kolleginnen und Kollegen betreffend weiteren Ausbau der A 5 Trasse Nord/Schrick–Drasenhofen (2325/AB-BR/07 zu 2520/J-BR/07)

der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der politischen Bildung (2326/AB-BR/07 zu 2525/J-BR/07)

der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur auf die Anfrage der Bundesräte Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schulwesen in Österreich (2327/AB-BR/07 zu 2531/J-BR/07)

der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bun­desräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verstärkung des Jugendschutzes im Bereich der Mobiltelefonie (2328/AB-BR/07 zu 2526/J-BR/07)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausstieg aus dem Euratom-Vertrag (2329/AB-BR/07 zu 2523/J-BR/07)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Steuerbegünstigung für nicht entnommene Gewinne gem. § 11a EStG 1988 (2330/AB-BR/07 zu 2521/J-BR/07)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend HPV-Impfung (2331/AB-BR/07 zu 2528/J-BR/07)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Helmut Wiesen­egg, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stempelgebühren und Bundesverwaltungs­abgaben im Bereich des Personenstandswesens (2332/AB-BR/07 zu 2532/J-BR/07)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auswirkung der Reduzierung des Personalstandes des Stadtpolizeikommandos im Stadtteil Linz-Urfahr (2333/AB-BR/07 zu 2522/J-BR/07)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einbau von Panzerglasfenstern im Bundeskanzleramt (2334/AB-BR/07 zu 2560/J-BR/07)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der Exis­tenzsicherung bei längerdauernden AMS-Schulungsmaßnahmen (2335/AB-BR/07 zu 2545/J-BR/07)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot des Verkaufs und der Weitergabe von „Killerspielen“ (2336/AB-BR/07 zu 2533/J-BR/07)


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 9

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Helmut Kritzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend das „Halten auf Wunsch“ bei Linienbussen (2337/AB-BR/07 zu 2540/J-BR/07)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Martin Preineder, Kolleginnen und Kollegen betreffend einspuriges Gegen­verkehrsstück auf der A 2 Süd Autobahn bei Hartberg (2338/AB-BR/07 zu 2542/J-BR/07)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Martin Preineder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Infrastrukturmaß­nahmen im Bezirk Mistelbach (2339/AB-BR/07 zu 2543/J-BR/07)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bekanntgabe von Fahrzeughaltern (2340/AB-BR/07 zu 2555/J-BR/07)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Geschwindigkeitsbeschränkungen für Autobahnen und Schnell­straßen aufgrund des Immissionsschutzgesetzes Luft (2341/AB-BR/07 zu 2556/J-BR/07)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie (2342/AB-BR/07 zu 2557/J-BR/07)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Bundesräte Alfred Schöls, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umbau und Generalsanierung des Objektes 7 in der Bolfras-Kaserne in Mistelbach (2343/AB-BR/07 zu 2534/J-BR/07)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Bundesräte Alfred Schöls, Kolleginnen und Kollegen betreffend Infrastruktur Garnison Wiener Neustadt (2344/AB-BR/07 zu 2539/J-BR/07)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Susanne Neuwirth, Kolleginnen und Kollegen betreffend „380kV-Netzausbau in Salzburg: Stromtransit-Freileitung oder Erdverkabelung – Risiken und/oder Chancen“ (2345/AB-BR/07 zu 2547/J-BR/07)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auswirkungen der AWG-Novelle 2007 auf die Länder (2346/AB-BR/07 zu 2553/J-BR/07)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Alkoholgrenze bei Bootsführern auf dem Bodensee (2347/AB-BR/07 zu 2559/J-BR/07)

der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bun­desräte Mag. Susanne Neuwirth, Kolleginnen und Kollegen betreffend 380kV-Netz­ausbau in Salzburg: Stromtransit-Freileitung oder Erdverkabelung – Risiken und/oder Chancen (2348/AB-BR/07 zu 2548/J-BR/07)


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 10

der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bun­desräte Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen betreffend verantwortungs­vollen Umgang mit der Nanotechnologie (2349/AB-BR/07 zu 2549/J-BR/07)

der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung der Frauengesundheitszentren (2350/AB-BR/07 zu 2558/J-BR/07)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ownership Unbundling in der Elektrizitätswirtschaft (2351/AB-BR/07 zu 2551/J-BR/07)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung des „Blum“-Bonus (2352/AB-BR/07 zu 2544/J-BR/07)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen betreffend verantwortungsvollen Umgang mit der Nanotechnologie (2353/AB-BR/07 zu 2550/J-BR/07)

der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur auf die Anfrage der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuweisung von Schü­lerInnen an erste Klassen der AHS-Unterstufe in einigen Gymnasien in der Lan­deshauptstadt Linz für das Schuljahr 2007/2008 (2354/AB-BR/07 zu 2535/J-BR/07)


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 11

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Susanne Neuwirth, Kolleginnen und Kollegen betreffend „380kV-Netzausbau in Salzburg: Stromtransit-Freileitung oder Erdver­kabelung – Risiken und/oder Chancen“ (2355/AB-BR/07 zu 2546/J-BR/07)

der Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erleichterung der Überstellung von Bundes­heerhubschraubern (2356/AB-BR/07 zu 2554/J-BR/07)

der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bun­desräte Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rückforderung beim Kinderbetreuungsgeld (2357/AB-BR/07 zu 2563/J-BR/07)

des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend externe Lehrbeauftragte an den österreichischen Universitäten (2358/AB-BR/07 zu 2537/J-BR/07)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Waltraut Hladny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stationierung der FLIR-Hubschrauber in Graz (2359/AB-BR/07 zu 2536/J-BR/07)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend LangzeitasylwerberInnen (2360/AB-BR/07 zu 2538/J-BR/07)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verkehrsüberwachungsanlagen auf Autobahnen und Schnell­straßen (2361/AB-BR/07 zu 2552/J-BR/07)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Sicherheit älterer Atomkraftwerke in Europa (2362/AB-BR/07 zu 2562/J-BR/07)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Breitbandoffensive in Österreich (2363/AB-BR/07 zu 2541/J-BR/07)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Errichtung des Klima- und Energiefonds (2364/AB-BR/07 zu 2561/J-BR/07)


09.04.51


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 12

Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 748. Sit­zung des Bundesrates und begrüße auch herzlich Frau Ministerin Dr. Andrea Kdolsky in unseren Reihen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Klubobmann Bieringer. – Bitte.

 


9.05.21

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg) (zur Geschäftsbehandlung): Zur Geschäftsordnung, Herr Präsident.

Mir ist zugetragen worden, dass eine Dringliche Anfrage der Bundesräte Stefan Schennach, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres mit der Begründung: „In der Sitzung der Präsidialkonferenz des Bundesrates vom 10.10.2007 wurde offiziell mitgeteilt, dass der Bundesminister für Inneres nicht beabsichtige, an der Sitzung des Bundesrates am 11.10.2007 teilzunehmen, obwohl 4 von insgesamt 10 Tagesordnungspunkten in den Zuständigkeitsbereich“ des Innen­ministers „fallen“, eingebracht werden soll.

Das ist grundsätzlich falsch! Ich habe in der Bundesratspräsidiale lediglich gesagt, dass es nicht üblich ist, dass Bundesminister bei einem Antrag – und da ist es um einen Punkt der Tagesordnung gegangen – anwesend sind, und Herr Bundesminister Platter wird daher nicht anwesend sein. Das habe ich gesagt.

Hieraus aber abzuleiten, dass vier Tagesordnungspunkte gemeint sind, ist falsch. Ich beantrage daher eine Unterbrechung der Sitzung und die Einberufung einer Präsidialkonferenz.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Ich glaube, diesem Wunsch sollte man Folge leisten. Ich unterbreche die Sitzung zur Einberufung der Präsidiale.

*****

(Die Sitzung wird um 9.07 Uhr unterbrochen und um 9.42 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Meine Damen und Herren, ich nehme die unter­brochene Sitzung wieder auf.

Das Amtliche Protokoll der 747. Sitzung des Bundesrates vom 20. Juli 2007 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind heute die Mitglieder des Bundesrates Anna Elisabeth Haselbach, Mag. Gertraud Knoll und Erwin Preiner.

*****

Gemäß § 59 Abs. 8 der Geschäftsordnung gebe ich bekannt, dass Herr Bundesrat Alfred Schöls seine Anfrage 2569/J-BR/07 an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie zurückgezogen hat. (Ruf bei der SPÖ: Bravo!)


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 13

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Des Weiteren gebe ich bekannt, dass der Minister­ratsdienst des Bundeskanzleramtes die Mitteilung gemacht hat, dass sich die Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik am 8. Oktober in Berlin, am 11. Oktober in Budapest, am 15. Oktober in Luxemburg und am 18. und 19. Oktober 2007 in Lissabon aufhalten wird, und dass sich die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied am 10. und 11. Oktober in Frankfurt und innerhalb des Zeitraumes vom 19. bis 21. Ok­tober 2007 in Paris aufhalten wird.

Überdies gebe ich bekannt, dass Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer die Mitteilung gemacht hat, dass er sich am 11. Oktober und innerhalb des Zeitraumes vom 17. bis 19. Oktober sowie am 24. und 25. Oktober 2007 im Ausland, aber innerhalb des Gebietes der Europäischen Union aufhalten wird.

09.43.33Fragestunde

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bevor ich jetzt – um 9.45 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit dem Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Wir kommen nun zur 1. Anfrage, 1575/M-BR/2007, an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Kdolsky. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ing. Einwallner, um die Verlesung seiner Anfrage.

 


Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Frau Ministerin! Meine Frage lautet:

1575/M-BR/2007

„Wie wollen Sie auf Grundlage Ihres vorgelegten Entwurfes für eine Novelle zum Tabakgesetz den ArbeitnehmerInnenschutz für Beschäftigte in Raucherlokalen sicher­stellen?“

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Auf­grund der im Moment im Begutachtungsverfahren liegenden Tabakgesetz-Novelle, die sich mit Punkt und Strich am Regierungsübereinkommen festhält, geht es um die Trennung zwischen Raucher- und Nichtraucherbereichen in Restaurationsbetrieben. Diese verpflichtende Trennung ist in dieser Begutachtung vorgesehen.

Darüber hinaus haben wir, was die brandschutz- und feuerschutzpolizeilichen Dinge in Bezug auf Restaurationen unter 75 Quadratmeter angeht, innerhalb der EU gültige Regulative. Es ist derzeit überall so, dass bei Lokalen unter 75 Quadratmetern die Wahlmöglichkeit des Lokalbesitzers besteht, öffentlich gemacht wird, ob es ein Raucher- oder Nichtraucherlokal ist. Das Lokal muss nur öffentlich entsprechend gekennzeichnet sein, das muss klargemacht werden.


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 14

Wir sind derzeit in Begutachtung und warten – gestern abgeschlossen – die Begutach­tungs­einwände ab und werden dann sehr offen mit allen Begutachtern diskutieren.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Wird eine Zusatzfrage gewünscht?

 


Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Ja, natürlich. – Ich habe jetzt aus Ihrer Antwort noch nicht herausgehört, wie Sie den Arbeitnehmerschutz sicher­stellen wollen, Frau Minister. Ich möchte aber zusätzlich anmerken, dass es in anderen europäischen Ländern offenbar einen viel klareren und eindeutigeren Weg zum Nichtraucherschutz gibt. Ich nenne nur Italien oder Irland als Beispiel und frage auch zusätzlich:

Es ist absehbar, dass in den Folgejahren auf europäischer Ebene ein Nichtraucher­schutz greifen wird. Wie können Sie gewährleisten, dass sich – wenn dieses Gesetz so in Kraft tritt und Umbaumaßnahmen in der Gastronomie vorgenommen werden – diese Investitionen der Gastwirte in den Folgejahren nicht als überflüssig erweisen und nicht nur Kosten entstanden sind? Warum nicht schon jetzt klar einen guten Nichtraucher­schutz in Österreich?

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Das wird einer Diskussion zu unterziehen sein. Ich habe eine Umfrage gemacht; die Um­frage ist ganz rezent. Derzeit sind 58 Prozent der Österreicher der Meinung, dass ein völliger Nichtraucherschutz von ihnen nicht akzeptiert wird, weil wir noch immer – und das ist auch eine klare Aussage für Österreich – im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern 50 Prozent Raucher und 50 Prozent Nichtraucher haben.

Als Gesundheitsministerin kenne ich auch die rezente Situation in allen europäischen Ländern. Herr Abgeordneter, ich verweise darauf, dass immer wieder Italien und Irland als Beispiel genommen werden, wir aber 24 Länder haben. (Bundesrat Ing. Einwall­ner: Wir können Portugal nehmen!) Österreich ist damit eines, das dritte oder vierte, alle anderen sind nicht in dieser Situation. In Frankreich ist die Situation auch nicht so, wie Sie meinen. Ich komme von dort, daher weiß ich das ein bisschen.

Tatsache ist: Der Arbeitnehmerschutz, auf den Sie verwiesen haben, ist Sache von Minister Bartenstein. Bei mir geht es darum, dass ich das Regierungsübereinkommen zum Nichtraucherschutz umsetze. Das habe ich mit diesem Vorschlag getan.

Es handelt sich da um ein Regierungsübereinkommen zwischen der Österreichischen Volkspartei und der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, die sich in einem Regierungsübereinkommen darauf geeinigt haben, dass es als nächsten Schritt in den Restaurationsbetrieben eine Trennung zwischen Rauchern und Nichtrauchern geben muss, und zwar eine bedingungslose Trennung.

Das ist letztendlich eine Umsetzung dessen, was in den letzten Jahren vorgenommen worden ist. Deswegen sage ich: Ich warte die Begutachtung ab und habe da keine Emotionen.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Fröhlich, bitte.

 


Bundesrätin Christine Fröhlich (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Ministerin, meine Zusatzfrage lautet: Warum sieht der Entwurf so lange Übergangsfristen vor?

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Der Entwurf sieht diese Übergangsfristen vor allem deswegen vor, weil wir davon aus­gehen müssen, dass es zu massiven baulichen Veränderungen innerhalb der


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Gastronomie kommen wird und – darauf möchte ich hinweisen – diese baulichen Verän­derungen entsprechend geplant werden müssen.

Ich kann nicht erwarten, dass ich einen Gesetzentwurf erstelle, der mit 1. Jänner 2008 Gültigkeit hat, bei dem innerhalb einer Woche die entsprechenden Umbauaktionen möglich sind. Wir fordern Umbauverantwortlichkeiten, weil sich Restaurationsbetriebe zum Teil in alten und denkmalgeschützten Bereichen befinden. Hier sind auch Planungen zu machen. Daher war von uns in Absprache mit allen eine entsprechend lange Übergangsfrist vorgesehen.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Eine weitere Zusatzfrage wird Herr Bundesrat Schennach stellen. – Bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, ich sehe den moderaten Vollzug der Rauchergesetze bei Ihnen in besten Händen. Sie sind aber nicht nur als Gesundheitsministerin hier, sondern auch als Familien­minis­terin, deshalb darf ich an Sie die Frage richten, wie Sie als Familienministerin dazu stehen, dass durch Vollzugsakte des Bundes über Nacht Familien in Österreich auseinandergerissen werden. (Bundesrätin Roth-Halvax: Was hat das bitte mit der Frage zu tun, Herr Kollege? – Bundesministerin Dr. Kdolsky: Darf ich nachfragen: beim Rauchen? – Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.)

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Das ist meines Erachtens nicht Inhalt dieser Befragung. (Bundesrat Schennach: Ich frage Sie als Familienministerin!) Das ist nicht mein Themenbereich.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Es gibt nur eine Zusatzfrage, darauf möchte ich hinweisen. – Danke.

Wir gelangen zur 2. Anfrage, und ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Sissy Roth-Halvax, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Minis­terin, meine Frage:

1571/M-BR/2007

„Welche Maßnahmen planen Sie, um vor allem kinderreiche Familien verstärkt finan­ziell abzusichern?“

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Ab dem Jahr 2008 haben wir geplant, im Rahmen der Geschwisterstaffelung bei der Familienbeihilfe für das dritte Kind auf 35 € aufzustocken und für jedes weitere Kind auf 50 € anzuheben. Das bedeutet letztendlich, dass sich der Gesamtbetrag an Familien­beihilfe, der für drei Kinder gewährt wird, um 47,80 € monatlich erhöht, für vier Kinder um 97,80 € monatlich und für jedes weitere Kind nochmals um 50 € monatlich erhöht. Insgesamt werden für diese Gesamtmaßnahme knapp 34 Millionen € aus dem Familienlastenausgleichsfonds entnommen. Ich denke, dass das eine entsprechende Unterstützung für kinderreiche Familien ist.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Können Sie sagen, Frau Ministerin, wie viele Familien von dieser Verbesserung profitieren werden?

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Frau Ministerin, bitte.

 



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Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Insgesamt werden aller Voraussicht nach etwa zwei Fünftel der Familien Österreichs, die in diesen kinderreichen Bereich fallen, von dieser Situation profitieren. Wie gesagt, 35,4 Millionen € werden wir hier ausschütten, und ich denke, dass das ein erstes Zeichen ist. Ich würde mich freuen, wenn ich in absehbarer Zeit von einer höheren Prozentzahl kinderreicher Familien ausgehen kann.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bun­desrätin Kemperle gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Die ÖGB-Frauen haben errechnet, dass vom 27. September bis Jahresende die Frauen in Österreich de facto gratis arbeiten, da sich die Einkommensschere im Bereich von 24,6 Prozent steigend bis 30 Prozent bewegt. Wie soll sich durch dieses geplante Modell des Familiensplittings diese Situation verbessern, wo doch bereits von ExpertIn­nen festgestellt wurde, dass solche Modelle immer den Effekt haben, dass sie Alleinverdienerhaushalte bevorzugen?

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Das Familiensplitting ist ein Modell, das angedacht worden ist, das auch noch nicht berech­net worden ist und das derzeit nicht zur Diskussion steht, weil ich glaube, man muss es mit entsprechenden Zahlen untermauern. Das Modell gibt es in dieser vorge­schla­genen Form auch europaweit nicht. Daher denke ich, dass wir derzeit schlicht und ergreifend einmal darüber diskutieren können. Es ist derzeit auch nicht vorgesehen, es in irgendeine Form der gesetzlichen Umsetzung zu bringen, sondern es ist eine Idee aus der Perspektivengruppe der Österreichischen Volkspartei. Ich denke nicht, dass wir derzeit darüber diskutieren müssen. Wir haben genug Themen, die wirklich für die österreichischen Familien wichtig sind – egal, ob Familienlastenausgleichsnovelle, Mehr­kindstaffelung oder die Kindergeldnovelle oder aber auch die Artikel-15a-Ver­einbarung, die ich gemeinsam mit der Frauenministerin in beiden Fällen umgesetzt habe. Es gibt ausreichend Diskussionsstoff, was Vorteile für die österreichischen Familien angeht.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Danke.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Konrad gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ab­sicherung von Familien ist ja nicht nur eine finanzielle Frage. Meine Frage an Sie lautet, ob Sie sich als Familienministerin auch zuständig fühlen für jene Kinder und Jugendlichen, deren Familien jetzt von Abschiebung bedroht sind.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Ich sehe hier eine klare Zuständigkeit des Innenministers, und es sind zwei Herzen in meiner Brust. Als Mensch, Ärztin und Frau fühle ich mich klarerweise sozial zu diesen Problemen „hingezogen“, aber in meiner Funktion als Ministerin habe ich hier keine Möglichkeit, mich einzubringen.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Danke schön.

Eine weitere Zusatzfrage kommt von Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Minister! Das Familiensplitting ist ja eine ursprünglich freiheitliche Idee, die von der ÖVP übernommen worden ist. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Wir haben das


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Problem, dass viele Familien glauben, sich mehr Kinder nicht leisten zu können, oder sich tatsächlich nicht leisten können. Die SPÖ, Ihr Koalitionspartner, hat Ihrer Partei aber eine Abfuhr erteilt – darüber wird nicht einmal geredet.

Daher meine Frage an Sie: Was werden Sie tun, damit die SPÖ sich gesprächsbereit zeigt, um eine solche Maßnahme umsetzen zu können?

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Noch einmal: Das Familiensplitting ist eine von vielen Ideen der Perspektivengruppe, die umgesetzt und auch berechnet werden müssen. Es steht derzeit nicht in Diskussion bezüglich einer Gesetzwerdung. Wir müssen auch diese Modelle und diese Vor­schläge, die in der Perspektivengruppe erarbeitet worden sind, umsetzen, berechnen, erarbeiten und mit dem Koalitionspartner besprechen. Das wird Schritt für Schritt stattfinden, so wie ja letztendlich alle Schritte in der Umsetzung in gemeinsamen Gesprächen stattgefunden haben. Derzeit habe ich noch kein Modell auf dem Tisch.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Danke schön.

Wir gelangen jetzt zur 3. Anfrage, 1574/M-BR/2007, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Breiner, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin, meine Frage lautet:

1574/M-BR/2007

„Wie werden Sie die Benachteiligung Alleinerziehender beim Bezug des Kindergeldes abschaffen?“

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Der­zeit sehe ich keine Benachteiligung von AlleinerzieherInnen bei diesem Kindergeld. Diese erhalten wie alle anderen Elternteile Kinderbetreuungsgeld bis zum 30. Lebens­monat. Die Möglichkeit des gemeinsamen Betreuens des Kindes wird derzeit in etwa von 5,9 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher in Anspruch genommen, das heißt, 95 Prozent der österreichischen Kinder werden mit 30 Monaten betreut. Ich sehe hier keine Benachteiligung von AlleinerzieherInnen, sondern ganz im Gegenteil! Wenn AlleinerzieherInnen von der Regierung eine Verlängerung der Betreuung bekommen würden, dann hätte auch jede in einer Beziehung lebende Frau, wenn der Partner das nicht möchte, das Anrecht zu sagen: Aber ich möchte das, und ich möchte auch länger bleiben.

Das ist etwas, das dem prinzipiellen Ziel der Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht entspricht, weil das schnelle Wiedereingliedern in das Berufsleben ein wesentlicher Bestandteil von Qualität ist. Ich denke, nach all den Umfragen, die wir haben machen lassen, dass das auch nicht eines der Hauptprobleme der AlleinerzieherInnen ist, sondern hier geht es sehr oft um finanzielle Schlechterstellung.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Danke.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): AlleinerzieherInnen haben nicht die Möglichkeit der Wahl. Sie bleibt ihnen einfach nicht, weil ja kein Partner vorhanden ist. Ist das, da es sich hier um Familieneinkommen handelt, nicht eine Verletzung des


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Gleichheitsgrundsatzes, weil ja gar nicht möglich ist, dieses Geld im Rahmen der Familie für eine längere Zeit in Anspruch zu nehmen?

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Ich sehe das nicht in dieser Form, und auch die verfassungsrechtlichen Aussagen, die wir bis jetzt dazu haben, sind andere.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Danke.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Kemperle gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin, Sie haben versucht, das mit den AlleinerzieherInnen bereits zu erklären, nichtsdestotrotz meine Frage: Was sind wirklich die Gründe dafür, dass Sie für die ständig steigende Zahl der AlleinerzieherInnen – und das sind ja nicht wenige, zirka 40 Prozent – einem verlän­gerten Bezug des Kinderbetreuungsgeldes nicht zugestimmt haben?

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Weil es hier zu einer Ungleichbehandlung jener Mütter kommt, die in einer Partnerschaft leben und die genauso das Recht hätten, dann darauf zu verweisen, längere Zeit bei ihrem Kind bleiben zu wollen. Damit wäre letztendlich eine schleichende Gesamt­verlängerung des Karenzbezuges ein Thema, das allgemein auch in der Koalition nicht gewünscht ist, weil eine schnelle Wiedereingliederung in das Berufsleben das zentrale Ziel ist.

Noch einmal, und dazu stehe ich auch: Das wesentliche Problem bei Alleinerzie­herInnen ist nicht der Zeitfaktor, sondern der Geldfaktor.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Danke.

Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Roth-Halvax, bitte.

 


Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Minis­terin! Welche Verbesserungen für Alleinerziehende gibt es im Rahmen der Flexibilisie­rung des Kinderbetreuungsgeldes?

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Ich denke, hier haben wir eine klare Aussage getroffen. Das ist etwas, das immer ganz gern untergeht, wenn man solche Verbesserungen vornimmt. Gerade im Bereich der Alleinerzieher – und wir sehen das auch bei den Kontrollen – ist vor allem das Ansuchen um einen entsprechenden Zuschuss eines der zentralen Ziele. Bis dato betrugen die Zuverdienstgrenzen für diesen Zuschuss in etwa 5 500 €. Wir haben sie im Rahmen dieser Kindergeldregelung um das Dreifache auf 16 200 € angehoben.

Ich denke, das ist etwas, das den AlleinerzieherInnen wirklich hilft. Das ist etwas, wo wir sagen können: Hier haben wir aktiv eine Hilfe für Alleinerzieherinnen und Allein­erzieher angeboten!

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Danke schön.

Wir gelangen nun zur 4. Anfrage, 1576/M-BR/2007, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Wiesenegg, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minis­ter! Meine Anfrage wird Tausende Österreicher interessieren:


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 19

1576/M-BR/2007

„Wie wollen Sie sicherstellen, dass die im Regierungsübereinkommen vereinbarte Rezept­gebührendeckelung mit 1.1.2008 umgesetzt wird?“

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Gemeinsam mit Bundesminister Buchinger bin ich gestern übereingekommen – und das ist ein gemeinsames, erklärtes Ziel –, dass wir diese Rezeptgebührendeckelung umsetzen werden, dass wir bis Ende der Woche respektive Anfang nächster Woche in Begutachtung gehen und somit völlig den Terminplan einhalten, um mit 1.1.2008 diese Rezeptgebührendeckelung auch durch den Hauptverband der Sozialversiche­rungs­träger entsprechend umzusetzen.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Danke.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Geschätzte Frau Minister! Das ist sehr erfreulich, und dafür bedanke ich mich recht herzlich. Sie wissen ja, dass unsere Krankenversicherungsträger auch in finanziellen Nöten sind, daher ist meine Frage berechtigt: Wie werden Sie den Einnahmenentfall durch die Rezeptgebühren­decke­lung, sofern er entsteht, für die Krankenversicherungsträger abdecken?

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Ich erinnere daran, dass viele Wirtschaftskapitäne mit großer Freude auf die Konjunktur hingewiesen und die Frage gestellt haben, ob eine Erhöhung der Sozialversicherungs­abgaben überhaupt vonnöten ist. Ich erinnere auch daran, dass ich zu diesem Zeit­punkt gesagt habe, dass es sehr wohl vonnöten ist, diese moderate Erhöhung um 0,15 Prozent mit in diese ASVG-Herbstnovelle hineinzunehmen, um eben bei aller Dankbarkeit ob der guten Konjunktur trotzdem zusätzliche Kosten im Falle der Rezept­gebührendeckelung in der Höhe von etwa 60 Millionen € abzudecken. Das wird damit letztendlich abgedeckt werden können.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Danke.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Wolfinger gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Wer wird primär von der Rezeptgebührendeckelung profitieren?

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Nach Berechnungen des Hauptverbandes werden in etwa 300 000 Menschen von dieser Rezeptgebührenbefreiung, von dieser Deckelung, profitieren können. Primär werden natürlich Pensionsbezieher und Pensionsbezieherinnen diejenigen sein, die davon profitieren. Ich denke, das ist auch ein ganz wesentlicher Schritt in die richtige Rich­tung, aber – und das glaube ich auch als Ärztin, dass das notwendig ist – es werden vor allem auch chronisch Kranke und all jene, die konstante Medikationen brauchen, von dieser Rezeptgebührendeckelung profitieren. Daher, glaube ich, geht das in die richtige Richtung, dass diese Bundesregierung hier eine entsprechende Deckelung vornimmt.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Kersch­baum, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 20

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin, schön, dass Sie sich jetzt mit dem Herrn Sozialminister geeinigt haben. Warum aber hat es so lange gedauert? – Immerhin ist es schon im Regierungs­programm gestanden, dass Sie diese Deckelung einführen wollen.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Ich finde es spannend, dass die Zeit, in der die zwölf Gesetzesnovellen, die aus meinem Ressort seit 11. Jänner hinausgegangen sind, immer wieder als so lange bezeichnet wird. Sie alle sind Mitglieder der österreichischen Regierung und wissen, wie lange so eine Gesetzwerdung dauert. Außerdem muss ich darauf hinweisen, dass die Rezept­gebührendeckelung auch mit administrativen Dingen zu tun gehabt hat, die im Hauptverband zu klären waren. Sie wissen, dass es in Österreich derzeit aus­schließlich eine Bruttoberechnung gibt, und es wurde eine Nettoberechnung gefragt. Man muss Menschen, die im administrativen Bereich tätig sind, auch das Recht geben, dass sie hier eine Gesamtumstellung machen.

Ich sehe es überhaupt nicht als langsam, sondern ich sehe es den normalen Struk­turen entsprechend. Ich würde mich eher freuen, wenn man einmal darauf hinweist, wie schnell Bundesminister Buchinger und ich bis jetzt all diese Dinge tun, und zwar nicht im Streit, sondern im besten persönlichen Einvernehmen.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Ich bedanke mich. – Wir kommen zur 5. Anfrage, 1572/M-BR/2007, und ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Diesner-Wais, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bun­desministerin, meine Frage lautet:

1572/M-BR/2007

„Welche Erkenntnisse ziehen Sie aus der soeben veröffentlichten Studie schwedischer Experten („Health Consumer Index 2007“), wonach Österreich Spitzenreiter bei der medizinischen Versorgung ist?“

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Es freut mich als Bundesministerin für Gesundheit natürlich sehr, dass wir auch inter­national eine Bestätigung bekommen, dass unser Gesundheitssystem eines der besten der Welt ist; dies vor allem, und das ist für mich sehr wesentlich, im Zugang zu diesem Gesundheitssystem – das waren ja die zwei zentralen Fragen bei dieser Studie –, aber auch in der Qualität.

Das heißt aber für mich trotzdem nicht, dass man sich ausruhen sollte, denn inter­essant ist natürlich auch, zu schauen, wo noch Mängel bestehen. Das ist in dieser Studie auch klar herausgekommen, dass vor allem im Bereich der Patientenaufklärung noch etwas zu tun ist. Ich halte es für absolut notwendig, dass wir hier verstärkt die Eigenverantwortlichkeit der Patienten stärken und anhand auch der Studienergebnisse weiter daran arbeiten, noch besser zu werden.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Meine Zusatzfrage lautet: Wie werden Sie gewährleisten, dass diese ausgezeichnete medizinische Ver­sorgung in Österreich auch weiterhin aufrechterhalten werden kann?

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Ministerin.

 



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Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Ich denke, hier gibt es natürlich viele Dinge zu tun. Eines der wesentlichsten Dinge, das auch Ziel der Legislaturperiode ist, ist, zu versuchen, die duale Finanzierungsstruktur, die in Österreich vorherrscht – auf der einen Seite den intramuralen, also den Spitals­bereich, zu planen und zu finanzieren und auf der anderen Seite den extramuralen, also den niedergelassenen Ärzte-, Fachärztebereich, zu finanzieren –, auf eine gemein­same Schiene zu bringen und gemeinsam mit allen Financiers und den Dienstleistern eine Planung, Steuerung und Finanzierung dieses Systems umzusetzen. Das ist eine Sache, die natürlich aufgrund der erworbenen Rechte der an diesem System Teilhabenden langsamer umzusetzen ist und sicher eine Legislaturperiode brauchen wird.

Ich glaube, auf der zweiten Seite werden wir verstärkt moderne Kommunikationsmittel in der Gesundheit einsetzen müssen. Ich spreche von e-Health, ich spreche von IKT, ohne die letztendlich eine Schaffung von Ressourcen von im Gesundheitsbereich tätigen Menschen, um mehr Zeit für die Patienten zu haben, um Aufklärung zu be­reiben und Gespräche zu führen, nicht möglich sein wird. Wir müssen alle Anstren­gungen unternehmen – bei Wahrung des Datenschutzes und bei Wahrung der Sicher­heit und der Rechte der persönlichen Daten –, um moderne Technologien einzusetzen.

Ich glaube natürlich, dass wir die Information an die Bevölkerung verstärkt verbessern müssen. Dies nicht nur in den Fragen der Prävention, die eine der zentralen Ziele auch dieser Legislaturperiode ist, sondern auch im Bereich der Aufklärung, durch das Ein­beziehen von Patientenanwälten und dadurch, den Patienten mit eigener Stimme sprechen zu lassen. All die Diskussionen der letzten Tage haben spannenderweise gezeigt, dass so ziemlich alle mitreden, nur nicht der Patient; etwas, das mich bis zu einem gewissen Grad irritiert. Genau das soll uns in Zukunft gelingen: dass der Patient eine entsprechende Stimme hat, die auch gehört wird.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Danke.

Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Kemperle, bitte.

 


Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Natürlich ist bekannt und lobenswert, was der Fonds „Gesundes Österreich“ leistet, und es ist begrüßenswert, dass die Medizin in Österreich so weit entwickelt ist, wie sie das derzeit ist. Wenn wir uns aber ein Beispiel an Finnland nehmen, müssen wir sagen, dort geht Gesundheitsförderung weit über medizinische Maßnahmen hinaus. Hier sehe ich unseren Handlungsbedarf für eine nationale Gesundheitspolitik.

Wie setzen Sie sich als Gesundheitsministerin dafür ein, dass es in Österreich mehr präventive Maßnahmen und Gesundheitsförderung gibt?

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Frau Bundesrätin, ich gebe Ihnen völlig recht, als Medizinerin bin ich ganz Ihrer Meinung: Bis jetzt ist die Prävention deutlich zu kurz gekommen. Das zeigt sich auch an den Prozentsätzen der Gelder, die in diesen Bereich fließen. Ich werde mich bemühen, diese Prozentsätze nicht nur zu erhöhen, sondern habe gemeinsam mit Frau Bundesministerin Claudia Schmied erste Zeichen zum Thema „Gesunde Schule“ gesetzt. Wir haben vor allem im Bereich betrieblicher Gesundheitsförderung ganz massive Zeichen gesetzt, gemeinsam mit großen österreichischen Unternehmen hier den nächsten Schritt zu gehen, auch in Richtung Prävention, das heißt: Ernährung, Bewegung, vor allem auch richtiger Umgang mit Alkohol und Nicht-Umgang mit Nikotin und Drogen. Ich glaube, dass das ein Umdenkprozess ist und dass es notwendig ist, diesen durch entsprechende Kampagnen und durch entsprechendes aktives Handeln


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zu fördern. Dass wir hier einen Nachholbedarf haben, ist rezent. Wir versuchen derzeit, die Lücken zu schließen.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Schennach, bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, Sie haben in der Beantwortung einer Zusatzfrage gesagt, dass dieser Spitzenplatz nur durch entsprechende Finanzierung auch gehalten werden kann. Worin sehen Sie, um diese nachhaltige Finanzierung der Krankenkassen sicherzustellen, die wichtigsten Sofortmaßnahmen oder die brennendsten Schwachstellen?

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Ich denke, die brennendsten Schwachstellen sind, dass wir im Spitalsbereich einfach auf der einen Seite auch im europäischen Vergleich zu viele Akutbetten haben, die natür­lich von ihren Kosten her in einem hohen Bereich liegen. Auf 1 000 Einwohner haben wir in Österreich derzeit 5,8 Akutbetten; europaweit wird von 4,0 ausgegangen. Das, was uns aber fehlt – und das ist ein ganz wesentlicher Faktor –, sind Remobilisations-, Rehabilitationsbetten, Pflegebetten. Das ist in Zusammenschau mit den demo­grafi­schen Entwicklungen ein wesentlicher Tatbestand, der in der nächsten Zeit – und zwar dringend, also kurzfristig – die Umsetzung entsprechender Maßnahmen erfordert. Ich bringe Ihnen dazu Zahlen:

Ein großes Wiener Spital, das SMZ Ost, hat in einer öffentlichen Studie belegt, dass im Jahr 3,4 Millionen € allein dadurch an Mehrkosten erwachsen, dass Procuratio-Fälle – also Fälle von Patienten, die bereits akut versorgt worden sind, diese akute Ver­sorgung nicht mehr benötigen, aber allein zu Hause nicht selbständig leben können und auf einen Pflegeheimplatz warten – dort liegen, dass 3,4 Millionen € de facto an Mehrkosten entstehen, weil man sie nicht in adäquaten Strukturen unterbringen kann.

Ich persönlich möchte es aber nicht nur beim Geldbetrag belassen, sondern es ist auch unwürdig für einen alten Menschen oder für einen Menschen, der eine Demenz­erkrankung oder eine andere Erkrankung hat, wo er sich nicht mehr selbst helfen kann, wenn er in einem Akutbereich, der nicht darauf ausgerichtet ist, diese Pflege anzu­bieten, liegen muss und im Rahmen der gesamten Struktur nicht diese menschliche Zuwendung bekommt, die er sich verdient hat. – Das ist einer der wesentlichen ersten Schritte, von denen ich glaube, dass sie notwendig sind.

Es gibt vor allem im intramuralen Bereich, im Spitalsbereich, natürlich auch etliche Schritte, die vor allem mit Synergieeffekten und Schwerpunktsetzungen zu tun haben. Wir haben in Österreich sehr viele einzelne Krankenanstalten, die als Krankenanstalt alles anbieten, und ich denke, dass wir hier viel zu wenig in den extramuralen, also in den niedergelassenen Bereich auslagern. Die Aufwertung des niedergelassenen Arztes ist ein wesentliches Ziel dieser Bundesregierung. Ich glaube auch, dass es notwendig ist, hier nicht nur im Rahmen der Ausbildung, sondern auch im Rahmen der Honorierung den niedergelassenen Bereich zu stärken und wieder verstärkt eine wohnortnahe Medizin für den Patienten zu schaffen. Hier würde sehr viel an Effizienz­potenzial erwachsen.

Ein nächster Schritt ist die Schnittstellenproblematik zwischen dem Spitals- und dem niedergelassenen Bereich. Ich sage nur „Entlassungsmanagement“ als Stichwort. Hier geht viel Geld verloren aufgrund von Doppelgleisigkeiten, aufgrund von Wartezeiten. Hier spielt auf der einen Seite wieder moderne Technologie eine Rolle, aber auch das Zusammenbringen aller beteiligten Personen an einen Tisch. Ich gebe zu, wie die letzten Tage zeigen, das ist nicht immer ganz einfach.

 



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Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Ing. Kampl, bitte.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! In Österreich leben 60 Prozent der Menschen in einem sehr stark ländlich geprägten Bereich, und die Nahverkehrsmöglichkeiten für Österreichs Bürger sind zum Teil sehr schlecht.

Meine Frage: Wie wollen Sie mit Ihrer Vorstellung von ambulanten Versorgungszentren die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum in Zukunft sicherstellen?

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Ambulante Gesundheitszentren waren nie meine Vorstellung. Ich habe mich an jene Vorstellungen gehalten, die es seit 25 Jahren gibt. Ich habe 1986 als Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerschaft begonnen, und schon zu diesem Zeitpunkt war eines der zentralen Themen der Österreichischen Ärztekammer die Schaffung von Zusam­menschlüssen von Ärzten im Bereich von Gesundheitszentren. Die Umsetzung, die Schaffung der auch rechtlichen Rahmenbedingungen für diese Gesundheitszentren war ein zentrales Ziel.

Aufgrund der Tatsache, dass es sehr unterschiedliche Ansichten über diese Gesund­heitszentren gibt und auch Ängste in Richtung Übernahme durch Handelsketten, denen ich natürlich nicht zustimmen kann, habe ich dafür gesorgt, dass im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen eine Arbeitsgruppe implementiert wurde, die von Bund, Ländern, Ärztekammer und Sozialversicherungsträgern bestückt ist, die gemein­sam erarbeiten: Wie sollen diese Gesundheitszentren, genau um die Versorgung wohnortnahe, gerade im ländlichen Bereich, zu garantieren, aufgebaut werden?

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Wir gelangen nun zur 6. Anfrage, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mitterer, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Die nun laufenden Rückforderungen von Kinder­betreuungsgeld führen zumeist zu sozialen und finanziellen Härten.

Deshalb lautet meine Frage:

1578/M-BR/2007

„Weshalb weigern Sie sich, im Interesse der Familien und insbesondere der Mütter dieses Landes, die Rückforderungen des Kinderbetreuungsgeldes einzustellen und die Zuverdienstgrenze überhaupt abzuschaffen?“

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Ich glaube, es handelt sich hier klar um zwei unterschiedliche Themen: Auf der einen Seite handelt es sich um gültige österreichische Rechtsmaterie, deren Einhaltung ich am 11. Jänner geschworen habe. Ich halte es nicht für effizient, aus welchen Gründen auch immer gültige österreichische Rechtsmaterien in Frage zu stellen und in Zweifel zu ziehen. Ich vergleiche das immer damit: Wenn wir 130 km/h auf der Autobahn fahren dürfen, dann sind eben 160 km/h zu viel. Es ist jedem möglich, auch 160 zu fahren – er muss nur damit rechnen, dass er, wenn er erwischt wird, eine ent­sprechende Strafe bekommt.

Im Falle der Rückforderungen gibt es gar keine Strafe – eine der wenigen Strukturen, wo es keine Strafandrohung, sondern einfach nur eine Rückforderung des über die


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Grenzen hinaus bezogenen Bereiches gibt, und ich halte das für ein Gesetz, das einzu­halten ist.

Wir haben gesehen, dass das ein wesentliches Problem darstellt, vor allem in den Zuschussanfragen – denn Sie dürfen nicht vergessen, bei all den Rückforderungen, die wir jetzt haben: Erstens ist es ein minimaler Prozentsatz von der Gesamtför­derungs­summe, denn wenn wir davon ausgehen, dass etwa 160 000 Menschen in Österreich diese Förderungen beantragen und knapp 1 000 letztendlich im Rahmen des Rück­forderungsbereiches liegen, zeigt sich, dass sich 159 000 Österreicherinnen und Österreicher sehr wohl an diese gesetzlichen Regelungen gehalten haben. Diese vor den Kopf zu stoßen halte ich nicht für fair. Tatsache ist, dass im Rahmen derjenigen, die überzogen haben, der höchste Prozentanteil, nämlich fast vier Fünftel, im Bereich des Zuschusses ist, wo wir, wie ich vorher schon bei meiner Beantwortung erwähnt habe, um das Dreifache erhöht haben, von 5 000 € auf 16 000 €.

Wir wissen aus den Ergebnissen, dass wir damit auch in den Grenzen der Mög­lichkeiten liegen. Wir haben natürlich hier eine zu erfüllende Pflicht, und wir versuchen das im sozialen Bereich so sensibel wie möglich umzusetzen.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Frau Bundes­minis­terin! Da Hausfrauen ihre Arbeit zumeist unentgeltlich leisten, gibt es eine Idee des BZÖ, eine Abgeltung für Haushaltsführung vorzusehen. Das wäre auch eine Familien­förderung. Wie stehen Sie daher zu der Forderung nach Einführung eines Gehaltes für Haushaltsmanagerinnen?

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Ich persönlich halte davon gar nichts, und zwar aus dem einfachen Grund: Das Wesent­lichste ist, dass wir die Möglichkeit schaffen müssen, auch für Frauen, dass sie in einen Beruf zurückkehren können, aber sehr wohl Zeit haben, sich der Kinder­erzie­hung zu widmen. Das, was wir bereits geschafft haben, ist, dass es eine Pensions­anrechnung gibt und eine entsprechende Krankenversicherung, vor allem in dieser Zeit, wo man sich um die Kinder und um die Familie kümmert, was ein wesentlicher Punkt ist. Ich glaube nur nicht, dass wir im Sinne eines Müttergeldes oder eines Kopfgeldes für den Haushalt etwas schaffen sollten, was in Wirklichkeit nicht der Weg und der Wunsch der Frauen ist. (Beifall bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Kersch­baum, bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin, ich hoffe, Sie haben unser Klatschen jetzt als Lob für Ihre Aussage empfunden. Aber ich komme jetzt zurück zum Kindergeld:

Es ist ja nicht so, dass die tausend Personen, die Sie vorhin angeführt haben, die das Kindergeld bezogen haben und es jetzt zurückzahlen müssen, das absichtlich gemacht haben. In vielen Fällen ist es ja so, dass es einfach nicht anders möglich war oder dass sie es nicht durchschaut haben und dass sie es falsch berechnet haben.

Sehen Sie die Möglichkeit, dass man zumindest diese Berechnung für die Zuverdienst­grenze klarer und einfacher gestaltet?

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Ein wesentlicher Punkt, auf den ich hinweisen möchte – und da bedanke ich mich vor


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allem auch bei der Arbeiterkammer und bei den Gebietskrankenkassen dafür, dass diese eine ganz hervorragende und ausgezeichnete Beratung durchführen –: Wir wer­den uns in der neuen Gesetzesnovelle, die ja auch dem Bundesrat entsprechend zugeleitet werden wird, mit einem neuen Rechner, der online gestellt wird, der Aufgabe einer nochmaligen Vereinfachung dieser Materie stellen. Ich glaube auch – dies vielleicht zu Ihrer Aussage –, jemand, der um 80 000 € über der Zuverdienstgrenze liegt, ist nicht wirklich jemand, bei dem jetzt besondere Ängste hinsichtlich eines sozialen Problems angebracht sind. Und wir haben festgestellt – noch einmal, und das kann ich lückenlos beweisen –, dass die Probleme in erster Linie bei den Fällen der Anträge auf Zuschüsse gelegen sind; bei den Überziehungen beim Kindergeldbezug handelt es sich durch die Bank um sehr wohlhabende Familien.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Kemperle, bitte.

 


Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Schon wieder ich, aber wenn die Möglichkeit besteht, Fragen zu stellen, dann tue ich es auch. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Na ja, passen auch zusammen. Danke, dass Sie es erwähnen.

Die bis jetzt errechneten Rückforderungen bei Überschreitung der Zuverdienstgrenze betreffen nur die Jahre 2002 und 2003. Die Folgejahre sind überhaupt noch nicht berechnet. Um wenigstens für die Zukunft Rechtssicherheit zu erlangen – und ich weiß, wovon ich rede: wenn ich den § 8 Kinderbetreuungsgeldgesetz heranziehe, denn ich habe lange genug und bei Einführung genau mit diesem zu tun gehabt, dann ist es nur recht und billig, dass für die Rechtssicherheit für die betroffenen BezieherInnen Möglichkeiten geschaffen werden –, meine Frage an Sie:

Wird es den von den Sozialpartnern geforderten verbindlichen – und das ist das Wichtige dabei! – Online-Rechner geben? Und wenn ja: Ab wann können wir damit rechnen?

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Vielen Dank für Ihre Anfrage, und glauben Sie mir: Ich freue mich, denn ich möchte ja sehr gern die Inhalte dieses Ressorts für Sie als jene, die die Meinung des Volkes hier vertreten, auch bekannt geben, und daher ist jede Anfrage richtig und gut.

Dieser Online-Rechner ist verbindlich. Er wird mit 1.1.2008 sozusagen im Netz stehen, also mit Gültigkeit des neuen Gesetzes. Das ist ein Teil des neuen Gesetzes. Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, dass sowohl von Seiten der Arbeiter­kammer als auch von Seiten der Gebietskrankenkassen ausgezeichnete Beratungen existieren und dass, noch einmal, hier zwei verschiedene Gruppen – wir sind bereits beim Jahr 2004 – von Überziehern offensichtlich werden:

Beim Überziehen des Kindergeldbezuges, also mit der Zuverdienstgrenze, sind es bis auf wenige Ausnahmen sehr wohlhabende Familien, die einfach zusätzlich einen Ver­such machen. Das ist aber die Minderheit.

Die Mehrheit der Überziehungen sind die Zuschüsse, jener Bereich, wo wir drauf­gekommen sind, dass 5 500 € einfach definitiv zu wenig sind.

Ich sehe meine Aufgabe als Politikerin darin, Fehlentwicklungen gegenzusteuern, indem ich nicht bestehende Gesetze nach eigener Meinung abändere, sondern neue Gesetze anbiete. Und daher glaube ich, die Verdreifachung dieser Zuverdienstgrenze auf 16 200 € wird genau dem Rechnung tragen, was das Problem dieser Mütter dar­stellt.

 



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Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bun­desrat Kritzinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Ministerin, es geht noch einmal um Härtefälle. Welche Möglichkeiten gibt es, um Härtefälle im Hinblick auf die Rückforderungen von Kinderbetreuungsgeld zu vermeiden?

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Danke vielmals für diese Frage, denn das gibt mir die Möglichkeit, diesen „Härtebonus“ einmal auch von meiner Person abzustreifen.

Es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten, mit Vätern und Müttern, die hier überzogen haben, umzugehen. Auf der einen Seite ist es die Gruppe derjenigen, die die Zuver­dienstgrenze um maximal 15 Prozent überschreiten und bei denen diese Über­schreitung unvorhersehbar war, wo man dann auch entsprechend reagieren kann und die Schadensrichtlinien des Bundes, eine ordentliche Gesetzesstruktur also, heran­ziehen kann, die vier Möglichkeiten gibt, nämlich die Möglichkeit einer Ratenzahlung, die Möglichkeit eines teilweisen Verzichtes, eines vollständigen Verzichtes oder einer Stundung dieses Geldes.

Ich selbst habe einen Brief an die österreichischen Gebietskrankenkassen geschrieben und gebeten, mit höchster Sensibilität und unter weitester Ausnutzung dieser Bundes­schadensgrenze die Überziehenden entsprechend zu begutachten und dafür Sorge zu tragen, dass es zu keinen sozialen Härtefällen kommt. Ich bekomme monatlich einen Bericht aus den Krankenkassen und weiß daher auch, dass wir in all jenen Fällen, wo es wirklich zu sozialen Härtefällen gekommen ist, auch die entsprechenden Paragrafen dieser Richtlinien anwenden konnten und dass es in Österreich nicht dazu gekommen ist, dass irgendein Vater, eine Mutter – und in erster Linie geht es für mich halt immer um das Kind – oder irgendein Kind in Österreich unter dieser Rückforderung zu leiden hatte.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Wir kommen nun zur 7. Anfrage, und ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Mosbacher, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Minister, meine Frage lautet:

1577/M-BR/2007

„Wie weit ist die Umsetzung Ihres Vorhabens für einen bundesweit einheitlichen Jugendschutz gediehen?“

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Die österreichische Bundesverfassung regelt – und Sie alle hier, die Sie in Kenntnis der Materie sind, wissen das –, dass die Angelegenheiten des Jugendschutzes sowohl hinsichtlich der Gesetzgebung als auch hinsichtlich der Vollziehung Ländersache sind. Ich habe mich sehr bemüht, hier in punktuellen Bereichen, vor allem das jugendliche „Komatrinken“ betreffend, eine Vereinheitlichung zwischen den neun Bundesländern herzustellen. Es hat gestern wieder eine der Sitzungen der Länderreferenten statt­gefunden.

Es stellt sich – aber das ist Ihnen allen ja nicht unbekannt, weil das Thema bundes­einheitlicher Jugendschutz nicht erst ein Thema der Frau Bundesministerin Kdolsky ist, sondern ein schon länger existierendes – als nicht ganz einfach heraus, weil natürlich sämtliche Bundesländer auf ihren Jugendschutzbestimmungen bestehen. Aber wir sind


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auf einem guten Weg, und wir haben gestern eine Diskussion geführt, wonach wir zumindest versuchen werden, bis Ende des Jahres – und ich hege da eine gewisse Zuversicht, dass wir das bis Ende des Jahres schaffen – nicht Jugendschutzgesetze insgesamt als österreichische Materie oder Bundesmaterie hinzustellen, aber in den zehn Punkten, die wir als wesentlich gesehen haben, zu vereinheitlichen, um zu ver­hindern, dass Jugendliche einfach fünf Minuten über eine Landesgrenze gehen und dort andere Gesetze vorfinden, aber auch Gastronomie und Handel müssen hier unterschiedliche Regelungen umsetzen. Wir sind da, wie gesagt, auf einem richtigen Weg.

Es geht letztendlich noch um den Streitpunkt der harten Alkoholika – in allen anderen Punkten haben wir Einheitlichkeit erzielen können –: ob dieses Schnapstrinken sozu­sagen nun vor oder nach dem 18. Lebensjahr erlaubt ist. Das ist eines der letzten Streitthemen. Da darf ich aus dieser Arbeitsgruppe berichten, und ich glaube, dass wir einen großen Fortschritt damit gemacht haben, dass wir uns in allen neun anderen Punkten bereits getroffen haben.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? (Bundesrätin Mosbacher verneint.)

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich aber Herr Bundesrat Köberl zu Wort gemel­det. – Bitte.

 


Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Minister, Sie haben das Thema Alkohol erwähnt. Daher meine Zusatzfrage: Welche Maßnahmen haben Sie im Zusammenhang mit dem Jugendschutz bereits konkret zur Prävention von Alko­holkonsum bei Kindern und Jugendlichen gesetzt?

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Wie ich immer gesagt habe, ist das keine Sache, die nur mit einer Maßnahme umgesetzt werden kann, sondern das Wesentliche ist, viele Maßnahmen in dieselbe Zielrichtung zu setzen.

Wir haben in meinem Ministerium bereits sehr, sehr viele dieser Maßnahmen allein über den Sommer gesetzt. Auf der einen Seite ist es die Bewusstseinsbildung der jungen Menschen. Ich darf Ihnen berichten, dass wir eine Truck-Road-Show gegen Komatrinken durchgeführt haben, die bei den jungen Menschen sehr gut angekommen ist. Mit einem Truck wurde in die Bäder gefahren und dort neben entsprechender Musik und Unterhaltung auch mit Ständen dafür gesorgt, dass es Information und Aufklärung zum Thema alkoholfreies Leben gibt.

Wir haben auf der anderen Seite mit den Referenten meines Ressorts verstärkt die Elternbildung in Angriff genommen. Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Bereich ist. Wenn wir Selbstverantwortlichkeit in den Vordergrund stellen, dann haben die Eltern auch die Verpflichtung, diese Selbstverantwortlichkeit und diese Verantwortlichkeit gegen­über ihren eigenen Familien anzunehmen. Oft muss man ihnen dabei helfen. Wir haben sehr viele Konzepte über den Sommer entwickelt, dass diese Elternschulen flächendeckend auch in Österreich angeboten werden.

Ich habe gemeinsam mit meiner Kollegin Claudia Schmied – und das ist mir ein großes Anliegen! – das Projekt „Gesunde Schule“ aus der Taufe gehoben, weil ich glaube, dass Prävention und Aufklärung wahrscheinlich der sicherste, wenn auch langwierigste Schutz davor ist, auf den falschen Weg und die falsche Verwendung von Alkohol, aber auch Drogen zu kommen. Das ist etwas, wo man ein paar Jahre warten muss, bis es wirkt. Ich glaube aber, dass es die nachhaltigste Methode ist.


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Wir haben natürlich auch eine Art Jugendkarte entwickelt, wiewohl das nicht von überall akzeptiert wurde. Ich glaube inzwischen, dass das eher aus Eitelkeit geschehen ist, dass viele Bundesländer das schon längst selbst gemacht haben – und ich gratu­liere ihnen von diesem Platz aus dazu. Diese Jugendkarte soll die Kontrollen in der Gastronomie und im Handel vereinfachen. Mit dem bisher vorgelegten Schülerausweis war das nicht immer ganz einfach nachzuvollziehen, weil dieser nicht wirklich als offizieller Ausweis galt, auf der einen Seite aufgrund nicht immer richtiger Lichtbilder, auf der anderen Seite aufgrund der Tatsache, dass er selbst ausgefüllt wird.

Weiters sind wir in Gesprächen mit den Bundesländern, die in den einzelnen Bun­desländern verwendeten Jugendkarten zu einem Personalausweis umzumodifizieren – die Gespräche mit dem Innenministerium und der Staatsdruckerei sind abgeschlossen, diese Jugendkarte würde auch bezüglich der Kosten deutlich reduziert sein –, damit wir eine Überprüfbarkeit schaffen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Der letzte Bereich, den ich erwähne, ist, dass wir natürlich durch viele Gespräche mit dem Handel und der Gastronomie eine Sensibilisierung erreicht haben: auf der einen Seite durch verschiedene Methoden im Handel, um Aufmerksamkeit zu schaffen. Wenn zum Beispiel Alkohol verkauft wird, wird kontrolliert, ob der Käufer den Alters­bestimmungen entspricht. Sie können überall bei den verschiedenen Handelsketten die Plakate im Kassenbereich sehen. Das wird flächendeckend eingesetzt. Das sage ich jetzt als jemand, der ganz normal als Hausfrau einkaufen geht.

Der letzte Bereich, den ich erwähnen möchte – und das freut mich ganz besonders –, ist, dass wir in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule in Krems das Ausbildungs­seminar „responsible serving“ gemacht haben. Das heißt, dass wir die in der Gastro­nomie Tätigen auch entsprechend schulen: Wie gehe ich mit Jugendlichen und dem Wollen nach Alkohol um? Ich halte das für eine ganz spannende neue Situation und bin der Fachhochschule Krems sehr dankbar, dass sie dieses Thema aufgegriffen hat. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Konrad.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Jugendschutz ist etwas sehr Wichtiges. Ich finde es allerdings immer etwas kurz gegriffen, wenn man in einer jugendpolitischen Diskussion auf dem Schutz stehen bleibt und die Frage nach Jugend- und Kinderrechten nicht auch mit andenkt.

Meine Frage bezieht sich jetzt auf die Kinder- und Jugendrechtskonvention. Es ist ja, wenn ich mich richtig erinnere, im Regierungsübereinkommen auch verankert, dass diese in die Verfassung übernommen werden soll. Jetzt hätte diese Konvention, wenn sie tatsächlich rechtsgültig ist, weitreichende Folgen, weil sie zum Beispiel das Recht eines Kindes auf gesunde Umwelt und so weiter, also relativ weitreichende Rechte beinhalten würde und weil sich diese Konvention nicht auf Staatsbürgerschaft bezieht, sondern auf Kinder, die sich im Staatsgebiet aufhalten.

Meine Frage ist: Wird diese Kinderrechtskonvention in den Verfassungsrang über­nommen, und welche weiteren gesetzlichen Konsequenzen würden Sie darin sehen?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Ich denke, das ist ein ganz wesentliches Thema, das wir als Nächstes in Angriff nehmen werden. Wir haben schlicht und ergreifend nur zwei Hände, zwei Augen und 24 Stunden am Tag. Wir haben aus meinem Ressort und in diesen zehn Monaten bisher unendlich viel Gesetzesmaterie umgesetzt, in Kooperation mit Spiegelressorts und mit gemeinsamen Querschnittressorts.


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Eines der nächsten Themen wird auf der einen Seite die Novelle des Jugend­wohlfahrtsgesetzes sein, eine ganz wesentliche Novelle, die für das Jahr 2008 ansteht. Es geht dabei nicht um die Novellierung einzelner Punkte, sondern um eine Gesamt­novelle dieses meines Erachtens etwas verstaubten und veralteten Gesetzes. Auf der anderen Seite wird dann die ganze Thematik angesprochen werden, wie wir mit der Frage umgehen, in welchen Rang ich die Rechte von Kindern und Jugend­lichen setze. Ich persönlich bin jemand, der sich sehr einsetzen wird, dass es sehr wohl in den höchsten Rang zu geben ist, den wir haben. Es ist die Zukunft unseres Landes, und ich glaube, dass wir in diesem Bereich sehr sensibel vorgehen müssen.

Ich habe immer wieder gesagt, ich mache nicht Politik für junge Menschen, sondern mit jungen Menschen. Und hier gibt es auch von den einzelnen Jugendvertretern über den Bundesjugendring sehr konkrete und direkte Vorschläge, die wir natürlich in die Gesetzesmaterie einarbeiten werden. Ich ziele das im ersten Quartal 2008 an.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zur letzten Anfrage, 1573/M. – Ich bitte Herrn Bundesrat Mayer, den Fragesteller, um Verlesung der Frage.

 


Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Ministerin, meine Frage lautet:

1573/M-BR/2007

„Wie wird sich die geplante Einführung des Elektronischen Gesundheitsaktes im Hinblick auf eine Verwaltungsvereinfachung für Arzt und Patient auswirken?“

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Das ist eines der spannendsten Themen im Gesundheitsressort, ein Thema, von dem ich zutiefst überzeugt bin, dass es uns einen großen Schritt nach vorne bringt.

Ich darf Ihnen hier auch berichten – damit ich nicht nur Antworten gebe, sondern auch darüber hinaus ein bisschen aus meiner Arbeit berichte –, dass ich vor wenigen Wochen in Amerika war und in Boston und Washington D.C. mit dem Mister „E-Health“ Amerikas, also jenem Mann, der mit dieser Umsetzung, die wir in Österreich auch planen, in Amerika beschäftigt ist, zusammengetroffen bin. Ich habe unter eigentlich großem Lob dieser hervorragenden Experten festgestellt, dass wir in Österreich einen Schritt weiter sind als in diesem hoch entwickelten Land. Wir streben da eine sehr enge Kooperation an.

Wir sind mit der Elektronischen Gesundheitsakte Gott sei Dank in meiner bisherigen Amtsperiode so weit gekommen, dass in der Bundesgesundheitsagentur endlich ein einstimmiger Beschluss über das Weiterarbeiten an diesem gemeinsamen Ziel gemacht wird und dass wir auch von Seiten der Kammervertreter, also der Vertreter der österreichischen Ärztekammer endlich Nominierungen für die Arbeitsgruppen der Inhalte erhalten haben. Das war ein schwieriger und langer Weg. Ich glaube auch, dass wir damit gezeigt haben, dass es nicht nur um das technische Equipment, sondern jetzt als nächster Schritt um die inhaltliche Ausgestaltung geht: Was genau ist das Thema solcher Akten zwischen dem intra- und dem extramuralen Bereich? Was sollen diese beinhalten, immer – und das betone ich – unter der Annahme, dass der Patient diese Daten auch freigibt?

Es gibt eine Studie von vor 14 Tagen, die besagt, dass fast vier Fünftel der Öster­reicherinnen und Österreicher über ihre eigene Krankengeschichte nicht Bescheid wissen. Ich halte das für ein großes Problem, weil das natürlich in jeder medizinischen Anamneseerhebung und Gesprächs- und Informationserhebung zu einem unter


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Umständen schwerwiegenden Problem wird. Daher glaube ich, dass wir da sehr rasch arbeiten müssen.

Einer der nächsten Schritte – abgesehen von der inhaltlichen Ausgestaltung, die jetzt bei den Fachvertretern liegt – ist natürlich die Umwandlung der bis jetzt arbeitenden ARGE, also Arbeitsgemeinschaft ELGA, die bis jetzt Umsetzungen im Auftrag gemacht hat, zu einer eigenen Gesellschaft. Ich glaube, es ist wesentlich, diese ARGE ELGA zu einer GesmbH zu machen, um ihr auch die Flexibilität zu geben, selbständig in Zukunft unter einem entsprechenden Aufsichtsrat weiterzuarbeiten, weil wir dann einfach schnellere Schritte setzen können.

Ich gehe davon aus, dass wir bis Ende des Jahres in diese Richtung gehen werden – da gibt es bereits eine Abstimmung mit den Standesvertretern, mit dem Koalitions­partner und mit eigentlich allen, die an dieser Arbeit bis jetzt beteiligt waren –, und hoffe doch, dass in ersten Pilotprojekten Mitte bis Ende 2008 bereits erste Pilotstel­lungen in Angriff genommen werden können, die uns zeigen werden, wie wir damit umgehen können, damit wir bis Ende dieser Legislaturperiode zumindest bundes­länder­weise beginnen können, diese elektronische Patientenakte flächendeckend umzusetzen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Ministerin, noch eine Frage zur Erfolgsgeschichte e-card. Soll diese österreichische e-card auch als Vorbild für die gesamteuropäische Entwicklung gelten?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Ich war kürzlich in   Deutschland und habe ein Gespräch mit Ulla Schmidt gehabt und während meiner EU Anwesenheit in Brüssel auch mit Vertretern verschiedener anderer Länder, vor allem auch ehemaliger Oststaaten, die höchst interessiert sind und wo bereits Fachexperten des Hauptverbandes der Sozialversicherung diese e-card an­bieten und auch zeigen, wie es funktionieren kann. Ich denke, dass es inzwischen nicht nur zur Annehmlichkeit nicht nur für die Patienten geworden ist, sondern dass es ein Exportschlager Österreichs ist. Und es freut mich natürlich besonders, dass in einem Bereich, wo man üblicherweise ja nicht wirklich so verkaufen kann, hier auch wirklich etwas verkaufen wird, und so, wie es sich derzeit anlässt, kann ich Ihnen nur zustim­men: Wahrscheinlich wird die österreichische e-card ein europäisches Modell werden.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Reisenberger, bitte.

 


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Frau Minister, gehe ich recht in der Annahme, dass sich durch die elektronische Gesundheitsakte Doppeluntersuchungen bis zu einem gewissen Grad erübrigen könnten? Mit Doppeluntersuchungen meine ich hier: in einem Spital aufgenommen, Blutuntersuchung, Herz-, Nierenuntersuchung, eben alles, was möglich ist, in ein anderes Spital überstellt – gleiche Untersuchungen noch einmal. Das meine ich damit.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Dan­ke, dass Sie diesen Vergleich bringen, und Sie brauchen gar nicht so weit greifen: von einem Spital zum anderen, denn so etwas gibt es im selben Spital zwischen zwei Abteilungen.

Ich habe das selber erlebt im AKH Wien, wo ich gearbeitet habe: Interne – Unfall­chirurgie; Patient aufgenommen, vier Stunden später die Hüfte gebrochen, weil aus


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 31

dem Bett gefallen – alle Untersuchungen noch einmal! Und da waren nur vier Stockwerke dazwischen.

Ja, genau das ist eines der Ziele: Auf der einen Seite die Bequemlichkeit für den Patienten, auf der anderen Seite natürlich all die Themen, die wir heute schon besprochen haben, zum Beispiel eine Rezeptgebührdeckelung, was natürlich viel einfacher durch diese e-card überprüfbar ist, aber es hat einen ökonomischen Hinter­grund auch, weil ich dadurch zum Beispiel dieses Gesundheitsshopping unterbinden kann.

Ein Patient – und ich weiß noch aus meiner Zeit in Niederösterreich, dass so etwas des Öfteren gemacht worden ist –, der nach einer Rauferei dringend einen Tatbestand braucht, um hier in eine juristische Verhandlungsebene einzudringen, kommt ins erste Spital: Dort erklärt man ihm nachweislich nach entsprechender Röntgenaufnahme, dass er nun einmal keine gebrochene Nase hat, auch wenn man sich noch so bemüht, dieses Röntgen zu interpretieren. Eine halbe Stunde später geht dieser Patient ins nächste niederösterreichische Spital und probiert dort dasselbe. Er besucht insgesamt sechs niederösterreichische Spitäler, und es wird sechs Mal ein Nasenröntgen gemacht, was natürlich auch mit entsprechenden Kosten verbunden ist.

Das wird in Zukunft durch diese e-card verhindert werden, weil derjenige, der die e-card steckt, in dem Moment weiß, dass der betreffende Patient vor einer halben Stunde im anderen Spital war, und es können die entsprechenden Daten angefordert werden.

Ja, das ist einer der Teile. Es ist aber für mich auch die Schnittstelle zwischen dem Spital und dem niedergelassenen Mediziner interessant, der sehr oft Untersuchungen anordnet, die bereits im Spital gemacht worden sind, weil er keinen Zugriff auf diese Befundungen hat, was ich als falsch empfinde, denn wenn wir nicht lernen, miteinander als Ärzte den Patienten zu beurteilen, ihn in den Mittelpunkt zu stellen, und nicht die eigenen Interessen, dann werden wir letztendlich nicht kosteneffizient arbeiten können.

Ich gebe nur immer zu bedenken – und das ist mir wichtig, weil ich gerade mit dem obersten Konsumentenschützer in einem engen Vertrauensverhältnis stehe –, dass wir nie den Datenschutz vernachlässigen dürfen. Wir haben hier eine sehr, sehr wichtige Gesetzesmaterie, und hier wird es vor allem in der Frage: Wer hat Zugriff, in welcher Stufung, auf welche Daten?, in den nächsten Monaten zu einer ganz wesentlichen Diskussion kommen.

Kriminalisierung kann man nie ausschließen – leider! –, aber es sollte so schwierig wie möglich gemacht werden. Und eines muss man den Patientinnen und Patienten natür­lich garantieren: Dass ihre Daten nicht in die falschen Hände kommen. Ich möchte nicht, dass in Österreich jemand eine Versicherung aufgrund einer chronischen Erkrankung nicht bekommt oder jemand eine Arbeitsstelle nicht erhält, weil er eine chronische Krankheit hat. Das müssen wir als Politiker ausschalten, und das ist ein ganz wesentliches Anliegen und Ziel in den nächsten Monaten.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Breiner.

 


Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Anschließend an Ihre Ausführungen jetzt die Frage: Viele Daten sind natürlich inter­essant, so wie Sie das gesagt haben, aber: Hinterlässt jeder Zugriff auf die Gesund­heitsdaten eine Kennung, ähnlich wie bei EKIS?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Es gibt den so genannten elektronischen Fingerprint. Im Gegensatz zu einer normalen


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 32

Patientenakte früher, wo man zwei Pappdeckel und dazwischen Tausende von Zetteln hatte, und wenn einem das hinuntergefallen ist – und glauben Sie mir: Ich habe es ab und zu eilig gehabt bei einem Herzalarm, und da ist es mir hinuntergefallen, und die Zettel haben sich über den Spitalsgang verbreitet –, wusste man natürlich nicht, wer ihn aufhebt und liest oder nicht liest.

Gehen wir noch einmal zehn Jahre zurück – das habe ich auch schon erlebt –: Da sind noch die Patientendaten im Rahmen der Kurve am Fußende des Patientenbettes gehangen, und wenn Angehörigen des Patienten vom Bett daneben diesen besucht haben, haben sie ein bisschen auch auf die Daten des anderen Patienten geschaut, gesehen, dass der Hepatitis C-positiv ist: Oje!, und sie sind dann schnell aus dem Zimmer gegangen.

Im Gegensatz zu diesem nicht nachvollziehbaren Zugriff wissen wir natürlich, wer zu welchem Zeitpunkt von welchem Gerät, mit welcher Kennung, also auf welcher Stufe zugreifen kann. Das, was man nicht ausschließen kann, ist Hackertum. Das ist etwas, was man nie ausschließen kann, dass jemand sich mit einer falschen Kennung entsprechend Zugang verschafft. Ich muss also ehrlich zugeben, man kann nicht sagen, das ist ein zu hundert Prozent sicheres System, aber es ist in der Aufteilung der Zuerkennung des Zugangscodes klar nachvollziehbar, wer von welcher Gerätschaft wann zugegriffen hat.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die Fragestunde ist beendet.

10.47.13Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2320/AB-BR/07 bis 2364/AB-BR/07 beziehungs­weise des Nominierungsschreibens des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Absatz 5 B-VG sowie jenes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Artikel 42 Absatz 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Stenographischen Protokoll angeschlos­sen werden.

Die Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 7)

„Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegt:

Beschluss des Nationalrates vom 27. September 2007 betreffend ein Bundesgesetz über die Genehmigung des Bundesrechnungsabschlusses für das Jahr 2005 (III-1 und 149/NR der Beilagen)“

*****

Bundeskanzleramt Österreich
Dr. Alfred Gusenbauer Bundeskanzler

An den Präsidenten des Bundesrats
Herr Mag. Wolfgang Erlitz
Parlament
Dr. Karl Renner-Ring 3
1017 Wien                                                                                                    Wien, am 17. August 2007

                                                                                                                        GZ 405.828/0011-IV/5/2007


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 33

Sehr geehrter Herr Präsident!

In Entsprechung der Bestimmung des Artikels 23c Abs. 5 B-VG darf ich Ihnen mitteilen, dass die Bundesregierung mit Beschluss vom 8. August 2007 über Vorschlag der Landwirtschaftskammer Österreich Herrn Mag. Gerfried GRUBER an Stelle von Herrn Mag. Hans Kletzmayr für die Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschafts- und Sozial­ausschuss nominiert hat. Die Ernennung wird gem. Art. 259 Abs. 1 EGV durch Be­schluss des Rates der Europäischen Union mit qualifizierter Mehrheit vorge­nommen.

Ich ersuche Sie um Kenntnisnahme und Information des Bundesrats.

Mit freundlichen Grüßen

*****

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Eingelangt ist der Außenpolitische Bericht 2006 der Bundesregierung, der dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten zur Vorbera­tung zugewiesen wurde.

Darüber hinaus ist der Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2006 eingelangt, der dem Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zur Vorbe­ratung zugewiesen wurde.

Des Weiteren sind die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Ver­fassungsgerichtshofes für die Jahre 2005 und 2006, vorgelegt vom Bundeskanzler, eingelangt, die dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zur Vorberatung zuge­wiesen wurden.

Ebenso eingelangt sind der Grüne Bericht 2007 der Bundesregierung sowie der Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2008 gemäß § 9 Landwirtschaftsgesetz, die dem Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft zur Vorberatung zugewiesen wurden.

Überdies ist der Kulturbericht 2006 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur eingelangt, der dem Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Einlangt und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jener Bericht und jener Entschließungsantrag 160/A sowie jene Petitionen 18, 20 und 21, die jeweils Gegenstand der heutigen Tages­ordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftlich Ausschuss­berichte erstattet.

Ich gebe bekannt, dass von den Bundesräten Schimböck, Zwazl, Schennach der Selbständige Antrag 164/A betreffend Änderung des Termins und Ergänzung des Teil­nehmerkreises im Beschluss vom 20. Juli 2007 auf Abhaltung einer Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Bildung, Beruf, Wirtschaft – mehr Chancen für alle“ eingebracht wurde.

Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Des Weiteren wurde gemäß § 16 Absatz 3 der Ge­schäfts­ordnung beantragt, diesen Selbständigen Antrag ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu nehmen.

Ich lasse über diesen Antrag abstimmen.


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 34

Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfor­derlich. Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Ich werde daher die Tagesordnung um den Antrag 164/A ergänzen und als 11. und letzten Punkt der Tagesordnung in Verhandlung nehmen.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Auflagefrist der gegenständlichen Ausschussberichte Abstand zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstand­nahme einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände und der Selbständige Antrag 164/A der Bundesräte Schimböck, Zwazl, Schennach betref­fend Änderung des Termins und Ergänzung des Teilnehmerkreises im Beschluss vom 20. Juli auf Abhaltung einer Enquete wurden auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages ist beabsichtigt, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 7 bis 10 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Entsprechend der in der Präsidialkonferenz getroffenen Übereinkunft unterbreche ich die Sitzung und bitte die Mitglieder der Präsidialkonferenz zu einem Zusammentritt beim Herrn Präsidenten.

*****

(Die Sitzung wird um 10.51 Uhr unterbrochen und um 11.16 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gehe in die Tagesordnung ein.

11.10.021. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. September 2007 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Immissionsschutzgesetz-Luft geändert wird (276/A und 221 und Zu 221 d.B. sowie 7759/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wiesenegg. – Bitte.

 


11.16.43


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 35

Berichterstatter Helmut Wiesenegg: Sehr geschätzter Herr Minister! Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Umweltaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 27. September 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Immissionsschutzgesetz-Luft geändert wird.

Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; daher komme ich sogleich zur Antragstellung:

Ich stelle somit den Antrag, der Bundesrat möge gegen den Beschluss des National­rates keinen Einspruch erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum.

 


11.17.37

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Immissionsschutz­gesetz-Luft sind Grenzwerte und Zielwerte vereinbart, insbesondere auch in dem Bereich, in dem es gerade in großen Teilen Österreichs immer wieder Probleme gibt. Da geht es um Feinstaubpartikel, da geht es um NO2-Emissionen.

Das IG-L sieht vor, dass Maßnahmen zur Reduktion dieser Emissionen gesetzt werden, und das geschieht ja schon seit geraumer Zeit, teils von den Landes­hauptmännern und -frauen, teils auch von den Ministern. Dass diese Maßnahmen bis jetzt nicht besonders intensiv gegriffen haben, sieht man auch im Umweltbericht; wir besprechen ihn heute auch noch einmal: 2001 gab es an 14 Messstellen Fein­staubüberschreitungen. Das hat sich schön langsam gesteigert bis 2005: Da gab es an 58 Messstellen Überschreitungen.

Also die bis jetzt gesetzten Maßnahmen sind offenbar nicht ausreichend gewesen, um das Feinstaubproblem in Österreich in den Griff zu bekommen.

Nicht viel anders schaut es aus bei den NOX- und NO2-Belastungen. Beim NO2 gab es 2005 an einem Siebentel der Messstellen Überschreitungen.

Also diese Zahlen sind jetzt nicht unbedingt lobenswert und erfreulich, sodass man sagen könnte, das IG-L hat ohnehin so strenge Bestimmungen, da können wir ruhig ein bisschen nachlassen.

Das IG-L war prinzipiell ganz gut ausgerichtet, das Problem ist nur: Schon bei der letzten Änderung des Immissionsschutzgesetzes-Luft wurde ein Eingreifen des Ver­kehrs­ministers bei den Temporeduktionen ermöglicht. Nach drei Monaten kann der Verkehrsminister jetzt ein Veto einlegen. Und dieses System des Einschreitens des Verkehrsministers wird sich jetzt auch noch bei den flexiblen Tempomessstellen fortsetzen.

Es ist auch im Ausschuss sehr heftig diskutiert worden, wie sinnvoll es ist, jetzt auf flexible Messstellen umzustellen und diese IG-L-Temporeduktionen eben nur zeitweise zu verhängen und nicht durchgängig. Es gibt Erfahrungen aus Oberösterreich und aus Tirol, die sehr wohl beweisen, dass die Tempolimitverhängung von 100 km/h im Bereich von NO2 und im Bereich von Feinstaub sinnvoll war und Reduktionen gebracht hat. Da frage ich mich, warum man das jetzt ändern muss, wenn es doch gescheit war.

Das Zweite, was ich hier auch noch ansprechen möchte: Wenn jetzt die flexiblen Mess­stellen kommen – wann auch immer sie kommen werden, ich habe gehört, in Niederösterreich dauert das noch drei bis fünf Jahre, aber bitte, sei es, wie es sei –,


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 36

dann muss man meiner Meinung nach automatisch auch die Grenzwerte laut IG-L überprüfen und nicht nur Lärm und andere Parameter.

Wir haben schon bei der letzten Änderung – Vetorecht des Verkehrsministers – nicht zugestimmt, und wir werden auch heute aus diesem Grund nicht zustimmen, weil es meiner Meinung nach keinen Sinn macht, das IG-L irgendwo an irgendeiner Stelle zu lockern, solange es noch nicht wirklich greift. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Sie sind dagegen?) – Ich bin dagegen, dass man dem Verkehrsminister weiterhin die Ermäch­tigung gibt, nach einer gewissen Zeit ein Vetorecht gegen ein Tempolimit einzulegen. Dagegen sind wir massiv.

Ich möchte noch kurz zum IG-L sagen: Es ist ein großes Problem beim IG-L, dass die Verantwortlichkeiten in diesem Gesetz sehr verteilt sind. Sie, Herr Bundesminister, schaffen ein Gesetz, in dem beschlossen wird, die Grenzwerte einzuhalten und die Zielwerte zu erreichen. Die Landeshauptleute sollen dann Maßnahmen beschließen, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Dann gibt es noch den Verkehrsminister, der hineinreden kann, und dann gibt es noch andere Minister, die hineinreden können.

Prinzipiell ist es, denke ich, eben dadurch, dass in diesem Gesetz die Kompetenzen sehr stark verteilt sind, ein Problem, wenn die Zielwerte und die Grenzwerte – wie man ja sieht – nach wie vor nicht eingehalten werden. Ich bin gespannt, ob sie jemals irgendwann eingehalten werden, und da ist der Frage nachzugehen: Wer trägt die Verantwortung dafür? Wer ist letztendlich dann zuständig, wenn wir in vielen Bereichen Österreichs Feinstaubsanierungsgebiet bleiben und NO2-Sanierungsgebiet werden? (Beifall bei den Grünen.)

11.22


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Mosbacher. – Bitte.

 


11.22.30

Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Besucher des Hohen Hauses! Im Immissionsschutzgesetz-Luft wird mit dieser Novelle die Möglichkeit geschaffen, vor­beugend mittels Verkehrsbeeinflussungsanlagen Verkehrsmaßnahmen zu verhän­gen, damit Grenzüberschreitungen der Luftgüte vermieden werden. Um eine bundes­weit transparente, einheitliche Vorgangsweise zu erreichen, erhält der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie die Ermächtigung, mittels Verordnung die Kriterien für die Auswahl der Parameter für die Auslösung der Geschwin­digkeitsbeschränkungen festzulegen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, diese Novelle wird eine deutliche Verbesserung der Luftqualität bringen, und es wird damit auch ein rechtssicheres Instrument geschaffen, um in Zukunft vorbeugend mit Verkehrsbeeinflussungs­sys­temen und -anlagen so umzugehen, dass mögliche Schadstoffüberschreitungen schon von vornherein vermieden werden. Das Gesetz, das jetzt behandelt wird, zeigt, dass man mit elektronischen Verkehrsleitsystemen durchaus rasch und flexibel Maßnahmen für die Umwelt setzen kann.

Zusätzlich können in die jeweiligen Verordnungen, die auch die Landeshauptleute erlassen können, alle möglichen Kennzahlen mit eingearbeitet werden, wie zum Bei­spiel die momentane Belastung der Luft, die Zahl der Kraftfahrzeuge auf der Straße, die Wetterlage, Wetterprognosen oder die Erfahrungen mit den regionalen Wetter­lagen. Mit diesen Systemen kann vieles miteinander verknüpft werden, und es ist damit die Hoffnung verbunden, dass damit sehr schnell und flexibel reagiert werden kann.


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 37

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, es ist sinnvoll, diese neuen Technologien anzuwenden und einzusetzen, die auf Schadstoffbelastungen sehr rasch reagieren. Gekoppelt mit den Verkehrsleitsystemen kann laut Aussagen die Verkehrsgeschwin­dig­keit dann so eingestellt werden, dass es gar nicht erst zu Überschreitungen kommen sollte.

Gerade deshalb soll es unser Ziel sein, in modernste Umwelttechnologien zu inves­tieren, mit dem positiven Effekt, dass damit auch neue und moderne Arbeitsplätze geschaffen werden.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wichtig ist, dass alle Maßnahmen und alle zur Verfügung stehenden Instrumentarien ergriffen werden, um die Emissionsbelastungen zu verringern – im Sinne unserer Umwelt, im Sinne von Mensch und Tier, aber ganz besonders im Sinne unserer Kinder. Unsere Fraktion wird dieser Novelle ihre Zustim­mung geben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

11.25


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll das Wort.

 


11.25.58

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehr­ten Damen und Herren Bundesräte! Vor allem aber auch liebe Gäste, von denen so viele heute hier sind wie schon lange nicht – zumindest, wenn ich da war; das freut mich sehr! Noch dazu bei einem Thema wie der Novelle IG-Luft, wo es um die Zukunft der Umwelt und der Lebensqualität in Österreich geht und da vor allem wieder um die Frage: Was können wir im Hinblick auf die Verbesserung eines Gesetzes tun, um flexibler zu werden, aber bei unseren Umweltstandards, bei der Belastung für die Menschen keine Verschlechterung eintreten zu lassen.

Ich möchte meine Ausführungen beginnen – das tue ich sehr selten, eigentlich nie – mit einem Zitat aus einer Pressekonferenz vom 18. September 2007, wo ein Ihnen sehr gut bekannter Landesrat, nämlich der Umweltlandesrat Rudi Anschober, Folgen­des gesagt hat:

Die derzeit geltende starre Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h in der Zeit von 5 bis 22 Uhr täglich soll ab 2008 durch immissionsgesteuerte flexible Geschwindig­keitsregelungen ersetzt werden. Dies soll durch eine moderne Verkehrsbeeinflus­sungs­anlage ermöglicht werden, bei der mit Hilfe von Computersystemen aus den Faktoren Immissionsmessergebnisse, Verkehrszähldaten und Meteorologie berechnet wird, ob eine Geschwindigkeitsbeschränkung erforderlich ist oder nicht. Erst wenn gewisse Schwellenwerte über- beziehungsweise unterschritten sind, soll die Beschrän­kung geschaltet oder weggeschaltet werden. – Zitatende.

Jetzt ist es das erste Mal in meiner beruflichen Karriere als Minister, dass ich grüne Ratschläge aufnehme, die wir heute gemeinsam umsetzen. Was mich nur verwundert, ist, dass jetzt auf einmal die Grünen nicht mitstimmen, obwohl wir dem folgen, was ein grüner Landesrat an Vorschlag eingebracht hat. Also: Grüne Praktiker in Ober­österreich, grüne Theoretiker hier im Hohen Haus – das ist der Unterschied! (Bundes­rat Breiner: Wir sind dagegen, dass ein Minister das korrigieren kann! – Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ sowie Beifall der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

Aber es ist sehr, sehr positiv, dass wir heute gemeinsam diese flexiblen Tempolimits für Österreich beschließen. Sie haben einen positiven Umwelteffekt und eine höhere Akzeptanz der Verkehrsteilnehmer. Tempo 100 soll nur dann auf Autobahnen und


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Schnellstraßen gelten, wenn dies zur Einhaltung der Grenzwerte notwendig ist. Und auch schon vorbeugend, wenn die Gefahr – auch das ist wichtig – einer Grenzwert­überschreitung droht, können wir entsprechend handeln.

Es ist eine Novelle, die Verwaltungsvereinfachung bringt, die im Vollzug, in der Abwick­lung Klarstellungen trifft, und ich denke, insgesamt eine positive Weiterentwicklung von IG-Luft zum Schutz der Menschen. Sie wird dort für flüssigen Verkehr sorgen, wo bis jetzt die Geschwindigkeit mit Tempo 100 beschränkt war, weil die Möglichkeit geboten wird, einfach zu reagieren, wenn es notwendig ist. Ein guter grüner Vorschlag aus Oberösterreich findet seine Umsetzung! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

11.29


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesrat Schennach das Wort.

 


11.29.00

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wie heißt es im Comic? – Gut gebrüllt, Löwe! Das hat er jetzt auch vortrefflich gemacht, der Herr Bundesminister. Jetzt bekommen Sie ein Lob von mir, Sie werden sich wundern.

Frau Kollegin Mosbacher hat gemeint, mit dieser Novelle verbessern wir das IG-Luft. – Nein, das gute IG-Luft hat dieser Bundesminister vorgelegt, und nachdem dieses Gesetz wirksam wurde und zu tatsächlichen Verbesserungen geführt hat, wird jetzt eine Verwässerungsnovelle vorgelegt, durch die plötzlich ein weiterer Minister, der Verkehrsminister, ein Mitspracherecht bekommt. Und dieser Verkehrsminister – höre, höre! – kann plötzlich ein Veto einlegen. Das heißt, aus umwelt- und immissions­gesetzlichen Überlegungen wird ein Tempolimit verordnet, und nun kann es zu einem Veto kommen.

Herr Minister, es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber Ihr ursprüngliches Gesetz wird verschlechtert und verwässert.

Es kommt noch etwas dazu: Der Minister muss jetzt hier einen Kompromiss zwischen zwei Regierungsparteien vertreten. Er hat den Landesrat Rudi Anschober aus Ober­österreich zitiert, der auch in einer Regierung ist und einen Regierungs­kom­promiss mit der ÖVP da vertreten musste. Wenn wir aber jetzt von den fixen Straßen­schildern zu den flexibleren übergehen, dann kostet das, Herr Minister, 315 Millionen €. Ich betone: 315 Millionen € in eine flexible Verkehrsbeeinflussung! Diese 315 Mil­lionen € könnten wir in tatsächliche Umweltpolitik und zur tatsächlichen Verbesserung der Luftqualität einsetzen.

Da der Herr Bundesminister hier so glücklich darüber ist, sich auf Vorschläge der Grünen berufen zu dürfen und gelernt zu haben, möchte ich mir doch einmal an­schauen, wie es tatsächlich aussieht, was das gebracht hat.

Wissen Sie, meine Damen und Herren, die hier auch zuhören, dass das Tempo 100 aufgrund des IG-Luft erst zwei Jahre nach Feststellung einer Grenzüberschreitung verordnet wird. Das heißt: Wenn wir heute Tempo 100 aufstellen, dann muss vor zwei Jahren dort eine Grenzüberschreitung passiert sein. Also zwei Jahre dauert es, bis es zu einer solchen Maßnahme kommt. (Zwischenruf des Bundesrates Kritzinger.)

Lassen Sie einmal den Gasfuß zu Hause, Herr Kollege, schauen wir uns einmal die Tatsache an, was denn wirklich passiert ist! Bleiben wir beim Beispiel Oberösterreich! Wir könnten natürlich auch, weil der Herr Kollege Kritzinger wahrscheinlich wahnsinnig daran interessiert ist, die Tiroler Beispiele hernehmen. Jetzt sage ich einmal als Tiroler in Wien: Ich schaue mir trotzdem die Beispiele aus Oberösterreich an, weil wir da doch sehr genaue Evaluierungen haben!


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 39

Nur in sechs Monaten wurden durch diese Maßnahmen 1 167 Tonnen CO2, 9 Tonnen Stickstoffoxid und 0,9 Tonnen Dieselrusspartikel reduziert. Weiters kam es – und das ist in unserer heutigen Zeit von besonderer Wichtigkeit – zu einer Abnahme der Lärm­belästigung und auch – Herr Kollege Kritzinger, weil Sie mir wirklich zuhören; ich finde das eine wirklich großartige Sache – zu einem Rückgang von Unfällen. (Bundesrat Kritzinger: Das glaube ich nicht!)

Was heißt, das glauben Sie nicht? (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.) Das ist eine harte Aussage, Herr Kollege Kritzinger, denn das ist immerhin eine Stellungnahme einer ganzen Landesregierung, da sitzt zufällig Ihre Partei mit dem Landeshauptmann vorneweg. Ich nehme zur Kenntnis, dass der ÖVP-Bundesrat Kritzinger dem ober­österreichischen Landeshauptmann Pühringer nicht glaubt, denn das ist eine Stel­lungnahme der Oberösterreichischen Landesregierung. Ich kann es nicht ändern, Herr Kollege!

Aber wir können uns auch die Tiroler Daten anschauen. (Bundesrat Mag. Himmer: Sie glauben dem Anschober auch nicht!) Diese Maßnahmen hat Landesrat Anschober aufgrund der Zuständigkeit verordnen müssen, und es war richtig so, weil der Geist dieses Gesetzes, das Minister Pröll vorgelegt hat, ein guter ist.

Das ist ein gutes Gesetz, Herr Minister Pröll! Aber was machen Sie? – Sie knabbern an Ihrem eigenen Erfolg, indem Sie einem Verkehrsminister, der ein anderes Interesse verfolgt – sagen wir es einmal so –, ein Vetorecht einräumen. Und dieses Vetorecht kann ja nur bedeuten, dass es nun zu einer Rücknahme dieser positiven Maßnahmen im Bereich der Verbesserung unserer Luftsituation, aber auch der Lärm- und der Unfallsituation kommen wird.

Wir bedauern das! Wir sind immer hinter diesem Gesetz gestanden. Einer Verwäs­serung wollen wir keine Zustimmung erteilen! Ich bitte trotzdem den Herrn Minister Pröll, auf seinen Amtskollegen dahin gehend einzuwirken, dass, nachdem hier die 90-prozentige Mehrheit dieses Hauses das nun endgültig absegnet, dieses Veto in koalitionsinternen Gesprächen möglichst selten eingeführt wird und dass so manche schlechte Verordnung mancher Landesregierungen, zu der nicht die oberöster­reichi­sche gehört (ironische Heiterkeit des Bundesrates Mag. Himmer), verbessert wird.

Herr Kollege Himmer, die von Landeshauptmann Pühringer geführte oberöster­reichi­sche Landesregierung hat ja gute Verordnungen gemacht (Bundesrat Mag. Himmer: Ja!), aber nicht jedes Bundesland hat das in dieser Weise gemacht.

Um welche Bundesländer geht es dabei? – Es geht um Tirol, um die Steiermark, um Salzburg, um Oberösterreich und um Niederösterreich. Wenn wir in diesen großen Bundesländern diese Maßnahme trotz des Vetos des Verkehrsministers auch in Zukunft zumindest irgendwie retten, dann kann man nur hoffen, dass es im Bereich der Verbesserung der Luft, der Senkung des Lärms und der Abnahme der Unfälle weitergeht. Aber Sie müssen kämpfen, Herr Minister, und dürfen nicht nur sagen: Na ja, was soll ich tun? Der Vekehrsminister ... (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.)

Wir kämpfen ohnehin, und das wissen Sie. Ich freue mich, dass Sie das wissen, und ich freue mich auch, dass Sie heute sogar Ihre Rede damit begonnen haben, dass Sie hier von einer besseren Belehrung gesprochen haben. (Neuerliche Zwischen­bemer­kung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) Sie haben gesagt, Sie seien eines Besseren belehrt worden, und haben Vorschläge von den Grünen in einem Bereich aufgegriffen. Aber die 315 Millionen € – bitte, 315 Millionen €!; das sind mehr als 4 Milliarden alte Schillinge – in ein flexibles System zu stecken statt in echte Maßnahmen, das, meine Damen und Herren, ist schon etwas entlarvend. Für den Umweltschutz beziehungs­weise Luftschutz wären schon effizientere Maßnahmen, direkte Maßnahmen besser.


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 40

Das sollten Sie einmal überlegen, bevor Sie dieses Geld in die Hand nehmen. Denn: Wenn ich denke, wie wir um den Umweltfonds herumeiern: Wie viel kommt, und wie viel kommt nicht?, dann muss ich sagen: Diese enorme Summe wäre nahezu eine Verdoppelung der Mittel des Umweltfonds, den auch Sie verwalten, Herr Bundes­minister. Dies wäre ein Anstieg von 500 Millionen auf 815 Millionen! Stellen Sie sich vor, was Sie da alles machen könnten! Und jetzt machen Sie nichts anderes, als elektronisch Tempo 100 hinauf- und herunterzuklappen. Das kann es doch nicht sein!

In diesem Sinne, Herr Bundesminister: Kämpfen Sie weiter! Aber das stellt eine Verschlechterung dar, eine Verwässerung dar, und deshalb werden wir dem nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

11.37


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


11.37.53

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Wenn mein Kollege Schennach gesagt hat, dieses Gesetz stelle eine Verschlechterung dar, so bin ich nicht seiner Meinung, denn wenn moderne Techniken Einzug halten, dann stellt das nicht eine Verschlechterung, sondern eine Verbesserung dar. Die 315 Millionen € kann man, glaube ich, nicht rein der IG-Luft zurechnen, denn diese Anlagen, die wir teilweise schon angekauft haben, dienen ja auch der Verkehrssicherheit, denn damit werden auch Staus und Glatteis und ähnliche Dinge mehr erfasst, und diese Informationen werden dann an die Leute weitergegeben. – Also, das ist nicht ganz korrekt.

Weil Sie gerade das Land Oberösterreich als Beispiel hergenommen und die Stellung­nahme von dort erwähnt haben, muss ich sagen: Es war gerade Ihr Landesrat, wie wir vom Herrn Minister schon gehört haben, dafür, dass dieses flexible System ange­schafft wird, und der hat ja auch diese Stellungnahme gekannt und hat diese Schlussfolgerung daraus gezogen. Und auch ich glaube, dass es eine Verbesserung darstellt.

Diese Novelle zum Immissionsschutzgesetz-Luft, die wir heute hier beschließen wer­den, zeigt, glaube ich, dass die Förderung von Mobilität, Ökologie und Gesundheit unter Anwendung moderner Technik nicht in Gegensatz zueinander stehen müssen, sondern dass das wirklich eine sinnvolle Sache ist.

Wir sind uns dessen bewusst, dass der Verkehr 26 Prozent zur Luftverschmutzung beiträgt, und diesen Prozentsatz zu reduzieren, ist unser oberstes Ziel. Daher wird dieses IG-Luftgesetz beziehungsweise seine Auswirkungen ständig überprüft, und dementsprechend wird es wieder verändert. Das Ergebnis liefert uns klare Richtlinien zur Verwaltungsvereinfachung und zum Einsatz moderner Technologien.

Es können nun die Landeshauptleute per Verordnung auf Autobahnen und Schnell­straßen Geschwindigkeitsbeschränkungen verhängen, wenn dieselben mit Verkehrs­beeinflussungsanlagen ausgestattet sind. Es ist nun möglich, flexibel zu antworten und zu reagieren, wenn Gefahr gegeben ist. Es kann auch auf die jeweilige Schadstoff­belastung genau eingegangen werden.

Ich glaube, das schafft auch eine große Akzeptanz bei den Autofahrern, denn wenn auf breiten Straßen, wenn eigentlich gar keine Gefahr gegeben ist und keine Umweltver­schmutzung erfolgt, nur ständig Tempo 100 sozusagen gedrosselt wird, dann halten sich nämlich viele nicht daran. Wenn jedoch dort diese flexiblen Anlagen zum Einsatz


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kommen, dann denkt man sich, man tut für die Umwelt etwas Gutes, und dann wird das genauer eingehalten.

Sinnvoll ist es auch, dass jetzt von einer Bezirkshauptmannschaft die Prüfung und Genehmigung vorgenommen werden, auch wenn es sich über mehrere Gebiete erstreckt.

Ich kann nur sagen: Mich verwundert es wirklich auch, dass Sie von der grünen Fraktion dem nicht zustimmen. Wir von der ÖVP stehen zum Umweltschutz, zur Gesund­heit und zu unserer Bevölkerung (Zwischenruf des Bundesrates Schennach) und wollen keine unnötigen Schikanen für unsere Bevölkerung – und auch für die Wirtschaft nicht.

Wir stolz auf unsere Landschaft, auf die gute Luft, auf die erfolgreiche Wirtschaft, auf die Arbeitsplätze, die hohe Lebensqualität in Österreich. In diesem Sinne stimmen wir dieser Gesetzesvorlage zu. (Beifall bei der ÖVP.)

11.41


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer zweiten Wortmeldung erteile ich Frau Bun­desrätin Kerschbaum das Wort.

 


11.42.01

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Martina Diesner, es gibt ja bereits flexible Tempomes­sungen. Es ist ja nicht so, dass durch dieses Gesetz die Möglichkeit geschaffen wird, Tempolimits einzuführen. Wie gesagt, es gibt bereits Anlagen für flexible Tempo­messungen. – Das ist einmal Punkt eins.

Aber die Sache ist die: Ist es ein Unterschied, ob man ein fixes Tempolimit oder ein flexibles Tempolimit verhängt? Wo liegt der Unterschied dann in der Auswirkung bei den Schadstoffen?

Wenn man ein fixes Tempolimit verhängt, dann gewöhnen sich die Menschen üblicher­weise relativ schnell daran, dass auf dieser Autobahnstrecke 100 km/h zu fahren sind. Und es gibt – wie auch Kollege Schennach schon vorgelesen hat – eine Reduktion von 23 Prozent NOx-Emissionen und von 27 Prozent PM10-Feinstaub. (Zwischenbemer­kung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) Diese Werte hat er, glaube ich, vorgelesen. (Bundesrat Schennach: Keine Prozente!)

Also es gab durch dieses fixe Tempo 100 km/h sehr große Schadstoffeinsparungen. Dass es durch das flexible Tempolimit diese Schadstoffeinsparungen auch gibt, dafür habe ich noch keinen Beleg und keinen Beweis. (Zwischenruf der Bundesrätin Diesner-Wais.)

Du hast jetzt gerade gesagt, dass die flexiblen Tempolimits genauer eingehalten werden. Wo ist die Studie dazu? Ich habe das noch nie gehört, dass die besser eingehalten werden als Tempo 100. Soviel ich weiß, ist das fixe Tempolimit von 100 km/h sehr wohl und sehr genau eingehalten worden.

Es ist natürlich sehr schön, wenn Sie Ideen der Grünen umsetzen, aber es wäre auch schön, wenn Sie das öfter tun würden. In diesem Fall hätten Sie sich die Idee besser aussuchen können. Kollege Schennach hat es schon erklärt: Auch der Herr Anschober ist in seiner Koalition – und bevor es gar kein Tempolimit gibt, wird er wahrscheinlich das flexible lieber haben.

Nun möchte ich auch etwas zum Vetorecht des Herrn Verkehrsministers sagen: Es ist ja schon bei den Regierungsverhandlungen angekündigt worden, es ist auch laufend in den Zeitungen gestanden, dass Herr Minister Faymann das fixe Tempolimit von


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 42

100 km/h, das aufgrund des IG-Luft verhängt wird, nicht so sehr liebt und es möglichst reduzieren möchte. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.)

Es ist letztendlich so, dass durch dieses Vetorecht, das Sie jetzt im IG-Luft mit einge­baut haben – eigentlich schon bei der letzten Novelle schon –, Ihr Einfluss auf die Luftgüte reduziert worden ist, weil Sie eben den Herrn Verkehrsminister mitsprechen lassen müssen. Aber in Wirklichkeit sind Sie der Umweltminister, und daher sind Sie für die Einhaltung dieser Kriterien zuständig. Ich finde es nicht besonders intelligent und nicht besonders klug, sich da vom Verkehrsminister hineinreden zu lassen und von fünf Seiten mehr oder weniger Einfluss nehmen zu lassen, ob eine Maßnahme verhängt wird oder nicht.

Wenn Sie mir dann eine Berechnung oder einen Beweis vorlegen können, dass die Anlagen für flexible Tempomessungen genauso viel Einsparung bei den Schadstoffen bringen können – die Berechnung und der Beweis dafür sind in der Unterlage nicht enthalten –, wenn Sie mir das vorlegen können, dann können wir nächstes Mal darüber reden. (Beifall bei den Grünen.)

11.45


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Gesetzesbeschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

11.46.082. Punkt

Achter Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forst­wirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-326-BR/2007 d.B. sowie 7760/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 2. Punkt der Tagesordnung. Berichterstatter ist wieder Herr Bundesrat Wiesenegg.

 


Berichterstatter Helmut Wiesenegg: Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Präsi­dent! Der Bericht des Umweltausschusses über den Achten Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage vom 10. Oktober den Antrag, den Achten Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Gruber. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.46.50

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuerst nur ganz kurz zu den


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Grünen in Bezug auf den vorhergehenden Tagesordnungspunkt: Der Herr Verkehrs­minister war auch der, der in Kärnten mit den 160 km/h Schluss gemacht hat, und daher sollte man ihn nicht bezichtigen, dass er für höhere Tempos oder sonst etwas ist. Ich glaube, hier wurde ein guter Weg gefunden. Und so schlecht schaut es um den Verkehrsminister bezüglich Tempo, glaube ich, nicht aus. (Rufe bei der SPÖ: Jawohl!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Juli hat der Herr Bundesminister den Achten Umweltkontrollbericht dem Hohen Haus vor­gelegt. Wer ihn sich angeschaut hat, allerdings nicht nur von außen, sondern auch von innen, wird, so wie ich, zu dem Schluss kommen, dass es sich dabei um einen äußerst umfangreichen und äußerst aufschlussreichen Bericht handelt – aufschlussreich auch deshalb, weil dieser Bericht aufzeigt, dass Handlungsbedarf besteht, und zwar in sehr vielen Bereich des Umweltschutzes.

Es besteht Handlungsbedarf beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel, es besteht Handlungsbedarf aber auch beim Schutz der Artenvielfalt und bei der Verbesserung der Luftqualität. Ein paar Stichworte: Feinstaub, Stickoxide, Ozon; das wird Ihnen allen sehr bekannt vorkommen.

Ich möchte den Experten und den Autoren dieses Berichtes ein Kompliment machen. Sie liefern in diesem Bericht nicht nur gut aufbereitete Daten und informieren uns über den Zustand der Belastungen unserer Umwelt, sondern sie bewerten aktuelle Schutz­maßnahmen und liefern Handlungsoptionen mit.

Durchaus positiv ist dieser Bericht über unser Wasser. So entspricht die Qualität der Fließgewässer, aber auch der Badegewässer zu 97 Prozent den EU-Anforderungen. Es ist erfreulich, dem Bericht entnehmen zu können, dass unsere Böden kaum mit Schadstoffen belastet sind und die Belastung nach Tschernobyl um die Hälfte abge­nommen hat. Ein Nachteil ist allerdings zu vermerken, und dazu ist zu sagen: Die Bodenneuversiegelung sollte hintangehalten und durch eine Bodenrahmenrichtlinie und durch gezielte Raumordnung reduziert werden.

Ein weiterer Schwerpunkt dieses Achten Umweltkontrollberichtes ist der Bericht „Luft, Klimaschutz und Klimawandel“. Konnten die Emissionen der Schadstoffe Schwefel­dioxid und Ammoniak reduziert und damit als EU-Etappenziel erreicht werden, liegen wir bei den Stickoxidemissionen noch um 56 000 Tonnen über dem Zielwert für 2010.

Große Probleme bestehen bei Feinstaub, was ja gerade die Diskussion vorhin gezeigt hat, und bei Ozon: Diese Emissionen gingen nur geringfügig zurück, Grenzwerte werden nach wie vor häufig überschritten. Die Feinstaubbelastung – und diese Aus­sage in diesem Bericht finde ich fast sensationell – verkürzt die Lebenserwartung der Europäer derzeit um sieben Monate!

Nachdenklich stimmen mich in diesem Bericht auch die Zahlen zum Kyoto-Protokoll, haben wir uns doch verpflichtet, unsere Treibhausgas-Emissionen von 2008 bis 2012 gegenüber 1990 um 13 Prozent zu senken. Die Realität ist aber, dass wir 2005 mit den Treibhausgasemissionen um 18 Prozent über dem Basisjahr und um 36 Prozent über dem Kyoto-Ziel lagen. Mit dieser Abweichung liegen wir innerhalb der EU an vorletzter Stelle.

Dieser sehr umfangreiche Umweltkontrollbericht befasst sich aber auch mit den The­men Landwirtschaft, Wald und Waldnutzung, biologische Vielfalt, Naturschutz, Lärm, Abfall, Altlasten, Energie, industrielle Anlagen, Verkehr und Raumplanung. Dieser Bericht, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen, zeigt nicht nur Mängel und Fehlentwicklungen auf, nein, er formuliert auch konkrete Empfehlungen, um Umwelt­schutzziele, die auch dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen, zu erreichen.


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 44

Ziel sollte es sein, den Bedürfnissen der heutigen Generation Rechnung zu tragen, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden. Schutz von Klima und Umwelt – der Handlungsbedarf ist groß. Herr Bundesminister, Sie sind gefordert! – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.52


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Preineder. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.52.13

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Alle drei Jahre hat der Bundesminister einen Umweltkontrollbericht vorzulegen: der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Ich glaube, es ist gut, dass diese Ressorts in einer Hand sind, weil gerade der Bereich der Landwirtschaft sehr viel zur Lösung der Umwelt­probleme beitragen kann, damit die Landwirtschaft nicht ein Teil des Problems, sondern ein Teil der Lösung ist.

Wir innerhalb der Landwirtschaft in Österreich leisten einen erheblichen Beitrag zur Gestaltung unserer Landschaft, zur Aufrechterhaltung des Tourismus, zur Wahrung unserer Umwelt und zum Schutz der Ressourcen. Es gab vergangenes Wochenende – genauer: am Donnerstag vor einer Woche – in Mondsee eine Tagung mit bayerischen und österreichischen Agrarpolitikern, die sich gerade mit diesem Thema beschäftigt hat, nämlich die Leistungen der Landwirtschaft für die Gesellschaft im Umweltbereich darzustellen.

Eine interessante Umfrage von Professor Bretschneider und Frau Karmasin hat ergeben, dass 96 Prozent der Österreicher es wichtig finden, dass die Bauern für die Landschaft und die Umwelt Verantwortung tragen, dass sie es besonders schätzen, dass Österreich ein schönes Land ist, dass es ein gepflegtes Land ist, dass unser Boden, unsere Luft und unser Wasser entsprechend geschützt werden, und dass wir gesunde Nahrungsmittel in unserem Land haben. Dafür ist eine lebensfähige, flächendeckende Landwirtschaft verantwortlich.

Der Umweltkontrollbericht zeigt auch, dass es in vielen Bereichen zu Verbesserungen gekommen ist. Wenn wir uns zum Beispiel den Bereich Boden anschauen: Dies­bezüglich kann man hier nachlesen, dass die meisten heimischen Böden eine sehr geringe Schadstoffbelastung aufweisen und auf Basis des Sechsten Umweltpro­gramms eine Bodenschutzstrategie vorgelegt wird, denn – und das müssen wir in diesem Bereich, in dem es um die Erhaltung des Bodens geht, einer Ressource, die unvermehrbar ist, auch betonen – in Österreich gehen täglich sechs Hektar Boden für die Produktion verloren und fallen dem Straßenbau und dem Hausbau anheim.

Ich möchte zu diesem Bereich auch erwähnen, dass in Niederösterreich mit dem nieder­österreichischen Bodenbündnis ein klares Signal gesetzt wird, dass unser Boden schützenswert ist, weil wir mit dem Slogan „unser Boden – wir stehen drauf!“ aus­drücken wollen, dass wir eben auf ihn achten müssen.

Die Landwirtschaft hat vor allem durch das geltende Umweltprogramm den Einsatz von Düngemitteln, von Stickstoff wesentlich reduziert, nämlich im Beobachtungszeitraum um 15 Prozent. Was auch positiv zu erwähnen ist, ist, dass der Anteil der biologischen Landwirtschaft zugenommen hat, dass es hier einen steten Anstieg gab, und dass natürlich, und das geht auch aus diesem Bericht hervor, die Grünlandflächen, die Ackerflächen zurückgehen und die Schweine- und auch die Rinderbestände verkleinert wurden. – Ich glaube, hier kann man sehen, dass die Landwirtschaft einen wesent­lichen Teil dazu beigetragen hat.


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 45

Ein anderer Bereich ist jener der Energiepolitik, wo wir klar darauf hinweisen müssen – das geht auch aus diesem Bericht hervor –, dass der Energieverbrauch stetig steigt, nämlich um 3,1 Prozent, dass wir hier entsprechend gegensteuern müssen, dass wir auch verstärkt auf erneuerbare Energie setzen müssen. Die Zunahme der erneuer­baren Energieträger in diesem Zeitraum betrug 1,6 Prozent, fiel also wesentlich geringer aus als der Mehrverbrauch. Deshalb gilt es auch, sie entsprechend verstärkt einzusetzen, damit wir unsere Unabhängigkeit im Energiebereich bewahren oder verstärkt ausbauen und vor allem die Klimaschutzziele erreichen. Hier gilt es wirklich, alle Möglichkeiten zu nützen!

In Österreich gibt es seit 1. Oktober die Beimengung von Ethanol zu Benzin. Ich glaube, auch das ist ein wesentlicher Schritt, um eine Umweltentlastung herbei­zuführen. Unser Herr Bundesminister fährt schon fast mit reinem Ethanol; man kann es auf seinem Auto lesen. Ich glaube, es ist immer noch vernünftiger – und man kann lange darüber diskutieren, ob dieses Ethanol zur Gänze in Österreich produziert oder ob es importiert wird –, es ist immer noch besser, Ethanol aus Europa in unseren Tank zu füllen als Erdöl aus dem Irak.

Ich glaube, in diesem Zusammenhang sollte man auch über eine Anpassung der Tarife bei den Ökostromanlagen diskutieren dürfen.

Ich glaube, der Umweltkontrollbericht zeigt Notwendigkeiten auf, die auf uns zukom­men, er zeigt aber auch Erfolge auf: Vieles wurde getan – das wird deutlich, wenn wir uns den Bereich Wasser und Boden anschauen – vieles ist noch zu tun – das wird deutlich, wenn wir uns den Bereich Klima und Energie anschauen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.57


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


11.57.52

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Der Bericht des Umweltbundesamtes ist wirklich sehr infor­mativ, sehr umfassend, hervorragend gegliedert – man findet sehr viel darin –, und ich kann die Empfehlungen, die das Umweltbundesamt abgibt, zu 99 Prozent, glaube ich, nur unterstreichen. Das Einzige, das mich an diesem Umweltbericht etwas stört, sind die allzu positiven Aussagen des Herrn Bundesministers auf der ersten Seite (ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP), wo er sagt:

„Das hohe Niveau der Qualität der österreichischen Umwelt konnte in den letzten Jahren beibehalten werden.“

Wenn man dann weiter nach hinten blättert und nachsieht, wie es mit Schadstoff­emissionen ausschaut, wie es mit Bodenversiegelung et cetera aussieht, ist dieser Satz nicht wirklich nachvollziehbar.

Es heißt dann weiter: „Um diesen Herausforderungen zu begegnen, haben wir 2007 mit der Überarbeitung der Klimastrategie und der Einrichtung des Klima- und Energie­fonds entscheidende Weichen gestellt, um unser ambitioniertes Kyoto-Ziel zu er­reichen.“

Wenn ich die Strategie und die Auswirkungen der Strategie nachlese: Allein mit dieser Strategie – das steht auch in dem Bericht – wird es sich nicht ausgehen, das Klimaziel zu erreichen. Ehrlich gestanden glaube ich nicht, dass Sie selbst noch glauben, dass es irgendwie möglich ist, das Kyoto-Ziel zu erreichen. Das kaufe ich Ihnen nicht ab, und deshalb wundert es mich, dass das da drinnen steht! (Bundesminister Dipl.-


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 46

Ing. Pröll: Warum nehmen Sie mir das nicht ab?) – Das erzähle ich Ihnen dann später noch.

Ein weiterer Punkt: Sie meinen, wir sind Vorreiter bei der Substitution fossiler Energien in Europa. – Wenn ich mir die Entwicklung der Zahlen betreffend Energie und Energie-Rohstoffe anschaue: Im Bericht steht, wir importieren nach wie vor mehr Erdöl und mehr Gas als in den Vorjahren. Also, was ist jetzt mit der Substitution dieser fossilen Energien? – Sie schreiben es vorne hin, und hinten steht etwas ganz anderes! Wie gesagt, es ist ein sehr fröhlicher Kommentar von Ihnen, der leider zum Bericht weiter hinten dann nicht ganz passt.

Nachdem ja die positiven Dinge vom Herrn Kollegen Preineder schon angemerkt geworden sind, brauche ich jetzt nur mehr die traurigen Dinge vorzulesen: 60 Prozent der Flüsse sind strukturell beeinträchtigt (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Nein! Das gibt es ja nicht!) – es sind nur ganz wenige Anmerkungen –, 27 Grundwassergebiete in Österreich sind Beobachtungsgebiete oder voraussichtliche Maßnahmengebiete, es gibt nach wie vor Probleme mit den Nitratwerten und es gibt nach wie vor Probleme mit dem Immissionsschutzgesetz-Luft, das wir ja vorhin schon besprochen haben.

Nur kurz zu den Maßnahmen: In Niederösterreich hat unser Herr Landeshauptmann ja beschlossen, gleich auf flexible Tempolimits zu setzen und nirgendwo zuerst einmal ein 100 km/h-Tempolimit einzuführen. Das Einzige, das in Niederösterreich zu diesem Thema passiert, ist, dass Fahrverbote für die vor 1992 zugelassenen Lkw verhängt werden. – Nur gibt es diese Lkw in Wirklichkeit so gut wie gar nicht mehr, weil gerade im Transitverkehr Lkw drei, vier Jahre lang eingesetzt werden, aber sicher nicht mehr solche mit einer Zulassung von vor 1992 fahren.

Was die Maßnahmen des IG-L betrifft, kann man nachlesen, dass diese nicht greifen, und daran, dass sie in Zukunft greifen werden, noch dazu, wenn das Gesetz durch den Eingriff des Verkehrsministers in seiner Wirkung reduziert wird, ist nicht zu glauben.

Es gibt eine steigende Belastung durch Stickstoffdioxid und Ozonwertüberschreitungen passieren laufend und sind weit verbreitet – es wird eine viertel Seite lang beschrieben, welche Werte wann wo überschritten wurden, also in wie vielen Gebieten. Ozon ist nach wie vor ein massives Problem, und da ändert sich nichts wirklich Substanzielles.

Erosion und Flächenversiegelung: Wir haben eine Nachhaltigkeitsstrategie, und das Leitziel in dieser Nachhaltigkeitsstrategie wäre, dass die Bodenneuversiegelung pro Tag nur mehr einen Hektar zu betragen hätte und dass die Bau- und Verkehrsflächen nur mehr um zweieinhalb Hektar pro Tag zunehmen. – Im Bericht steht, im Zeitraum von 2005 bis 2006 hatten wir eine Zunahme von 11,5 Hektar pro Tag durch Bau- und Verkehrsflächen und eine Neuversiegelung von fünf Hektar pro Tag; das ist also in Wirklichkeit das Fünffache von dem, was wir uns eigentlich vorgestellt hätten – und der Straßenbau nimmt ja nicht ab. Ich glaube nicht, dass sich das bis 2010 in irgendeiner Form ändert. Das ist also schon ein Problem, das man sicher noch angehen muss.

Über Treibhausgasemissionen wurde auch schon sehr viel gesprochen. – Das Einzige, was mir an dem Bericht nicht so besonders gut gefällt, ist (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Meine Einleitung!) – die Einleitung auch – die Einleitung und dann noch die Kleinigkeit, dass gerade zum Verkehrsbereich immer drinsteht, wir haben ja diesen großartigen Tank-Tourismus mit 30 Prozent. Ich bin mir sicher, dass es einen Tank-Tourismus gibt!

Mir persönlich hat noch niemand vorgerechnet, wie irgendjemand auf diese 30 Prozent kommt; ich habe schon einmal nachgefragt. Es gibt an den Tankstellen sicher keine Kontrolle: Woher kommst du und wohin fährst du?, also die 30 Prozent sind meiner Meinung nach mit der Formel „Daumen mal Pi“ errechnet, aber das sei dahingestellt.


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 47

Durch diesen Tanktourismus gibt es nicht nur erhöhte CO2-Belastungen, durch den Tanktourismus gibt es auch – wenn das Ausmaß wirklich so groß wäre – 900 Mil­lionen € an Mehreinnahmen für den Finanzminister. Was passiert mit den 900 Mil­lionen € an Mehreinnahmen für den Finanzminister? – Die gehen ins Budget. Setzen wir sie ein für den Klimaschutz, dann hätten wir wahrscheinlich einige Probleme weni­ger!

Es ist heute noch nicht erwähnt geworden, aber wir haben uns verpflichtet, unsere CO2-Emissionen um 13 Prozent zu verringern; in Wirklichkeit stehen wir momentan bei plus 18 Prozent. Ich glaube ehrlich gestanden nicht, dass es Ihnen in der verbleiben­den Zeit noch gelingt, diese Spanne auszugleichen. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das ist nicht nur Verkehr!)

Es ist auch sehr spannend zu sehen, in welcher Form man sich das vorstellt. Es wurde ja vorhin schon die Klimastrategie angesprochen: Im Bereich Verkehr, steht im Bericht, stellen wir uns vor, dass wir von 24,44 Millionen – das sind Tonnen! – im Jahre 2005 auf den Zielwert für 2010 von 18,9 Millionen Tonnen kommen. Also wir werden – jetzt ist nicht mehr so lange Zeit, jetzt sind es nur mehr drei Jahre – innerhalb dieser drei Jahre unsere CO2-Emissionen aus dem Verkehr um 25 Prozent reduzieren, obwohl sie in letzter Zeit laufend gestiegen sind!? – Welche Strategie dahinter stecken mag, das sei dahingestellt.

Ich nehme an, Sie reden von den 10 Prozent Biodiesel-Beimischung. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Zum Beispiel!) – Sehr viel mehr Maßnahmen im Verkehrsbereich habe ich noch nicht gehört und nicht gelesen und nicht gesehen. Vielleicht sollten Sie diesbezüglich einmal ein ernstes Wort mit dem Herrn Verkehrsminister sprechen, der ja viele Dinge mit Ihnen gemeinsam zu bestimmen hat. (Bundesrat Gruber: Ihr wollt ja nicht!)

Gerade im Bereich des Klimaschutzes haben Sie natürlich schon ein großes Problem, das sich eigentlich durch den ganzen Umweltbericht zieht: Die Zuständigkeit liegt meistens irgendwo anders. Sie sind derjenige, der jedes Jahr einmal im Zuge der Präsentation des Umweltberichtes – nein, es gibt ja nicht jedes Jahr einen Umwelt­bericht, aber den Klimaschutzbericht und alle möglichen Berichte; einmal im Jahr gibt es sicher einen Bericht – dann seine Lorbeeren oder „Nicht-Lorbeeren“ bekommt – von uns bekommen Sie selten Lorbeeren –, aber in Wirklichkeit sind Sie ja nicht derjenige, der die Maßnahmen umsetzen muss.

Sie tun mir ja schrecklich leid (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP – Ruf: Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung!), aber es gäbe schon einige Bereiche ...! (Bundes­minister Dipl.-Ing. Pröll: Auch das müssen wir besprechen!) – Ja, das können wir dann auch noch besprechen. – Vielleicht können Sie ja irgendwann einmal Ihre Kompeten­zen so sehr erweitern, dass Sie dafür, wofür Sie verantwortlich sind, auch die Maß­nahmen erlassen müssen.

Es gibt aber schon ein paar Bereiche, wo Sie selbst auch aktiv werden könnten. Sie könnten zum Beispiel die Länder ein bisschen mehr in die Pflicht nehmen. Was ist mit dem Nahverkehrsanteil der Mineralölsteuererhöhung passiert? – Also im Land Nieder­österreich ist dieser Betrag, soviel ich weiß, nicht für Nahverkehrsmaßnahmen vor­gesehen. Vielleicht sollten Sie so tolle Handschlag-Vereinbarungen betreffend doch auch überprüfen, ob sie eingehalten werden.

Sie könnten im UVP-Gesetz endlich auch die verbindliche Überprüfung des Klima­schutzes vorschreiben. – Wir haben zurzeit wieder ein UVP-Verfahren in Korneuburg laufen; das Problem des Klimaschutzes wird bei der Untersuchung einer neuen Trasse, einer neuen Straße nicht berücksichtigt worden. Es steht drinnen, durch die Straße wird 20 Prozent mehr CO2 ausgestoßen, aber in Wirklichkeit ist das nicht relevant, weil


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 48

Klimaschutz im UVP-Verfahren nicht relevant ist. Das wäre zum Beispiel Ihre Zuständigkeit. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) – Ganz ehrlich: Es muss im Ministerrat Einstimmigkeit geben, und Sie sollten sich da nicht immer hinter dem Wirtschaftsminister verstecken und sagen: Ja, ich hätte es eh so gern, aber er und die Wirtschaft wollen es halt anders!

Es ist auch in der Landwirtschaft einiges nicht so rosig, wie es Herr Kollege Preineder vorhin dargestellt hat: Es gibt eine massive Zunahme bei den Spritzmitteln, sprich bei den Pestiziden. Beim Pestizideinsatz, sehe ich hier, gibt es eine Zunahme, obwohl es mehr Biobauern gibt – offenbar spritzen die anderen mehr.

Natürlich wissen wir nicht genau, was gespritzt wird, und eine einheitliche Menge lässt nicht sehr viele Beurteilungskriterien zu, aber der Vorschlag, dass ein verbindliches Minderungsziel für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in ganz Österreich festgelegt werden soll, das wäre auch eine Maßnahme, die Sie, Herr Minister, setzen könnten und für die Sie nicht auf einen anderen Minister warten müssten.

Auch beim Wald gibt es Probleme mit bodennahem Ozon et cetera. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Mit dem Verkehr brauche ich jetzt gar nicht anzufangen: Beim Verkehr gibt eine lange Latte von Problemen, die wir haben.

Mit dem Lärm gibt es massivste Probleme. Es gibt zwar Lärmkarten, aber es gibt in Wirklichkeit keine Maßnahmen gegen den Lärm.

Auch ein erhöhtes Abfallaufkommen ist zu erwarten. – Also wenn Sie diesen Bericht durchblättern, finden wahrscheinlich auch Sie auf jeder zweiten Seite Dinge, über die Sie nicht so glücklich sind und die Ihren einleitenden Worten einfach nicht entsprechen, Herr Minister.

Nichtsdestotrotz: Der Bericht ist meiner Meinung nach zum Großteil traurig, aber letztendlich vermittelt er Wahrheit, und deshalb werden wir ihm zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

12.08


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


12.08.42

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Ich möchte zuerst meinem Kollegen Gruber danken, der, so glaube ich, wirklich im Sinne der Entwicklung und Verantwortung gesprochen hat, so wie auch der Kollege von der ÖVP. – Ich glaube, es war sehr wichtig, dass wir aufzeigen, wo wir stehen, wo wir sind und welche Bedeutung dieser Umweltbericht hat. An die Kollegin der grünen Seite: Es tut gut, wenn man auch etwas anerkennt, zum Beispiel dass dieser Leistungsbericht hervorragend ist.

Und doch sollte man die Verantwortlichkeit des Herrn Bundesministers einmahnen und ihn und die Bundesregierung ermahnen, rascher zu handeln, denn es ist höchste Zeit: Seit 20 Jahren gibt es diese Umweltberichte jetzt – es ist der achte Umweltbericht seit 1988. Herr Bundesminister! Es ist vieles getan geworden. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Sehr viel!) – Diese Berichte haben, so glaube ich, die Aufgabe, uns alle wachzurütteln, die Verantwortlichen an den Schaltheben zu motivieren, auf Basis dieser Grundlagen, aufgrund des Ist-Zustandes die Empfehlungen – vor allem, Herr Bundesminister, die Empfehlungen – voll anzunehmen.

Wir haben im Umweltbericht auch sehr viele Perspektiven aufgezeigt. Es ist ein Arbeitspapier, das die Bundesregierung wirklich sehr gut anwenden sollte, Herr Bun-


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 49

desminister. Aber es wäre sinnvoll, das Papier in Kurzform allen Verantwortlichen in Österreich zukommen zu lassen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Wer meine Einführung liest, ist voll informiert! – Heiterkeit bei den Grünen.)

Herr Bundesminister, das überlasse ich Ihnen. Es hat sich noch kein Minister vorschreiben lassen, welche Einführungsformel er findet. Da werden sich auch die Grünen – oder wer immer – nicht daran stoßen können. Herr Bundesminister, wichtig ist, was hinter diesen Seiten letzten Endes herauskommt. Herr Bundesminister, es kennen Sie nicht alle in Österreich, und es schadet vielleicht nicht, wenn ein Foto von Ihnen durch Österreichs Politik geistert. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Aber ich möchte heute Herrn Mag. Rebernig – als Vorsitzendem des Arbeitskreises – und seinen Mitarbeitern für dieses gute Papier wirklich danken, Herr Bundesminister. Denn diese Arbeit, die hier geleistet wurde – und zwar der Ist-Zustand –, die Möglich­keit, die man sieht, und vor allem die 152 Empfehlungen, die hier angebracht wurden, die sind für uns, glaube ich, von hoher Qualität.

Herr Bundesminister, ich werde versuchen, ein bisschen auf diese 15 Schwerpunkte einzugehen: Wasser und Wasserwirtschaft wurde erwähnt. Wassergrundlage, Wasser­wirtschaft – hier gibt es viel zu tun.

Aber auf zehn Seiten dieses Papiers sind diese Empfehlungen für die politische Ver­ant­wortlichkeit ausgearbeitet, Luft 16 Seiten, Boden sieben Seiten. Offen, Herr Bun­des­minister, ist der gesetzliche Bodenschutz. Der ist noch immer offen.

Klimaschutz und Klimawandel: 23 Seiten. Es gibt große negative Unterschiede inner­halb der Europäischen Gemeinschaft – Polen und Tschechoslowakei, über 100 Pro­zent weit darüber. Welche Maßnahmen werden hier in der europäischen Konferenz gesetzt?

Landwirtschaft: Mein Kollege aus Niederösterreich hat gesagt, dass es hier sehr gute Leistungen von den Bauern gibt. Die müssen honoriert werden. (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.) Die Landwirtschaft bemüht sich, Herr Bundesminister, den Weg, den Sie aufgezeigt haben, der Biolandwirtschaft, der verschiedenen Produktions­gebiete in Österreich, schwerpunktmäßig voll zu unterstützen. (Zwischenruf des Bun­desrates Gruber.) Es muss letzten Endes aber auch die Nachhaltigkeit für die Bauern gesichert sein, und nicht nur über den Subventionsweg. Vielleicht sollte man sich anstatt auf die Subventionen einmal mehr auf die wirklichen Leistungen konzentrieren. Dann wird die Realität der Landwirtschaft in Österreich ehrlicher sein, und der Konsu­ment würde nachvollziehbar verstehen, warum wir eine heimische Landwirtschaft haben, die gefördert werden muss, weil wir zwischen dem Marchfeld und dem Bregen­zer Wald so große Unterschiede haben. Aber das muss der Konsument letzten Endes verstehen, aber nicht die Subventionspolitik, denn da gibt es große Ungereimtheiten.

Herr Bundesminister, genau in diesem Bereich sind wir alle nicht in der Lage, das durchzusetzen, was wir eigentlich wollen. Das Geld kommt nicht immer dort hin, wo es wirklich gebraucht, verantwortet und erarbeitet wurde.

Wald und Waldnutzung: Herr Bundesminister, wir sind sehr säumig, und zwar mit den Wäldern, mit den Schutzwäldern. Hier haben wir große alte Bestände, und wenn wir nicht rasch diese Einzelstammentnahme durchführen werden, mit hohen Kosten, sind sicher die Kosten höher als der Wert. Aber hier müssen wir handeln, denn wir wollen nicht eine weitere Katastrophe wie in Galtür oder Ähnliches.

Biologische Vielfalt, Naturschutz, Klimaveränderung: Wir haben hier große Pflanzen­artenverluste. Auch da, Herr Bundesminister, sollten wir sehr sensibel sein.


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 50

Zum Lärm haben wir zwölf Seiten, zur Abfallwirtschaft zehn Seiten – ich kann nicht auf alles eingehen –, zu Altlasten vier Seiten, zu Chemikalien sieben Seiten, zur Energie 14 Seiten, zu industriellen Anlagen elf Seiten.

Beim Verkehr, Herr Bundesminister, schließe ich mich voll der Kollegin von den Grünen an. Aber, Herr Bundesminister, über uns fliegen täglich tausende Flugzeuge drüber. (Bundesrätin Roth-Halvax: Was sollen wir machen?) – Wenn wir wissen, dass dieses Kerosin nicht besteuert wird und hier letzten Endes wirklich Milliarden für uns alle zu holen wären, sollte man das endlich aufgreifen. (Demonstrativer Beifall bei Bun­desräten der SPÖ. – Bundesrätin Roth-Halvax: Ach so!) – Danke schön. Nein, ich bin noch nicht fertig. (Heiterkeit bei der ÖVP.) – Es ist sehr nett, dass ich einen Beifall bekomme. Es war in dem Haus nicht immer so, aber es freut mich immer. Ich bin gleich am Ende meiner Ausführungen, und ich bitte, dann den Beifall zu wiederholen. (Allgemeine Heiterkeit.)

Herr Bundesminister! Unsere Zukunft hängt in hohem Maße genau von diesen 15 Punkten ab. Für diese 15 Punkte, Herr Bundesminister, glaube ich, müssen wir mehr bereit sein, Verantwortung zu tragen – auch Sie, die Bundesregierung, die Länder, die Gemeinden. Das ist für uns, glaube ich, die Zukunft. Denn dieser 260 Seiten-Bericht – ich muss Ihnen sagen, ich habe ihn gestern erst bekommen, ich bin bis zwei Uhr nachts gesessen, Herr Bundesminister – ist wichtig und so inter­essant, und man erkennt darin, welche Aufgaben zu bewältigen sind und welche Verantwortung das bedeutet. Daher sind diese 152 Punkte, in denen Ihr verant­wort­licher Herr Rebernig aufgezeigt hat, wo die Empfehlungen sind, allen voll­inhaltlich zugänglich zu machen, den Kammern, den Schulen, den Regierungen. Dann, glaube ich, wird sich die Einstellung zur Umweltpolitik wesentlich verbessern.

Herr Bundesminister, ich bin nur auch noch etwas besorgt, weil der Bericht, den wir heute beraten, den Nationalrat noch nicht passiert hat. Wie ist so etwas möglich? Liegt das am Zeitmangel der Bundesregierung? – Ihr befasst euch mit sehr vielen anderen Themen in der Bundesregierung, und es gibt sehr viel Leerlauf. Wir müssen feststellen, dass bald schon ein Viertel der Zeit vergangen ist und wir wenig von der Bundes­regierung und deren Erfolgsarbeit gehört haben. Nur mit den gegenseitigen Beschul­digungen, Herr Bundesminister, und dieser Streiterei, die täglich für uns über die Medien oder übers Fernsehen zu hören ist, werden die Österreicher bald nicht mehr zufrieden sein. Herr Bundesminister, hört doch auf damit! Wir brauchen Leistungs­berichte, und es gibt auch viele Leistungsberichte. (Zwischenbemerkung von Bundes­minister Dipl.-Ing. Pröll.) – Nein, es sind immer beide schuld, Herr Bundesminister, es ist nicht so, dass einer schuld ist. (Bundesrat Gruber: Ein Scheit brennt nicht, gell, Sigi?)

Herr Bundesminister, ich habe nicht die Absicht, Sie zu maßregeln. Aber zu diesem Bericht hätte ich noch eine Bitte: In zwei Jahren wird dieser Bericht ja wieder anstehen. Vielleicht könnten Sie sagen, was vom Achten Bericht bis zum Neunten Bericht geschehen wird. Derzeit ist mir ein bisschen zu wenig geschehen. Es ist etwas geschehen, weil man so gute Berichte vorlegt, aber es muss noch mehr geschehen, sonst rennt uns die Zeit davon. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.19


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll. – Bitte.

 


12.19.36

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hoher


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 51

Bundesrat! Ich kann mich nur dem anschließen, was von mehreren Rednern bereits gesagt wurde. Das möchte ich eingangs auch tun, mich stellvertretend für das Umwelt­bundesamt bei Mag. Rebernig für die Arbeit bedanken, die dort geleistet wurde, dafür, dass die Expertinnen und Experten diesen Bericht in derart hoher Qualität vorgelegt haben, damit wir ihn hier auch diskutieren können.

Herr Bundesrat Kampl, zur Frage bezüglich Parlament und Nationalrat sei eines klar und deutlich gesagt: Diese Frage ist noch zu diskutieren: Wird der Bericht enderledigt oder soll er ins Plenum kommen? – Und weil das noch nicht geklärt ist, gab es auch noch keine Debatte zum Achten Umweltkontrollbericht im Nationalrat.

So gesehen hat der Bundesrat schon etwas voraus, was die Frage der Diskussion und des Befassens mit diesem wichtigen Bericht betrifft. Es wurden auch die Fragen aufgeworfen: Was wurde erreicht, was sind die offenen Fragen und vor allem dann auch, was sind die Anregungen, die Maßnahmen, die zur besseren Zielerreichung umgesetzt werden sollen?

Ich will eingangs natürlich mit dem beginnen, was der Kontrollbericht skizziert, ohne hier Vollständigkeit anzumelden, weil das diesen Rahmen sprengen würde. Aber beginnen wir mit der Wasserqualität. In diesem Bereich – und das zeigt auch der Bericht – hat sich Unglaubliches zur Verbesserung der Situation getan. 97 Prozent unserer Badegewässer entsprechen der Badegewässerrichtlinie der Europäischen Union – ein europäischer Spitzenwert! Wir haben 89 Prozent unserer Haushalte an die Kanalisation angeschlossen. Wir sind mit einem unglaublich hohen Einsatz und vielen Mitteln (Bundesrat Gruber: Viel Geld!) hier entsprechend weitergekommen. Bei den Fließgewässern sind 99 Prozent der Messstellen Güteklasse 1 und 2. Von solchen Werten träumt ganz Europa, geschweige denn die anderen Länder, die mit uns am internationalen Markt konkurrieren.

Zweiter Punkt: Wenn man die Luftgüte anschaut – abseits vom Wasser –, so haben sich in etlichen Bereichen wirkliche Verbesserungen gezeigt: eine so weite Reduktion der Emissionen von Schwefeldioxid, Ammoniak und flüchtiger organischer Verbin­dungen, dass wir bereits im Jahr 2005 die Zielsetzung des Jahres 2010 erreicht haben. (Bundesrat Ing. Kampl: Es ist viel geschehen!) – Das kommt ja auch nicht von ungefähr, sondern wir sind mit Maßnahmen, gesetzlichen Vorgaben und Anstrengun­gen – auch gemeinsam mit der Wirtschaft – so weit gekommen.

Dritter Punkt: Abfallwirtschaft. Ein Problem aus der Vergangenheit, das in der Frage der Altlastensanierung wie ein Kaugummi an der Sohle gepickt ist, das wir jetzt über Jahrzehnte geschafft haben zu sanieren. Wir haben nicht nur die Sammel- und Ver­wertungsanteile erhöht, sondern wir haben auch durch die Maßnahmen der Deponie­verordnung den Anteil an unbehandelt deponierten Abfällen erhöht und massive Maßnahmen gesetzt bei der Sanierung von Altlasten. Das hat viel Geld gekostet, aber mittlerweile sind wir dabei auch zum Umwelttechnologieführer in Europa geworden, und die Abfallwirtschaft ist ein Exportschlager für die Sanierung anderswo und für das moderne Deponie- und Behandlungsmanagement geworden.

Über ÖPUL-Landwirtschaft möchte ich mich gar nicht entsprechend auslassen, aber was wir in der Landwirtschaft geschafft haben – wir sind mit 13 Prozent Biobauern Spitzenreiter in Europa. Wir sind GVO-frei, gentechnikfrei, bis heute geblieben. Da weht uns ein starker Wind entgegen, aber wir haben standgehalten und Österreich gentechnikfrei gehalten, was den Anbau betrifft. Auch das ist ein wichtiger Punkt.

Auch den Naturschutz möchte ich ansprechen. Alle österreichischen Nationalparks sind erstmals von der IUCN international anerkannt. Auch das hat sich verbessert gegenüber dem, wo wir herkommen, von der Gründung der Idee vor 25 Jahren in diesem Land.


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 52

Wir haben den Einsatz erneuerbarer Energieträger zwischen 2002 und 2005 um 15 Pro­zent gesteigert. (Bundesrätin Kerschbaum: Aber jetzt ist es aus!) – Frau Bundesrätin, ich komme schon darauf zu sprechen, ich kann dem auch durchaus etwas abgewinnen, was Sie sagen. Dass wir in der gleichen Zeit den Energieverbrauch nicht drosseln konnten, was die Energieeffizienz betrifft, hat uns natürlich einen Teil des Erfolges aufgefressen. Das wird auch zukünftig in der Frage einer modernen Energiebewirtschaftung die zentrale Herausforderung sein: Nicht nur umstellen auf Alternativenergien in allen Facetten und in allen Energieformen – von den Treibstoffen bis hin zu Raumwärme und Stromproduktion –, sondern vor allem Energieeffizienz, Energieeffizienz, Energieeffizienz.

Wir werden unsere Ziele ohne Energieeinsparung, die Nützung aller modernen Techniken in der Energiereduktion, zum Teil auch im Verzicht, nicht erreichen können ohne diese Frage. Das müssen wir zusammen sehen und auch zusammen entwickeln.

Wir haben mit der Umgebungslärmrichtlinie, mit der Chemikaliensicherheit REACH in Europa wirkliche Qualitätsstandards gesetzt. Und es gibt – und da stehe ich auch nicht an, das zu sagen, sonst könnte man heute den Umweltminister als Notwendigkeit abschaffen, wäre alles erreicht – auch Notwendigkeiten für die Zukunft (Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ), sozusagen eine Arbeitsversicherung für mich, nämlich in vielen Bereichen auch noch weiterzugehen und auch aus dem Umweltkontrollbericht heraus die Antworten zu geben.

Es wurde die Bodenqualität angesprochen und dabei der tägliche Verbrauch und die tägliche Versiegelung. Das ist eine raumordnungspolitische Frage, die nicht nur von mir und vom Bund erledigt werden kann, sondern vor allem von den Gebiets­körper­schaften, die zuständig sind.

Beim Thema Luft haben wir Handlungsbedarf bei den Stickoxyden, überhaupt keine Frage. Feinstaub und Ozon wurden angesprochen, hier ist dieser Weg mit IG-Luft, anderen Grenzzielen und Schwellenwerten mit den Bundesländern konsequent weiter zu gehen, um die Situation zu verbessern.

Es gibt ein großes Sorgenkind, das ist die Frage des Kyoto-Ziels. Es ist so, dass wir abseits des Ziels liegen, aber ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben. (Zwischenruf des Bundesrates Breiner.)

Ich glaube nicht nur daran, dass wir es erreichen können, ich bin mir auch sicher, dass wir es erreichen können, wenn wir viel stärker als in der Vergangenheit mit dem gesamten Maßnahmenmix, der uns dafür zur Verfügung steht – Verkehr als Klimakiller Nummer 1, das größte Sorgenkind in diesem Bereich, in der Frage der Raumwärme, Energieeffizienz, Umstellung auf alternative Energien –, konsequent weiterarbeiten. Das ist unsere Aufgabe. Das ist unser Auftrag, um das Kyoto-Ziel zwischen 2008 und 2012 zu erreichen.

Wir werden dazu auch die Beimischung der Biokraftstoffe noch verstärken. Die wirken schon. Das zeigen auch die Berichte und die Auswertungen mit 1,4 Millionen Tonnen minus im Treibstoffbereich durch die Beimischung von 5,75 Prozent. Es tut sich also an allen Ecken und Enden etwas, aber wir haben einen klaren Handlungsauftrag. Und eines ist hier auch klar und deutlich zu sagen – die Frau Bundesrätin Kerschbaum hat das angesprochen –, das wird sich auch in den nächsten Monaten herausstellen, das sieht man auch im Umweltkontrollbericht: Es ist eine klare Aufgaben- und Lasten­verteilung vorgesehen. Der Umweltminister hat die Koordination voranzutreiben und auch in seinem Bereich, dort, wo die legistischen Maßnahmen möglich sind, die Schrauben zum Guten zu drehen. Aber es sind alle anderen auch gefordert, und ich werde mir genau anschauen, ein Jahr nach dem ersten Klimagipfel, wer beim nächsten Klimagipfel, welches Ministerium in welcher Zuständigkeit, welche Landesregierung,


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 53

welche Gemeinde, welche Aufgaben von den vielen Maßnahmen, die vorgeschlagen wurden, auch umgesetzt hat. Und das wird eine Messlatte bringen, an der man genau festmachen kann, wer wirklich wie viel – außer Lippenbekenntnissen und den Installa­tionen von privaten Klimaschutzberatern – für den Klimaschutz getan hat. Das wird ein spannender Tag, an dem jeder auch klar sehen wird, wer was in seiner Verantwortung wirklich weitergebracht hat – außer Kosmetik zu betreiben.

Darüber wird auch zu diskutieren sein, und das ist auch im Umweltkontrollbericht angesprochen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Mitterer und Ing. Kampl.)

12.27


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Köberl. – Bitte.

 


12.27.19

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Beim Herausgehen habe ich gesagt, es bleibt eigentlich nicht mehr viel übrig. Die Zahlen wurden genannt – 260 Seiten umfasst der Bericht. Lassen Sie mich aber zu meinen Vorrednern ein paar Bemerkungen machen! Ich kann mich nur dem anschließen, danke zu dieser Aufbereitung dieses Umwelt­berichtes 2007 zu sagen. (Bundesrat Gruber: 2006!) Es wurden Fakten daraus gebracht, und ich belästige Sie jetzt nicht mehr mit Zahlen. Es steckt eine Menge drinnen, ich werde mir nur ein paar Sachen, ein paar Highlights, heraussuchen.

Eines zur Kollegin Kerschbaum: Man kann schon alles sehr durch die dunkelgrüne Brille sehen, aber ich muss sagen, mir geht es da herinnen so, wie es hoffentlich den meisten geht: Ich meine, dass es trotzdem ein schönes Land ist und ein gutes Land ist, in dem wir leben. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.) – Ich glaube, das zu sagen ist auch einmal wichtig. (Bundesrat Schennach: Die rosarote Brille ist das!) – So ist es. Wenn schon, dann muss es in den Farbschattierungen passieren, Herr Kollege Schennach. Dunkelgrün, glaube ich, passt in dem Fall sehr gut.

Zwei Dinge möchte ich herausgreifen, als einer, der aus dem Salzkammergut stammt, wo die Berge, wo der Wald und wo das Wasser eine große Rolle spielen. Wir haben schon von den Verbesserungen bei der Wasserqualität gehört, die es gegeben hat – 99 Prozent Güteklasse 1 und 2. Aber gerade das Wasser und die Nutzung des Was­sers ist auch immer wieder ein Thema, und da gibt es genügend Beispiele. Wir alle bekennen uns zur Wasserkraft. Wenn es dann aber darum geht, sie umzusetzen – ich habe das selbst miterlebt –, wird es schwierig, denn da heißt es dann zu überlegen, was vorrangig ist: das Ökologische dieses Gewässers oder auch die Nutzung der Wasserkraft? (Bundesrat Gruber: Es geht beides!) – Hier ist es dann schwierig, den Spagat zu schaffen und zu sagen, was wertvoller ist. Ich glaube, hier muss man klar Flagge zeigen, wofür man steht.

Das Zweite, was unser Wasser betrifft, was aber noch nicht erwähnt wurde, ist die ganze Sache mit dem Hochwasserschutz und was Kollege Kampl angesprochen hat, dass dieser Umweltkontrollbericht eigentlich allen zugänglich sein sollte. Er ist es, meine Damen und Herren! Über das Internet kann sich den jeder herunterladen und sich dort wirklich auch vertiefen.

Auch etwas, was über das Internet funktioniert, ist das Hochwasser­risikozonierungs­system, kurz HORA genannt, wo 25 000 Flusskilometer zugänglich sind und jede/r der einzelnen Bürgerinnen und Bürger sich informieren kann, wie es denn um ihr/sein Grundstück bestellt ist.

Es gibt aber auch bei den Hochwasserschutzbauten einen Aufholbedarf hinsichtlich der naturnahen Verbauung. Und es hat gerade wieder eine naturnahe Rückverbauung in


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 54

unserer Region beim Abfluss des Toplitzsees gegeben, wo das sehr gut gelungen ist, wo man eigentlich eine Altlast der Hochwasserschutzverbauung in eine naturnahe Rück­verbauung umgewandelt hat. (Präsident Mag. Erlitz übernimmt wieder den Vorsitz.)

Genannt wurde auch das Lebensmittelwasser, das doch einen ganz entscheidenden Stellenwert bei uns hat. Wir wissen, wir können ohne vieles auskommen, aber ohne Wasser nicht. 99 Prozent der Wasserversorgung erfolgen eben aus Quell- und aus Bodengrundwasser. Rund eine Million Menschen in Österreich verfügt über soge­nannte Hausbrunnen. Gerade dort gibt es aber auch immer wieder Schwierig­keiten von der Belastungsseite her. In der Oststeiermark läuft deswegen ein großes Projekt, die Trinkwasserversorgung mit Wasser aus der Obersteiermark zu gewährleisten und Wasser dort hinzutransportieren.

Auch der Wald wurde bereits genannt. Auch hier, glaube ich, muss man sagen: Es ist ein gutes Zeichen, dass der Waldbestand zunimmt. Auch bei den einstigen Mono­kulturen ist Gott sei Dank ein Umdenken erfolgt: Immer mehr und verstärkter gibt es den Mischwald, der in der natürlichen Form auch vorkommt, was nur zu unterstützen ist.

Kollege Kampl hat die Überalterung der Schutzwälder angesprochen. Das ist sicherlich ein Problem. Aber denken wir an den Jänner dieses Jahres, als wir ein anderes Problem hatten; Der Sturm Kyrill hat österreichweit, glaube ich, bis zu 3,3 Millionen m³ Holz, europaweit rund 54 Millionen Festmeter Holz „verursacht“. Jetzt ist es eine Frage, ob man gerade in dieser Zeit erneuert, wo man weiß, dass jeder zusätzliche Festmeter, der auf den Markt kommt, auf der anderen Seite wieder den Preis drückt. Da sind die Dinge sehr komplex. Da bin ich dir, Herr Minister, sehr dankbar, dass du das ange­sprochen hast. Hier beginnt dieses verzahnte System zu funktionieren, dass man nicht sagt: Umweltschutz sollen „die da“ machen!

Das war ja auch ein Thema, als es um den Klimaschutz gegangen ist. Wir haben Gott sei Dank miterleben dürfen, dass das nicht nur ein internationales, sondern mittlerweile ein globales Thema geworden ist, denn hier hören die Grenzen nicht beim Luftraum auf, sondern das ist ein, wie schon gesagt, internationales und globales Thema, das uns betrifft. Natürlich: In Österreich, einem Land der Alpen, sind wir Hauptbetroffene. Wenn wir den Prognosen Glauben schenken dürfen, dass es zwei Grad, eventuell sogar vier Grad sein werden, die diese Klimaerwärmung mit sich bringt, kann man sich vorstellen, was das für den Wald, was das für unsere Tourismusregionen bedeutet.

Damit das Ganze aber nicht zu lange wird und damit Kollegin Kerschbaum das nicht zu negativ sehen muss: Ich habe etwas mitgebracht, nämlich 21 Maßnahmen für das 21. Jahrhundert. Ich hätte es Ihnen gerne übergeben, damit man manches wieder ein bisschen positiver sieht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Mitterer und Ing. Kampl.)

12.33


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 55

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

12.33.523. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. September 2007 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die grenzüberschreitende Verschmel­zung von Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union erlassen wird sowie das Firmenbuchgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Rechtspflegergesetz, das GmbH-Gesetz, das Aktiengesetz 1965, das Umwandlungsgesetz, das Unter­nehmensgesetzbuch und das Übernahmegesetz geändert werden (Gesellschafts­rechts-Änderungsgesetz 2007 – GesRÄG 2007) (171 d.B. und 218 d.B. sowie 7758/BR d.B. und 7766/BR d.B.)

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Wir kommen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Florianschütz. Ich bitte um den Bericht.

 


12.34.08

Berichterstatter Peter Florianschütz: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 27. September 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die grenzüber­schrei­tende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union erlassen wird sowie das Firmenbuchgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Rechtspfleger­gesetz, das GmbH-Gesetz, das Aktiengesetz 1965, das Umwandlungsgesetz, das Unternehmensgesetzbuch und das Übernahmegesetz geändert werden (Gesell­schafts­rechts-Änderungsgesetz 2007 – GesRÄG 2007).

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Oktober 2007 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schimböck. Ich erteile ihm dieses.

 


12.35.14

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier ein Gesetz, das der gesellschaftlichen Entwicklung der Kapitalgesell­schaften europaweit Rechnung trägt. Es geht primär darum: Die Grundsätze sind, weitere nationale Verschmelzungen nicht mehr auszubauen, hingegen aber Ver­schmelzungen von Unternehmungen auf europäischer Ebene einheitlich zu regeln. Es geht um die Kontrolle, um die Transparenz dieser Betriebe – eine sehr wichtige Sache.

Was ich auch aus dem Ganzen herauslese, dass hier der Mitarbeiterbeteiligung das Wort geredet wird. Es kommt ja auch aus Kreisen der Wirtschaftskammer, wie för­derlich eigentlich eine Mitarbeiterbeteiligung ist. Wir sehen das auch, wenn es darum geht, in den Betrieben mitzureden, dort Sperrminoritäten und das alles abzudecken.

Ich möchte aber hier, sehr geehrte Frau Bundesministerin, vor allen Dingen noch auf eines hinweisen: Ich glaube, was wir dringend brauchen, parallel zu diesem Geset­zeswerk, das ja begrüßenswert ist, denn es bringt uns viel an notwendiger Trans­parenz im Kapitalgesellschaftsbereich, ist ganz einfach, bei der Internationalisierung auch das Steuerrecht entsprechend anzupassen. Ich glaube, hier kommt eine große


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 56

Aufgabe auf die Europäische Union zu. Wir wissen, dass am 1. Jänner 2008 neuerlich in einem ganz wichtigen EU-Land der Körperschaftsteuersatz herabgesetzt wird, nämlich in der Bundesrepublik Deutschland. Wir sind dann, wenn wir real den Steuer­satz bei den Körperschaftsteuern betrachten, natürlich noch immer in einem sehr günstigen Feld aufgestellt.

Wir wissen, dass es da zu einer Reihe von Geldflüssen kommt, dass jetzt in der Bun­desrepublik Deutschland zum Beispiel eine eigene sogenannte – ein steuertechnischer Ausdruck – Zinsschranke eingeführt wird. Es hat sich ja herausgestellt, dass viele Unternehmungen, die ihre Muttergesellschaft in ein EU-Land mit einer steuerlich günstigeren Situation auslagern, dann hergehen und sich quasi bei der Mutter Geld ausborgen und somit irgendwelche Zinsen verrechnet werden. Diese Zinsen werden zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland künftig auch der vollen Besteuerung unterliegen. Man hilft sich also hier ab, aber ich glaube, das können ja alles nur irgendwelche Hilfsinstrumente sein.

Ich denke, hier wird es ganz wichtig sein, Frau Bundesministerin, entsprechende Schritte zu setzen, um eben auch unsere Wirtschaft zu schützen. Vor allen Dingen eines ist mir ganz wichtig als Vertreter auch des Sozialdemokratischen Wirtschafts­verbandes: Es kann nicht sein, dass hier zweierlei Recht in steuertechnischer Hinsicht entsteht, nämlich dass für jene kleinen und mittleren Betriebe, die wirklich die Stütze unserer Gesellschaft sind – Gottfried nickt da (in Richtung des Bundesrates Kneifel), glaube ich, auch zustimmend –, ein anderes Steuerrecht gilt als für jene, die auf dem großen europäischen Steuerklavier mitspielen können.

Das Zweite ist – dem tragen die Bestimmungen dieses Gesetzes in weiten Bereichen ja bereits Rechnung – die Transparenz. Es hat bekanntlich einmal Warren Buffett, der berühmte amerikanische Investor, gesagt: Wer wirklich nackt im Wasser steht, das bemerkt man nur bei Ebbe. – Das ist auch der Zustand, den wir bei vielen Börsengängen und so weiter bemerken, was sich da gerade in letzter Zeit heraus­gestellt hat: Es soll nicht sein, dass man irgendwelche wirtschaftlichen Vorgänge erst erkennen kann, wenn jemand Aktien kauft, wenn dann eben Ebbe in diesen Unternehmungen ist. Also: Die Transparenz ist etwas ganz, ganz Wichtiges. Ich glaube, auch hier sollten wir weitere Initiativen im europäischen Bereich setzen.

Aber insgesamt kann man nur sagen, Frau Bundesministerin: Es ist in einer sehr guten Weise gelungen, EU-Recht umzusetzen. Ich denke, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind. Selbstverständlich wird auch die sozialdemokratische Fraktion diesem Gesetzeswerk zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.39


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Kühnel. Ich erteile ihm dieses.

 


12.40.01

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schimböck hat schon sehr vieles gesagt; ich möchte hier nicht noch einmal verschiedene Sachen erwähnen, daher werde ich mich sehr kurz fassen. Nur eines möchte ich gleich am Anfang sagen, weil er vom Steuerklavier gesprochen hat: Es ist schön, wenn das die Frau Justizministerin in die Hand nimmt. Aber sie kann in dem Falle nur sozusagen Überbringerin dieser Nachricht an einen anderen, zuständigen Minister sein, nämlich an den Vizekanzler. Aber sie wird das sicher tun, ich hege da guten Optimismus.


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 57

Bei dieser Umsetzung einer EU-Richtlinie ist festzuhalten – und das ist ein Kompliment an Sie, Frau Bundesministerin –, dass es eigentlich sehr schnell gegangen ist. Wenn man vergleicht, was in Europa beschlossen wird, in Brüssel beziehungsweise auch im Europäischen Parlament, dann sieht man, dass es in Österreich öfters sehr lange braucht, bis etwas umgesetzt wird. In dem Fall ist es sehr schnell gegangen.

Sehr schnell wird es nun hoffentlich auch bei der Idee gehen, dass österreichische GesmbHs oder GmbHs – wobei ich noch „GesmbH“ gelernt habe, jetzt heißt es „GmbH“ – und Aktiengesellschaften mit anderen Gesellschaften in Europa verschmol­zen werden können. Aber auch gewisse Umwandlungsmöglichkeiten sind gegeben. Das ist ein ganz, ganz großer Fortschritt.

Fortschrittlich an dem Gesetz ist auch, dass gewisse Minderheitenrechte nicht „über­kandidelt“ dargestellt werden, sondern dass man relativ schnell zu einer Barabfindung widersprechender Gesellschafter kommen kann. Positiv ist auch der Ausbau der Minderheitenrechte und des Gläubigerschutzes bei Verschmelzungen und Umgrün­dungen.

Was die Abläufe für die Publikation betrifft, finde ich – wenn man sich den Geset­zes­text durchliest – das Ganze doch etwas kompliziert. Vielleicht könnte man nach einem gewissen Beobachtungszeitraum Schritte setzen, um dies etwas zu beschleuni­gen.

Grosso modo ist jedenfalls zu sagen, dass diese Initiative, die heute auch von uns abgesegnet wird, eine Stärkung des europäischen und des österreichischen Wirt­schafts­standortes darstellt. Daher ist diese voll zu unterstützen. Meine Fraktion stimmt auch zu, dass der Bundesrat keinen Einwand erhebt. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.42


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Breiner. Ich erteile es ihm.

 


12.42.31

Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werter Kollege von der SP-Fraktion! (Heiterkeit des Redners sowie bei der ÖVP. – Bundesrat Kritzinger: Sonst ist niemand da?) – Es ist ja nett, wenn man jemanden einmal persönlich begrüßen kann. (Bundesrat Schennach: Ich bin auch da!) – Ja, werter Kollege von der grünen Fraktion!

Die vorliegende EU-Richtlinie und deren Umsetzung ist natürlich erfreulich. Sie bringt eine höhere Rechtssicherheit mit sich, dient aber auch dem Gläubigerschutz. Daher werden wir dem Gesetz klarerweise unsere Zustimmung erteilen. (Bundesrat Kneifel: Für den Fall, dass wir noch beschlussfähig sind!) – Für den Fall, dass wir noch beschluss­fähig sind.

Die Möglichkeit für Kapitalgesellschaften, länderübergreifend zu verschmelzen, ist im Sinne der europäischen Integration und hat auch Vorteile für kleinere Wirtschafts­standorte. Europäische Programme, die das Zusammenwachsen grenznaher Wirt­schafts­regionen fördern, erhalten dadurch einen zusätzlichen Antrieb. In Österreich sind davon nahezu alle Regionen betroffen, sie können davon profitieren. Grenzüber­schreitende Zusammenarbeit wird seit Jahren propagiert und auch praktiziert. Die Expansion österreichischer Betriebe in die Nachbarstaaten wird dadurch erleichtert.

Doch was dies für die wirtschaftspolitische Dimension dieser Entwicklung bedeutet, das sollte auch auf die sozialpolitische Ebene übertragen werden. Die Mitbestim­mungsregelungen für ArbeitnehmerInnen müssen separat durch Änderung im Arbeits-


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 58

verfassungsgesetz erlassen werden. Das fällt in die Zuständigkeit des Ministers für Wirtschaft und Arbeit.

Es ist sicher im Interesse aller – und das ist heute schon angeklungen –, auch der Arbeitgeber, die ArbeitnehmerInnenmitbestimmung in den Aufsichtsräten, die in Österreich Tradition hat, zu bewahren. Hier müssen wir darauf achten, dass diese Einrichtungen nicht nach unten korrigiert werden, wenn es zu EU-weiten Standards kommt.

Neben diesen Richtlinien müssen wir auch schauen – das hat Kollege Schimböck schon gesagt –, dass der Steuerwettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten ein Ende hat. Durch diese Konkurrenz laufen wir Gefahr, hohe österreichische Standards zu verlieren. In der Erläuterung dazu schließe ich mich dem Kollegen vollinhaltlich an.

Mit dieser Richtlinie – ich komme zum Schluss – beschreitet die Union einen absolut richtigen Weg. Wir hoffen aber, dass dieser Weg auch in Richtung einer sozialen Union gegangen wird. Hiezu braucht es sicher noch viele mutige Entwürfe. (Beifall bei den Grünen.)

12.46


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile es ihm.

 


12.46.14

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich hatte schon den Verdacht, dass die linke Seite des Hauses wegen der schwierigen Materie fluchtartig den Saal verlassen hat. Ich bin froh darüber, dass einige doch wieder zurückgekehrt sind, und darf nunmehr auf das Thema zu sprechen kommen.

Es geht – wie von meinen Vorrednern schon erwähnt wurde – bei der Umsetzung dieser EU-Richtlinie um die europaweite Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, eine durchaus komplexe, um nicht zu sagen schwierige Rechtsmaterie. Trotzdem ist die vorliegende Gesetzesvorlage für den gemeinsamen Wirtschaftsraum Europa von großer Tragweite, weil es bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung oder Kompa­ration, wenn Sie so wollen, von Kapitalgesellschaften mit dem Sitz in verschiedenen EU-Ländern, wenn dann auch gemeinsame Gesellschaften dadurch entstehen, um KG-Richtlinien und -Regelungen gehen muss.

Dabei erscheint es wesentlich, dass für jede der Gesellschaften das innerstaatliche Recht anzuwenden ist, andererseits gerade im Verschmelzungsbereich auch der Minderheitenschutz durch klare Ausstiegsszenarien sowie die Möglichkeit für die Geltendmachung von Schadenersatz besteht, wenn diese Richtlinien nicht eingehalten werden.

Ich möchte aber als ArbeitnehmerInnenvertreter auch darauf hinwiesen, dass die Frage der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in diesen neuen, verschmolzenen Gesell­schaften auftritt. Dabei habe ich allein schon mit dem Begriff „Verschmelzen“ meine Probleme, weil das Verschmelzen von Materie auch bedeutet, dass dabei die Materie immer kleiner wird und auch Arbeitsplätze verloren gehen.

Aber zurück zu den Arbeitnehmerrechten: Es erscheint mir wichtig, dass Betriebs­rätInnen bei der Verschmelzung dieser Gesellschaften mitreden können und dass ihnen bei dem zu erstellenden Bericht ein Stellungnahmerecht eingeräumt wird, bevor dieser Bericht der Gesellschaftsversammlung vorzulegen ist. Mit den notwendigen Adaptierungen im Arbeitsverfassungsrecht soll auch dies gewährleistet werden. Ein entsprechender Gesetzesvorschlag wird dem Parlament zugeleitet beziehungsweise ist, glaube ich, derzeit bereits in Begutachtung, wobei ich anzumerken wage, dass wir


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Österreicher, was ArbeitnehmerInnenrechte anbelangt, europaweit sicher weit vorne liegen, weil die Mitwirkungsrechte hier ganz klar normiert sind und dies im restlichen EU-Raum gar nicht so der Fall ist oder nicht selbstverständlich ist.

Erwähnenswert ist auch noch, dass von derartigen Verschmelzungen über die bis­herige Praxis hinaus Genossenschaften, die im österreichischen Wirtschaftsleben einen besonderen Stellenwert haben, ausgeschlossen sind.

Mit diesem Gesetz wird ein neues Kapitel der Wirtschaftspolitik geschrieben. Ich bin der Auffassung, dass dies weiter zur Entwicklung des europäischen Wirtschaftsraumes und zur Belebung des Wirtschaftsstandortes Österreich beitragen kann.

Ich darf das Kompliment, das Kollege Kühnel ausgesprochen hat, aufgreifen und Ihnen, Frau Ministerin, zu der raschen und hervorragenden Umsetzung gratulieren. Unsere Fraktion wird diesem Gesetz sehr gerne die Zustimmung erteilen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.49


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Berger. Ich erteile es ihr.

 


12.49.39

Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Danke schön, und danke für das Lob zu dieser Regierungsvorlage! Ich kann das natürlich nur der Beamtenschaft des Justiz­ministeriums weiterleiten, die insbesondere in den kompliziertesten gesellschafts­rechtlichen Fragen immer wieder Meisterleistungen erbringt, so sperrig die Materie auch ist. Ich glaube, das gilt für das gesamte Gesellschaftsrecht, aber das gilt natürlich für diese Verschmelzungsfragen im Besonderen.

So sehr sind sie mir zum Teil auch ans Herz gewachsen, weil ich ja noch als Abgeord­nete zum Europäischen Parlament und Mitglied des Rechtsausschusses über einige Zeit damit beschäftigt war, die Richtlinie, deren Umsetzung wir jetzt beraten, auch selbst mitzugestalten. Es war uns damals insbesondere auch ein Anliegen, dass wir von der europäischen Ebene her eine Vorlage liefern, die es möglich macht, unter­schied­lich hohe Arbeitnehmermitbestimmungsstandards, die wir tatsächlich in den europäischen Ländern haben, so einzufangen, dass hohe Standards, wie wir sie in Österreich haben, auch gewahrt bleiben können. Es wurde schon gesagt, dass dieser Teil in der Verantwortung des Kollegen Dr. Bartenstein steht, und meines Wissens liegt die Vorlage bereits im Wirtschaftsausschuss des Nationalrates.

Ich möchte auch hier darauf hinweisen, dass wir bei dieser Richtlinie nicht nur eine Mindestumsetzung mit dieser Regierungsvorlage vorgenommen haben, sondern durchaus – wie von den Betroffenen, insbesondere der Wirtschaft, gewünscht – ein bisschen darüber hinausgegangen sind. Ich betone das deshalb, weil üblicherweise immer der Vorwurf kommt oder es als Vorwurf gesehen wird, wenn wir aus Anlass der Umsetzung von Richtlinien mehr als das mindest Notwendige tun. In dem Fall trifft es aber auf große Zustimmung, und ich glaube, es ist von der Sache her gut begründet. Im Zentrum steht natürlich der Gläubiger- und der Minderheitenschutz, und ich glaube, die Lösungen, die hier vorgeschlagen sind, sind sehr praktikabel.

Zur steuerlichen Frage, glaube ich, wissen wir alle, dass es das große Standortproblem in Europa ist, dass wir trotz aller Bemühungen um Zusammenarbeit einen Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten haben. Die Wurzel liegt in der Notwendigkeit einer einstim­migen Vorgangsweise im Bereich der steuerrechtlichen Fragen in der Euro­päischen Union. Diese Einstimmigkeit haben wir trotz aller Bemühungen im Verfas­sungskonvent et cetera bis jetzt nicht weggebracht, und dieser Steuerwettbewerb ist leider zur Kenntnis zu nehmen. Ich hoffe, dass Formen der verstärkten Zusam-


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 60

menarbeit, die mit dem neuen Reformvertrag in Zukunft möglich sein sollen, vielleicht auch auf diesem Gebiet etwas leichter eingesetzt werden können.

Wir können in dem Bereich, den wir selbst gestalten können und insbesondere im Justiz­ministerium gestalten können, dazu beitragen, dass die Gründung von Unter­nehmen in Österreich mit Sitz in Österreich nach österreichischem Recht weiterhin attraktiv bleibt. Deshalb – ich habe das ja schon öfters angekündigt – gibt es Über­legungen und Vorarbeiten in die Richtung, dass wir insbesondere die Gründung von – ich sage auch noch immer – GesmbHs in Österreich erleichtern wollen. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

12.53


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

12.53.464. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. September 2007 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Insolvenzrechtseinführungsgesetz und die Konkursord­nung geändert werden (Schuldenberatungs-Novelle – Schu-Nov) (172 d.B. und 219 d.B. sowie 7767/BR d.B.)

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Wir gelangen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Florianschütz. Ich bitte um den Bericht.

 


12.53.58

Berichterstatter Peter Florianschütz: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich bringe Ihnen den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 27. September 2007 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenzrechtseinführungsgesetz und die Konkursordnung geändert werden.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Oktober 2007 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schimböck. Ich erteile es ihm.

 


12.54.31

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir stehen auch hier vor einem sehr, sehr wichtigen Gesetz, das vorliegt. Ich habe mir die aktuellen Zahlen angesehen, und die sind ja gerade in dem Bereich, für den die Schuldnerberatung zuständig ist, sehr alarmierend.


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 61

Am signifikantesten ist hier die Entwicklung der sogenannten Privatkonkurse. In den ersten Quartalen, die wir berücksichtigen können, hat sich ein Anstieg auf 6 486 Privat­konkurse ergeben; das ist immerhin ein Plus von 15,8 Prozent. Wenn man damit die unternehmerischen Konkurse vergleicht – das war damals quasi der Vorläufer dieses Regelwerks in der Insolvenzordnung, in der Konkursordnung –, zeigt dies auch noch 4 804 Fälle, aber immerhin ein Minus von 3,6 Prozent. Das spricht eigentlich für eine erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung. Aber das wenig Erfreuliche ist eben die Entwicklung der privaten Verschuldung in den Haushalten. Wenn man sich vorstellt, dass wir beim durchschnittlichen Privatkonkurs immerhin von einer Summe von 40 000 € bis 50 000 € reden, dann sind das ganz enorme Summen.

Dabei ist es übrigens ein interessanter Nebenaspekt, dass auch viele ehemalige Selbst­ständige den Privatkonkurs in Anspruch nehmen. Dort ist aber schon von an­deren Beträgen die Rede, da sind nämlich die Durchschnittssummen bereits bei etwa 150 000 €. Ich glaube, da ist es auch ganz wichtig, dass man einmal darüber nach­denkt, was gerade junge Selbstständige betrifft, und man vielleicht doch noch einmal über diese Eine-Frau- oder Ein-Mann-Betriebe nachdenken sollte. Denn viele Men­schen sind davon betroffen, dass der Auslöser dann meistens die gewerbliche Sozialversicherung ist, die sogar kraft Gesetz dazu verpflichtet ist, einen Konkurs­antrag zu stellen.

Dieses Gesetzeswerk schafft, glaube ich, auch für die sogenannte Schuldnerberatung, die ich hier ganz bewusst eher als ein Heilverfahren bezeichnen möchte, einen wirklich guten gesetzlichen Handlungsspielraum. Jetzt steht einmal ganz klar fest, was für Kriterien eine Schuldnerberatung grundsätzlich erfüllen muss, um sich quasi einen offizielleren Status geben zu können: Wie lange hat es diese Schuldnerberatung schon gegeben? Gibt es dort regelmäßig drei Mitarbeiter? – Vor allen Dingen geht es auch um die Bevorrechtung im laufenden Verfahren. Das alles wird dann diese staatlich anerkannte Schuldnerberatung auszeichnen. Natürlich wurde das auch auf eine gewisse Stufe gehoben, es wird nämlich der Präsident des Oberlandesgerichtes künftighin entscheiden, was eine staatlich anerkannte Schuldnerberatung ist oder nicht.

Aber auch hier ist dies mein Ersuchen an Sie, Frau Bundesministerin: Es handelt sich um eine Querschnittmaterie. Denn das ganze Problem der Verschuldung der privaten Haushalte, das offensichtlich im Steigen begriffen ist, ist für mich auch ein großes soziales Problem. Es ist ein Problem der Bildung, der Erziehung und so weiter. Ich bitte auch hier, den hervorragenden Ansatz in diesem Gesetzeswerk noch ressortüber­greifend weiterzudenken, Frau Bundesministerin.

Ich glaube, wir werden in den Schulen ansetzen müssen. Man muss dort meiner Ansicht nach verstärkt darauf einwirken, wie wir uns mit Gegenständen wie Gesund­heitslehre und dergleichen mehr beschäftigen. Es wird auch darum gehen, den jungen Menschen wirklich beizubringen, wie eigentlich eine Gesundung des privaten Haus­haltes aussehen kann. Ich weiß schon, das steht zum Teil natürlich völlig im Wider­spruch zur Werbefreiheit in unserem Land, wenn dort jeder Bürgerin, jedem jungen Bürger vermittelt wird, dass die Nutzung eines bestimmten Handytarifes oder von was auch immer eigentlich zum Nulltarif geschieht.

Da ist das Zweite, wo wir meiner Ansicht nach auch noch eingreifen müssten, sozu­sagen der präventive Bereich, da viele dieser marketingtechnisch sehr breit aufgestell­ten Konzerne sich beim Eintreiben des Geldes von ihren Schuldnern eines Inkasso­büros bedienen. Da erlebt man, wenn man so einen Privatkonkurs sieht – und jeder Mandatar hat sicher schon einmal solche Klienten bei sich gehabt –, Bürger, die hier um Rat und Hilfe ersuchen. Da stellt man dann auf einmal fest, dass eine Schuld eines Gläubigers, die ursprünglich 300 € ausgemacht hat, auf einmal knappe 1 000 € erreicht.


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 62

Ich meine, hier sollten wir den Gedanken des Konsumentenschutzes ein wenig weiter­denken in die Richtung, was die Schuldnerinnen und Schuldner betrifft. Denn es kann nicht sein, dass sich solche Schulden auf einmal verdoppeln oder verdreifachen, ja ich haben einmal einen Fall gesehen, da gab es fast eine Vervierfachung. Da war nämlich ein Inkassobüro zwischengelagert, und nachgelagert war eine Anwaltskanzlei. Ich habe mich dort klug gemacht, wie das funktioniert: Die verkehren zum Teil nur mehr online-mäßig mit den Bezirksgerichten, das geht also quasi virtuell, mit Knopfdruck werden da gleich die entsprechenden Mahnklagen eingebracht.

Diese Dinge sollten wir auch noch einmal hinterfragen, denn dann würde vielleicht der eine oder andere bei seinen Marketingmaßnahmen vom Konzern her überlegen: Worauf lasse ich mich da eigentlich ein? Ist es sinnvoll, irgendwelchen Leuten etwas – wenn ich es so salopp sagen darf – „aufs Aug zu drücken“? So könnte man quasi diese Entwicklung, auf die ich zu Beginn ja bereits eingegangen bin, eventuell hintanhalten.

Insgesamt kann ich auch hier natürlich Ihnen, Frau Bundesministerin, und Ihren Mitarbeitern nur gratulieren. Ich glaube, hier geht es wieder einen Schritt weiter mit einer hervorragenden Institution. Ich möchte die Gelegenheit aber auch nutzen, mich einmal bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – wir wissen, zum Teil machen sie das sogar ehrenamtlich – der Schuldnerberatungsstellen der verschiedenen Organisa­tionen, die sich hier einbringen, zu bedanken, denn die leisten, glaube ich, wirklich auch eine hervorragende Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

13.00


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Kühnel. Ich erteile ihm dieses.

 


13.01.00

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über die Schuldenberatungs-Novelle. Da ist mir vor allem wichtig, dass hier Stellen vorhanden sind, die über ausgesprochene Seriosität verfügen.

Das wird jetzt einerseits dadurch sichergestellt, dass diese Stellen mit einem Bun­deswappen versehen werden, auf dem auch ausdrücklich draufsteht, dass es sich um eine staatlich anerkannte Schuldenberatung handelt. Diese Stellen sind aber nicht nur berechtigt, das zu führen, sondern sie werden auch verpflichtet, dieses Markenzeichen anzubringen. Damit ist, glaube ich, die Seriosität auf der einen Seite sichergestellt.

Das Zweite, was mir wichtig ist: Wenn jemand ohnehin schon Schulden wie ein – wie man früher gesagt hat – Stabsoffizier hat, ist es auf jeden Fall sinnvoll, dass der dann diese Beratung möglichst kostenlos bekommt und – das wurde auch erwähnt – dass die Berater in Schuldenangelegenheiten entsprechend geschult werden.

Das ist sicher nur die eine Seite der Medaille. Es ist aber auch wichtig zu erkennen, dass das – wie Kollege Schimböck das schon angedeutet hat mit den Privatkon­kursen – zweifelsohne soziale Fälle sind, die die Gesellschaft im wahrsten Sinne des Wortes zermürben. Und hier ist es wichtig, dass die Prävention einsetzt, aber diese Prävention kann sicher nur aus einem Bündel von Maßnahmen bestehen. Es geht nicht nur darum, dass wir jetzt dieses Gesetz schaffen und mit entsprechendem Bundeswappen und so weiter versehen, sondern dass wir hier mittel- und langfristig versuchen, die Leute zu einem besseren Umgang mit dem Geld zu bewegen.

Hiezu ist es meiner Ansicht nach notwendig, dass die Banken, die Kreditkarten­gesellschaften, aber sicher auch die Werbung in den Zeitungen, im ORF und so weiter ein bisschen an ihre Verantwortung erinnert werden, darauf hinzuweisen, dass man


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nicht alles, was man sich wünscht, auch bekommen kann. Bei den Banken wäre es notwendig, dass die Rahmen wirklich strikte eingehalten werden, bei den Kredit­kartengesellschaften ist es ähnlich. Und was mich in der letzten Zeit ganz besonders geärgert hat, war: Ich habe eine Zuschrift von A1 erhalten, wo Werbung gemacht wird für das Einkaufen mit dem Handy. Nur, wenn man unsere heutigen Jugendlichen kennt, ob sie dann immer die Übersicht haben, wenn sie mit dem Handy einkaufen, das wage ich zumindest zu bezweifeln.

Eines wird aber auch notwendig sein auf diesem Sektor: dass das Elternhaus versucht, die Kinder entsprechend anzuhalten, zu erziehen – die Eltern kann man nicht aus der Pflicht nehmen –, und sicher auch noch, dass die Schule mit dem Elternhaus zusammen deutlich macht: Was bedeuten Schulden? Was bedeuten Kredite? Beim Kredit ist es in der Regel so: Man freut sich, wenn man das Geld sozusagen auf die Hand bekommt, die Ratenzahlung und die Zinsen sind dann etwas, was man weit von sich weist, weshalb man dann eben in irgendeiner Form bei der Schuldnerberatung landet.

Daher: Nur mit diesem Bouquet an Maßnahmen wird es möglich sein, das mittel- und langfristig in den Griff zu bekommen. Ich darf daher appellieren, dass man hier viel­leicht versucht, etwas in diese Richtung zu erreichen.

In dem Sinne danke ich einerseits fürs Zuhören, andererseits wird meine Fraktion selbstverständlich keinen Einwand gegen dieses Gesetz erheben. (Beifall bei der ÖVP.)

13.04


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Breiner. Ich erteile ihm dieses.

 


13.05.00

Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen auch von der SPÖ-Fraktion, die diesmal den Saal nicht verlässt, wenn ich zu reden beginne! Schuldenberatung – eine wichtige Institution. Besonders wichtig finde ich, dass sie mit Qualitätsstandards versehen wird, besonders wichtig finde ich, dass diesen Qualitätsstandards eine staatliche Anerkennung folgt.

Nicht selten bieten diejenigen, die einen Nutzen daraus haben, Schuldenberatung an, und diejenigen, die sie eigentlich bitter nötig hätten, rauschen noch tiefer in ihr Schul­denelend.

Wichtig aber ist, wenn wir schon so eine positive Einrichtung haben, dass diese auch benutzbar wird, das heißt, leicht zugänglich für die Bürger. Kollege Kühnel hat gesagt, sie muss kostenlos sein. Der Meinung bin ich auch, denn wie will man bei einem Menschen, der ohnehin schon bis über den Hals verschuldet ist, noch Kosten eintreiben?

Wichtig ist – da halte ich mich an den Kollegen Schimböck –, dass natürlich Prävention Vorrang haben muss – wir wissen, dass auch jetzt schon Mitarbeiter der Schulden­beratung in den Schulen tätig sind, und ich nehme an, dass das auch weiterhin geschehen wird –, aber wichtig ist auch – da gebe ich ja dem Kollegen Kühnel Recht –, dass die Verlockungen der Wirtschaft, die Verlockungen des Einkaufens, die leichten Zugänge zu Geld, zu Krediten – das Handy ist eines der Beispiele – für Schülerinnen und Schüler tatsächlich eine Verlockung darstellen, der sie häufig nicht widerstehen können und der man großteils auch machtlos gegenübersteht, weil man ja davon teilweise nicht einmal weiß.


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 64

Wir wissen, was Handyrechnungen ausmachen, wir wissen, was Einkäufe ausmachen, die SchülerInnen tätigen. Diese Kosten werden dann von den Eltern übernommen. Wie also sollen Schüler dann lernen, wie man Schulden begleicht?

Neulich habe ich mir den Herrn Scharinger von der RAIKA angehört, der sagte, man müsse den Jugendlichen möglichst schnell zu einer Scheckkarte verhelfen und sie möglichst schnell auch die Erfahrung machen lassen, was es heißt, den Rahmen – er hat zwar gesagt, in einem ganz geringen Ausmaß – zu überziehen. Daraus kann man durchaus einen löblichen Gedanken ableiten, aber in Wirklichkeit wird es viele doch nur verlocken, diesen Rahmen allzu schnell auszunützen, und mit der Schulden­rück­zahlung wird man dann schnell in die Bredouille kommen.

Wir wissen auch, dass Schulen ihre Schülerinnen und Schüler immer zu Banken bringen, wo ein Vortrag über Angebote der Bank gehalten wird, wo auch ein Vortrag gehalten wird, dass man diese Schulden, die man anhäuft, wieder zurückzahlen muss. Schülern aber bewusst zu machen, wie schwierig dies ist, ist nahezu unmöglich. Denn was für einen Zeitbegriff haben Schüler, was heißt es für einen Schüler oder eine Schülerin, 1 000 € Schulden zu haben? – Das klingt für einen Erwachsenen durchaus noch ganz lapidar, das würde ihn auch noch nicht zur Schuldnerberatung bringen, aber Schüler können sich das einfach nicht vorstellen. Man kann ihnen auch nicht wirklich klarmachen, dass man mit ihrem Taschengeld dann halt zehn Jahre sparen müsste, bis das zurückgezahlt ist.

Ich denke, dass es vielerlei Dinge bedarf, um hier effektiv zu sein, ich denke aber auch, dass wir dazu übergehen sollten, dass sich Banken, Handybetreiber tatsächlich daran halten, sich über die Kreditfähigkeit ihrer Klientel klar zu werden und dass sie den Rahmen für diese Kreditwürdigkeit – soweit sie nicht belogen werden – sehr eng setzen sollten.

Einer der Punkte, die heute schon gefallen sind – ich will das nicht länger ausführen –, sind natürlich auch Schulden, die aus Selbständigkeit entstehen. 12 500 Personen im Jahr sind es, die wegen verfehlter Betriebsgründung um ihre finanzielle Existenz gekommen sind. Das ist eine sehr große Zahl von Menschen. Ich glaube, dass hier auch eine ganz wesentliche Beratung notwendig ist, wenn Menschen in diese Selb­ständigkeit gehen. Ich weiß, dass es Beratung gibt, aber ich denke, man kann nicht genug auf die Gefahren eines Versagens hinweisen. Auch hier gibt es natürlich viele Verlockungen am Anfang, die sich nachher dann bitter in Rechnung stellen.

Einen Punkt möchte ich hier noch aufgreifen: die Haftung Dritter. Auch hier ist es oft schwierig, weil Personen, die für jemand anderen haften, dann, wenn diese Haftung in Kraft tritt, selbst dem Konkurs nahe sind oder in Konkurs gehen – das gilt sowohl für Firmen als auch für Einzelpersonen – und dann wirklich verwundert sind, dass sie um ihre Existenz gebracht sind. (Bundesrat Mag. Himmer: Müsste das nicht auch für die öffentliche Hand gelten? Auch öffentliche Gebietskörperschaften geben immer mehr aus, als sie einnehmen!)

Ich könnte mir vorstellen, dass auch die Öffentlichkeit eine gewisse Wirkung hat, aber ich denke, dass der Staat ja nicht eins zu eins mit einem Privatunternehmen zu vergleichen ist und volkswirtschaftliche Zusammenhänge durchaus schwieriger sind. (Bundesrat Mag. Himmer: Nein, das ist genauso!) Aber insofern gebe ich Ihnen recht (Bundesrat Mag. Himmer: Da wird immer gekauft und gekauft!) – ja, ja –: Wir wollen das, und wir bekommen das!, das ist eine Stimmung, aber das ist sicher eine der Möglichkeiten, auch klarzumachen, dass wir das zahlen müssen. Wir Erwachsenen wissen ja das Gott sei Dank, so hoffe ich, eher. Recht vorbildhaft sind wir ja nicht, weil die Konkurse letztendlich immer Erwachsene treffen, nicht jedoch Kinder beziehungs­weise Kinder nur sekundär treffen, nicht aber direkt.


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Zum Schluss: Die Schuldenberatung ist eine höchst sinnvolle, höchst wichtige, höchst erzieherische Einrichtung, und ich hoffe, dass sie mit den Jahren immer weniger Arbeit bekommt, weil der Umgang mit Geld ein verantwortungsbewussterer wird. Ansonsten sind wir froh, dass wir sie haben. (Beifall bei den Grünen.)

13.13


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Sodl. Ich erteile es ihm.

 


13.13.32

Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen! Sehr geschätzte Kollegen! Die zunehmende Verschuldung der privaten Haushalte nimmt in unserem Land, wie wir heute von den Vorrednern schon gehört haben, immer mehr zu und ist eine traurige Tatsache. (Bundesrat Mag. Himmer: Es hätte sich auch gehört, die Frau Minister zu begrüßen!) Oh, Entschuldigung! Da möchte ich mich entschuldigen. Frau Minister, Entschuldigung vielmals! (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Berger.– Entschuldigung!

Wir haben von Kollegen auch gehört, dass wir als Kommunalpolitiker die Problematik kennen und dass wir in unseren Kommunen und in unserer Region immer wieder mit der Tatsache in Konfrontation kommen, dass immer mehr Menschen in die Schul­denfalle tappen. Die Ursachen für die finanziellen Schwierigkeiten sind vielfältig. Sowohl der Hausbau als auch Wohnraumbeschaffung, Arbeitslosigkeit und Einkom­mens­verschlechterungen werden oft genannt. Weitere Ursachen sind Bürgschaften, der Tod des Partners, die Trennung oder auch die Scheidung und vor allem auch jugendlicher Leichtsinn und falsches Konsumverhalten.

Die Statistik beweist, dass immer mehr junge Menschen in die Schuldenfalle tappen. An der obersten Stelle – das haben wir auch schon gehört – steht das Handy, gefolgt von Ausgaben für die Beschaffung und Erhaltung von Autos sowie Elektronikwaren und auch Internetkosten. Sehr oft werden das Versandhaus und Internetshopping mit ihren scheinbar günstigen Teilzahlungsbedingungen in Anspruch genommen, doch der Ratenkauf wird in Wirklichkeit immer wesentlich teurer. Bis zu 20 Prozent Zinsen sind daher keine Seltenheit.

Die WHO definiert Armut anhand des Verhältnisses des individuellen Einkommens zum Durchschnittseinkommen im Heimatland einer Person. Danach ist arm, wer monatlich weniger als die Hälfte des aus der Einkommensverteilung seines Landes berechneten Zentralwertes zur Verfügung hat. Das heißt aber auch, dass Armut in armen Ländern anders zu definieren ist als in reichen Ländern.

Wir stellen uns die Frage: Gibt es Armut in unserem Land? – Bis vor einigen Jahren hatte man das Gefühl, Armut wäre weit weg, wäre nur ein Problem der Länder der Dritten Welt, abgesehen von einigen gestrandeten Existenzen, die irgendwo in der Großstadt leben. Dass sich Armut, neue Armut schleichend auch bei uns immer mehr ausbreitet, haben wir beinahe übersehen. Armut ist oft auch dort, wo sie gar nicht vermutet wird. Sie wird versteckt, es wird versucht, den Schein zu wahren.

Für mich sind all jene wirklich arm, die nicht wissen, ob sie genügend Geld haben, um die Familie ernähren zu können; die nicht wissen, ob sie die Miete für die Wohnung oder die Kreditraten für das Haus bezahlen können; die Angst haben, dass die Waschmaschine oder der Ofen defekt werden, denn eine Reparatur oder eine Neuanschaffung können sie sich nicht leisten; all jene, die im Winter oftmals frieren oder die Angst vor dem Schulanfang haben, weil die Anschaffungskosten für Hefte, Schreibutensilien, Schultaschen und so weiter das Haushaltsbudget zu sehr belasten.


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 66

Die Aufzählung könnte beliebig ergänzt werden. Besonders schlimm ist es, wenn Kinder darunter zu leiden haben.

Viele der Betroffenen wissen nicht, dass es Hilfe gibt, sie schämen sich und haben Scheu davor, diese Hilfe zu suchen und sie auch anzunehmen. Es ist nicht leicht, über seine Probleme zu reden, und es ist vor allem nicht leicht, einzugestehen, dass man selbst Hilfe braucht.

Ich habe selbst mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Schuldnerberatung ge­sprochen. Diese werden oft damit konfrontiert, dass es den Betroffenen natürlich sehr unangenehm ist, das Beratungsangebot anzunehmen und über ihre finanziellen Schwierigkeiten zu reden. Es soll niemand sehen und es soll niemand hören, dass sie Schulden und vor allem daraus resultierend große Probleme haben. Das, obwohl alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schuldnerberatung der Verschwiegenheitspflicht unterliegen und sämtliche Schritte nur im Einverständnis mit dem Schuldner erfolgen dürfen.

Statistiken belegen, dass Armut krank macht. Auch die Sorge um den Arbeitsplatz und die dadurch resultierenden finanziellen Ängste führen in vielen Fällen zu psychischen Erkrankungen.

Ich möchte kurz auf die Schuldnerberatung meines Heimatlandes Burgenland ein­gehen. Die Schuldnerberatung Burgenland wurde im Mai 1998 eingerichtet und berät unselbständig erwerbstätige Burgenländerinnen und Burgenländer. Die Zahl der Bera­tun­gen steigt Jahr für Jahr. Waren es im Anfangsjahr 314 Personen, die die Schuldner­beratung aufgesucht haben, so wurden im Jahr 2006 1 332 Beratungen durchgeführt. Erschreckend ist aber vor allem, dass die Zahl der Privatkonkurse in den letzten Jahren ständig gestiegen ist. Für Beratungssuchende ist es in ihrer misslichen Lage oft sehr schwierig, unentgeltlich tätige Schuldnerberatungsstellen von anderen zu unter­scheiden, die die Voraussetzung für die Bevorrechtung nicht erfüllen. Für Menschen in finanziellen Notsituationen ist es enorm wichtig, eine kostenlose Beratung in Anspruch zu nehmen. Deshalb ist die bevorstehende Novellierung sehr wichtig und absolut zu begrüßen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.19


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Berger. Ich erteile es ihr.

 


13.20.26

Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Danke schön, danke auch für die allseitige Unterstützung dieses Vorschlags. Es ist natürlich allen Rednern recht zu geben, die meinen, dass da der Schlüssel für die Vermeidung von Verschuldung liegt. Die Gefahren sind heute sehr vielfältig. Ich habe erst unlängst im Radio ein Beispiel gehört, nämlich dass eine Vorarlberger Schülerin plötzlich für ihren Internetgebrauch eine Rechnung von fast 9 000 € bekommen hat, weil sie quasi durch die Lage im Grenzgebiet im Netz eines deutschen Anbieters landete und mit Auslandsgebühren in diesem erhöhten Ausmaß konfrontiert wurde, ohne dass sie das offensichtlich selbst wahrnehmen konnte. Alles, was hier an Initiativen gesetzt wird, ist, glaube ich, zu begrüßen.

Ich möchte jetzt nur aus Sicht des Justizministeriums sagen, dass wir natürlich ver­suchen, über die Regelungen im Konsumentenschutzrecht die Information für die Konsumenten, die Aufklärung über Gefahren, über Verpflichtungen, die man eingeht, möglichst gut und intensiv zu gestalten. Wir stehen aber derzeit vor der Situation, dass das Finanzministerium von uns verlangt, dass wir 25 Prozent dieser Gelder für Infor­mationspflichten, weil es ja Belastungen für die Unternehmen sind, einsparen. Und


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 67

wenn wir hier so wie andere Ministerien auch 25 Prozent einsparen müssen, müssen wir bei solchen Verpflichtungen unter anderem zur Aufklärung im Bereich des Konsu­mentenschutzrechtes auch ansetzen. Ich sage das nur jetzt schon, weil wir da in der Zukunft wahrscheinlich noch öfter darüber debattieren werden.

Was jetzt über diese jetzige Novelle hinaus zu tun ist, wurde ja heuer bei sehr guten Wilhelminenberg-Gesprächen auch zum Hauptgegenstand gemacht. In enger Zusam­menarbeit auch mit dem für Konsumentenschutz zuständigen Ministerium gibt es einige Pläne, die unter anderem in die Richtung gehen, dass wir Inkassokosten begrenzen sollten. Wir haben bei den Rechtsanwälten Höchsttarife. Warum soll man nicht auch für Inkassobüros eine gewisse Tarifierung einführen, damit nicht durch das Eintreiben der Schulden durch Inkassobüros unendliche Vervielfachungen der Schulden entstehen?

Es gibt noch einige weitere Vorschläge, insbesondere auch noch die Zugänglichkeit zum Privatkonkurs zu erleichtern. Aber all das kommt natürlich sehr spät. Wenn wir mehr tun können, um diese Situationen überhaupt zu vermeiden, ist es sicher das Beste. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

Entschuldigung, eines habe ich mir noch vorgenommen zu sagen, weil wir hier im Bundesrat sind. Es ist den Bundesländern und dem Arbeitsmarktservice zu danken, die finanzieren die Schuldenberatungsstellen. Wir sind jetzt auch gebeten worden, seitens des Justizministeriums mitzuhelfen. Ich kann es von meinem Budget her nicht und möchte deshalb einen besonderen Dank an die Bundesländer aussprechen. (Allge­meiner Beifall.)

13.23


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle hier die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit ange­nommen.

13.24.185. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. September 2007 betreffend das Zusatz­protokoll gegen die Schlepperei von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (170 d.B. und 220 d.B. sowie 7768/BR d.B.)

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Florianschütz. – Bitte.

 


13.24.31

Berichterstatter Peter Florianschütz: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses zum genannten Gesetz.


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 68

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Oktober 2007 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Absatz 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Giefing. Ich erteile es ihm.

 


13.25.08

Bundesrat Johann Giefing (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Mit der heutigen Zustimmung zu dieser Gesetzes­vorlage bekommen wir international einheitliche Standards. Es werden Straftat­bestände geschaffen, die der Fälschung von Dokumenten, der Schlepperei auf dem Land-, See- und Luftweg sowie dem illegalen Waffenhandel einen Riegel vorschieben.

Das Zusatzprotokoll geht auch auf den Umstand ein, dass bei Schlepperei die Gefähr­dung der Geschleppten als erschwerender Umstand gewertet wird. Wir alle kennen die Meldungen aus den Medien, wonach zum Beispiel aus dem nordafrikanischen Raum Menschen mit menschenunwürdigen Booten nach Europa gebracht werden.

Schlepperei betrifft jedoch nicht nur unser Österreich, sondern es ist ein globalisiertes Verbrechen. Wie multinationale Konzerne, möchte ich fast schon sagen, organisieren sich heute Schlepperorganisationen rund um den Globus. Nach Schätzungen der Interpol werden jährlich vier Millionen Menschen über die Grenzen geschleust. 100 000 pro Jahr peilen Westeuropa an. 21 Milliarden € werden durch diesen Geschäftszweig, wenn ich das so sagen darf, umgesetzt beziehungsweise verdient. Gegenüber anderen schwerwiegenden Verbrechen ist dieses Gewerbe auch relativ risikofrei. Ich betrachte es als sehr positiv, dass die Gefährdung der Geschleppten als erschwerender Tat­bestand angesehen wird, wobei die Geschleppten nicht kriminalisiert, sondern als Opfer angesehen werden. Für ihr Handeln wird die strafrechtliche Verantwortung gezielt ausgeschlossen.

Schlepperei ist eine gezielte kriminelle Handlung, welche mit allen Mitteln über alle Grenzen hinweg bekämpft werden muss. Das heute in Rede stehende Zusatzprotokoll ist darauf die richtige Antwort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wohne in etwa drei Kilometer Luftlinie von der ungarischen Grenze entfernt und bemerke ständig die Soldatinnen und Soldaten, welche an der burgenländischen Grenze ihren Dienst versehen, um genau das, worum es heute bei diesem Tagesordnungspunkt geht, zu verhindern, nämlich Menschen­schlepperei.

Es sei an dieser Stelle einmal jenen Soldatinnen und Soldaten gedankt, die wirklich bei jeder Witterung und unter schwersten Bedingungen an der Grenze ihren Dienst zum Schutz der Bevölkerung leisten. Es ist keine leichte Aufgabe, die sie haben. Sie verdienen unser gemeinsames Dankeschön.

Dem Zusatzprotokoll stimmen wir natürlich gerne zu. (Allgemeiner Beifall.)

13.28


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile es.

 



BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 69

13.28.15

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie Kollege Giefing schon ausgeführt hat, handelt es sich beim Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüber­schreitende organisierte Kriminalität eigentlich um drei Kernbereiche: den Menschen­handel, den illegalen Waffenhandel und schließlich die Schlepperei. Dieses Zusatz­protokoll über die Schlepperei soll eine Richtlinie oder ein Rechtsinstrument der UNO, wenn Sie so wollen, sein. Es soll den Staaten die Möglichkeit geben, aufgrund gemein­samer Standards vorzugehen. Damit soll und wird die Schlepperei als Tatbestand gelten. Der Geschleppte, der sowieso einer großen Gefährdung und oft unmen­schlichen Bedingungen unterliegt, wird nicht kriminalisiert und daher nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Er unterliegt sozusagen einem besonderen Opferschutz, und ich denke, das ist auch die Besonderheit an diesem Zusatzprotokoll.

Wie wir alle wissen, wird die Schlepperei von bestens organisierten kriminellen Banden gemanagt, die ihr Netzwerk über ganze Kontinente ausgelegt haben und damit auch unglaubliche Summen verdienen, wie wir heute schon gehört haben. Diese Schätzung hinsichtlich vier Millionen Geschleppten über die internationalen Grenzen kann ich hier nur bestätigen. Hunderttausende davon landen in Westeuropa.

Österreich hat sich für dieses Zusatzprotokoll besonders eingesetzt, mit der Unterstüt­zung auch von Italien, das auch ein massives Schlepperproblem hat. Ein hoher Pro­zentsatz jener, die nach Westeuropa kommen, überschreiten die italienischen Grenzen auf dem Seeweg.

Besonders hingewiesen sei auch auf die sogenannten Bootsflüchtlinge, die sich unter grauenhaften, menschenunwürdigen Bedingungen und Zuständen irgendwo von Nordafrika auf die Reise über das Meer machen und mit den sogenannten One-Way-Boats an den kanarischen Stränden und Küsten stranden, also angetrieben werden und mehr tot als lebendig sind. Es ist deshalb von besonderer Wichtigkeit, dass für die Schlepperei auf dem Seewege entsprechende Sonderbestimmungen ausgearbeitet werden.

Auch in Österreich sind wir, wie wir alle wissen, von einem ganz besonderen Schlep­perproblem betroffen, wie Kollege Giefing bereits erwähnt hat. Nur der verstärkte Einsatz der Polizei an den österreichischen Grenzen und vor allem der Assistenz­einsatz unseres Bundesheeres, wodurch seit vielen Jahren diese Grenzen vorbildlich gesichert werden, haben uns vor einer Völkerwanderung ungeahnten Ausmaßes bewahrt. Dafür darf ich an dieser Stelle so wie Kollege Giefing den Soldatinnen und Soldaten und den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten höchste Anerkennung und Dank aussprechen.

Wir werden die Schlepperei sowie den Menschenhandel, aber auch den illegalen Waffenhandel niemals abschaffen oder gänzlich verhindern können. Aber dieses Protokoll bringt den Betroffenen eine neue Qualität in ihrer rechtlichen Stellung und den Staaten eine bessere, einheitliche Handhabe gegen das Schlepperunwesen. – Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Beifall.)

13.31


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schen­nach. Ich erteile es ihm.

 


13.31.45

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine beiden Vorredner haben bereits ausgedrückt, wie wichtig dieser völkerrechtliche Vertrag und dieses grundsätzliche Bekenntnis sind, denn das Geschäft mit der Schlepperei ist eines der miesesten Geschäfte, das in


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dieser Welt mit der Not und dem Leid von Menschen gemacht wird. Insofern ist es immer wieder von besonderer Bedeutung, dass sich die Völkergemeinschaft hier klar und eindeutig dazu äußert, auch in Form von völkerrechtlichen Abkommen.

Was ich ein bisschen bedauerlich finde – ich habe das schon im Ausschuss gesagt –, ist, dass hier seitens Österreichs ein Erfüllungsvorbehalt vorgesehen ist. Wenn alles in Österreich so in Ordnung und bereits erfüllt ist, wie es dieser völkerrechtliche Staats­vertrag vorsieht, dann müsste man eigentlich keinen Erfüllungsvorbehalt machen. Aber leider scheint das ein bisschen Praxis zu sein, denn auch bei der Konvention des Europarates gegen den Menschenhandel wurde ein ähnlicher Erfüllungsvorbehalt gemacht. Ich halte diesen Erfüllungsvorbehalt, also die Tatsache, dass nicht sofort die unmittelbare innerstaatliche Anwendbarkeit davon abzuleiten ist, für einen bedauer­lichen Schönheitsfehler dieses Gesetzes, dem wir gerne zustimmen.

Ich möchte aber die Gelegenheit nützen – Schlepperei heißt auch Umgang mit Frem­den, mit Menschen, mit Asylsuchenden –, an Sie, Frau Bundesministerin, doch auch zwei, drei Fragen im Zusammenhang mit den derzeit in Österreich sehr intensiv diskutierten Fällen zu richten.

Das Erste sind zwei Fragen zum Fall des jungen kosovarischen Mädchens Arigona. Sie haben dankenswerterweise über Ihr Ministerium den unglücklich von einem Res­sort­kollegen gebrauchten Begriff „Erpressung“ zurechtrücken lassen, denn Erpressung oberster Organe ist ein Straftatbestand, und wenn das ein oberstes Organ auch noch ausdrückt, ist es eben ein Straftatbestand.

Sie haben über Ihr Ministerium verlautbaren lassen, dass Erpressung für diesen Fall das falsche Wort ist, denn es liegt kein Bereicherungsvorsatz vor. Ich würde Sie gerne einladen, uns hier Ihre Sicht in Form einer allfälligen Beantwortung mitzuteilen.

Das Zweite ist, dass nach dem Fremdenrechtsgesetz Menschen, die die Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen verhindern, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen bedroht sind. Nun wissen wir, seit Landeshauptmann Pühringer dieses untergetauchte Mädchen zum ersten Mal kontaktiert hat, dass der Priester der Gemeinde Ungenach dieses junge, verzweifelte Mädchen vor der Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen beschützt. (Zwischenruf.) – Schlepperei und Fremdenrecht hängen irgendwie auch zusammen, weil ich gerade gehört habe, was hat das eine mit dem anderen zu tun.

Mich würde hier die Meinung des Justizministeriums betreffend diesen Priester inter­essieren, dem jetzt eigentlich, würde man dieses Gesetz auch in diesem Fall anwen­den, eine Freiheitsstrafe droht.

Das Nächste: Ich halte es für eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Wenn bei einem Mann oder einer Frau, dessen Ehepartnerin oder deren Ehepartner eine Straftat begangen hat, die Polizei versucht, des Täters oder der Täterin habhaft zu werden, und in der Familie vorstellig wird, so darf der Ehemann oder die Ehefrau als Ange­höriger beziehungsweise Angehörige die eingreifende Polizei oder die fahndende Polizei belügen oder die Auslieferung oder Habhaftwerdung durch eine falsche Angabe verhindern. Im Falle fremdenpolizeilicher Gesetze ist es einem Ehepartner, der eine falsche Aussage gegenüber Polizeiorganen macht, nicht möglich, seinen Ehepartner oder seine Ehepartnerin zu schützen. Das ist eine sehr ungleiche Vorgangsweise. Und wir haben bereits den Fall, dass eine Ehefrau und die Tochter wegen falscher Angabe zu einer zweimonatigen Freiheitsstrafe verurteilt wurden.

Sehr geehrte Frau Justizministerin, ich halte dieses Messen mit zweierlei Maß im österreichischen Gesetz für dem Gleichheitsgrundsatz zuwiderlaufend und eigentlich


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für eine Art von Vernaderung innerhalb einer Familie, die wir eigentlich in einem modernen Rechtsstaat nicht machen sollten.

Frau Justizministerin, ich habe heute gelesen, dass Sie innerhalb der Regierung Ihre Stimme erhoben und gesagt haben, man müsse das Fremdenrecht ändern. Ich möchte Sie dazu befragen, ob diese Aussagen von Ihnen, die heute publik geworden sind, in der Weise richtig sind und Sie gemeint haben, dass es einen Anspruch auf unbefris­teten Aufenthalt geben soll – das ist nämlich das Bleiberecht mit einem anderen Wort ausgedrückt –, wenn sich die betreffenden Personen seit fünf Jahren im Bundesgebiet aufhalten, Grundkenntnisse der deutschen Sprache haben, integriert sind und nicht eine Tat begangen haben, die von einer mehr als einjährigen Strafe bedroht ist, dass es keine Ausweisungen nach Artikel 8 MRK geben soll und dass Sie der Meinung sind, dass die Schubhaft zurückgedrängt werden soll und die Rechte von Schubhäftlingen verbessert werden sollen.

Ich spreche Ihnen ein Kompliment aus. Bisher hat die Regierung in dieser geblockten Form gesagt, wir wollen Gnade, wir wollen den Gnadenakt nützen, aber nichts am Recht ändern. Das ist erstmals eine andere Stimme, eine sehr wohltuende Stimme, Frau Bundesministerin, und ich würde mich einfach aufgrund der aktuellen Debatte freuen, wenn Sie uns in Ihrer Beantwortung zu dem Punkt, über den wir heute disku­tieren, und dem, glaube ich, von allen Fraktionen mitgetragenem völkerrechtlichen Vertrag noch eine Auskunft gäben. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

13.39


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Berger. – Bitte.

 


13.40.01

Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Ich hätte kein Problem damit, jetzt in eine politische Debatte einzusteigen, so wie sie Herr Bundesrat Schennach jetzt ange­zogen hat. Ich weiß nur nicht, inwieweit es in diesem Haus üblich ist, aus Anlass des einen Tagesordnungspunktes eine Debatte zu einem anderen Tagesordnungspunkt zu führen. Ich möchte nur zwei Dinge klarstellen, damit es hier nicht zu Verwechslungen kommt.

Wenn es um die Frage „Erpressung, ja oder nein?“ geht: Ich habe hier meine politische Meinung abgegeben, das war jetzt keine authentische, offizielle Interpretation eines Straftatbestandes durch das Justizministerium. Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe, aber das war es. Weil Sie gesagt haben, das Justizministerium verlautet, also das war keine authentische Interpretation durch das Ministerium, wodurch dieser Tatbestand erfüllt wäre oder nicht.

Zur Frage des § 115 Fremdengesetz – ich glaube, es ist die Nummer 115 – ist es so, dass er nicht in meine Ressortzuständigkeit fällt, aber natürlich mit Bestimmungen, die wir im Strafgesetzbuch haben, sehr verwandt ist. Da stimmt es tatsächlich, dass das, was wir im normalen Strafprozess haben, nämlich das sogenannte Angehörigen­privileg, im Fremdenrecht nicht gilt. Ich war damals nicht im österreichischen National­rat, aber ich kann mich erinnern, dass es aus Anlass der Beschlussfassung dieses Paragrafen offensichtlich auch einiges an Debatten gegeben hat.

Ich will dazu jetzt nur eines sagen: Es ist für mich als Merkmal wichtig, dass zu dem Zeitpunkt, als Arigona zum Pfarrer gekommen ist, die Abschiebung durch den Herrn Innenminister schon ausgesetzt war. Insofern glaube ich, dass das ein wichtiges Merkmal für die Beurteilung ist.

Auch die Staatsanwaltschaft Wels hat ja schon öffentlich angekündigt, dass sie den ohnehin sehr aufgeregten Ort in Bezug auf den sehr aufgeregten Fall sozusagen ein


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bisschen zur Ruhe kommen lassen will, bevor sie das tut, was das Gesetz von ihr verlangt.

Zu der heute in einem Medium abgedruckten Liste von Maßnahmen sage ich, dass das ein Ideenkatalog ist, den wir für den Fall, dass es in der Regierung zu Gesprächen über Reformen gekommen wäre, ausgearbeitet haben; es ist ein kleiner Auszug davon.

Es ist für mich eine Leitschnur, dass wir uns sozusagen im Nebenstrafrecht, wenn ich das so allgemein bezeichnen darf, an den Standards des allgemeinen Strafrechts orien­tieren. Zum Beispiel sind in der Frage Strafhaft-Schubhaft Schubhäftlinge, die ja letztendlich keines Delikts verurteilt wurden, rechtlich und im praktischen Vollzug zum Teil in einer schlechteren Situation als Strafhäftlinge, die aber tatsächlich verurteilt wurden.

Als Justizministerin erlaube ich mir da, den Grundsatz aufrechtzuerhalten, dass wir hier möglichst einheitliche Standards auf dem jeweils gegebenen höheren Niveau haben. –Danke. (Allgemeiner Beifall.)

13.43


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort dazu? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche zunächst jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustim­men, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist ange­nommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz, den gegenständ­lichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle auch hier die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

13.44.066. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. September 2007 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von bestimmten Unter­richts- und Erziehungstätigkeiten an Schulen im Bereich des Bundesminis­teriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft sowie das Bundes­gesetz über das Unterrichtspraktikum geändert werden (137 d.B. und 207 d.B. sowie 7762/BR d.B.)

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Wir kommen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Hladny. Ich bitte um den Bericht.

 


13.44.31

Berichterstatterin Waltraut Hladny: Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, sodass ich mich auf den Antrag beschränken kann.


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Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Oktober 2007 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


13.45.15

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister in Vertretung der Frau Unterrichtsminis­terin! Wir beschließen hier heute eine Gesetzesmaterie, die die Begleitmaßnahmen zum Inhalt hat, deren Grund die Umwandlung der Pädagogischen Akademien in die Pädagogischen Hochschulen war; ein Beschluss, der schon 1997 unter einer SPÖ-ÖVP-Regierung gefasst geworden ist und mit einer Übergangsfrist von zehn Jahren bedacht wurde.

Da setzt schon meine erste Kritik an. Zehn Jahre sind eine sehr lange Zeit für diese Dinge. Es ist völlig unverständlich, warum man sich nicht schon damals ernsthafte Gedanken gemacht hat, gerade im tertiären Sektor auf eine einheitliche Ausbildung an der Universität zu bestehen. Denn was ist denn herausgekommen bei dieser Umwand­lung der Pädagogischen Akademien in Pädagogische Hochschulen? – Die Türschilder sind ausgetauscht geworden, aber im Wesentlichen bleibt alles beim Alten.

Wir haben 17 Pädagogische Hochschulen. Eine Regierung, die immer wieder davon spricht, dass es einer schlanken Verwaltung bedarf – was unterstützenswert ist –, tut das in diesem Falle ganz genau nicht, und die Lippenbekenntnisse – auch von Seiten der Sozialdemokratie –, dass eine Ausbildung der Lehrer universitär zu erfolgen hat, sind einmal mehr den Bach hinuntergegangen und haben sich genauso in Rauch aufgelöst wie vieles andere auch.

Wir sehen das allerdings nicht, wie manche Kollegen der anderen Fraktionen, als richtigen Weg in Richtung Gesamtschule. Wir sind ja mittlerweile, glaube ich, die Einzigen, die wirklich vehement die Gesamtschule ablehnen; auch deshalb, weil bislang niemand schlüssig erklären konnte, was daran so wunderbar sein soll, dass dann plötzlich alle Schüler beste Schüler in der nächsten Pisa-Studie werden.

Man könnte das auch mit dem derzeitigen Schulsystem machen, nur bedürfte es da natürlich einiger Änderungen. Das ist überhaupt keine Frage, aber die Gesamtschule wird die anstehenden Probleme ganz sicherlich nicht lösen. Das heißt, wir sprechen uns durchaus dafür aus, dass es auf dem tertiären Sektor eine gemeinsame Aus­bildung gibt – für Pflichtschullehrer bis zum Bakkalaureat, für AHS-Lehrer bis zum Magisterium –, aber das ist nicht der Weg zur Gesamtschule.

Aus pädagogischer Sicht ist es bei den Schulen nicht so wesentlich, an welchem Standort die Schüler ausgebildet werden. Das gilt selbstverständlich nur unter der Voraussetzung, dass es wirklich Bildungsstandards gibt, auf deren Einhaltung geachtet wird, und dass es – was wir befürworten – eine Zentralmatura gibt, bei der am Ende der Schullaufbahn für alle Schüler gleiche Bedingungen herrschen. Bei der Zentral­matura müssten alle Schüler gleiche Kenntnisse haben – egal, ob sie aus einer berufs­bildenden oder einer allgemeinbildenden höheren Schule kommen, und auch egal, von welchem Standort sie kommen.

Das ist in Wien nicht der Fall. Da weiß man ganz genau, wo man die Matura billiger kriegt und wo sie ein bisschen mehr kostet, sprich, wo man sich mehr anstrengen muss und wo es nicht ganz so ist. Das wird gern geleugnet, das weiß ich, aber jeder, der Kinder an einer Schule hat, weiß, dass es so ist. Wenn man also verbindliche Standards als Grundlage nähme, müsste der Schulstandort egal sein.


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Bei der Lehrerausbildung schaut es etwas anders aus. Hier müsste man die Synergien zusammenfassen. Die Pädagogische Hochschule hat ihre Vorteile. Sie ist in der didaktischen Ausbildung der Universität weit überlegen. Die Universität ist wieder die fachlich bessere Ausbildungsstätte, auch wenn es da und dort schon Kritik gibt, dass auch das Fachliche nicht mehr so gut sei wie noch vor Jahren. Aber man müsste diese beiden Dinge zusammenfassen und sagen: Wir nehmen das Positive der Pädago­gischen Hochschule, wir nehmen das Positive der Universität, führen das zusammen und bilden unsere Lehrer bestens aus.

Ich glaube, in einem Punkt sind wir uns sicher quer durch die Fraktionen einig, dass nämlich unsere Kinder es verdient haben, von bestausgebildeten Lehrern unterrichtet zu werden. Das ist allerdings mit der Umwandlung der Pädaks in die Pädagogischen Hochschulen nicht gegeben. Damit ist auch dieses Gesetz, das jetzt die Bestim­mungen regelt, für uns obsolet. Daher kann ich dieser Vorlage nicht zustimmen. (Beifall des Bundesrates Ing. Kampl.)

13.49


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Seitner. – Bitte.

 


13.50.04

Bundesrätin Renate Seitner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geschätzter Herr Präsi­dent! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Bei diesem Gesetz handelt es sich eigentlich um zwei Gesetze, einerseits um die Einbeziehung bestimm­ter Unterrichts- und Erziehungstätigkeiten, andererseits um das Bundesgesetz über die UnterrichtspraktikantInnen.

Dieses Gesetz ist allerdings nur als Ergänzung zur bereits im Jahre 2005 beschlos­senen Dienstrechts-Novelle zu sehen. Heute beschließen wir eben einige Ergänzun­gen. Wir SozialdemokratInnen haben immer wieder darauf hingewiesen, dass dieses Umstellungsgesetz unzureichend ist. Das langfristige Ziel muss es sein – das haben wir immer wieder gefordert –, dass alle im Lehrberuf Tätigen, egal welche Altersstufe sie unterrichten, an Universitäten ausgebildet werden.

Es ist notwendig, die Ausbildung der LehrerInnen zu professionalisieren, die unter­schiedlichen Ausbildungssysteme, die es bisher gibt, zu perfektionieren, die vielen Erfahrungen, die man gesammelt hat – im Bereich der pädagogischen Hochschulen und früher an pädagogischen Akademien –, entsprechend zusammenzuführen und zu versuchen, ein Stufenmodell zu bilden.

Es ist leider verabsäumt worden, die Ausbildung der KindergartenpädagogInnen in dieses neue Gesetz beziehungsweise in die Umwandlung zu den pädagogischen Hoch­schulen mit einzubringen. Ich hoffe, dass das sehr bald doch auch geschehen kann.

Obwohl die Vorrednerin dem Gesetz nicht zugestimmt hat, muss ich ihr in einem Punkt doch recht geben: Wir brauchen für die beste Ausbildung unserer Kinder und Jugend­lichen die bestausgebildeten LehrerInnen. Dazu ist es wirklich notwendig, dass diese Ausbildung an der Universität erfolgt. Wir stimmen dem Gesetz zu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.52


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dr. Schnider. – Bitte.

 


13.52.39

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gleich am Anfang darauf


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eingehen, was hier vor mir schon gesagt worden ist. Frau Mühlwerth ist jetzt nicht mehr da, aber ich möchte trotzdem ein paar Anmerkungen machen.

Punkt eins: Wenn hier von einem Türschilderwechsel gesprochen wird, dann kann ich nur sagen: Das kann nur jemand sagen, der nicht unmittelbar mit der Erarbeitung dieser Hochschulen zu tun hat. Ich sage das so selbstsicher, weil ich in den letzten eineinhalb Jahren selber in so einer Hochschule, einer privaten Hochschule, mit diesen Curricula-Entwicklungen und den Konzepten konfrontiert war.

Ich kann das sowohl für die öffentlichen als auch für die privaten Hochschulen sagen. Ich habe mir das angeschaut. Da wurde hochprofessionell gearbeitet. Es ist einfach, so flapsig zu sagen, die Türschilder wurden ausgewechselt. – Das ist das eine.

Das zweite ist: Wir wissen alle ganz genau, gerade die Koalitionspartner, dass durch Jahre – um nicht zu sagen Jahrzehnte – darüber diskutiert worden ist, ob die Aus­bildung an die Universitäten kommen soll oder an eigene pädagogische Hoch­schulen.

Auch ich bin ein Vertreter, der meint, dass es wichtig ist, dass die Lehrerinnen und Lehrer auf alle Fälle gemeinsam ausgebildet werden. Denn etwas sage ich schon: Das Problem, das wir heute haben – da ist die Diskussion bereits angesprochen und ich möchte heute keine Gesamtschuldiskussion anregen, aber ich werde jetzt etwas dazu sagen, denn manchmal geht einem das auf den Nerv –, warum es teilweise diese Diskussion auch gibt, hat auch mit den handelnden Personen zu tun. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Genau!)

Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass das, was sich in den letzten Wochen und Tagen hier in diesem Land ereignet, ein bisschen merkwürdig ist. Da können wir auch ruhig – ich sage es jetzt hier ganz offen – auf unsere beiden Großparteien schauen. Da habe ich ein bisschen den Eindruck, dass da oder dort – bitte verzeihen Sie den Ausdruck, den ich jetzt wähle – so in gewisser Weise ein leichtes Standesgehabe gegeben ist, wo man alte Ordnungen, die es bei uns über Jahrhunderte sichtlich gegeben hat und gibt, irgendwie aufrechterhalten will.

Ich bin selber Universitätslehrer, aber ich muss ganz ehrlich sagen: Ich komme mir nicht mehr vor wie bei der alten Polizeiordnung vor ein paar Jahrhunderten – das heißt, da ist die Lehrerschaft, dann sind die Magistrae und Magistri und dann sind unsere Universitätsprofessoren.

Wir wissen genau, dass wir das nur verändern können, indem wir nicht damit anfangen – da gebe ich der Frau Mühlwerth schon recht –, die Türschilder zu ändern – egal, ob es um Hoch- oder Pflichtschulen geht –, sondern indem wir versuchen – da sind wir mittendrin in diesem Gesetzestext von heute –, die Lehrerinnen und Lehrer in ihrer Aus-, Fort- und Weiterbildung zusammenzuführen.

Genau das ist bitte – das möchte ich schon sagen – mit diesen pädagogischen Hochschulen gelungen; mit einem Punkt, der heute so nebenbei mitbeschlossen wird, zu dem meine Vorgängerrednerinnen noch nichts gesagt haben, wobei ich gerade diesen Punkt für einen wunderbaren Schuhlöffel halte. Ich spreche vom Unterrichts­praktikum.

Schauen wir einmal hin, was wir heute hier absegnen! Wir segnen ab, dass ein Teil der Ausbildung von AHS- und BHS-Lehrern an der Pädagogischen Hochschule stattfindet. Das ist Tatsache. Das segnen wir heute ab, um das klar zu sagen. Das heißt, ich bin voll und ganz dafür, gehe da voll und ganz mit, weil es ein erster Schritt ist.

Wenn Sie jetzt sagen: Warum, wie meint er das jetzt? – Ganz einfach: Wir wissen genau, auch der Herr Präsident weiß das, dass immer das Unterrichtspraktikum an den


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PIs oder RPIs stattgefunden hat. Die RPIs waren mehr für das Religionsfach zuständig oder für die Kombinierer und die PIs eben für die anderen Fächer.

Jetzt haben wir aber das Gesetz in den letzten zehn Jahren ein Stück umgemodelt. Ich sage, es war gut, dass es zehn Jahre gedauert hat. Nur hätten sich manche ein bisschen mehr vorbereiten können – das glaube ich auch –, nämlich auch diejenigen, die dort sind, denn zehn Jahre wären Zeit genug gewesen, sich weiter zu qualifizieren. Da denke ich, wäre das auch eine Möglichkeit der Rüstung gewesen, um es einmal so zu sagen.

Aber was meine ich damit? – Indem das Unterrichtspraktikum jetzt nicht mehr ausschließlich an einem Institut absolviert wird, das für Fort- und Weiterbildung zuständig ist, sondern an einer Hochschule, die für Aus-, Fort- und Weiterbildung zuständig ist und auch, wie es im Gesetzestext drinnen steht, ein Curriculum vor­zulegen ist – und nicht einfach nur Inhalte für ein Unterrichtspraktikum –, befindet sich das Unterrichtspraktikum auf Lehrgangsebene. – So steht es bitte im Gesetzestext.

Das bedeutet wiederum, dass sehr wohl diejenigen, die für die Aus-, Fort- und Weiterbildung zuständig sind, auch in den Studienkommissionen sitzen. Das bedeutet auch, dass eine vernetzte Ausbildung stattfindet. Das ist für mich insofern interessant, weil es ein klasser – Entschuldigen Sie, dass ich es jetzt so sage! – Schuhlöffel in Richtung einer gemeinsamen, größer werdenden Ausbildung ist.

Es wird dadurch auch dem Hochschulgesetz 2005 insofern Rechnung getragen, weil dort nicht nur steht, dass es mit den Universitäten Kooperationen geben kann oder soll, sondern es steht, dass es Kooperationen mit den Universitäten zu geben hat. Ich glaube, gerade hier muss man andocken.

Lesen Sie den Gesetzestext, der uns heute vorliegt, bitte weiter! Da steht noch etwas: An diesem neuen oder veränderten Lehrgang, der nicht mehr „Akademielehrgang“, sondern „Lehrgang“ heißt, dürfen – das war übrigens früher auch schon so – nur Praktiker unterrichten.

Das heißt – so steht es im Gesetzestext –, wenn es Universitätsprofessoren sind, dann müssen sie nachweisen, dass sie an diesem Schultyp jahrelang unterrichtet haben. Da wird es noch einmal spannend, weil man dadurch sieht, dass wir nur mit einer gemein­samen Ausbildung eine Zukunft haben; wenn nämlich – was schon im Gesetz steht und, ich hoffe, auch dementsprechend ausgeführt wird – Rektoren nicht nur an den Inaugurationsfesten teilnehmen, sondern auch gemeinsam arbeiten. Ich hoffe, dass man hier die verschiedenen Ressourcen – das ist ja auch von meinen Vorrednerinnen angesprochen worden – ein Stück zusammenführt.

Ich selber brauche hier nicht zu sagen, wofür ich bin. Wenn hier bitte einer immer nur von der Gesamtschule redet, kann ich das Wort nicht mehr hören. „Gesamtschule“ ist ein deutsches Wort. Es werden immer nur deutsche Beispiele gebracht. Das geht mir überhaupt auf den Geist. Jeder, der sich mit Pädagogik auseinandersetzt, weiß doch, dass es weltweit auch ganz andere Systeme gibt. Ich rede gar nicht nur vom finnischen, auch vom kanadischen. Wenn man sich manche Dinge hier anschaut, heißen die schon einmal anders.

Deshalb bitte ich, dass man die Diskussion nicht immer über „Gesamtschule“ führt, sondern über „Schule“ und wie wir gemeinsam etwas entwickeln können.

Ich bin der Meinung, und das ist nicht die Meinung irgendeiner politischen Fraktion, sondern im Grunde die eines großen Pädagogen, ich denke an Hartmut von Hentig, der immer sagt: Wir wollen, dass junge Leute letztlich in einer demokratischen Gesell­schaft zusammenleben. – Dann müssen wir aber auch gemeinsam schauen, dass sie gemeinsam eine Schule absolvieren können. Das ist meine Meinung dazu.


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Aber ich möchte zu dem Gesetz noch einmal sagen: Gerade das Unterrichtspraktikum ist eine spannende Geschichte, und ich sehe das als eine Möglichkeit, dass man ein bisschen auf einen Weg einer gemeinsamen Ausbildung kommt.

Da die Kindergartenpädagogen angesprochen wurden, möchte ich noch eine Gruppe hinzufügen, die auch ganz wichtig ist. Da werden jetzt manche aufschreien, weil ich weiß, wir haben lauter Akademien und zuständige Institutionen dafür, aber eigentlich gehörten die auch auf die Pädagogische Hochschule – das sind die Sozialpädagogen und -pädagoginnen.

Ich erinnere nur daran, dass zum Beispiel gerade vonseiten der Kirche, von der Bischofs­konferenz, damals als die Pädagogischen Hochschulen entwickelt und ein­geführt worden sind, schriftlich gesagt worden ist, dass man die Kollegs, die man als Kirche führt, gerne in diese Hochschulen einbringen wollte, was aber gesetzlich derzeit nicht möglich ist. Das heißt, es gibt Gruppen in der Gesellschaft, die eigentlich ihre eigene private Hochschule schon von den Standbeinen aus ganz anders orientieren wollten. Deshalb bin ich auch dieser Meinung, dass es zwei Gruppen gibt, das sind die Kindergärtnerinnen und Kindergärtner und die Sozialpädagoginnen und ‑pädagogen, die man in Zukunft auch mehr berücksichtigen sollte. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.01


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Danke für diesen dynamischen Debattenbeitrag. – Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Konrad.

 


14.01.59

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es ist immer ein bisschen schwierig, nach dem Kollegen Schnider zu sprechen, weil er rhetorisch immer sehr spannend ist. Es ist immer wieder spannend, Ihnen zuzuhören, und ich glaube, dass wir in vielen Bereichen inhaltlich gar nicht so weit auseinander sind, wie ich es vielleicht mit manchen Kollegen aus Ihrer Fraktion sonst wäre. (Bundesrat Schennach: Gut, Herr Schnider ist aber eine schwere Ausnahme!) – Das stimmt.

Wir Grüne werden heute hier zustimmen, weil die Vorlage, um die es geht, eigentlich keine sehr gravierenden Änderungen beinhaltet. Es ist allerdings – und hier muss ich unsere Kritik wiederholen, die wir schon bei der Einrichtung der Pädagogischen Hochschulen geäußert haben – eine Änderung an einem Gesetz, das einfach einen großen Schritt weg von einer gemeinsamen Lehrerinnen- und Lehrer-Ausbildung und damit auch weg von einer gemeinsamen Schule darstellt.

Ich mache meinem Vorredner jetzt den Gefallen und sage nicht „Gesamtschule“. Ich weiß, dass das Wort bei der ÖVP aus irgendeinem Grund allergische Reaktionen her­vorruft, das will ich nicht, es geht mehr um den Inhalt, um die Sache. Eine gemeinsame Schule, eine gemeinsame Schulausbildung bis 15 Jahre hat unzählige Vorteile.

Frau Kollegin Mühlwerth war vorher der Meinung, niemand könne ihr erklären, was denn das Gute daran ist. Man kann es schon erklären, man kann sie nicht zwingen, dass sie es versteht. Aber es gibt sehr viele Erklärungen dafür, warum das ein wich­tiger Ansatz ist, für mich schon ganz simpel aus dem Grund heraus, dass sich gezeigt hat, dass vor allem Kinder aus niedrigeren sozialen Schichten davon profitieren, wenn sie gemeinsam mit Kindern aus anderen sozialen Schichten unterrichtet werden, und keinesfalls, wie oft befürchtet wird, die guten Kinder, die schulische Erfolge haben, darunter leiden, dass sie jetzt mit allen gemeinsam unterrichtet werden müssen.

Es scheint eine richtige Win-win-Situation zu sein, und ich würde mir sehr wünschen, dass die Kinder in Österreich die Möglichkeit haben, davon zu profitieren, sich in einem


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solchen funktionierenden Schulsystem auf das Leben vorzubereiten und gute Chancen zu haben.

Aber zurück zu den Pädagogischen Hochschulen. Es ist ein weiterer Schritt weg von einer gemeinsamen Lehrerinnen- und Lehrer-Ausbildung, und ich glaube, dass sich auch jene Personen, die sich für einen Lehrberuf entscheiden, sehr darüber freuen würden, wenn sie die Möglichkeit hätten, zwischen so vielen verschiedenen pädago­gischen Berufen, die es gibt, einmal zu wechseln.

Ich glaube, dass es für sehr viele Menschen spannend wäre, nicht immer und auf Lebenszeit ein und denselben Beruf auszuüben, sondern, wenn ich gerne mit Kindern arbeite, wenn ich gerne unterrichte, warum soll es nicht möglich sein, dass ich einmal in der Volksschule unterrichte, dass ich einmal ältere Kinder unterrichte – das muss doch im Prinzip möglich sein. Ich sehe nicht ein, warum man gesetzlich ständig Maßnahmen unternimmt, die auf lange Zeit fortschreiben, dass sich hier etwas in die richtige Richtung entwickeln könnte.

Die Pädagogischen Hochschulen entsprechen einfach nicht den Anforderungen, die es an die Lehrerinnen- und Lehrer-Ausbildung gibt. Sie verbauen meiner Meinung nach Chancen für die Zukunft. Da die Regierungsparteien geteilter Meinung darüber sind, wie sich die Schule weiter entwickeln soll, wäre es vielleicht sinnvoll gewesen, die Umsetzung dieses Gesetzes zu verzögern, bis man sich geeinigt hat. Es ist sehr viel Zeit, Energie und auch Geld hineingeflossen, um ein Gesetz umzusetzen, um diese Pädagogischen Hochschulen ins Leben zu rufen. Wer weiß, vielleicht schaut es in fünf Jahren ganz anders aus, vielleicht gibt es in fünf Jahren den politischen Willen, die Schulen anders zu gestalten. Was macht man dann mit diesen Pädagogischen Hochschulen?

Ich glaube, dass hier im schlimmsten Fall viel Zeit und Energie verschwendet worden ist. Offenbar bin ich nicht ganz allein mit dieser Ansicht, denn ich war doch sehr überrascht, als ich vor einigen Wochen in Tirol die „Tiroler Tageszeitung“ gelesen habe – das war kurz vor der Eröffnung der dortigen Pädagogischen Hochschule –, und es ein Interview mit dem ÖVP-Wissenschaftsminister Hahn gab, der der Meinung war, dass eine gemeinsame Lehrerinnen- und Lehrer-Ausbildung eine gute Idee wäre.

Ich habe nachgelesen, ich war mir nicht sicher, ob ich mich verlesen hatte, aber es stand schwarz auf weiß, er hat es auch nicht dementiert. Ich gehe davon aus, dass es tatsächlich seine Meinung war. Wir sind hier einer Meinung, dass eine gemeinsame Ausbildung gut und wichtig wäre – gut und schön.

Ich habe mir gedacht: Aha, und jetzt im Zusammenhang mit der Pädagogischen Hochschule, kommt da was, oder bleibt es jetzt nur bei dieser Meinung? – Aber es kam dann nichts weiter. Als dann die Pädagogische Hochschule eröffnet wurde, stand der Tiroler Landesrat für Bildung, ebenfalls von der ÖVP, bei dieser Veranstaltung und hat auch betont, dass er es gut und wichtig fände, wenn es eine gemeinsame Lehrerinnen- und Lehrer-Ausbildung gäbe.

Ich war verwirrt. Ich bin es immer noch. Wie kann man der Meinung sein, eine gemein­same Ausbildung ist wichtig, und wie kann man dann im nächsten Atemzug diese neue Pädagogische Hochschule eröffnen, die das auf Jahre verunmöglicht oder auf Jahre Energien bindet, die in eine gemeinsame Ausbildung gehen könnten? – Ich finde, das ist eine sehr unlogische Vorgehensweise. Ich fürchte, dass damit im Schulbereich wieder für viele Jahre eine Blockade aufgebaut wurde, dass wir hier so nicht weiter­kommen werden.

Herr Kollege Schnider, Sie haben vorhin gemeint, es gehe über Umwege – ich habe nicht hundertprozentig folgen können, muss ich gestehen –, es wäre das, was wir


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heute hier beschließen, ohnehin schon ein Schritt zu einer gemeinsamen Ausbildung. Sie haben es dann „vernetzen“ genannt. „Vernetzt“ ist schön, aber „vernetzt“ ist nicht „gemeinsam“. Wenn wir uns in der Bildungspolitik mit diesen winzig kleinen Schritten fortbewegen, die es vielleicht gibt, dann fürchte ich, wird es noch etwa 150 Jahre dauern, bis wir da sind, wo wir heute schon sein sollten. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

14.07


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Ich darf von dieser Position aus, wenn mir das gestattet ist, ergänzen, was Herr Kollege Schnider gesagt hat über dieses Standes­denken, diese Drei-Lehrer-Kategorien – Pflichtschullehrer, AHS-Lehrer, Professoren. Das geht zurück auf eine Polizeiordnung von Leopold I. aus dem Jahr 1671. Es gab damals drei Stände, den weltlichen Stand, den Adelsstand, den geistlichen und das Bürger- und Bauerntum. In der Steiermark weniger das freie Bauerntum, das mehr im Westen.

Diesen dritten Stand wollte Leopold I. noch einmal in fünf Kategorien unterteilen. In der vorletzten Kategorie wären drin gewesen die Schulmeister (Bundesrat Ing. Kampl: Das hat Metternich !) – Nein, warte einmal, bei Leopold I. im Jahr 1671 sind wir, wir sind ein bisschen früher. – In diesem vorletzten Stand wären die Schulmeister drin gewesen, Sänftenträger, Türsteher, Köchinnen und Köche, in der zweiten Kategorie die Magistri, Richter, Bürgermeister und Kammermädchen und in der ersten Kategorie die Professoren. – Seit damals gibt es das, von dort rührt das her, nur so nebenbei. (Bundesrätin Konrad: Danke!)

Weitere Wortmeldungen liegen hiezu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit ange­nommen.

14.09.427. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend rechtsstaatliche Möglichkeit zum Verbleib integrierter Personen (160/A(E)-BR/2007 sowie 7761/BR d.B.)

8. Punkt

Petition von SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern des GRG Ettenreichgasse, überreicht von Bundesrat Peter Florianschütz (18/PET-BR/2007 sowie 7763/BR d.B.)


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9. Punkt

Petition betreffend Bleiberecht für gut integrierte Asylwerber/-innen, die von Abschiebung bedroht sind, überreicht von Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (20/PET-BR/2007 sowie 7764/BR d.B.)

10. Punkt

Petition betreffend Bleiberecht für Asylsuchende, überreicht von Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (21/PET-BR/2007 sowie 7765/BR d.B.)

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Wir gelangen zu den Punkten 7 bis 10 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu Punkt 7 ist Frau Bundesrätin Fröhlich. Ich bitte um den Bericht.

 


14.11.07

Berichterstatterin Christine Fröhlich: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich darf den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten bringen über den Ent­schließungsantrag der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtsstaatliche Möglichkeit zum Verbleib integrierter Personen.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Ent­schließungs­antrag in seiner Sitzung am 17. Juli 2007 in Verhandlung genommen. Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit. Aufgrund eines ausreichend unterstützten Verlangens gemäß § 32 Abs. 6 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates ist ein Ausschussbericht über den Verlauf der gegenständlichen Verhandlungen zu erstatten.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Berichterstatter zu Punkt 8 ist Herr Bundesrat Sodl. Ich bitte um den Bericht.

 


14.13.15

Berichterstatter Wolfgang Sodl: Sehr geschätzter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für BürgerInnenrechte über die Petition von SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern des GRG Ettenreichgasse, über­reicht von Bundesrat Peter Florianschütz.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, darum komme ich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Ok­to­ber 2007 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, diesen Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Berichterstatter für die Punkte 9 und 10 ist ebenfalls Herr Bundesrat Sodl. Ich bitte um die Berichte.

 


14.14.02

Berichterstatter Wolfgang Sodl: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für BürgerInnenrechte über die Petition betreffend Bleiberecht für gut integrierte Asyl­werber/-innen, die von Abschiebung bedroht sind, überreicht von Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor. Ich beschränke mich auf die Antragstellung.

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Okto­ber 2007 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, diesen Bericht zur Kenntnis zu nehmen.


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Weiters komme ich zum Bericht des Ausschusses für BürgerInnenrechte über die Pe­tition betreffend Bleiberecht für Asylsuchende, überreicht von Bundesrätin Mag. Su­sanne Neuwirth.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor. Ich komme zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Okto­ber 2007 den Antrag, diesen Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Wir gehen in die Debatte ein. (Bundesrat Bieringer: Zur Geschäftsordnung!)

Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Bundesrat Bieringer zu Wort gemeldet.

 


14.15.20

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat heute zweimal eine Sit­zungsunterbrechung gegeben, weil beabsichtigt war, eine Dringliche Anfrage ein­zubringen. Diese Anfrage ist in der Zwischenzeit nicht eingebracht worden, aber dennoch glaube ich, es gehört von mir eine Erklärung dazu.

Wenn Frau Mühlwerth glaubt, via Medien der ÖVP-Fraktion ein mangelndes Demo­kratieverständnis vorwerfen zu müssen – „ÖVP tritt das Recht der Bundesräte mit Füßen“ –, möchte ich dazu für die ÖVP Folgendes festhalten: Diese Punkte, die jetzt in Verhandlung stehen, wären nicht auf der Tagesordnung, hätten sich nicht die beiden Regierungsparteien bereit erklärt, den negativen Ausschussbericht heute in Ver­handlung zu nehmen. Wenn man kein Demokratieverständnis hat, Frau Kollegin Mühlwerth, dann hätten wir gestern sagen müssen: Kommt nicht in Frage, wir stimmen dem nicht zu. Aber weil wir nichts zu verbergen haben, haben wir zugestimmt, dass das heute hier in Verhandlung geht. – Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt ist: Ich meine, dass man Demokratie sehr wohl hochhalten soll, und mir niemand vorwerfen kann, dass wir das nicht tun. Aber Demokratie hat meiner Meinung nach dann aufgehört, wenn man glaubt, man kann die Geschäftsordnung oder die Verfassung so biegen, wie man sie haben will. Da wird es keine Zustimmung der ÖVP geben, heute nicht, morgen nicht und auch übermorgen nicht. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

Ich denke nicht daran, in Hinkunft ein Jota von der Geschäftsordnung abzuweichen und mich nicht nach den Buchstaben der Verfassung zu bewegen. Das habe ich mir als Demokrat, als der ich mich fühle, nach zweiundzwanzigjähriger Zugehörigkeit zu diesem Hohen Haus nicht sagen zu lassen, und das lasse ich mir unter keinen Um­ständen bieten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

14.18


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: So weit zur Geschäftsordnung.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach.

 


14.18.23

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Im Prinzip gehört es zu den Grundrechten der Opposition, mit fünf Unterschriften ausgestattet eine Dringliche Anfrage zu begehren, der auch das betroffene Regie­rungsmitglied nachzukommen hat. Kollege Bieringer hat zu Recht gesagt, dass wir heute dies auf der Tagesordnung haben, den ersten dieser vier Tagesordnungspunkte, bei den anderen drei ist es offensichtlich ein Übereinkommen zwischen den Re-


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gierungsparteien gewesen, dass das so vonstatten geht. Dem haben wir auch zuge­stimmt, weil das meiner Meinung nach der richtige Weg ist, dass all das, was wir im Petitionsausschuss behandeln, letztlich auch den Weg ins Plenum nehmen soll.

Aber bei einem Unselbständigen Antrag, der die Mehrheit bräuchte, um in dieses Haus zu kommen, gibt es die Möglichkeit nach § 32 der Geschäftsordnung, dass drei Bundesräte oder -rätinnen erklären: Wir wollen diesen Minderheitsbericht machen! Und dieser wurde auch mit je einem Vertreter von SPÖ und ÖVP gemacht; da hat Bieringer komplett richtig berichtet.

Unabhängig davon werden wir uns für die Zukunft auch überlegen sollen, uns bei öffentlichen Diskussionen oder bei eigenständigen Selbständigen Anträgen des Bun­desrates, wie auch im Nationalrat, à la longue von der Usance zu verabschieden – und das hängt auch mit der Aufwertung des Bundesrates zusammen, wie es etwa der Vorarlberger Landtag beschlossen hat –, dass hier die Diskussion auch mit Regie­rungs­mitgliedern, mit den zuständigen Regierungsmitgliedern möglich ist.

Von der heutigen Diskussion und den Sitzungsunterbrechungen bleibt nun übrig, dass die Dringliche Anfrage in ihrer Fragestellung an sich korrekt wäre, aber derzeit wurde diese Dringliche Anfrage zum Verfassungsdienst wegen der grundsätzlichen Frage der Anwesenheit von Regierungsmitgliedern weitergereicht, und es wird hiezu in nächster Zeit eine schriftliche Stellungnahme geben – das war im Laufe des heutigen Tages nicht möglich.

Somit führen wir diese Debatte nun im Rahmen des Hohen Hauses, und ich darf sogleich mit dem ersten Punkt der unter einem zu verhandelnden Punkte beginnen.

Punkt eins: Bleiberecht. – Sie kennen alle die Diskussion. Und diese Diskussion, die seit Monaten andauert, an der sich weite Teile der Öffentlichkeit beteiligen – egal ob Verfassungsjuristen, ganze Kommunen, die Kirchen des Landes, die politischen Parteien, die Künstler –, hat am Montag Morgen mit einer riesigen Überraschung geendet, nämlich aufseiten der Landeshauptleute: Den Landeshauptleuten war nicht bewusst, dass sie zuständig sind. Sie haben noch in der letzten Landeshaupt­leutekonferenz eine Zuständigkeit in dieser Frage gefordert, weil diese Fälle, die so quasi im Namen des Landeshauptmannes oder der Landeshauptfrau erledigt wurden, natürlich von den zuständigen Beamten auf der Bezirkshauptmannschaft erledigt wurden.

Nun, in unserem Innenausschuss wurde von sachkundigen Beamten des Innen­minis­teriums noch einmal klargestellt, dass nach dem Fremdenpolizeigesetz in erster Linie der Landeshauptmann oder die Landeshauptfrau zuständig ist und vonseiten des Innenministeriums eine Zustimmung zu dieser Stellungnahme oder zur beabsichtigten Entscheidung des Landeshauptmannes oder der Landeshauptfrau notwendig ist.

Jetzt mag man ein bisschen verwundert sein, dass das trotz großer Beamtenstäbe in den Ländern zu so viel Überraschung geführt hat. Ich habe am Montag in der Früh im „Morgenjournal“ ein Interview eines Landeshauptmannes angehört, und mir kam es so vor, als ob dieser Landeshauptmann überhaupt noch nie davon etwas gehört hat oder darüber irgendeine Information hatte.

Warum wir diese Initiative mit diesem Antrag gestartet haben, hat folgenden Grund – und das ist jetzt wieder im Sinne des Föderalismus –: Sechs Landtage haben be­schlossen, dass es ein Bleiberecht gibt; und zwar haben das sechs Landtage beschlossen mit unterschiedlicher Beteiligung dieser beiden hier im Haus großen Regierungsparteien. In Wien hat es beschlossen: die SPÖ gemeinsam mit den Grünen; in Niederösterreich hat es beschlossen: die ÖVP mit der SPÖ und den Grünen; in Oberösterreich hat es beschlossen: die ÖVP mit der SPÖ und den Grünen;


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in Salzburg hat es beschlossen: die SPÖ mit der ÖVP und den Grünen; im Burgenland hat es beschlossen: die SPÖ mit den Grünen; in der Steiermark haben es beschlos­sen: die SPÖ und die ÖVP und die Grünen.

In Tirol gab es derzeit noch keine Entscheidung, da der Antrag vorläufig zurückgestellt wurde.

Und Vorarlberg ist das einzige Bundesland, in dem das Bleiberecht abgelehnt wurde, wobei die SPÖ und die Grünen da in der Minderheit geblieben sind.

Zu Kärnten ist Derartiges nicht bekannt. (Ruf: „Freistaat Kärnten“!)

Meine Damen und Herren! Am meisten hat mich gestern der zweite oder dritte Satz der Stellungnahme des Innenministers zum Dringlichen Antrag im Nationalrat betroffen gemacht. Der Minister stand auf, lächelte und sagte: Ich bin glücklich! Ich bin glücklich, dass Arigona in Sicherheit ist!

Vor wem ist Arigona in Sicherheit? Vor der Fremdenpolizei, die Herr Platter los­geschickt hat, um diese Familie abzuschieben? Und nun sagt der zuständige Minister, er sei froh, dass sie in Sicherheit ist (Zwischenrufe bei der ÖVP), und er sei froh, dass sie ein Pfarrer vor dem Zugriff der Polizei für die Abschiebung im Grunde unter­gebracht hat. (Ruf bei der ÖVP: Die Abschiebung war aber ausgesetzt, Herr Kollege! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Konecny – in Richtung ÖVP –: Einigt euch auf die Zwischenrufe!)

Das Nächste, was mich sehr betroffen gemacht hat – und mir ist schon vorgekommen, ein fremder Staat nötigt Österreich, oder Terroristen haben österreichische Geiseln genommen, um den Staat zu erpressen –, ist, wenn ein 15-jähriges Mädchen, das sich der Abschiebung entzieht und sagt, es will seine sechsjährige Schwester und seinen siebenjährigen Bruder um sich haben, der Erpressung oberster Organe schuldig gemacht wird, indem das der Minister ausspricht. Das ist ja nicht irgendein Tatbestand, meine Damen und Herren, die Nötigung oberster Organe.

Nur: Arigona aus Frankenburg, die nichts anderes will als Friseurin werden, ist ja nicht alleine. Sie ist ja nicht alleine: Denis aus Wieselburg, derzeit untergetaucht, steht wenige Monate vor dem Abschluss der Kellnerlehre, kann nichts anderes als Deutsch, ist bestens ausgebildet und soll abgeschoben werden. – Gleichzeitig wird der Antrag auf Zuzug von Arbeitskräften gestellt! – Der Hava in Grein droht ein ähnliches Schicksal, auch sie wird sich irgendwann der Habhaftwerdung durch die Organe der Fremdenpolizei entziehen müssen.

Gestern hat ein 16-jähriger Österreicher seine Mutter gefragt – und er ist von Geburt an Österreicher, seine Mutter ist zugewandert –: Mutter, wann werden wir abge­schoben? – Das heißt, die Unsicherheit, die hier verbreitet wird, betrifft auch Menschen der dritten Generation mit österreichischem Pass. Diese riesige Unsicherheit zu ver­breiten, meine Damen und Herren, hat doch dieser Staat nicht notwendig, und diese Kaltherzigkeit ebenfalls nicht. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Hätten Sie, Herr Kühnel, gedacht, dass es nach 1945 noch einmal eine Situation gibt, wo Sie Volksschülern erklären müssen, warum der Sessel, auf dem am Dienstag der Sitznachbar gesessen ist, am Mittwoch leer ist? (Bundesrätin Roth-Halvax: Das ist ein Zusammenhang, der unzulässig ist! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das ist kein Zusammenhang, das ist das, was derzeit Realität ist! (Bundesrätin Roth-Halvax: Nein, das ist unzulässig!)

Wenn Kinder sechs, sieben, acht Jahre alt sind, so gehen diese in eine Schule. Und wenn diese Kinder abgeschoben werden – manchmal aufgegriffen und dinghaft ge­macht nach Beendigung der Volksschule (Bundesrätin Roth-Halvax: Aber der Konnex


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ist ein Skandal!) –, steht die Polizei da und schnappt die Kinder: Dann fehlen diese am nächsten Tag! (Vizepräsident Weiss übernimmt wieder den Vorsitz.)

Und wenn Sie die Kinder gesehen haben aus Wieselburg, aus Frankenburg, so wissen Sie, dass diese mit einem verzweifelten Gesicht demonstrieren, in welchem die Sorge zum Ausdruck kommt: Wo ist mein Schulfreund?! – Das ist eine Tatsache, und diese erinnert fatal daran, dass in diesem Land Leute deportiert wurden. Und wir haben es nicht notwendig ... (Rufe bei der ÖVP: „Deportiert“?! – Bundesrat Kneifel: Das ist ungeheuerlich: „Deportiert“!)

Deportiert, jawohl! – Wir haben es nicht notwendig, Familien zu zerreißen. Das hat dieser Staat nicht notwendig! (Bundesrat Dr. Kühnel: Das ist eine Terminologie des „Dritten Reiches“! – Ruf bei der ÖVP: Da gehört ein Ordnungsruf! Ein Wahnsinn ist das!)

Sie fordern, dass dieses Gesetz in dieser Form ... – Ich weiß nicht, verstehen Sie das nicht? Verstehen Sie das nicht, dass es für diese Menschen ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie müssen die Wortwahl ...!)

Ich brauche diese Wortwahl nicht! Das ist nämlich eine Verschärfung! – Verstehen Sie es nicht, was es für ein sechs-, sieben-, achtjähriges Kind, das nie eine andere Sprache als Deutsch gesprochen hat, das plötzlich über Nacht von Sicherheitskräften festgenommen, in irgendein Gebiet zum Beispiel des Kosovo, Mazedoniens oder Bosniens deportiert wird, was das für dieses Kind bedeutet (Ruf bei der ÖVP: „Deportiert“, ...!), und wenn die Mutter zurückbleibt im Spital, weil sie es nervlich nicht mehr durchhält, wenn andere Kinder untertauchen aus Angst genau davor?

Das ist ein Grund, warum ganz offensichtlich die Justizministerin heute mit dem Vor­schlag gekommen ist, der genau dieser Forderung der Bundesländer, die Sie entsandt haben, nämlich jener Landtage – sechs Landtage –, die Sie entsandt haben, entspricht. Und interessanterweise hat der Vorarlberger Landtag bei den Reform­vorschlägen zum Bundesrat wieder einmal die Bindung beschlossen, damit das, was das Land denkt, hier auch von den Bundesräten und Bundesrätinnen durchgesetzt wird. Da müssten heute die Bundesräte und Bundesrätinnen von SPÖ und ÖVP aus sechs Bundesländern eigentlich dem Wunsch ihres Landes mehrheitlich Folge leisten und diesem Bleiberecht zustimmen!

Bischof Bünker von der evangelischen Kirche meint, Menschenrecht ist keine Gnade. Und es geht nicht darum, dass ein Innenminister wie Caesar sagt: so oder so (der Redner zeigt mit dem Daumen nach oben, dann nach unten) – die einen haben die Chance, hier zu bleiben, die anderen nicht. (Bundesrätin Roth-Halvax – mit dem Daumen nach unten zeigend –: Wissen Sie, was „so“ bedeutet?! – Weitere Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

Nein! Es muss Recht ... (Bundesrat Dr. Kühnel: „Deportieren“ und Finger rauf und runter mit dem Daumen – bitte, das ist ein Skandal!)

Das ist kein Skandal, das ist die Realität! Das ist die Realität der derzeitigen Hand­habung! – Dann gehen Sie einmal nach Wieselburg und diskutieren Sie ... (Bundesrat Dr. Kühnel: ... ist rechtsstaatlich abgesichert!)

Ah, sehr schön: „Rechtsstaat“! – Bleiben wir einmal dabei, was die sagen, die Sie ja kritisieren, weil sie in gewisser Weise das Gewissen zur Verfassung und zum Rechtsstaat bilden. Sie halten ja nichts von den Verfassungsexperten wie Öhlinger, Funk oder Mayer. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das sind Theoretiker!)

Das sind Verfassungsrechtler! Das ist ja absurd, zu sagen: Das sind Theoretiker! – Also so etwas habe ich überhaupt noch nie gehört, aber bitte.


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Öhlinger meint: Auch die aktuellen Fälle sind nach geltendem Recht positiv lösbar. Professor Funk sagt: Diese Fälle sind allesamt menschenrechtswidrig. Hier gibt es ein falsches Grundverständnis der Behörde. Im Vordergrund für den Staat müsse der Schutz des in Artikel 8 der Menschenrechtskonvention verankerten Privat- und Familien­lebens sein und nicht das staatliche Eingriffsrecht in die Grundrechte.

In der Praxis – wenn man schon sagt: Alles ist rechtens! – wird diese Abwägung umgedreht. Es geht hier nicht um Gnade, es geht um Recht! Wenn eine Behörde in Österreich fünf Jahre braucht, um zu entscheiden, ob eine Familie hier bleiben kann oder nicht, die Kinder zum Beispiel alle vier Volksschulklassen machen lässt – und das zeigt es ja, jeder einzelne Fall, der hier öffentlich diskutiert wird, wie diese Menschen integriert sind: Nichts von Fremdenfeindlichkeit! Da demonstrieren die Frankenburger zu Hunderten! Da kommen die Wieselburger in Bussen nach Wien, um zu demonstrieren und zu fordern: Wir wollen, dass Denis in Wieselburg bleiben darf und dort Kellner werden darf!

Und, Herr Dr. Kühnel, es gibt etwas in unserer Bundesverfassung – vielleicht wissen Sie es oder auch nicht –, das nennt man Ermessensspielraum, ein Handlungs­ermessen und das Auswahlermessen. Und interessanterweise wird dieser Handlungs­spielraum oder dieser Ermessensspielraum immer wieder zu Lasten jener, die hier das Gesetz anrufen, genutzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, es nützt nichts, wenn Kanzler Gusenbauer zwar die richtigen Worte sagt, dass das alles „grauslich“ ist. (Zwi­schenruf des Bundesrates Mayer.) – Nein, er sagt, es ist grauslich, was hier passiert. Das heißt, er kritisiert es. Aber die Geschichte beurteilt eine Regierungs­periode nicht nach dem Innenminister – wer weiß noch, wer wann Innenminister war? –, sondern immer nach den Epochen. Und es kann doch nicht angehen, dass die Kanzlerschaft Gusenbauer damit in die Geschichte eingeht, dass es Hunderte Fälle von grauslichen Abschiebungen von integrierten Menschen gab.

Sie finden ja, dass Sie völlig am Boden sind. Nur: Es läuft Ihnen irgendwie die Zustim­mung in der Bevölkerung davon. Wenn ich zum Beispiel ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Die Mehrheit der Bevölkerung ...!)

Hier ist jemand ganz laut. Das ist der Herr Dr. Kühnel. Den habe ich erst unlängst in der Staatsoper gesehen. (Bundesrätin Roth-Halvax: Ist das verboten?) – Nein, ich war ja auch dort, sonst hätte ich ihn ja nicht sehen können! (Bundesrat Konecny: Und wer von euch war auf der Bühne? – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel. – Weitere Zwischenrufe. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.) – Danke!

Der Direktor dieses Hauses, das Kühnel zu besuchen pflegt, sagt:

„Gesetze werden von Menschen für das Wohl der Menschen gemacht. Wenn diese aber zum Nachteil und zum Unwohl der Menschen angewendet werden und sie ihre humanistische Grundlage verlieren, dienen sie nicht mehr zu des Menschen Wohl, sondern wie im Fall Arigonas zu deren seelischer Vernichtung.“ – Ioan Holender.

Oder – das ist auch für die ÖVP vielleicht ganz interessant –: Einer der großen Dichter der Gegenwart, Franzobel, meint:

„Als Christen lernen wir, dass Maria und Josef in Bethlehem kein Quartier fanden, in einem Stall wohnen und den Erlöser zur Welt bringen mussten, wir empören uns über die Hartherzigkeit der Bewohner Bethlehems. Und selber sind wir noch weit schlimmer. Ich sehe nicht, wie sich die Volkspartei mit ihrem Standpunkt im Fall Zogaj noch christlich nennen kann.“


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Also, wenn Sie für Ihr Seelenheil die Kirchensteuer zahlen, so wie ich, dann machen Sie ein Stranded Investment (Bundesrätin Roth-Halvax: Aber das Seelenheil kann man sich nicht kaufen!), denn Sie befinden sich hier nicht auf dem Boden dessen, was die katholische Kirche oder das christliche Weltbild ist (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer), denn – der Kollege Schnider kennt sich jetzt aus –: Die größte Laien­organisation Österreichs ist? – Die Katholische Aktion. Richtig!

Die Präsidentin der Katholischen ... (Bundesrat Mag. Himmer: Ich mach’ mir über ... marxistischen Wurzeln auch keine Sorgen!) – Also die Welt des Harry Himmer ist nur schwarz-weiß: Marx da, Christus dort, oder wie?

Dann ist es aber bei euch finster, weil Christus nicht mehr auf eurer Seite ist. Das ist ein dunkles Loch. (Bundesrat Mag. Himmer: Mach dir keine Gedanken!) Ich mache mir große Gedanken über das Seelenheil des Harry Himmer! (Ruf bei der ÖVP: Das macht sich nicht einmal er selbst!)

Dr. Johanna Rachinger, Chefin der Österreichische Nationalbibliothek, meint:

„Asylansuchen müssen so schnell wie möglich behandelt werden – ich finde es völlig inakzeptabel, dass AsylwerberInnen oft bis zu zehn Jahre auf einen Bescheid warten müssen, um dann abgeschoben zu werden. In dieser Zeit haben sie sich in Österreich eingelebt, ...,“ (Bundesrat Schöls: Bleib bei der Wahrheit!)

Auch durch viel Schreien wird diese Schande nicht besser. Das ist die Wahrheit, lieber Freund! Lies einmal den Volksanwaltschaftsbericht über die überlangen Wartezeiten von Asylsuchenden! Wenn die Volksanwaltschaft sich auch schon von der Wahrheit entfernt und nur mehr der Kollege bei der Wahrheit ist, dann wird er irgendwo ganz einsam und allein stehen als Rufer für die Wahrheit.

In dieser Zeit haben sie sich in Österreich eingelebt, sind voll integriert, Kinder werden hier geboren, die dann in das Land ihrer Eltern ‚auswandern’ müssen, das sie oft nicht kennen. Dafür ist es dringend erforderlich, dass das geltende Fremdenrecht ent­sprechend geändert wird. Um Härtefälle zu vermeiden, müssen darüber hinaus unbürokratische, individuelle Entscheidungen in Asylverfahren möglich sein.

In einem reichen Land wie Österreich muss außerdem nicht nur Platz sein für poli­tische AsylwerberInnen, deren Sicherheit in ihrem Ursprungsland nicht gegeben ist, sondern auch für Wirtschaftsflüchtlinge aus den ärmsten Ländern der Welt, die sich hier eine neue Existenz aufbauen wollen.“ – Das sagte Dr. Johanna Rachinger, Chefin der Nationalbibliothek.

Weiteres Zitat: „Die Fremdengesetze sind zynisch, kalt und menschenunwürdig! Die Wirtschaft blüht, die Staatseinnahmen steigen, Österreich ist ein reiches Land. Und was macht dieses Land? Unter dem Deckmantel inhumaner, auch von der SPÖ mitzuverantwortender Gesetze zerstört der Staat Menschen und Familien!“ – Das sagte Erwin Steinhauer.

Aber man muss ja nicht nur die großen Künstler und andere Leute, man kann auch einfach Menschen zu Wort kommen lassen, die Briefe an Zeitungen schreiben. Sie wissen es – Sie wissen es ganz genau, deshalb tut es Ihnen auch so weh! –, dass etwas zu rutschen begonnen hat und dass sich gegen diese unmenschliche und grau­same – um Gusenbauer zu zitieren: „grausliche“ – Vorgangsweise in Österreich immer mehr Menschen auflehnen. Das zeigen Demonstrationen, wo immer sie stattfinden. Vor der Zivilcourage jener Menschen (Zwischenruf des Bundesrates Mayer– ich weiß, Herr Mayer, Sie finden das jetzt alles sehr lustig und witzig ... (Bundesrätin Roth-Halvax: Lustig ist das nicht!) – ja, es mag schon sein! –, die heute Menschen verstecken, kann ich nur den Hut ziehen.


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Zum Beispiel schreibt eine Veronika Pernsteiner aus Feldkirchen:

„Skandalöses Verhalten. Von der Polizei abgeholt und abgeschoben: Weil sie nicht zahlende Touristen oder umjubelte Künstler/-innen sind, sondern ‚nur‘ einfache Men­schen, die seit Jahren in unserem Land leben und arbeiten, unsere Sprache gelernt haben, Freunde gefunden haben“ ... (Bundesrat Schöls: ... illegal sind!) – Was ist denn illegal? Die haben ja einen Asylantrag abgegeben und warten fünf, sechs, sieben Jahre (Bundesrätin Roth-Halvax: Der ist abgelehnt worden!), beste Jahre im Leben oder die ersten Jahre einer Kindheit. Das ist doch lächerlich! (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) Das ist wirklich lächerlich! (Bundesrat Schöls: Das ist wirklich lächerlich!)

„In welchem Land lebe ich eigentlich, wenn das möglich ist?“, sagte Veronika Pern­steiner, die ich nicht kenne, aber vielleicht weiß das jemand anderer. „Nicht zu glauben ...“ (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) – Es nützt jetzt nichts, Kollege Himmer, Sie können schreien und schreien: diese Wahrheit muss zumutbar sein! Ihr habt ein Problem, die Wahrheit zu akzeptieren. (Bundesrat Mag. Himmer: Fünf Zitate ergeben keine Mehrheit!)

„Nicht zu glauben, dass dies ein westeuropäisches Land mit menschlichen Merkmalen sein soll! Diese Abschiebung ist ein skandalöses Verhalten der österreichischen Politik und ihrer Entscheidungsträger – ein Armutszeugnis für unser reiches Österreich.“

Kollege Himmer und andere haben mich ja vorhin unterbrochen, als ich auf die größte Laienorganisation dieses Landes, die Katholische Aktion hingewiesen habe. Wenn eine Dame von über 60 Jahren auf eine Bühne geht und diese große Katholische Aktion repräsentiert ... (Bundesrätin Roth-Halvax: Was hat das mit dem Alter zu tun?) – Ich rede hier vielleicht von der Erfahrenheit! Wenn ihr anderen Jugendlichen Leichtsinn und Unkenntnis von Recht vorhaltet, dann sage ich einfach: Diese Dame hat sehr viel Erfahrung und spricht ... (Ruf bei der ÖVP: Redezeit!) – Ich bin gleich fertig, Sie brauchen keine Sorgen zu haben! Es gibt heute keine Dringliche, vielleicht können Sie sich einfach ein paar Worte mehr anhören!

Es geht auch um Schicksale. Sie lehnen heute den Antrag ab, dass dieses Bleiberecht für Menschen, die länger als fünf Jahre schon hier integriert sind, verfestigt wird. Und wenn diese Dame der Katholischen Aktion Berthold Brecht zitiert, dann muss schon irgendetwas in der Republik passiert sein. Und sie hat Berthold Brecht in jener Passage zitiert, wo sie gesagt hat – und gerufen hat, die Präsidentin! –: „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“

Ein Doktor Mühlbacher aus Salzburg meint:

„Gesetze stimmen nachdenklich. Die Tatsache, dass unsere Gesetze es überhaupt als denkmöglich zulassen, einen sechsjährigen Buben abzuschieben und dadurch von seiner Mutter zu trennen, stimmt mehr als nachdenklich. Wer eine derartig grausame Handlung in irgendeiner Weise mit seinen eigenen ethischen Empfindungen vereinen kann, möge bitte höchstpersönlich das Kind seiner Mutter entreißen und ‚nach Hause‘ in den Kosovo bringen. Dabei besteht vielleicht Zeit, nachzudenken.“ (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. – Bundesrat Schöls: Die Mutter müsste auch schon im Kosovo sein!) – Kollege Himmer!

„Dabei besteht vielleicht Zeit, nachzudenken“, sagte Dr. Mühlbacher. Und mit diesen Worten des Dr. Mühlbacher, vielleicht darüber nachzudenken, nehmen wir zwar zur Kenntnis, dass Sie diese Initiative heute ablehnen, vielleicht wird aber der eine oder andere von Ihnen doch nachdenklich, so wie Ihre Landtage nachdenklich geworden sind. (Bundesrat Schöls: Gestern haben Sie sich noch lustig gemacht!) – Ich mache mich überhaupt nicht lustig! – Und wenn der nächste Landeshauptmann wieder eine


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Ausnahme fordert, dann wissen Sie vielleicht beim Nachdenklichwerden warum. (Bei­fall bei den Grünen.)

14.46


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Konecny. – Bitte.

 


14.46.11

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann dem Kollegen Schennach einen vollen Erfolg zusichern: Ich bin sehr, sehr nachdenklich geworden – und das heute schon den ganzen Tag. Ich habe mich schon in der Früh zu wundern begonnen, wie die asylpolitische Kampfgemeinschaft Schennach/Mühlwerth argumentieren wird. Und ich bin angesichts der Rede in höchstem Maße nachdenklich geworden.

Herr Kollege Schennach, es mag ja im Augenblick opportun erscheinen, mit Zitaten die eigenen Standpunkte zu überdecken. Aber wir reden von einem Problem, das in vielfältiger Art und Weise für unser Land Bedeutung hat. Und ein bescheidenes Eingehen auf die Realitäten würde dem Thema nicht schlechttun. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesräte Mitterer, Mühlwerth und Ing. Kampl.)

Im Gegensatz zu dir maße ich mir weder an, über das letzte Heil von Kolleginnen und Kollegen Prognosen abzugeben (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.) – ich bin dafür auch in besonderem Maße unqualifiziert, ich gebe das schon zu, als nichtreligiöser Mensch will ich mich nicht einmischen. Aber wir sollten uns doch die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Gesetzeslage, die wir haben, und ihrer unglückseligen, bedrückenden Anwendung vor Augen führen.

Wir haben ja eine Asylgesetzgebung nicht als Mittel des Quälens von Menschen, sondern zur rechtlichen Ausgestaltung der Behandlung von Menschen, die bei uns um politisches Asyl im Sinne der Genfer Konvention ansuchen. Und ich darf in aller Bescheidenheit daran erinnern, dass Österreich mit seiner Anerkennungsquote von über 20 Prozent in der europäischen Spitzengruppe liegt. Deutschland kommt auf 1,7 Prozent, um nur eine Größenordnung zu nennen, Ungarn auf 0,3 Prozent. Das heißt, in einer langjährig entwickelten Praxis – und viele Bestimmungen, die heute dis­kutiert werden, gibt es seit einem Jahrzehnt oder länger – hat Österreich, hat auch unsere Verwaltung mit dem Asylrecht zu leben gelernt und es anzuwenden gelernt. Wir verkennen nicht die Mängel vor allem der Qualität der erstinstanzlichen Bescheide – keine Frage! –, aber die Anerkennungsquote spricht immerhin dafür.

Das Zweite ist, dass Asyl und Zuwanderung nicht zwei Seiten derselben Medaille sein können, sondern dass hier einerseits die Verbindung, die es gibt, gesehen werden muss, wir aber dennoch zwei Rechtsbereiche haben, die unterschiedliche Wege nach Österreich ebnen. Wer in dieses Land zuwandert, der wird nicht verfolgt. Es gibt keine Zuwanderungsgründe im Sinne irgendeiner Überprüfung.

Es gibt eine Bewerbung darum, und es gibt Quoten, von denen unsere Wirtschaft meint, dass sie ein wenig eng bemessen sind. Aber hier wird Menschen eine Ein­wanderungsperspektive – und etwas anderes ist es nicht – eröffnet.

Asyl ist zunächst einmal Schutz vor Verfolgung. Der Rekurs darauf, dass es vor zwei Generationen Menschen gegeben hat, die als Österreicher dieses Asyl in anderen Ländern dringend zu ihrem Überleben gebraucht haben, ist in absolutem Maße gerechtfertigt.

Wer Asylgründe vorbringt, der hat alles Recht auf eine Prüfung – und zwar eine durchaus wohlwollende Prüfung – der Asylgründe. Er lebt in einem Schwebezustand, solange sein Asylansuchen nicht genehmigt ist. Es ist auch ein Stück Menschlichkeit


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diesen Menschen gegenüber, wenn es uns endlich gelingt, die Asylverfahren so kurz zu halten, dass Menschen es abwarten können.

Ich glaube dieses Thema ist jenseits aller Zitate zunächst einmal anzugehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesräte Mitterer, Mühlwerth und Ing. Kampl.)

Ein Asylverfahren von mehr als einem Jahrzehnt ist unzumutbar für den Asylwerber, aber natürlich auch für unser Land selbst, und ein guter Teil der Probleme, die wir mit Recht diskutieren, sind genau daraus entstanden. Kinder, die in Österreich geboren werden, wenn wir ein Asylverfahren in eineinhalb Jahren abschließen können, gehen mit Sicherheit nicht in die Schule. Es wird wenig Integration geben, vor allem weil ja auch die Unsicherheit gegeben ist, bleiben zu können. Und wenn es dann zu einem nicht positiven Asylbescheid, zur Heimführung kommt, dann ist das zwar sicherlich nicht das, was der Asylwerber sich gewünscht hat, als er nach Österreich gegangen ist, aber es ist ohne diese enormen Härten, die wir heute registrieren müssen. – Also geht es um die Beschleunigung der Verfahren.

Die Sozialdemokratie hat – und das als Oppositionspartei – einer Gesetzesnovellierung zugestimmt, die – und das bestreite ich überhaupt nicht – in unseren Reihen durchaus hart diskutiert worden ist. Und einer der Gesichtspunkte, die vielen die Zustimmung damals erleichtert haben, war es, dass durch die Schaffung einer neuen unabhängigen richterlichen verwaltungsrechtlichen zweiten Instanz die Verfahren entscheidend be­schleunigt und verrechtlicht werden sollen und dass damit im Regelfall der Zug an den Verwaltungsgerichtshof und den Verfassungsgerichtshof nicht mehr notwendig ist.

Bei allem Respekt vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat: Er ist kein Verwaltungs­gericht in diesem Sinn. Der künftige Asylgerichtshof wäre dieses, wird dieses hoffentlich sein.

Und an dieser Stelle gestatte ich mir schon, zu sagen – auch wenn es da vielleicht wieder Zwischenrufe gibt, das ist zwischen Koalitionsparteien auch nichts Unmora­lisches (ironische Heiterkeit bei der ÖVP) –: Wir haben diese Einigung vor nunmehr eineinhalb Jahren erzielt. Was seither geschehen ist und was jedenfalls kein Minister der Sozialdemokratie zu verantworten hat, ist genau null! (Beifall bei der SPÖ.)

Die politische Einigung, die wir damals erzielt haben, ist aus dem Gesetzesantrag im Nationalrat und im Gesetzesbeschluss, den wir zu behandeln hatten, bereits wieder hinauseskamotiert worden. Es war politisch vereinbart, dass mit der Änderung des Asylgesetzes auch der Asylsenat, der Asylgerichtshof kommt. Das hat nicht statt­gefunden. Wir waren es, die bei den Regierungsverhandlungen genau diese Verän­derung in das Regierungsübereinkommen, das auch schon wieder ein Dreivierteljahr alt ist, hineinkommt, und der Herr Minister Platter hat genau null getan, um diesen Asylgerichtshof zu verwirklichen. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das stimmt aber nicht!) – Das stimmt! Es gibt dazu nicht einmal eine Vorlage des Ministeriums im Ministerrat!

Wir werden uns das nicht gefallen lassen. Es muss im November eine Beschluss­fassung geben, denn alle diese Posten müssen rechtsstaatlich ausgeschrieben wer­den. Wenn wir tatsächlich wollen, dass Mitte nächsten Jahres dieser Asylgerichts­hof seine Arbeit aufnimmt, dann ist November der allerletzte Termin. Das ist dann zwei Jahre später, als es möglich gewesen wäre. Und mit Verlaub gesagt: Das ist ein mindestens so großer Skandal wie viele Praktiken in der Handhabung des Asylrechtes. (Beifall bei der SPÖ.)

Warum ist das wichtig? – Es ist wichtig, weil wir den gewaltigen Rückstau an Asyl­verfahren abarbeiten müssen. Ich habe ein Problem mit dem Wort „Rucksack“, weil das so nach beschwert und beschwert sein klingt. Nein, es ist ein Rückstau, ein von den österreichischen Behörden verursachter Rückstau – das muss man deutlich


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aussprechen! –, der abzuarbeiten ist. (Ruf: ... von den Asylanwärtern!) – Nein, Herr Kollege, das weise ich energisch zurück! Wer rechtsstaatliche Möglichkeiten ausübt, der handelt nicht unrecht und lädt keine Schuld auf sich. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir legen allen Wert darauf, dass wir diesen Menschen einerseits Klarheit verschaffen, aber andererseits auch eine Perspektive eröffnen. Und es ist klar: Jemand, der in einer wie prekären Situation auch immer seit einem Jahrzehnt in Österreich lebt, dessen Kinder in Österreich in die Schule gehen, wo Teile der Familie – üblicherweise sind das die Kinder über den Weg der Schule – in hohem Maße angepasst sind, der die Sprache spricht, hier eine Lebensperspektive entwickelt, für den wird es Lösungen geben müssen.

Menschen, für die dieses Land auch ein Stück Heimat geworden ist – bei allen Doppelloyalitäten, die es da sicherlich geben wird –, haben ein Recht darauf, in dieser Situation ernst genommen zu werden. Ja, niemand braucht mit uns darüber zu dis­kutieren, dass das nicht für Rechtsbrecher gilt, die es unter denen auch gibt. Niemand braucht mit uns darüber zu diskutieren, dass man sich das im Einzelfall anschauen muss. Ja, natürlich!

Aber gerade jener humanitäre Aufenthalt ist ein guter Weg, um einmal die Tür einen erfolgversprechenden Spalt aufzumachen, damit sie dann letztlich ganz bei uns ankommen können.

Ich sage schon eines: Wir haben – und das Innenministerium hat – immer wieder zahl­reiche – die Zahlen sind in den letzten Tagen genannt worden, auch in unseren Ausschüssen – humanitäre Aufenthaltsberechtigungen erteilt. Ich sage in aller Be­scheidenheit: Ich habe bei dem Vorgang, der jetzt mit Recht die Öffentlichkeit alarmiert hat, von Seiten des Innenministeriums niemals ganz begriffen, was da eigentlich abläuft. Er unterscheidet sich nicht von anderen Fällen, die durchaus befriedigend gelöst wurden. Ich weiß nicht, wer da beschlossen hat, die ganze Härte des Gesetzes anzuwenden und ein bisschen mehr. Aber auch heute noch ist der konkrete Fall durchaus lösbar.

Die humanitären Rechtsinstrumente, die es gibt und die wir uns gegeben haben – es ist gesatztes Recht, es ist von nirgendwo heruntergefallen, also haben sich die, die es beschlossen haben, auch dabei etwas gedacht, so hoffe ich doch stark, auch in diesem Haus –, bieten die Möglichkeit, den Vater und die kleinen Geschwister nach Österreich zurückzubringen, bieten die Möglichkeit, den in Österreich verbliebenen Familien­ange­hörigen, Mutter und Tochter, das Leben bei uns temporär zu ermöglichen und gegen­über der gesamten Familie eine angemessene Entscheidung zu treffen.

Meine Damen und Herren, bei allem Verständnis dafür, dass Menschen das auch aufregt: Wir sollten die Möglichkeiten, die unser System bietet, dabei nicht außer Acht lassen. Keine Frage, es ist immer eine bessere Lösung möglich. Nicht zufällig haben die Regierungsparteien auch vereinbart, die gesetzlichen Regelungen zu evaluieren. Es ist ein Gesetz, das in seiner Fassung bis heute gilt, relativ neu ist und wo der Erfah­rungsschatz begrenzt ist, zu evaluieren, ob all jene Absichten, die man damit ver­bunden hat, auch tatsächlich eingelöst werden können. Natürlich ist es das, und nichts ist sakrosankt. Wir beschließen fortwährend Novellen zu allen möglichen und unmög­lichen Gesetzen, weil es da einen Anpassungsbedarf gibt. Da kann es keine Tabuzone geben im Bereich des Asylrechtes, wo man nichts anpassen kann, weil das so etwas ganz besonders Einzigartiges ist, was hier beschlossen wurde.

Wir brauchen eine Rechtsnorm, wir brauchen einen Regelungsmechanismus, und wir brauchen das ganze System, von der erstinstanzlichen Entscheidung über den Asyl­gerichtshof, die Befassung von Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof in Grundsatzfällen, aber nicht im Einzelfall, damit hier auch deutlich gemacht wird:


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Österreich ist durchaus bereit, Menschen bei uns willkommen zu heißen, aber das muss sich geregelt und in einem bewältigbaren Ausmaß abspielen. Das Signal, das weltweite Signal: Jeder, der will, kann kommen!, wäre mit Sicherheit auch ein falsches. Wir suchen jene Zuwanderung von Menschen, die unser Land braucht, und wir sind bereit, jene Menschen aufzunehmen, die es brauchen. Das ist ein guter Grundsatz: Nicht die Abschottung, nicht das große Scheunentor, aber eine Politik mit einem klaren Blick für das, was wir bewältigen können, um sicherzustellen, dass Integration auch stattfinden kann. Denn: Wenn wir Menschen aufnehmen, dann müssen sie auch wirklich eine Chance haben, bei uns eine Heimat zu finde, und dürfen nicht ihr Leben lang ein Fremdkörper bleiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir haben – lassen Sie mich das als letzten Satz noch sagen – auf Initiative unserer Fraktion nach der letzten Neuzusammensetzung dieses Hauses einen Petitionsausschuss geschaffen. Ich glaube, bei allen Zweifeln, die es gegeben hat – und die es vielleicht bei einzelnen Personen oder bei einem Einzelnen noch gibt –, er hat sich bewährt, und es wird das nicht das einzige Thema sein, wo wir uns der Probleme unserer Bürgerinnen und Bürger, der Menschen, die hier mit uns leben, annehmen und auch in der zweiten Kammer dieses Parlaments den Bürgern und Bürgerinnen eine Stimme geben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mitterer.)

15.03


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


15.03.38

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte eingangs noch zwei, drei Sätze zum Kollegen Bieringer sagen.

Ja, ich bin wirklich betroffen, dass der Innenminister heute nicht hier ist, dass in dieser an sich wichtigen Debatte der Innenminister dem Bundesrat nicht die Ehre gibt und sich nicht mit uns Bundesräten auseinandersetzt. Daher habe ich auch diese Anfrage gemeinsam mit den Grünen gemacht, weil ich das für völlig richtig halte, auch wenn uns ideologisch Welten trennen und wir gerade in dieser Frage meilenweit voneinan­der entfernt sind. Es gibt uns aber doch die Möglichkeit, als Opposition – und das sind wir beide; aber in dem Fall sind wir nur gemeinsam stark und nicht jeder für sich allein – eine solche Anfrage zu unterstützen.

Die Geschäftsordnung des Bundesrates regelt es aber offensichtlich nicht so genau wie die des Nationalrates, ob bei einer Debatte des Bundesrates ein Minister an­wesend zu sein hat oder nicht, was ja auch daran zu sehen ist, dass das jetzt vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes geklärt werden muss. Aber niemand, und ich am allerwenigsten, will das Recht beugen oder die Verfassung beugen, und das unterstelle ich natürlich auch nicht dem Kollegen Bieringer, sondern ganz im Gegenteil. Ich bin der Auffassung, Gesetze, die es gibt, sie mögen einem gefallen oder nicht, sind einzuhalten. Das ist schon einmal das Erste, was mich von den Grünen meilenweit trennt, die ja in der heutigen Debatte – das hat ja die Rede des Kollegen Schennach schon gezeigt ... (Bundesrätin Roth-Halvax: Warum betonen Sie immer wieder, was euch meilenweit trennt, wenn ihr doch in der Sache einig seid?)

Man kann ja in einer demokratiepolitischen Angelegenheit, wie es das Recht ist, eine Dringliche Anfrage zu stellen, einer Meinung sein. Das heißt ja nicht, dass man inhaltlich einer Meinung ist. Nachdem aber der Bundesrat dieselbe Zusam­men­set­zung hat wie der Nationalrat, was die Stärke der Klubs anbelangt, obwohl der Bun­desrat ein Drittel kleiner ist, könnte man sich schon einmal über die Geschäftsordnung unterhalten. Das steht aber jetzt nicht zur Debatte.


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Aber trotzdem darf ich doch sagen, dass uns hier Welten trennen, denn ich meine nicht ... (Bundesrat Mag. Himmer: Das ist nicht Thema Ihrer Anfrage!) – Du kannst dich ja zu Wort melden, Kollege Himmer, dann sagst du es bitte hier. (Bundesrat Schennach: Der Himmer will keine Dringliche Anfrage, das stört!)

Die Grünen wollen gerade in diesem „Fall Arigona“ mit einem Augenzwinkern darüber hinwegsehen: Es geht hier nicht um echte Asylwerber – das möchte ich betonen –, die politisch verfolgt sind, die rassistisch verfolgt sind, die also wirklich an Leib und Leben bedroht sind. Das regelt die Genfer Konvention. Von denen reden wir nicht, sondern wir reden von jenen, die sich hier unter Angabe von falschen Tatsachen ein Asylrecht erschwindelt haben. Und da ist Österreich mittlerweile, wie die Zahlen zeigen, ja schon sehr belastet.

In den Jahren 2002 und 2003 war der jährliche Wanderungssaldo, also Zuwanderung minus Abwanderung, 36 000 Personen. In den letzten Jahren ist das auf über 50 000 Personen angestiegen. Das entspricht in etwa der Einwohnerzahl einer Stadt wie St. Pölten.

In Österreich hat es mit Ende August fast 35 000 offene Asylverfahren gegeben. Von Jänner bis Juni 2007 sind fast 6 000 Asylanträge gestellt worden. In Deutschland waren es im selben Zeitraum 8 465, und Deutschland ist doch um ein gutes Stück größer als Österreich. Das heißt, ein Asylwerber kommt in Österreich auf 622 Öster­reicher, in Deutschland auf 3 946 Deutsche. Das heißt, hier haben wir wirklich schon wesentlich mehr getan als alle anderen. Die Zahlen zeigen, die Regierung wird sich weiterhin gerade mit Fragen des Asylmissbrauchs befassen müssen.

Und jetzt wird ein Fall von den Medien und auch von den Grünen herausgegriffen, und da wird jetzt mobil gemacht! Es wird unheimlich auf die Tränendrüsen gedrückt, und natürlich gibt es dann kaum jemanden, der sagt: Das fünfzehnjährige Mädchen tut mir nicht leid. Aber alle vergessen (Bundesrat Mag. Himmer: ... der gemeinsame Antrag?) – ich glaube, du willst es nicht verstehen –, dass 2001 der Vater dieser Familie illegal mittels einer Schlepperbande eingereist ist, seine Familie ebenso illegal nachkommen hat lassen – und jetzt sind alle zutiefst betroffen und sagen: Da muss man doch aus humanitären Gründen ein Bleiberecht geben!

Ja, wie denn jetzt? Ich kann mir ein Bleiberecht ersitzen? Auch wenn es durch alle Instanzen abgelehnt ist, kann ich sagen, ich bleibe so lange hier, bis alle sagen: Es ist so unmenschlich!, und dann darf ich hierbleiben? Das kann nicht die Grundlage eines Rechtsstaates sein, und auch ein oder zwei oder zehn Einzelfälle, die wir im Einzelnen bedauern mögen, können nicht die Grundlage eines Rechtssystems sein. Denn das würde bedeuten, wir machen Tür und Tor auf und sagen: Ihr könnte alle zu uns kommen! Das wollen, glaube ich, in Österreich gerade einmal die Grünen, und damit sind sie, glaube ich, ziemlich alleine. (Bundesrat Schennach: Was wollen wir?) – Kommt alle herein! Sie würden am liebsten – so, wie Sie argumentieren, kann man nur zu diesem Schluss kommen – jedem, der die Grenze überschreitet, legal oder illegal, ein Dauerbleiberecht geben.

Die Asylwerber, auch die Scheinasylwerber, wissen natürlich ganz genau, wie man das macht: Ich bleibe hier lange genug, dann wird es unmenschlich, dann regen sich alle auf! Oder: Ich kriege ein Kind – das haben wir schon beim Kinderbetreuungsgeld debattiert –, oder ich wehre mich laut und kräftig, dann habe ich auch die Medien oder einen Teil der Medien hinter mir.

Dass das in Europa nicht ganz so gesehen wird, das zeigen Beispiele wie Groß­britannien. In Großbritannien ist man schon wesentlich restriktiver geworden, und auch in den skandinavischen Ländern, die sonst immer ein leuchtendes Beispiel für uns darstellen sollen. Dänemark hat sich auch schon davon verabschiedet und sagt: Wir


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können das nicht machen. Auch Frankreich verschärft seine Bestimmungen, und in Deutschland ist es durchaus ähnlich.

Wir können einen ungezügelten Zuzug schon im Sinne unseres Sozialstaates nicht mehr zulassen. Wir haben schon sehr viele Zuwanderer hier, und ein nicht unbeträcht­licher Teil davon ist nicht integrationswillig, ja vielleicht auch nicht integrationsfähig. In Wien wird das besonders deutlich. Es ist nicht so, dass die in Ghettos abgeschoben werden, sondern die wählen das selbst. Man kann es in diversen Institutionen sehr gut nachvollziehen. Bestimmte Gruppen sagen: Ich will nur in den Bezirk, weil da wohnen schon so viele Türken, da möchte ich auch unbedingt hin! Und wir haben Probleme mit der Integration, diese Zuwanderer, die aus völlig anderen Kulturkreisen kommen, zu verkraften.

Die PISA-Studie hat aufgezeigt, dass 20 Prozent der Schüler kaum Deutsch können, nicht ausreichend lesen, nicht ausreichend schreiben können. Diese Zahlen sprechen wirklich eine deutliche Sprache. Da sind SPÖ und ÖVP mit ihrem ungehemmten Zulassen des Zuzugs schon seit den neunziger Jahren mit verantwortlich. Dass der Einzelne hier herkommen will, weil es ihm hier wahrscheinlich oder ziemlich sicher besser geht, ist aus dessen Sicht durchaus verständlich. Aber hier ist es notwendig, dass die Regierung verantwortungsbewusst und im Sinne der einheimischen Bevöl­kerung handelt und sagt: Mehr geht nicht mehr.

Dass das in anderen Ländern ebenfalls so ist, daran erinnert der Ausspruch des ehe­maligen Innenministers Schily, eines Sozialdemokraten, der schon vor Jahren gesagt hat: Das Boot ist voll, mehr geht nicht mehr!

Was mich aber am meisten entsetzt, das ist, dass es Mandatare gibt, auf die Verfas­sung vereidigte Mandatare, einen Landeshauptmann gibt, auch auf die Verfassung vereidigt, die gelobt haben, alle Gesetze einzuhalten, aber dann hergehen und sagen: Ich fordere offen zum Rechtsbruch auf! Und das womöglich noch mit stolzgeschwellter Brust! (Ruf bei der ÖVP: Welcher Landeshauptmann?) Pühringer, der oberöster­reichische Landeshauptmann! (Ruf bei der ÖVP: Das ist falsch!) Heute in der „Presse“ zitiert, lesen Sie es nach! – Das kann nicht sein, dass es hier Mandatsträger gibt, die offen zum Rechtsbruch auffordern, obwohl sie gelobt haben, die Gesetze zu achten und sie auch zu vollziehen. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) – Die Grünen sind da mit im selben Boot, aber wir können dazu gerne wieder eine Anfrage machen.

Das heißt also, wenn wir den Rechtsstaat ernst nehmen wollen, dann müssen die Gesetze, die bestehen, eingehalten und auch umgesetzt werden, und Einzelfälle können nicht die Entscheidung dafür sein.

15.14


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.14.09

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Sehr verehrte Kolle­ginnen, liebe Kollegen! Ich darf der grünen Fraktion ein Kompliment aussprechen: Was Sie mit Ihrer Partnerin heute schon alles aufgeführt haben – gleiche Ideologie, gleiche Ideen –, das halte ich für eine großartige Vorgangsweise. Gratulation! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Schennach ist jetzt nicht da, aber ich möchte trotzdem im Namen meiner Fraktion ganz klar festhalten: Eine derartig skandalöse Wortwahl sind wir von der grünen Fraktion, insbesondere vom Kollegen Schennach, der sonst ein kultureller, fein denkender Mensch ist, überhaupt nicht gewohnt. Wenn wir – und ich darf es


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 94

wiederholen – hier bezichtigt werden, kleine Kinder abzuschieben, so ist das Polemik pur, sehr verehrte Damen und Herren!

Wenn ich höre, dass wir jemanden „deportieren“: Dafür hätte sich der Kollege Schen­nach an und für sich einen Ordnungsruf verdient! Man könnte meinen, dass eine derartige Wortwahl – gerade das kritisieren Sie ja sonst immer – längst überwunden ist. Das kommt nämlich aus einer Zeit, mit der wir alle im Prinzip nichts mehr zu tun haben wollen. Von einer anderen Fraktion, die hier in diesem Hause ist, hört man diese Parolen, aber nicht von der grünen Fraktion. Das möchte ich hier mit aller Deutlichkeit sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Sie unseren Innenminister mit „Freund“ Nero vom Römischen Reich ver­gleichen – Daumen hinunter oder Daumen hinauf; Ersteres heißt: Rübe ab! –: Nero war einer der größten Schlächter der Antike und hat Rom angezündet! Und mit diesem Nero vergleichen Sie einen Innenminister, der Gesetze, die hier im Hohen Haus auch mit unseren Stimmen beschlossen wurden, vollzieht?! Mit diesem Nero vergleichen Sie unseren Innenminister? Das ist grausam, sehr verehrte Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Breiner: So einen Unsinn wider besseres Wissen zu erzählen!)

Herr Kollege Breiner, der Kollege Schennach ist zwar nicht da, aber ich kann ihm wenigstens in einem recht geben – den Rest, den er gesagt hat, kann man ver­gessen –: Menschen, die verfolgt werden, haben einen Anspruch auf Asyl. Daran besteht kein Zweifel, und dafür gibt es auch klare Verfahren. Jene, die in diesem Sinne Schutz und Hilfe brauchen, bekommen diese Unterstützung auch in Österreich, selbst­verständlich im Einklang mit der Genfer Flüchtlingskonvention und mit der EU-Men­schenrechtskonvention, aber – und das ist wichtig – wir trennen eindeutig zwischen Asyl, Zuwanderung und Integration. Und das würde ich auch Ihnen empfehlen, sehr verehrte Damen und Herren von der grünen Fraktion, weil Sie sich hier immer wieder als Gutmenschen aufspielen und dann derartige Dinge inszenieren, wie wir sie derzeit im Staate Österreich haben. Und das ist eben nichts, was der Rechtsstaat verträgt, sehr verehrte Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Sie verwechseln offensichtlich Asyl und Zuwanderung, und dazu möchte ich Ihnen gerne ein paar erläuternde Sätze sagen.

Asyl ist ein Menschenrecht, und Professor Konecny hat das sehr gut herausgearbeitet: Wir gewähren verfolgten Menschen Schutz und gehen dabei konsequent auch gegen jene vor, die dieses Recht missbrauchen. Zuwanderung betrifft alle, die in unser Land kommen, weil sie gerne hier leben wollen, und nicht, weil sie flüchten müssen. Das ist ein großer Unterschied!

Wir sind für eine geordnete Zuwanderung, das heißt, wir definieren, wie viele Men­schen mit welchen Qualifikationen nach Österreich einwandern dürfen, zum Beispiel Schlüsselarbeitskräfte, WirtschafterInnen oder FacharbeiterInnen. Es gibt jedoch viele, die einen Asylantrag in Österreich stellen, aber objektiv kein Recht auf Asyl haben, und das ist der entscheidende Punkt. Die Aufgabe, das festzustellen, liegt nicht beim Innen­minister, sondern bei Richterinnen und Richtern. Und ich wiederhole das: bei Richterin­nen und Richtern!

Viele Menschen kommen eben zu uns, weil sie sich einfach ein besseres Leben in Österreich erhoffen, wie eben die Familie Zogaj. Ihr, die Grünen, seid für diese Familie auf die Barrikaden gegangen, und ich werde euch anhand einer klaren chronolo­gischen Darstellung aufzeigen, für welche Menschen Sie derartige Dinge, wie sie derzeit in Österreich ablaufen, initiieren. Herr Kollege Schennach hat mich dazu genötigt. Und wenn klar ist, dass kein Recht auf Asyl besteht, müssen natürlich auch Konsequenzen gezogen werden, denn Asylmissbrauch ist eben auch Missbrauch.


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 95

Ich darf Ihnen jetzt eine Chronologie dieser Zogaj-Geschichte geben. Sechs Jahre geht das, und es ist noch kein Ende abzusehen. Der Aufenthalt der Familie Zogaj ist auch für die Behörden ein Marathon, und diesen Marathon werde ich Ihnen jetzt aufzeigen:

Mai 2001: Arigonas Vater reist illegal nach Österreich ein. Später stellt er einen Antrag auf Asyl. Er wurde 2001 von einem Schlepper nach Österreich gebracht und hat damals, belegt, 2 500 D-Mark bezahlt.

September 2002: Das ist offenbar so ermutigend, dass nun Frau Zogaj und die fünf Kinder nach Österreich einreisen, illegal, geschleppt. Dafür wurden 7 000 € bezahlt.

November 2002: Jetzt entscheidet die Behörde rasch – weil Sie uns immer vorwerfen, dass wir nicht rasch entscheiden –: Abgelehnt.

Herr Zogaj beruft gegen den vor einem halben Jahr gegen ihn ergangenen negativen Bescheid.

Februar 2003: Auch diese Berufung wird abgelehnt. Herr Zogaj erhält einen Aus­weisungsbescheid, geht aber zum Verfassungsgerichtshof. Auch die Berufung der Frau Zogaj gegen den Erstbescheid bringt Zeitgewinn.

Dezember 2003: Nach weiteren zehn Monaten sagt das Verfassungsgericht nein.

Mai 2004: Nachdem wieder ein halbes Jahr nichts passiert, will die Sicherheitsdirektion die Abschiebung vollziehen. Eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof bringt aufschiebende Wirkung.

März 2005: Der Verwaltungsgerichtshof lehnt die Beschwerde ab. Die Bezirks­haupt­mannschaft fordert die Zogajs zur Ausreise auf.

Mai 2005: Als es dann brenzlig wird, starten die Zogajs den nächsten Versuch: ein Antrag auf Niederlassung aus humanitären Gründen bei der Bezirkshauptmannschaft.

September 2005: Das Innenministerium lehnt diesen humanitären Aufenthaltstitel ab. Die Zogajs berufen.

Mai 2007: Gezählte 20 Monate vergehen. Die Berufung wird abgelehnt. Herr Zogaj lebt jetzt schon sechs Jahre in Österreich, Frau und Kinder viereinhalb.

September 2007: Vater Zogaj und vier Kinder werden auf Basis der Entscheidung vom März 2005, also nach zweieinhalb Jahren, in den Kosovo abgeschoben. Arigona, wie Sie alle wissen, versteckt sich, die Mutter bleibt vorläufig hier.

Sieben Verfahren durch alle Instanzen! Dazu sind noch zwei dieser Familie doku­mentiert straffällig in Österreich geworden. Und da frage ich Sie jetzt: Können Sie Asyl und Zuwanderung auseinanderhalten? Hier geht es nicht um Asyl! Hier geht es eindeutig um Zuwanderung, denn der Kosovo-Krieg war zu diesem Zeitpunkt, als der Herr Zogaj zugewandert ist, drei Jahre vorbei, sehr verehrte Damen und Herren! Drei Jahre vorbei! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

Es kann also nicht sein, dass wir prozessieren bis zur Abschiebung. Diese Aktion, die Sie inszeniert haben mit dieser Familie Zogaj – Sie haben heute drei Minister mit diesem Problem betraut und haben von drei Ministern Anfragen erhalten wollen und die Frau Justizministerin praktisch noch zu einer Fragestunde gezwungen –, das ist eben dieser Aktionismus, den Sie betreiben. Und das ist kein neues modernes Mär­chen, das Sie hier spielen, sondern hier geht es ganz klar darum, dass die Familie Zogaj von Beginn an wollte, sich in Österreich ein Bleiberecht zu erschleichen, und das ist die entscheidende Tatsache! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl. – Bundesrat Breiner: Wie kann jemand etwas versuchen zu erschleichen, was es gar nicht gibt?)


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 96

Wie wir heute schon gehört haben, Herr Kollege Breiner, der Staat kann sich nicht erpressen lassen: Wir brauchen nur ein mediengerecht inszeniertes Verfahren, einen guten Anwalt, ein paar Videoaufnahmen – und schwupp, alle illegal in Österreich auf­hältigen Asylwerber fallen unter eine Generalamnestie und haben sich das Bleiberecht erschlichen.

Es soll so sein, dass jedes einzelne Schicksal genau angeschaut wird. Dazu stehe ich. Die Verfahren beim Bundesasylsenat dauern nicht umsonst so lange. Es müssen wirklich alle Details geprüft werden, aber – und da gebe ich dem Professor Konecny recht – diese Verfahren dürfen nicht so lange dauern. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, und darauf hat Innenminister Günther Platter bereits reagiert.

Außerdem: Es gibt in Österreich 866 Verfahren, die ein humanitäres Bleiberecht in diesem Jahr manifestiert haben. In bereits 866 Verfahren hat man Humanität walten lassen, aber das sind natürlich alles keine Fälle, die man entsprechend dokumentieren kann. Mit diesen Aktionen des Innenministers kann man selbstverständlich kein politi­sches Kleingeld verdienen. Das ist eben die Problematik, die wir haben. Bei einigen anderen wird dieses humanitäre Bleiberecht auch möglich sein – wie gesagt, wir prüfen jeden Fall –, bei vielen allerdings nicht. Die Gesetze können nicht einfach ausgehebelt werden, weil wir eben in einem Rechtsstaat leben, Herr Kollege Schennach! Und es wäre schön, wenn Sie das einmal auch entsprechend zur Kenntnis nehmen würden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

Zu einigen Maßnahmen. Innenminister Günther Platter hat vor wenigen Tagen zwei konkrete zusätzliche Maßnahmen vorgestellt, die helfen sollen, Härtefälle zu ver­meiden. Auch Professor Konecny kann sich irren, das möchte ich hier schon sagen, denn in Sachen Asylgerichtshof hat er sich natürlich zu weit hinausgelehnt. Es wird einen Asylgerichtshof geben. Es dauert lange, da gebe ich ihm recht, aber wir werden noch in diesem Jahr einen entsprechenden Antrag bekommen, dass dieser Asyl­gerichtshof zum nächsten 1. Juli eingerichtet wird. Und damit wird man dann Sorge tragen, dass die Verfahren kürzer, maximal ein Jahr dauern. Aber bei der Familie Zogaj, Herr Kollege Schennach, hat das Verfahren nur wenige Monate gedauert: Den ersten abgelehnten Asylantrag hatte er nach wenigen Monaten. – Was hat er gemacht? Seine Familie zur Sicherheit ins Land geholt.

Also bitte, bei allem Verständnis! Aber, wie gesagt, Sie können nicht unterscheiden zwischen Asyl und Zuwanderung.

Zweite Maßnahme: Die Landeshauptleute werden bei der Beurteilung von Härtefällen künftig mehr mitbestimmen können. Auch die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die eigentlich die Experten für ihre Gemeindebürger sind, werden miteinbezogen. (Bun­desrat Schennach: Das können sie seit 10 Jahren! – Bundesrat Schöls: Nein, nein, stimmt nicht!) Wir werden uns die Situation, Herr Kollege Schennach, in den nächsten Wochen und Monaten genau anschauen, und Sie werden sehen, es wird eine andere Qualität in diese ganze Asylgeschichte kommen. Das kann ich Ihnen von hier aus versichern, Herr Kollege.

Der Kriterienkatalog dafür ist schon formuliert. Die Landeshauptleute können, wie gesagt, diese humanitären Aufenthaltstitel beantragen. Die Letztentscheidung bleibt aber, wie wir gestern auch im Ausschuss gehört haben, beim Minister. Die Landes­hauptleute können das beantragen, aber der Minister hat schlussendlich seine Unter­schrift darunterzusetzen.

Ich möchte Herrn Professor Konecny noch sagen, weil er glaubt, die ÖVP habe das Ganze verschleppt: Den Kosovo-Krieg gab es schon zu Zeiten des Innenministers Schlögl, obwohl ich sagen muss, dass der Ex-Innenminister Schlögl ein sehr kluger Kopf ist, hat er doch Innenminister Platter ob seiner Vorgangsweise gelobt. Da muss


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ich sagen: Respekt, Herr Ex-Innenminister Schlögl, Sie haben eine sehr weite Denk­weise! (Beifall bei der ÖVP.)

Vorarlberg hat, um hier auch ein spezielles Beispiel zu erwähnen, dieses automatische Bleiberecht nicht beschlossen, weil wir hier eine andere Meinung und einen anderen Umgang mit Asylanten haben. Wir sind auch gegen ein automatisches erschlichenes Bleiberecht und gegen eine Generalamnestie für alle.

Der Lösungsansatz aus Vorarlberg: Das Land Vorarlberg wird über Auftrag des Landeshauptmannes Dr. Herbert Sausgruber eine eigene Kommission einrichten, die die Situation der Asylwerber prüft, die mehrere Jahre bereits auf einen Bescheid warten. Die Kommission wird unter der Leitung von Sicherheitslandesrat Erich Schwärzler tagen – dazu kommt der Sicherheitsdirektor, dazu kommt aber auch die Caritas als zuständige Organisation für die Flüchtlingshilfe, und dazu kommen die Bürgermeister der Standortgemeinde. Es geht hier konkret um 50 Fälle, in denen Menschen seit mehr als fünf Jahre auf einen Bescheid warten, und wir werden selbstverständlich, so wie in Vorarlberg üblich, jeden Einzelfall prüfen. Laut Caritas sind von diesen 50 Fällen zirka 25 Personen als subsidiär schutzbedürftig einzustufen, also die Hälfte.

Ich würde mir wünschen, dass alle Länder dem Beispiel Vorarlbergs folgen, und ich lade Sie alle ein, Ihre Landeshauptleute dafür zu begeistern. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing.  Kampl und Mühlwerth.)

15.28


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Konrad.

 


15.28.17

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben uns etwas früher in der heutigen Sitzung mit dem Thema Schlepperei befasst, und da kam auch von der ÖVP-Seite die Aussage, dass es gut ist, dass nach diesem Gesetzestext, um den es da ging, die Opfer von Schlepperei eben als solche, nämlich als Opfer, betrachtet werden und nicht als Mittäter. Und ich bin jetzt schon überrascht, wenn ich jetzt an die vorige Rede denke, dass einerseits Schlepperei dann doch wieder etwas ist, was offenbar etwas Krimi­nelles ist. Ich frage Sie, wie Sie denn glauben, dass diese Menschen ... (Bundesrat Schöls: Der Vater hat die Familie aufgefordert, sich schleppen zu lassen!) – Ich weiß nicht, Sie wollen offenbar unbedingt reden – melden Sie sich einfach! (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Mag. Himmer: Wollen Sie die Zwischenrufe abschaffen oder was?) – Deine nicht, Harry, die sind immer amüsant!

Was den Menschen jetzt von meinem Vorredner offenbar auch vorgeworfen wurde, ist, dass sie einen Instanzenweg gegangen sind. Das kann ich nicht nachvollziehen, und da hat Herr Konecny durchaus Recht, wenn er sagt, wenn man gesetzliche Mög­lichkeiten, Einspruchsmöglichkeiten in Anspruch nimmt, dann ist das keine Ausnutzung eines Staates oder einer Gastfreundschaft oder sonst etwas, sondern dann ist das ein ganz normaler Anspruch. Ich kann das nachvollziehen, und vielleicht können Sie es persönlich, wenn schon nicht politisch, auch nachvollziehen, dass ein Vater halt für sich, für seine Familie, für seine Kinder auf eine bessere Zukunft hofft.

Ich hatte Glück, ich bin nicht in einem Land geboren, in dem noch vor wenigen Jahren Krieg war. Ich weiß nicht, wie das jetzt im Kosovo ist, kann mir aber vorstellen, dass es nicht unbedingt angenehm dort ist, dass man nicht unbedingt gute Chancen dort hat. Und: Wenn ein Kind eine andere Welt gesehen, wenn es andere Möglichkeiten vor Augen hat und wenn dieses Kind die Möglichkeit hat, in absehbarer Zeit eine Lehre zu machen, einen Beruf zu ergreifen, ein Leben zu führen, das ihm gefällt und ihm auch


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wichtig ist, so kann ich persönlich das sehr gut nachvollziehen. (Bundesrat Mag. Him­mer: Dann sollen also alle, denen es gefällt, kommen?! Da kommen 20 Millionen! Denen gefällt es da sicher!) Überlegen Sie einmal! Vielleicht können Sie das auch nachvollziehen. (Beifall bei den Grünen. – Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Innenminister Platter fühlt sich in letzter Zeit erpresst. Ich habe mir gestern seine Rede im Nationalrat angehört – und war teilweise doch sehr überrascht. Bundesminister Platter sagte, er fühle sich erpresst von den Medien, die sich, inzwischen seit Wochen, mit diesem Thema befassen. – Ich persönlich finde es, möchte ich sagen, sehr angenehm, dass Ausländer in Österreich einmal in den Medien vorkommen, ohne dass sie gleich automatisch als Kriminelle abgestempelt werden, obwohl andere Leute hier in diesem Saale das wahrscheinlich nicht so schön finden. Minister Platter fühlt sich aber nicht nur erpresst von den Medien, sondern er fühlt sich offensichtlich auch erpresst von einem 15-jährigen Mädchen, was ich schon für ein starkes Stück halte.

Eventuell fühlt sich Minister Platter auch erpresst von sechs österreichischen Land­tagen, die sich für ein Bleiberecht ausgesprochen haben. Und höchstwahr­scheinlich fühlt sich der Minister erpresst von den wirklich tausenden Menschen, die am Dienstag demonstriert haben in Bezug auf all diese Einzelfälle, die wir jetzt aus den Medien kennen, darüber hinaus aber auch demonstriert haben gegen Ungerechtigkeiten, die sie da im österreichischen Rechtssystem sehen. (Beifall bei den Grünen.)

Der Herr Innenminister Platter fühlt sich aber nicht nur erpresst, sondern er hat zurzeit offensichtlich auch positive Gefühle. Herr Klubobmann Schüssel hat ihn ja auch so verteidigt und auf die Rechte des Innenministers hingewiesen und daran appelliert, dass man ihn doch bitte auch freundlicher behandeln möge. – Mein Mitleid, muss ich sagen, hält sich da momentan doch in Grenzen, und die Befindlichkeit des Innenministers ist für mich in dieser Frage nicht vorrangig.

Jedenfalls hat sich Innenminister Platter dann erfreut gezeigt, dass es diesem Mäd­chen gut geht. Sie ist in einer Umgebung, die sie selbst gewählt hat, sagte der Herr Innenminister – und er bedankte sich sehr bei dem Herrn Pfarrer, der das Mädchen betreut.

Ich frage mich da aber schon, wie gut es einem Mädchen gehen kann, das öffentlich mit Selbstmord droht, wie gut es einem Mädchen gehen kann, dessen halbe Familie abgeschoben wurde und dessen Mutter einen Nervenzusammenbruch erlitt. Dass das dieser Pfarrer, dem jetzt öffentlich gedankt wird, macht, ist aber nach Meinung des Innenministers – zumindest in anderen Fällen, vielleicht nicht in diesem – etwas Strafbares, sei Beihilfe zu einer strafbaren Handlung. Darüber hinaus aber: Dieser Pfarrer müsste das gar nicht tun, wenn Menschlichkeit und Politik nicht Gegensätze bildeten, wie das aber in letzter Zeit geradezu aussieht.

Herr Innenminister Platter will sich aber auch nicht erpressen lassen, sagt er, denn ein Staat, so der Innenminister, dürfe sich nicht erpressen lassen; es gebe Gesetze und diese Gesetze müssten exekutiert werden. – Ich frage mich, ob da nicht noch ein bisschen die Polizistenvergangenheit aus Bundesminister Platter spricht, denn als Regierungsmitglied müsste Minister Platter wissen, dass Gesetze durchaus geändert werden können. Die österreichischen Gesetze sind uns ja nicht auf Steintafeln auf einem Berg überreicht worden und gelten für immer, sondern: Gesetze können novelliert werden. Wir wissen ja, dass die österreichischen Fremdengesetze zu den strengsten in Europa gehören. Wenn man auch nur ein bisschen die internationale Medienlandschaft beobachtet, wird jedem sehr schnell auffallen, dass die öster­reichischen Fremdengesetze zu den strengsten Europas gehören und – so wird das auch von vielen ausländischen Medien gesehen – nicht nachvollziehbare Härten beinhalten.


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Eines ist wichtig, eines dürfen wir hier nicht vergessen – wir sind immerhin Volks­vertreter und betrachten uns als solche –, und eines sollte auch der Herr Innenminister nicht vergessen: dass Gesetze immer Individuen betreffen. Man kann nicht Gesetze und Individuen gegeneinander ausspielen. Das große Ganze kann nicht ein Gegensatz sein zum Schicksal von Einzelpersonen. Ein Gesetzgeber kann Einzelne nicht beiseite lassen, kann nicht so auf Härte setzen, wie das momentan passiert. Unserer Meinung nach könnten diese Fälle, die wir jetzt aus den Zeitungen kennen, durch ein Bleiberecht, wie dieses ja auch von vielen Landtagen gefordert wird, sehr wohl gelöst werden. Diese Probleme müssten nicht bestehen. (Beifall bei den Grünen. – Bun­desrätin Roth-Halvax: Das heißt, jedes Individuum hat ein eigenes Gesetz? Wie soll das funktionieren?)

Ein Bleiberecht hätte den Vorteil, dass jene Menschen, die das getan haben, was der Staat von ihnen verlangt, nämlich sich zu integrieren, sich anzupassen, zu arbeiten, Steuern zahlen und so weiter, hier bleiben, hier weiter leben könnten. Die Zeitungen würden dann vielleicht auch wieder über etwas anderes schreiben – und der Herr Innenminister müsste sich nicht erpresst fühlen.

Ich habe gestern noch gedacht, Bundesminister Platter würde heute hier in den Bun­desrat kommen, und ich wollte ihm eigentlich ein Buch schenken, und zwar ein kleines dünnes Buch von Henry David Thoreau, das den Titel trägt: „Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat“. – Ich weiß nicht, wer von Ihnen hier dieses Buch gelesen hat, jedenfalls würde ich allen diese Lektüre empfehlen. Henry David Thoreau war ein amerikanischer Philosoph, der Mitte des 19. Jahrhunderts in Amerika gelebt und sich geweigert hat, Steuern zu zahlen, weil er damals dagegen war, dass Amerika einen Angriffskrieg gegen Mexiko geführt und Sklaverei hatte. Thoreau sagte, er wolle nicht, dass seine Steuergelder für diesen Staat aufgewendet werden. Da Thoreau keine Steuern gezahlt hat, ist er über Nacht ins Gefängnis gekommen, so lange, bis jemand anderer dann die Steuern für ihn bezahlt hat. Dieses Erlebnis hat Thoreau inspiriert, seine politischen Überzeugungen in eben diesem Essay zusammen­zufas­sen – und dieser ist später eingeflossen in die Überlegungen von Mahatma Gandhi, ebenso in die der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung.

Ich möchte jetzt zum Schluss doch noch ein Zitat bringen, obwohl heute offenbar Zitate nicht sehr beliebt sind, und zwar ein Zitat aus diesem Buch, das ich Herrn Innen­minister Platter gerne geschenkt hätte:

„Man sollte nicht den Respekt vor dem Gesetz pflegen, sondern vor der Gerechtigkeit.“ (Beifall bei den Grünen.)

15.36


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Florianschütz. – Bitte.

 


15.36.21

Bundesrat Peter Florianschütz (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was mich heute mit meinem Fraktionsvorsitzenden sehr eint, ist die Nachdenklichkeit ob der gestrigen und heutigen Debatte. Ich kann nachvollziehen, dass es sich dabei um ein emotionelles Thema handelt, aber: Die Art und Weise, wie dieses Thema hier abgehandelt wird beziehungsweise auch gestern im Nationalrat abgehandelt wurde, erstaunt mich – und verunsichert mich auch in Bezug auf die Frage der Einschätzung der politischen Kultur in diesem Hause.

Kollege Schennach, ich gebe zu, es ist listreich, darauf hinzuweisen, dass sechs Landtage einen Beschluss betreffend Bleiberecht gefasst haben – und dann zu argumentieren, dass eigentlich die von diesen Landtagen entsendeten Menschen ja


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den Beschlüssen ihrer Landtage zu folgen hätten. Es gibt zwar kein gebundenes Mandat ... (Bundesrat Schennach: Nein, ich habe gesagt, in Vorarlberg ...!) – Ich habe es so gehört.

Es gibt kein gebundenes Mandat, aber weil Sie auch den Wiener Landtag und Gemein­derat zitiert haben: Der Antrag der Kolleginnen Vassilakou und Korun, der mit dem Antrag, den Sie eingebracht haben, wortgleich ist, ist vom Wiener Gemeinderat am 27. April 2007 abgelehnt worden. (Bundesrat Dr. Kühnel: Aha! – Bundesrat Schöls: Schau dich an!)

Richtig ist, dass zwei andere Anträge beschlossen wurden, aber dieser Antrag Vassilakou/Korun ist abgelehnt worden. Mich würde das normalerweise nicht hindern, hier dem trotzdem zuzustimmen, obwohl ich das nicht tun werde, aber man muss da schon bei der sachlichen Wahrheit und Wirklichkeit bleiben. (Bundesrat Schennach: Ich habe gar nicht behauptet, dass es dieser Antrag ist!) – Sie haben den Eindruck erweckt, und das ist ungefähr dasselbe, Kollege Schennach. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) 

Was mich gestern einigermaßen erstaunt hat, ist, dass im Nationalrat eine garstige, um nicht zu sagen, grausliche, jedenfalls eine ungute Debatte abgelaufen ist, wobei sich da zwei Klubobleute besonders hervorgetan haben, hervorgetan im negativen Sinne, und zwar zu einem bitterernsten Thema, wo es um menschliche Schicksale geht. Und am Ende dieser Debatte – das konnte man im Fernsehen sehen – sagte der ehemalige Bundeskanzler Schüssel zu seinem Parteifreund: Jetzt gemma feiern! – Ich weiß nicht, was es da zu feiern gegeben haben soll ob der Diskussion, die hier abgelaufen ist, ob der Art und Weise der Diskussion, wie sie abgelaufen ist, und ob der ungelösten Problematik.

Sagen möchte ich hier schon: Ich bin nicht von vornherein dagegen, dass man über Einzelfälle diskutiert, aber problematisch wird das dort, wo die Gefahr besteht, dass ob der Diskussion zu Einzelfällen viele hunderte, ja tausende Schicksale einfach ver­gessen werden. Es geht um ein grundsätzliches Problem, das man grundsätzlich und menschlich gemeinsam lösen sollte. Das ist es, worauf man hinarbeiten muss.

Richtig ist, dass es da in der Vergangenheit Versäumnisse gegeben hat. Richtig ist, dass es sehr viele, ja tausende Menschen gibt, die während ihres jahrelang dauernden Asylverfahrens in Österreich leben. Und richtig ist, dass bei vielen dieser Menschen am Ende des Tages herauskommen kann, dass kein Asyl gewährt wird. Gut. Das bedeutet aber noch nicht, dass sie sich das Asyl erschleichen wollten; das möchte ich klar sagen. Sie haben aus ihrem Bewusstsein heraus einen Antrag gestellt. Die Unterstel­lung, dass jeder, der einen Antrag gestellt hat und der nachher diesen Antrag nicht stattgegeben bekommt, von vornherein es darauf angelegt hätte, zu betrügen, ist falsch. Das kann man nicht unterstellen. Es mag wohl den einen oder anderen geben, aber man kann das nicht pauschal für alle sagen. Und deswegen gibt es die Frage des humanitären Aufenthaltes und der humanitären Niederlassung, sonst wäre sie ja sinnlos.

Wenn heute argumentiert würde, jeder, der einen Antrag gestellt hat und der diesen Antrag nicht stattgegeben bekommt – und erst dann stellt sich die Frage nach dem humanitären Asyl –, hat das aus böswilligen Gründen gemacht, dann würde doch niemandem humanitäres Asyl gewährt werden. Das kann es nicht sein!

In diesem Jahr sind es bis jetzt 866 Fälle, wo der Innenminister auf Antrag eines Landeshauptmannes eine Bewilligung gegeben hat, und das heißt, zumindest in diesen 866 Fällen ist Böswilligkeit auszuschließen, sonst wäre es nicht bewilligt wor­den. Also kann es pauschal nicht so sein, wie hier manchmal der Eindruck erweckt wird.


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In diesem Zusammenhang, weil immer dieser Anschein erweckt wird, sei gesagt: Das Recht auf humanitären Aufenthalt, das Recht auf humanitäres Asyl ist kein Gnaden­recht, meine Damen und Herren! Es handelt sich dabei nicht um ein Gnadenrecht, sondern es handelt sich dabei um einen Rechtsanspruch, der durch die Entscheidung des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofes und durch die Europäische Men­schen­rechtskonvention definiert ist. Das ist mit einer der Gründe, warum man damit sauber umgehen müsste und warum man nach raschen Verfahren versuchen sollte, das dann gut abzuwägen.

Ich selbst habe in diesem Haus eine Petition eingebracht bezüglich einer Familie aus meinem Heimatbezirk Favoriten. Ich bin in Favoriten nach wie vor Kinder- und Jugendbeauftragter durch unsere Frau Bezirksvorsteherin und verbringe daher viel Zeit damit, mit Kindern und Jugendlichen zu reden. Zwei dieser Kinder beziehungsweise Jugendlichen sind an mich herangetreten, die Geschwister Cvitic, die in das Gym­nasium in der Ettenreichgasse gehen. Der Sachverhalt, als wir das eingebracht haben, hat sich so dargestellt, dass diese Familie seit 13 Jahren, jetzt inzwischen seit 14 Jahren, in diesem Land wohnen, dass Anna-Maria Cvitic ein Stipendium der Ber­tels­mann-Stiftung über das Unterrichtsministerium wegen guter Integration bekommen hat. Die Eltern leben seit 13 Jahren hier.

Jetzt gebe ich Folgendes zu: Richtig ist, dass diese kein Asyl gewährt bekommen haben. Das ist noch nicht ganz entschieden, denn bei den Eltern ist das Verfahren noch im Laufen. Aber bei den Kindern ist das der Fall gewesen. Richtig ist, dass diese hervorragend integrierten Menschen in diesem Land sind, und richtig ist, dass das genau die Zielgruppe für humanitären Aufenthalt und für humanitäres Asyl ist.

Ich bin sehr froh gewesen, als wir im Ausschuss die Nachricht erhalten haben, dass für die vier Geschwister das humanitäre Asyl gewährt worden ist. Und ich bin guten Mutes, dass es, für den Fall, dass sie es benötigen, auch für die Eltern gewährt wird – nicht deshalb, weil es ein Gnadenrecht ist, sondern deswegen, weil es der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes, der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes und Verfassungsgerichtshofes und im Wesentlichen auch dem Sinn der Bestimmung entspricht.

Was in diesem Zusammenhang problematisch ist – und das habe ich nicht gewusst, ich bin da lernfähig gewesen –, ist der Umstand, dass der humanitäre Aufenthalt jedes Jahr neu gewährt werden muss. Das heißt: Jedes Jahr dieselbe Prozedur, immer wieder und immer wieder und immer wieder, obwohl sich am Zustand der Familie Cvitic nichts ändern wird, außer, dass sie sich vielleicht noch besser integrieren und damit noch mehr für den Aufenthalt spricht. Und da orte ich einen gewissen Handlungsbedarf, meine Damen und Herren, und meine, dass wir in solchen Fällen zu einer dauerhaften Lösung, wo dies leichter möglich und besser ist, kommen sollten.

Auf eines möchte ich auch noch in diesem Zusammenhang hinweisen: Der Vertreter des Innenministeriums hat uns gestern mitgeteilt, dass der Innenminister eine mate­rielle Prüfung des Verfahrens nicht vornimmt, sondern dass der Landeshauptmann oder die Landeshauptfrau einen Antrag einbringt. Das Innenministerium schaut nur, ob alle Daten stimmen, und entscheidet dann im Sinne des Landeshauptmannes, wenn alle Daten stimmen.

Ich war ganz erstaunt, und ich habe mir gedacht, das werde ich diesem Gremium nicht vorenthalten. Das gilt nämlich nicht nur für den Landeshauptmann von Oberösterreich, sondern für alle Landeshauptleute. Ich werde das meinem Landeshauptmann sagen. Ich werde sagen: Michael, da müssen wir aufpassen!

Ich rate an, diese Botschaft den Landeshauptleuten weiterzugeben, denn das bedeutet, dass im gegenständlichen Fall in Oberösterreich der oberösterreichische


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Landeshauptmann schuld ist – hat uns gestern der Vertreter des Innenministeriums mitgeteilt. Denn: Entweder er hat etwas sachlich Falsches dort hingeschickt und bean­tragt, oder das Erhebungsverfahren der Landesbehörde war fehlerhaft. – Ich habe es gar nicht glauben können, aber das ist die Botschaft, die ich gestern erfahren habe, und die wollte ich Ihnen, wie gesagt, hier nicht vorenthalten. (Bundesrätin Roth-Halvax: Danke!)Schon, denn sonst schleichen sich wieder Fehler ein, und der arme Bundesminister muss um Gnade flehen für etwas, wofür er gar nichts kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Zweite, was ich Ihnen sagen wollte, ist Folgendes, und da muss man ein bisschen aufpassen: Meine Fraktion hat einen Entschließungsantrag eingebracht, den wir beim nächsten Mal sicher behandeln werden. Und den Hinweis möchte ich mir nicht ersparen: Es ist schon so, dass es eine gängige Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofes gibt, dass es bei langem Aufenthalt zu einer Aufenthaltsverfestigung und damit zu einem automatischen Bleiberecht kommt. (Bundesrat Schennach: So ist es!) Und gerüchteweise höre ich, dass es sich um einen Zeitraum von fünf Jahren handelt.

Es kann leicht sein, dass sich die Frage von Bleiberechten bei Verfahren, die älter als fünf Jahre oder sieben Jahre sind, wie es der Herr Bundespräsident heute fordert, zukünftig automatisch regeln wird, weil ein Nichteinhalten dieser Bestimmung den europäischen Rechtsnormen widerspricht.

Das heißt jetzt nicht, dass ich hier blauäugig und blind eine Amnestie fordere, sondern ich fordere nur eines: dass der Innenminister hergehen möge, möglichst rasch die Verfahren, die lange zurückliegen, aufrollen und prüfen möge und möglichst rasch eine Klärung herbeiführen und das endlich tun möge, was eigentlich schon lange ausge­macht ist, nämlich, wie ich es heute gehört habe – die Kunde höre ich wohl!, und ich freue mich dann, wenn es so weit ist –, den Asylgerichtshof einzuführen, weil ein gut Teil der Probleme, die wir haben, ein gut Teil der Emotionalität und ein gut Teil der Debatte darauf zurückzuführen sind, dass der Spruch „Pacta sunt servanda“ damals nicht eingehalten worden ist. Und davon kann man ihn nicht freisprechen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

15.46


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum.

 


15.46.42

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Professor Konecny, ich gebe Ihnen recht, wenn Sie sagen, dass es ganz besonders wichtig ist, die Verfahren zu verkür­zen, aber es besteht momentan eine dringliche Lage, und ich denke, jetzt damit zu kommen, dass die Verfahren kürzer werden müssen, wird den Zogajs und sonstigen Asylwerbern nicht weiterhelfen. Es braucht für diese Fälle jetzt eine Entscheidung!

Ich persönlich muss sagen: Ich war selten so emotional bei einem Thema drauf wie in diesem Fall. Das, was man hier gelesen hat, die Aussage des Herrn Ministers Platter zur 15-Jährigen, der Staat lasse sich nicht erpressen, hat mich emotional enorm ergrif­fen. Denn: Ich bin auch Mutter, und wenn mein Sohn mich erpresst oder auch nicht erpresst, wie auch immer man das bezeichnen möchte, dann reagiere ich anders. Und ich finde es wirklich eines Ministers unwürdig, mit solch einer Aussage an die Medien zu gehen. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Kollege Florianschütz hat zuvor gesagt, wir haben es hier mit einem grund­sätzlichen Problem zu tun, das man grundsätzlich angehen muss. Auch ich bin dieser Meinung. Diese Aussage ist sicher zu unterstreichen. Auch ich möchte mich verwahren gegen Aussagen wie die, dass man sich das Bleiberecht erschleichen wolle und dass


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 103

man nur wolle, dass man es hier besser hat, und in Wirklichkeit hatte man nur niedrige Beweggründe, nach Österreich zu kommen.

Ich denke, dass es sicher keine niedrigen Beweggründe sind, wenn man aus dem Kosovo nach Österreich geht und seine Familie nachholt. (Bundesrat Mag. Himmer: Mit Schlepperbanden!) Nein, niedrige Beweggründe! (Bundesrat Dr. Kühnel: Da sieht man Ihr Verständnis für den Rechtsstaat, Frau Kollegin!)

Es sind niedrige Beweggründe, wenn ich meine Familie aus dem Kosovo nach Öster­reich hole? Und das sagt die Familienpartei? (Bundesrat Mag. Himmer: Mit Schlepper­banden! Das ist kriminell!) Ganz ehrlich, das sagt die Familienpartei ÖVP? (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Mag. Himmer: Ja, das ist kriminell!)

Niedrige Beweggründe sind es nicht! Es hat vielleicht nichts mit Asyl zu tun, das mag sein, aber es sind sicher keine niedrigen Beweggründe, die Familie aus einem Land wie dem Kosovo nach Österreich bringen zu wollen. (Beifall bei den Grünen.)

Im Übrigen muss ich wirklich sagen: Es entsetzt mich so manche Reaktion auf dieser Seite (in Richtung ÖVP), die dann in Gelächter und Ähnlichem endet, auf Aussagen von Kollegen auf dieser Seite (in Richtung SPÖ), weil dieses Thema viel zu ernst ist. Und ich denke, darüber darf man nicht lachen. (Beifall bei den Grünen.)

15.49


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Kneifel.

 


15.49.38

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Es sind im Laufe dieser heutigen Debatte viele Argumente schon gefallen. Ich habe auch sehr aufmerksam den Ausfüh­rungen des Herrn Professors Konecny zugehört und bin auch der Frage nach der Nicht-Errichtung des Asylgerichtshofes nachgegangen. Es ist richtig, dass das zu diesem Zeitpunkt im Einvernehmen besprochen war. (Bundesrat Ing. Einwallner: Vereinbart!) Vereinbart; habe ich gesagt. Aus dienstrechtlichen und verwaltungstech­nischen Gründen, auch im Zusammenhang mit dem Auslaufen der Gesetzgebungs­periode ist das leider nicht zustande gekommen. Das ist die Erklärung dafür; ich habe mich erkundigt. Es steht also kein politischer Wille dahinter, das nicht zu tun, sondern verwaltungstechnische Hindernisse haben das bisher verhindert. Der politische Wille besteht aber weiterhin, und es wird auch bereits an diesem Projekt gearbeitet.

Ich denke, das ist einfach wichtig, denn ich bin auch der Meinung, dass Asylverfahren nicht zehn Jahre dauern dürfen. – Völlig richtig! Das ist nicht vertretbar für die Betrof­fenen, das ist auch nicht vertretbar im Sinne eines ordentlichen Vollzuges eines Staates, der sich ernst nimmt. Das ist richtig, und das gehört in Zukunft auch ver­bessert.

Frau Kollegin Mühlwerth ist zurzeit leider nicht im Saal, aber sie hat gesagt, Landes­hauptmann Dr. Pühringer habe zum Gesetzesbruch beigetragen. – Ich habe das Interview in der „Presse“ gelesen, habe im Anschluss daran auch mit Landes­haupt­mann Dr. Pühringer gesprochen, und ich darf berichten, dass der Landes­hauptmann sehr wohl die Gesetze einhält, dass Landeshauptmann Dr. Pühringer sich sehr wohl an die Verfassung, an die Bestimmungen der österreichischen Bundesverfassung hält. Zu dem Zeitpunkt, als Landeshauptmann Dr. Pühringer das Gespräch mit Arigona geführt hat, ist von der zuständigen Behörde, nämlich der Bezirkshauptmannschaft Vöckla­bruck, der Antrag auf humanitäres Bleiberecht längst eingeleitet gewesen. Also man kann überhaupt nicht von einem Gesetzesbruch sprechen.

Der Landeshauptmann hat mit Arigona gesprochen, die wieder im Land Oberösterreich war, nachdem sie nicht durch eigenes Zutun außer Landes gekommen ist – nicht


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 104

durch eigenes Zutun, nicht über ihre eigene Initiative, wenn ich das noch deutlicher sagen darf, nicht durch ihre eigene Initiative –, und er hat dazu beigetragen, in diesem Fall wieder zur Normalität zurückzukehren. Das war der Beitrag von Landeshauptmann Dr. Pühringer! (Beifall bei der ÖVP und des Bundesrates Ing. Kampl.)

Auch der Verweis auf eine Unterwanderung der österreichischen Asylpolitik geht ins Leere. Das war eine Hilfsaktion in Umsetzung einer menschlichen Reaktion. – Ich habe ja bereits darauf hingewiesen, dass die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck schon lange vorher den Antrag auf humanitäres Bleiberecht gestellt hat. Im Übrigen muss man sagen: Mit wem ein Landeshauptmann spricht, das ist schon noch seine Sache. Ich glaube, das kann er selbst am besten entscheiden. (Ruf bei der SPÖ: Aber nur, wenn es den Pühringer betrifft!) Das gilt für jeden Landeshauptmann. Jeder hat das Recht, mit wem auch immer zu reden, wenn er es als sinnvoll und notwendig erachtet.

Pühringer hat kein generelles Bleiberecht gefordert, sondern ganz im Gegenteil! Er hat nach der Presseaussendung, nach dem ORF-Interview von Landesrat Josef Ackerl gesagt, er bewege sich im Rahmen des bestehenden Asylrechtes und spreche sich gegen ein generelles Bleiberecht aus. – Das zur Rolle des Landeshauptmannes von Oberösterreich, der sehr positiv und im Sinne von Brücken-Bauen gearbeitet hat. Ich glaube, er hat in diesem Fall richtig gehandelt.

Mein Vorredner hat gesagt, es sei absurd – oder so ähnlich –, was Klubobmann Dr. Schüssel gestern gesagt hat, nämlich: So, und jetzt gehen wir feiern! – Ich möchte das aufklären: Gestern war der 63. Geburtstag des Abgeordneten Neugebauer, und das war der Grund, warum er gesagt hat: Jetzt gehen wir zur Neugebauer-Feier. Das zu vermischen halte ich für äußerst unfair! Das halte ich für äußerst unfair. (Beifall bei der ÖVP.) Bei aller Schärfe, meine sehr geehrten Damen und Herren, bei aller Schärfe einer parlamentarischen Auseinandersetzung sollte man diese Untergriffe möglichst ver­meiden. (Bundesrat Mag. Baier: Bei der Wahrheit bleiben! – Bundesrat Todt: Schauen Sie sich die „Zeit im Bild 2“ genau an! Das ist genau in dem Zusammenhang mit der Dringlichen Anfrage an den Herrn Innenminister gewesen! Da hat der Herr Schüssel gesagt: Und jetzt gehen wir feiern! – Das ist so übertragen worden! Schauen Sie es sich genau an!)

Lieber Kollege Todt, ich habe jetzt erklärt, zu welcher Feier aufgerufen wurde, und ich glaube, bei aller Emotionalität sollte man bei den Fakten bleiben. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Beachten Sie den Unterton, Herr Kollege Schennach! Es ist doch klar zum Ausdruck gekommen, dass dieses „Feiern“ mit der Debatte rund um Innenminister Platter in Verbindung gebracht werden soll. Das ist doch ganz klar, machen wir uns in dieser Frage doch nichts vor!

Auch zu Ihrem Zwischenruf, Herr Kollege: Ich glaube, man sollte sich in einem Rechts­staat an die Kompetenzen halten. Sie haben in dieser Sache immer die Landtage zitiert; der Landtag von der Steiermark, der Landtag von Oberösterreich, der Landtag in Wien und so weiter. – Schauen Sie sich den Dringlichen Antrag in der gestrigen Nationalratssitzung an, den Antrag vom 10. Oktober 2007, den Ihre Fraktion gestellt hat, den Dringlichen Antrag der Abgeordneten Van der Bellen, Weinzinger, Freundin­nen und Freunde! Da steht: „Die Kompetenz der Länder geht somit über eine ,Boten­stellung‘ nicht hinaus.“ – Also Ihre eigene Fraktion formuliert die Rolle der Länder in dieser Frage.

„Nur dem Bundesminister für Inneres steht es zu, diesem Ersuchen zuzustimmen oder nicht.“ – Die Kompetenz der Länder geht somit über eine „Botenstellung“ nicht hinaus.


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 105

Dieser Appell an die Länder, an die Kompetenzen der Länder geht hier völlig ins Leere. Ich glaube, wir sollten uns auch bei dieser Debatte an die Fakten halten. (Bundesrat Schennach: Waren Sie im Innenausschuss gestern? – Ruf bei der SPÖ: Und im Bürgerrechtsausschuss?) Nein, aber ich kenne die Verfassung, und ich kenne die Länderrechte. (Bundesrat Schennach: Das Innenministerium hat uns aufgeklärt! – Ruf bei der SPÖ: Genau!)

Wenn man in der Sache Zogaj argumentiert, dann haben sich in diesem Fall die Fakten wirklich gelichtet, und die Nebelschwaden sind abgezogen. Diese Entwicklung halte ich für positiv, dass sich hier die Nebel lichten. Wir wissen nun – mein Kollege Edgar Mayer hat es auch aufgezeigt –, wie sich das Asylverfahren gestaltet hat, ich brauche es daher nicht mehr im Detail zu erläutern. Dennoch wollte die Familie ihren Aufenthalt erzwingen. Das alles hat mit Asyl nichts zu tun. In jeder Phase wurde das Ansuchen abgelehnt. Die Familie wäre gut beraten gewesen, schon früher diesen Hinweis des österreichischen Rechtsstaates anzunehmen und zu akzeptieren.

Sie haben über verschiedene Zeitungsmeldungen berichtet, Kollege Schennach. (Bun­desrat Schennach: Ich nicht! Ich habe keine Zeitungsberichte zitiert!) Sie haben Leserbriefe zitiert und Stimmen von österreichischen Bürgern mit mehr oder weniger Bedeutung im öffentlichen Leben. (Bundesrat Schennach: Ach so, das kann ich fortführen!) Mir ist heute ein sehr interessanter Bericht in die Hände gefallen, ein Gastkommentar in der „Wiener Zeitung“ von Schwester Johanna Schwab, die als Barmherzige Schwester des Ordens vom heiligen Vinzenz von Paul in der Klagenfurter Pfarre St. Josef Siebenhügel arbeitet und auch ständig, jeden Monat, im Kosovo ihren Dienst versieht. Sie schreibt:

„Tung, Arigona! So grüßen sich die jungen Leute in deiner Heimat. Seit Jahren bin ich fast jeden Monat einige Zeit im Kosovo. Ich habe ihn schätzen und lieben gelernt – nicht nur das schöne Land, sondern besonders die Menschen und vor allem die Kinder und die Jugend“, und so weiter.

„Erstaunt fragte ich, wie sie das denn meine – hier gebe es ja kaum Lehrmittel, kein Wasser im Haus, kaputte Fenster. Ihre Antwort: ,An dem liegt es auch nicht‘“, sagen die Kinder, aber „,hier wollen alle‘“ intensiv lernen, schreibt und sagt Schwester Johanna Schwab.

Dann ruft sie Arigona auf: „Liebe Arigona! Habe den Mut und stelle dich in die Reihe dieser hoffnungsvollen Jugend. Sei stolz, zu ihr zu gehören! Eines Tages wird auch der Kosovo ein Teil der EU und seine Jugend eine Bereicherung für ganz Europa sein.“

Ich glaube also, dass hier auch eine Perspektive besteht: Im Kosovo wird nicht mehr Krieg geführt, der Kosovo ist ein Land, das auf dem Weg in die Europäische Union ist und dessen Bewohner alles unternehmen, damit sie der Europäischen Gemeinschaft möglichst bald angehören. Die Zeiten des Krieges sind bereits vorbei, und vor allem sind die Zeiten der Verfolgung der Menschen im Kosovo längst vorbei.

Wir sollten uns, so glaube ich, streng an die bestehenden Gesetze halten und auch deutlich zwischen Asyl, Zuwanderung und Integration trennen. Das sind ganz ver­schiedene Begriffe, und ich glaube, das wurde gestern und auch in der heutigen Debatte klar zum Ausdruck gebracht. (Bundesrat Schennach: Die Schwester, die wir ja sehr gut kennen, sie war mit Minister Platter als Verteidigungsminister ..., hat uns gegenüber eigentlich immer nur Sorge und Nöte zum Ausdruck gebracht! Und vor zwei Jahren war sie im Kosovo ...!) – Ich verlasse mich auf den aktuellen Bericht, der heute in der Zeitung steht, und ich nehme an, dass das die aktuellere Information in dieser Sache ist.


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Innenminister Platter hat gemeinsam mit Landeshauptmann Pühringer und den ande­ren Landeshauptleuten einen Kriterienkatalog für humanitäre Härtefälle erarbeitet, in dem die Voraussetzungen für den Erhalt eines Aufenthaltstitels festgehalten sind. Dieser Kriterienkatalog gewährleistet eine bundesweit einheitliche Vorgangsweise und vermeidet Willkür – das ist ganz wichtig!

Die Kriterien sind festgehalten; darunter fallen zum Beispiel Gefährdung durch Tod oder Folter im Heimatland, Opfer eines bewaffneten Konflikts im Heimatstaat, Zeuge oder Zeugin, Opfer von Menschenhandel oder Ausbeutung, Opfer von Gewalt in der Familie, Krankheiten, die auf Dauer nicht im Ausland behandelt werden können – das sind solche typischen Fälle, die dann positiv beschieden und erledigt werden müssen – und sonstige besonders berücksichtigungswürdige Gründe wie insbesondere der Grad der Integration und bestehende familiäre Bindungen gemäß § 8 Menschenrechts­konvention. (Präsident Mag. Erlitz übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich glaube, auf dieser Basis sollten wir unsere Asylpolitik fortsetzen. Sicher kann man Gesetze ändern, aber derzeit ist auf Basis der geltenden Lage zu entscheiden. – Ich glaube, es ist für nächstes oder übernächstes Jahr eine Evaluierung des Asylgesetzes vorgeschlagen, da werden wir uns sicher mit dem Thema beschäftigen.

In diesem Sinne glaube ich, dass Minister Platter und das geltende Asylrecht eine gute Perspektive für Österreich und auch für Europa sind. (Beifall bei der ÖVP.)

16.03


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth. Ich erteile es ihr.

 


16.04.00

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eine Tochter, meine Tochter wird im Februar 30 Jahre alt. Sie ist in Salzburg geboren, ist dort in die Mittelschule gegangen, hat nach der Matura im Einsatz für Städtepartnerschaften ein Jahr in Nicaragua verbracht und hat in Wien Soziologie studiert. Nach dem Studium hat sie in Berlin einen Arbeitsplatz bekommen; dort hat sie dreieinhalb Jahre lang gearbeitet, und seit einem halben Jahr arbeitet sie bei der UNO in Genf.

Sie fragen sich vielleicht, warum ich Ihnen diese Geschichte jetzt erzähle. Ich erzähle sie Ihnen deshalb, weil ich Ihnen gleich eine andere Geschichte über eine andere junge Frau erzählen werde, die nur ein halbes Jahr älter ist als meine Tochter.

Die Frau heißt Arjet Lulaj, sie wurde 1977 im Kosovo geboren, sie ist serbische Staats­bürgerin, sie ist Albanerin, sie ist Muslima. Sie hat die Mittelschule in einem allge­meinen Gymnasium besucht. 1999, bei Ausbruch des Krieges, ist sie mit ihrer Familie zuerst nach Montenegro geflüchtet, dann ist sie nach Österreich weitergereist und hat dort einen Asylantrag gestellt – sie war 21.

Eineinhalb Jahre später, im Jahr 2000, hat sie in Salzburg ihren Mann Neziv Lulaj standesamtlich geheiratet, und das Ehepaar hat im Haus seiner Schwiegereltern gewohnt. Am Anfang war die Beziehung durchaus gut, allerdings ist der Kontakt zum Asylamt lediglich über ihren Mann gelaufen. Der Mann war auch oft nicht da, untertags nicht und auch nachts nicht.

Erst 2005 hat sie erfahren, dass er eine Beziehung zu einer anderen Frau hat, was er zuerst abgestritten hatte. Erst als diese Frau zu ihr gekommen ist und ihr gesagt hat, dass diese Beziehung besteht, hat sie gesagt, so möchte sie nicht weiterleben. – Ihr Mann hat sie bedroht, ihr gedroht, sie umzubringen, wenn sie nicht sofort das Haus verlässt.


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Sie ist im Februar 2007 in ein Frauenhaus gegangen; dort konnte sie nur eine Woche lang bleiben – sie hat keinen Pass. Sie ist vor sieben Monaten ausgezogen und lebt bei einer Freundin in Bergheim.

Bis dorthin hat sie zweieinhalb Jahre lang ihre Schwiegermutter gepflegt, die nach einem Hüftbruch pflegebedürftig war, und ihren Schwiegervater, der nach einem Autounfall ebenfalls pflegebedürftig war. Diese beiden haben einen Antrag auf Er­teilung eines Visums für ihre Schwiegertochter als Pflegeperson für sie beide gestellt – der Antrag ist abgelehnt worden.

Auch wenn manche hier glauben, sie kennen die Situation im Kosovo, in ihrer Situation gibt es für Frau Arjet Lulaj keine Zukunft im Kosovo. Sie lebt jetzt seit mehr als acht Jahren in Salzburg, und erst seit der Trennung von ihrem Mann hat sie versuchen können, sich hier zu integrieren, vorher wurden ihr von ihrem Mann alle Außenkontakte verboten. Er hat verboten, dass sie an einem Deutschkurs teilnimmt; erst jetzt kann sie an einem Deutschkurs teilnehmen und macht dies auch.

Eine Abschiebung in den Kosovo wäre eine Katastrophe für sie: Als Muslima und da sie ja erst in Trennung von ihrem Mann lebt, ist sie in der Gesellschaft im Kosovo sozial isoliert und gesellschaftlich ausgeschlossen. Aufgrund ihres kulturellen und religiösen Hintergrundes dürfte sie das Haus nicht mehr verlassen, sie wäre in ihrem Elternhaus eingeschlossen, ihr Bruder ist ihr Vormund.

Für den Fall, dass die Scheidung durchgeht, ist ihr bereits angekündigt worden, der zukünftige Ehemann ist schon gefunden: Er ist Witwer und hat vier Kinder. – Für mich, Kolleginnen und Kollegen, ist das Gewalt.

Im Juni habe ich in diesem Haus eine Petition zu diesem Fall eingebracht, am 17. Juli ist sie vertagt worden. Am 10. September hat das Bundesministerium bei der Bezirks­hauptmannschaft Salzburg-Umgebung angefragt, was denn wäre mit diesem Fall. Am 11. September, einen Tag danach, hat dieselbe Behörde der Antragstellerin die beabsichtigte Ausweisung zugestellt. – Ob das ein Zufall ist?

In der Begründung haben sie geschrieben: Die Ehe habe ja gar nicht stattgefunden, sagt der Ex-Ehemann oder Noch-Ehemann, der dort auch zu Protokoll gegeben hat, er würde ja eigentlich schon seit 14 Jahren in einer anderen Beziehung leben. Er ist heute 29. – Sie selbst wurde nicht gehört, auch kein Vertreter, der sie hätte vertreten können.

Kolleginnen und Kollegen! Ich erzähle Ihnen diese Geschichte nicht deshalb – diese Geschichte einer Frau, die seit acht Jahren hier lebt, die mit 21 nach Österreich gekommen ist –, weil ich von diesem Einzelfall besonders betroffen bin, weil ich die Frau kenne, sondern weil ich aus meiner langjährigen Erfahrung und Tätigkeit im Verein „VIELE“ – einem Verein, der sich mit der Integration ausländischer Frauen beschäftigt – weiß, dass sie nicht allein ist, dass es viele solcher Fälle gibt und ganz viele Frauen von solch einer Situation betroffen sind.

Ich möchte nicht, dass diese Frauen, die eigentlich nie eine Lobby haben, die nie jemanden kennen, weil sie gar keine Chance haben, jemand kennenzulernen, der sie unterstützt, dass solche Menschen dann durch den Rost fallen, wenn es um die Frage der Menschlichkeit geht.

Sie ist bisher daran gehindert worden, sich zu integrieren, daran gehindert worden, die Möglichkeiten, die ihr Österreich bietet, wahrzunehmen. Und ich weiß es nicht genau, aber ich glaube daran, dass ihr ein Asylgerichtshof doch früher die Chance eröffnet hätte, eine Lösung zu finden. – Zwar ist heute erklärt worden, warum nichts weiter­gegangen ist in dieser Frage Asylgerichtshof, dennoch wage ich zu behaupten, es ist auch eine Frage des politischen Willens, ob ich etwas rasch vorantreibe oder ob ich


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warte – und diese Bundesregierung in dieser Funktionsperiode gibt es ja auch schon geraume Zeit.

Frau Lulaj möchte gerne in Österreich bleiben, sie möchte frei sein und sie möchte selbständig sein, und ich glaube, dass Sie verstehen, warum das so ist. Sie möchte hier arbeiten und einen Beitrag zu unserem Sozialstaat leisten – einen Arbeitsplatz hätte sie.

Meiner Meinung nach ist auch sie ein Fall für humanitären Aufenthalt, und ich gehe davon aus, dass die Kriterien, die mein Vorredner hier angeführt hat, ausreichen werden, dass das Bundesministerium einem solchen Antrag stattgeben wird. (Ruf: Landeshauptmann!) – Ich glaube nicht, dass Österreich irgendetwas verliert, wenn wir solche Menschen in unserem Land behalten. Ich glaube, dass wir etwas an Mensch­lichkeit und Vertrauen gewinnen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

16.11


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dr. Gumplmaier. Ich erteile ihm dieses.

 


16.11.40

Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Unser Thema in einen globalen Zusammen­hang gestellt: In den USA werden sechs Meter hohe elektrische Zäune an der Grenze zu Mexiko errichtet, es verkehren bewaffnete Wachposten, und trotzdem kommen täglich Hunderte und Tausende über die Grenze. Spanien errichtet auf afrikanischem Boden eine hohe Mauer, um ein Sperrsignal zu setzen und abzuschrecken, trotzdem kommen täglich Tausende neue Flüchtlinge. Das Schicksal der „Boat People“, die ihr Leben riskieren und auch jedes Jahr zu Hunderten ihr Leben verlieren, ist Thema in den Zeitungen.

Spanien amnestierte vor einigen Jahren 570 000 Flüchtlinge – 570 000 Flüchtlinge! –, Italien amnestierte im Jahr 2002 634 000 Flüchtlinge; damit einmal die Größenordnung unseres Problems relativiert wird.

Was ich damit sagen will? – Verdammt noch einmal, wir müssen doch in der Lage sein, in diesem Österreich diese Probleme zu lösen! Bei etwas gutem Willen müssen wir in der Lage sein, das Problem so zu lösen, dass wir uns als Christen, als Sozial­demo­kraten, als Humanisten am Abend in den Spiegel schauen können, müssen wir in der Lage sein, das Problem so zu lösen, dass die Menschenrechte gewahrt werden.

Daher darf es in dem Land Österreich nicht geduldet werden, dass Zweijährige in Schubhaft genommen werden, dass Familien auseinandergerissen werden, dass Klassenkameraden um ihren Sitznachbarn fürchten, dass Familien jeden Tag woan­ders schlafen, weil sie fürchten, wie Schwerverbrecher bei Nacht und Nebel mit Blaulicht abgeholt zu werden. Wir dürfen nicht dulden, dass es Tausende Abschie­bungen gibt und noch mehr Personen, die sich vor Abschiebung fürchten, während wir gleichzeitig 5 400 Menschen ins Land holen.

Im Frühjahr 2007 bildeten sich in vielen Gemeinden in Oberösterreich Bürgerinitiativen, die eine Plattform gründeten. Auch der von mir seinerzeit mit initiierte Verein „Land der Menschen Oberösterreich“ bietet eine Plattform und hat auch die Demonstration in Frankenburg organisiert.

Ich habe, lange bevor das Thema in den Medien auftauchte, die sich neu bietende Gelegenheit genützt und das Thema in Form einer Petition hier im Haus eingebracht, um das Problem juristisch, menschlich, gesellschaftlich und politisch anhand von Ein­zel­schicksalen aufzuzeigen. Aber wir sollten uns nicht irritieren lassen: Die Einzel­schicksale sind nur ein Symptom für eine Entwicklung, und die Stimmung in der


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Bevölkerung, die Erfahrungen der Menschen haben das Ihre dazu getan, dass das heute in den Zeitungen steht und wir uns heute emotional aufgeladen damit beschäf­tigen. Die Menschen spüren, dass hier Unrecht geschieht und Gesetze inhuman voll­zogen werden.

Fünf Monate nachdem wir die Petitionen eingebracht haben, nehmen sich jetzt die Medien dieses Themas an. – Zu den drei aktuellen Fällen meiner Petition sei nur gesagt: Es gibt für alle eine einige Monate – genauer: bis zum Jahresende – dauernde aufschiebende Wirkung, aber zum Jahresende müssen alle fürchten, doch abge­schoben zu werden. Ich erspare Ihnen die einzelnen Schicksale jeder Familie, ich gehe aber auf einige Aspekte, die auch hier diskutiert wurden, ein.

Es wird von der Verteidigung des Rechtsstaates gesprochen. Es gilt hier, dem Rechts­staat zum Durchbruch zu verhelfen, und man kann nicht vor Einzelschicksalen kapitulieren. Es werde nur ein Gesetz vollzogen. Ich zitiere hier, was die Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages, Frau Orthner, während der Demonstration in Frankenburg ausgesprochen hat, und es ist ihr beizupflichten. Sie hat gesagt: Der Staat hat sein Recht verloren, wenn er es nicht schafft, innerhalb von vier, fünf Jahren Recht zu sprechen. Dann hat er eigentlich sein Recht verwirkt. (Beifall bei der SPÖ.)

Es darf kein Gnadenakt sein, menschlichen Umgang mit Menschen zu pflegen, die keine Schuld auf sich geladen haben, es darf kein Gnadenakt sein, vor Willkür ge­schützt zu werden. Und es ist kein Zufall, wenn der oberste Verfassungsrichter das Thema anschneidet: Er gibt zu bedenken, dass der EuGH die Verfassungsmäßigkeit bei Verfahren, die länger als fünf Jahre dauern, in Frage stellen würde.

Von einer Erpressung des Rechtsstaates zu sprechen, seit sich die Boulevard-Medien des Themas angenommen haben, ist nicht richtig, es geht vielmehr um die Wieder­herstellung rechtsstaatlicher Prinzipien zur Erzielung humaner Verhältnisse.

Ein Aspekt, den ich im Fall Arigona beleuchten will – es wurde auch hier häufig zitiert, Kollege Mayer hat es ausführlich geschildert: Es wird der Familie vorgeworfen, dass sie illegal eingewandert ist, dass sie sich Schlepper bedient hätte. (Bundesrat Bieringer: Tatsache!) – Das ist richtig. Aber bitte, Tatsache ist, dass es, wenn man aus dem Kosovo flüchten will, keine andere Möglichkeit gibt als illegal. Österreich ist umgeben von sicheren Drittstaaten. Wenn eine Familie aus dem Kosovo nach Österreich will, gibt es nur den Weg der Illegalität über Schlepperbanden (Bundesrat Dr. Kühnel: Also das kann es nicht sein! Also wirklich nicht! Es gibt rechtsstaatliche Grundlagen !), oder sie werden als Eishockeyspieler oder Fußballspieler herein­geholt. Der legale Weg über das Flugzeug  (Bundesrat Dr. Kühnel: Dann kommen alle nur noch illegal! Danke, Herr Dr. Gumplmaier!) – Moment! In welcher Situation – versetzen wir uns in die Lage einer Familie – muss ich mich befinden, dass ich zu einer solchen Vorgangsweise schreite, dass ich alles hinter mir lasse? Man kann den Menschen nicht vorwerfen oder unterstellen, dass sie nicht auch heimatverbunden sind. (Zwischenruf des Bundesrates Breiner.)

Also man muss schon in einer sehr, sehr hoffnungslosen Lage sein, wenn man sich in Bewegung setzt, wenn man flüchtet, wenn man aus einer hoffnungslosen Situation flüchtet. Das sind andere Gründe als die, die wir im Gesetz angeführt haben. Also man flüchtet aus einer hoffnungslosen Situation, und es gibt keine andere Möglichkeit, denn mit dem Flugzeug könnte man nur legal ausreisen, mit Reisepass. Dann wird man aber bei uns nicht aufgenommen. Für die ärmste Bevölkerung gibt es keinen anderen Weg, das soll uns bewusst sein. (Bundesrätin Mühlwerth: So arm kann er nicht gewesen sein, wenn er 7 000 € gezahlt hat!) Es ist nicht seriös, wenn man jetzt versucht, diese Familien anzupatzen oder zu kriminalisieren, und ihnen vorwirft  (Bundesrat Dr. Kühnel: ...! Die hat sich selbst kriminalisiert!) – Ja, ich habe versucht, Ihnen ...


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(Bundesrat Todt: Der Herr Kollege Kühnel versteht das nicht!) – Manche Menschen verstehen solche Situationen nicht. (Bundesrat Todt: Der deklariert sich immer wieder! – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Die Familie ist nicht legal, sie ist illegal eingereist, hat Gesetze verletzt, hat sich Schleppern bedient und ist jetzt kriminell geworden. Daher möchte ich wirklich festhalten und für all jene zitieren, die diese Tatsache verleugnen: Es geht nicht, legal aus dem Kosovo herauszukommen. Das heißt, es ist verlogen, unfair und eine Täuschung der Öffentlichkeit, wenn man das jetzt der Familie unterstellt, Menschen, die ihre Lebenschancen verbessern wollen, aus der Hoffnungslosigkeit flüchten, in einer Zwangslage sind.

Nehmen wir doch jetzt die Sensibilität der Öffentlichkeit als Gelegenheit, etwas guten Willen zu zeigen und ein Problem zu lösen! Es wurde gestern eine Menge Maßnahmen vereinbart, ein Bündel an Aktivitäten gesetzt. Es gibt jetzt eine Leitlinie für humanen Vollzug, einen Kriterienkatalog, von dem wir uns vorstellen, dass er per Verordnung des Innenministers auch zur rechtlichen Grundlage wird. (Zwischenruf des Bundes­rates Stadler.) Wir erwarten eine rasche Entscheidung, eine Beschleunigung der Verfahren und vor allem durch die Einbindung der Bürgermeister und der Landes­hauptleute eine Berücksichtigung der unmittelbaren Lebensumwelt der Betroffenen.

Es soll uns aber dabei sehr wohl bewusst sein, dass diese Maßnahmen nur kurzfristige Lösungen von Einzelfällen bringen. Wir verwalten das Problem. Die Lösung schaut anders aus. Die Ursache ist die Ungleichheit in der Welt. Wir werden nur glaubwürdig verwalten können, wenn wir auch diese Ungleichheit bekämpfen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

16.26


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Breiner. – Bitte.

 


16.26.20

Bundesrat Franz Breiner (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Doron Rabinovici hat in seiner Rede bei der Demonstration unter anderem Folgendes gesagt:

„Das Gesetz taugt nicht als Ausrede. Die Familie Zogaj ist kein Einzelfall. Dieses Fremdenrecht verlangt sogar Säuglingen, die in diesem Land geboren wurden, aller­dings nicht sogleich mit dem richtigen Pass aus dem Bauch ihrer Mutter purzeln, beinahe schon im Kreißsaal, spätestens aber im Laufe des ersten Halbjahres eine Aufenthaltsgenehmigung ab. Sonst dürfen sie nicht in ihrem Geburtsland bleiben. Es ist an der Zeit, dass in Österreich endlich dem Geburtsort und dem Lebensmittelpunkt mehr Bedeutung zugemessen werden als Blut und Abstammung. Dieses Fremden­recht wendet sich selbst gegen die beste Art der Integration, seitdem die Menschheit die Liebe kennt.“

Ich denke, nach all der Polemik, die wir heute hier erlebt haben, sollten wir schauen, dass diese Fälle nicht weiterhin passieren. Ich stehe hier als Schulleiter, der einen Schüler hat, der jetzt in der vierten Klasse ist. Ich hörte von seiner Lehrerin Beschwer­den über ihn, die sagte: Ich weiß nicht, was los ist, er lernt heuer nichts, er verweigert alles, was wir tun. Das war bisher nicht der Fall.

Es war klar, dass ich mich dem annahm, den Schüler in die Kanzlei holte und ihn fragte, was los sei. Er erzählte mir, es ist eigentlich wurst, was ich mache, ich darf hier ohnehin keinen Lehrberuf ergreifen. – Die Geschichte ist eine lange Geschichte. 2002, am Anfang des Jahres, kam er nach Österreich, ging in die Volksschule, zwei Jahre lang – dritte, vierte Klasse –, kam dann klarerweise in die Hauptschule zu uns, war verschrien als höchst unangenehmer Schüler, der eigentlich nicht wirklich beherrsch-


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bar war – ein Problem für jede Schule. So sorgte ich dafür, dass wir Hilfe bekamen, dass wir die Betreuungslehrerin einschalteten, dass wir mit ihm sprachen. (Bundesrat Schimböck: Wie haben Sie als Pädagoge jetzt gesagt? – „Beherrschbar“? Sie wollen den Schüler „beherrschen“? Oder habe ich mich verhört?) – Der Schüler war un­beherrscht, ist die richtige Formulierung. Danke, so war es nicht  (Bundesrat Schimböck: Das ist auch nicht richtig!) Wir nahmen uns des Falles an, und mit der Zeit begann der Schüler zu erzählen, was er erlebt hatte. Und ich sage Ihnen, das hätte gereicht für alles Schlechte, was hier im Bundesrat zusammen an schlechten Erfahrungen sitzt.

Dieser Schüler hat den Krieg in einem Keller überlebt, hat erlebt, dass seine Schule zerbombt wurde; das war übrigens sein letzter Schultag. Der Vater hat ihn dann nicht mehr gehen lassen. Dieser Bub hat erlebt, wie Familienmitglieder erschossen wur­den – und dieser Schüler war daher schwer traumatisiert. Und damit, dass dieser Bub endlich über all das sprechen konnte, löste sich seine Widerborstigkeit. Er fand Freunde, er lernte ordentlich – bis heuer. Die Geschichte dahinter ist, dass es einen Asylantrag gibt. Dieser wurde in erster Instanz abgelehnt; das Verfahren ist in der zweiten Runde – und das seit 2002. Ich habe mich gestern noch beim Rechtsanwalt darüber erkundigt, weil ich das einfach nicht glauben konnte.

Warum ich Ihnen diesen Fall jetzt zur Kenntnis bringe: Ich werde mich dieses Falles annehmen, denn der interessiert mich, und zwar inhaltlich und menschlich. Ich denke mir, wenn Menschen fünf Jahre lang bei uns leben und wenn ohne deren eigenes Verschulden das Verfahren verschleppt wird – bis Ende nie, hätte ich jetzt bald gesagt –, wenn die Kinder dadurch bedroht sind und sich bedroht fühlen, haben diese Menschen zurzeit keine Aussicht auf eine positive Entwicklung, und zwar nicht nur nicht für die nächsten Monate, sondern für ihr ganzes Leben nicht. Und wenn dieser Schüler dieses Schuljahr versäumt, dann kann es auch sein, dass seine ganze Berufslaufbahn zum Großteil von dem abhängt, was er jetzt im Unverstand, in der Sorge beziehungsweise in der Angst nicht zuwege bringt.

Ich bin der Überzeugung: Wenn wir etwas aus diesem Fall Zogaj lernen, wenn wir uns etwas zu Herzen nehmen, so kann das doch nur sein, dass wir dringlichst solche geradezu unglaublichen Verfahrenslängen beenden und alles dazu tun, dass auch die Menschenrechte eingehalten werden. Irgendwann ist es dann auch ein Recht – und ich denke, fünf Jahre sind wirklich genug –, dass jemand in einem Land bleibt, wenn es dieser Staat nicht schafft, in dieser Zeit Recht zu sprechen.

Meine Damen und Herren, ich werde Ihnen berichten, wie dieser Fall ausgegangen ist. Und ich werde mich bemühen, da eine menschliche Lösung herbeizuführen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

16.33


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über den gegenständlichen Entschließungsantrag beziehungsweise die gegenständlichen Petitionen erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Entschließungsantrag 160/A(E)-BR/2007 der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtsstaatliche Möglichkeit zum Verbleib integrierter Personen.


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 112

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Ent­schließungsantrag 160/A(E) ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmenminderheit fest. Das heißt, der gegenständliche Entschließungsan­trag 160/A(E) der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen ist somit abgelehnt.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über die Petition 18/PET-BR/2007 betreffend Schüler/Schülerinnen, Lehrer/Lehrerinnen und Eltern des GRG Ettenreichgasse; überreicht von Bundesrat Peter Florianschütz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den vorliegenden Ausschuss­bericht zur gegenständlichen Petition 18/PET-BR/2007 zur Kenntnis nehmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmenmehrheit fest. Der Antrag auf Kenntnisnahme des gegenständlichen Ausschussberichtes ist somit angenommen.

Des Weiteren gelangen wir zur Abstimmung über die Petition 20/PET-BR/2007 be­treffend Bleiberecht für gut integrierte Asylwerber/Asylwerberinnen, die von Abschie­bung bedroht sind; überreicht von Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den vorliegenden Ausschuss­bericht zur gegenständlichen Petition 20/PET-BR/2007 zur Kenntnis nehmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle auch hier die Stimmenmehrheit fest. Der Antrag auf Kennt­nis­nahme des gegenständlichen Ausschussberichtes ist somit angenommen.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über die Petition 21/PET-BR/2007 betreffend Bleiberecht für Asylsuchende; überreicht von Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den vorliegenden Ausschuss­bericht zur gegenständlichen Petition 21/PET-BR/2007 zur Kenntnis nehmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle auch hier die Stimmenmehrheit fest. Der Antrag auf Kenntnisnahme des gegenständlichen Ausschussberichtes ist somit angenommen.

16.36.4411. Punkt

Selbständiger Antrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Sonja Zwazl, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Termins und Ergänzung des Teilnehmerkreises im Beschluss vom 20. Juli 2007 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Bildung – Beruf – Wirtschaft – Mehr Chancen für Alle“ (164/A-BR/2007)

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Wir gelangen nun aufgrund der ergänzten Tages­ordnung zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 164/A-BR/2007 der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Sonja Zwazl und Stefan Schennach betreffend Änderung des Termins und Ergänzung des Teilnehmerkreises im Beschluss vom 20. Juli 2007 auf Abhaltung einer Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Bildung – Beruf – Wirtschaft – Mehr Chancen für Alle“.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag betreffend Änderung des Termins und Ergänzung des Teilnehmerkreises im gegen­ständlichen Beschluss vom 20. Juli 2007 auf Abhaltung einer Enquete ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 113

Diese Enquete findet nunmehr am 11. Dezember 2007, und zwar in der Zeit von 9 bis 13 Uhr, statt.

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

16.38.17Einlauf

 


Präsident Mag. Wolfgang Erlitz: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 21 Anfragen eingebracht wurden.

Weiters teile ich mit, dass die Bundesräte Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen den Entschließungsantrag 165/A(E)-BR/2007 betreffend Beschleunigung der Asylverfahren – humanitärer Aufenthalt eingebracht haben, der dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zugewiesen wurde.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Mittwoch, der 31. Oktober 2007, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Montag, den 29. Oktober 2007, ab 13 Uhr vor­gesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

16.39.10Schluss der Sitzung: 16.39 Uhr

 

 

 

 

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