Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzte Frau Ministerin! Gelungene Integration heißt ja auch für den Expertenrat, wie wir wissen, eine möglichst chancengleiche Partizipation an den zentralen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, angefangen bei vorschulischen Einrichtungen, schulischer Bildung, beruflicher Ausbildung, Erwerbstätigkeit bis zu Wohnraum natürlich, aber auch Teilnahme an der Politik, an verschiedensten Schutz- und Fürsorgesystemen in Österreich und vieles mehr, und vor allen Dingen von Beginn an.

Meine Frage daher: Welche konkreten Maßnahmen werden Sie besonders hinsichtlich einer Integration ab dem ersten Tag beziehungsweise eines Rechtsanspruchs auf Integrationsmaßnahmen treffen, um möglichst viele Menschen auch möglichst früh vollständig in unsere Gesellschaft integrieren zu können?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 1941/M-BR/2023, hat folgenden Wortlaut:

„Welche konkreten Maßnahmen werden Sie – Stichwort Integration ab dem ersten Tag bzw. Rechtsanspruch auf Integrationsmaßnahmen – treffen, um möglichst viele Menschen möglichst früh vollständig in unsere Gesellschaft integrieren zu können?“

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Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Ich würde ihnen da den Terminus nicht zusprechen, denn ich weiß nicht, ob es einen Rechtsanspruch auf Integration gibt. (Bun­desrätin Hahn: Menschenrechtskonvention!) Ich glaube, es gibt eine Pflicht dahin gehend, dass man Integrationsmaßnahmen wahrnimmt. Integration ist ein wechselseitiger Prozess, das heißt, es braucht das Angebot des Staates, diesbezüglich zu öffnen, und es braucht aber auch das Bemühen der Menschen, die zu uns kommen. Das heißt, ich würde sagen, es ist ein wechselseitiger Prozess (Bundesrat Steiner: Eine Bringschuld!), dem wir natürlich gerecht werden müssen, wobei es immer auch das Bemühen und das Zutun und die Leistung des Zuwanderers, der Zuwanderin braucht, da Integration ansonsten nicht gelingen kann. Es gibt daher auch Integrationspflichten, die im Integrationsgesetz vorgesehen sind: Beispielsweise muss jeder Asylberechtigte, der einen Asyl­berechtigtenstatus bekommt, Deutschkurse belegen, Wertekurse belegen und Integrationsberatungsmaßnahmen absolvieren, da es sonst zur Kürzung von Sozialleistungen kommt.

Wenn der Staat jemandem eine Pflicht auferlegt, dann ist es selbstverständlich auch die Pflicht des Staates, dieses Angebot flächendeckend zur Verfügung zu stellen, was wir tun, damit dieser Pflicht auch nachgekommen werden kann. Deshalb gibt es auch in den Zentren des Österreichischen Integrationsfonds all diese Maßnahmen, die absolviert werden müssen, beispielsweise die Wertekurse.

Ich habe hier eine kurze Bilanz, die Sie interessieren könnte: Wir haben 2022 knapp 252 000 Beratungen in den Integrationszentren gehabt; es fanden rund 55 000 Deutschkursprüfungsantritte statt; wir stellten über 67 440 Deutsch­kursplätze zur Verfügung – das entspricht einer Verdoppelung gegenüber dem Jahr 2021. Das heißt, all das sind Maßnahmen, die wir zur Verfügung stellen, aber wichtig ist auch: Diese Maßnahmen müssen auch angenommen werden.

Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Ministerin.

Ist eine Zusatzfrage erwünscht? (Bundesrätin Hahn: Ja!) – Bitte sehr.

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): In Folge der Rede des Kanzlers vor wenigen Tagen haben Sie auch verlautbart, dass Sie eine Reform der Sozialleistungen mit einer Wartefrist bis zum Bezug planen und dass der volle Umfang dann erst nach fünf Jahren Aufenthalt in Österreich gewährt werden soll. Mit welchen Evidenzen erklären Sie hier diesen Zusammenhang zu einem schnelleren Einstieg in den Arbeitsmarkt, wie Sie ihn angeführt haben? Wie soll also diese Maßnahme aus Ihrer Sicht Integration tatsächlich positiv befördern?

Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Mit Evidenzen, die wir haben – die Zahlen im Detail kann ich Ihnen nachreichen. Nur, wir alle wissen, dass die Anzahl der Mindestsicherungsbezieher – insbesondere hier im Großraum Wien – in Bezug auf Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte eine sehr hohe ist. (Bundesrätin Schumann: Na Gott sei Dank!) Wir sehen beispielsweise, dass die Erwerbsquote bei Frauen mit Migrationshintergrund aus gewissen Ländern – sowohl aus der Türkei als auch aus Syrien als auch aus Afghanistan – teilweise unter 20 Prozent liegt.

All das sind Themen, bei denen ich denke, dass wir uns überlegen sollten, wie wir garantieren können, dass besonders auch Frauen in den Arbeitsmarkt eintreten und finanziell selbstbestimmt leben können – dafür ist ein eigenes Einkommen wichtig. Ich denke auch, dass man diesbezüglich Maßnahmen setzen muss, damit dem Zuzug nach Österreich, der vielfach eben ein Zuzug in das Sozialsystem ist, ein Riegel vorgeschoben werden kann.

Wir wissen, dass wir im Vergleich zu anderen europäischen Ländern einen sehr hohen Sozialstandard und sehr hohe Sozialleistungen haben, und daher ist es wichtig, sich anzusehen, wie man im Rahmen der Migrationsstrategie auch auf europäischer Ebene diesbezüglich Maßnahmen setzen kann. (Beifall des Bundesrates Stillebacher.)

Präsident Günter Kovacs: Vielen Dank, Frau Ministerin.

Ich darf jetzt den Teil zwei der Mittelschule Neuhofen an der Krems bei uns begrüßen – ich sehe da die Mädchengruppe. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Zu einer weiteren Zusatzfrage ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Frau Bundesminister, danke für diese Informationen, mich interessiert aber besonders: Sind diese Werte- und Orientierungskurse entsprechend ausgebaut worden?, denn die Werte- und Orientierungskurse sind ein wichtiges Instrument zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund.

Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Absolut. In den Werte- und Orientierungskursen, die jetzt von 8 auf 24 Stunden ausgebaut wurden und eine verpflichtende Integra­tions­maßnahme sind, werden natürlich Themen wie Arbeitsmarkteintritt, aber auch demokratiepolitische Werte oder das Bildungswesen in Österreich besprochen. Es geht da vielfach um Themen, die natürlich in Richtung Selbstständigkeit gelagert sind.

Wir haben eine Situation in Österreich, wonach es – wie ich auch vorhin erwähnt habe – gerade bei den Sozialhilfebezugsquoten große Herausforde­rungen gibt. 2021 bezogen beispielsweise in Wien 79 Prozent der Syrerinnen und Syrer, 72 Prozent der Somalierinnen und Somalier und 60 Prozent der Afghaninnen und Afghanen Mindestsicherung. Das heißt, wir haben da Hand­lungsbedarf, dem wir mit unterschiedlichen Maßnahmen Rechnung tragen müssen, weil es nicht Ziel sein kann, dass man im Sozialhilfesystem verharrt, sondern es ist wichtig, dass gerade in einer Arbeitsmarktsituation, wie sie sich derzeit darstellt, in der es vielfach Chancen am Arbeitsmarkt gibt, diese Chancen auch angenommen werden.

All das adressieren wir auch in den Wertekursen und in den Orientierungs­kursen: am ersten Tag in Richtung Deutsch lernen, Bildung und Arbeitsmarkt, am zweiten Tag geht es um Verfassungswerte und rechtliche Integration, und am dritten Tag auch um kulturelle Aspekte des Zusammenlebens und um freiwilliges Engagement.

Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Minister.

Bei uns ist Herr Bundesminister für Inneres Mag.a – Entschuldigung! – Mag. Gerhard Karner eingetroffen. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrat Steiner: Fleißig gendern!)

Zu einer weiteren Zusatzfrage ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Ich stelle folgende Zusatzfrage: Warum sollten zusätzliche Maßnahmen nötig sein, wenn ja nur Facharbeiter kommen? (Rufe bei der ÖVP: Was? – Bundesrat Steiner: Es ist so laut, ich glaube, die Frau Ministerin hat es nicht gehört!) – Ich wiederhole: Warum sollten zusätzliche Maßnahmen nötig sein, wenn ja nur Facharbeiter kommen?

Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Ich versuche einmal, sozusagen die Ironie in Ihrer Frage beiseitezulassen und möchte auf das Migrationssystem im Generellen eingehen.

Es braucht Migration aus dem hoch qualifizierten Bereich, ja, und wir haben natürlich auch eine Fluchtmigration aus Ländern wie Syrien, Afghanistan, dem Irak, bei der wir alles tun müssen, um diese Flüchtlingsströme, diese illegale, irreguläre Migration selbstverständlich zurückzudrängen und zu verhindern. Das heißt, es braucht unterschiedliche Maßnahmen im Kontext der Migrations­strategie. Aber ja, wir brauchen auch hoch qualifizierte Zuwanderung, insbeson­dere am Arbeitsmarkt, um eben die Spitzen abzudecken, weil klar ist, dass die Flüchtlingszuwanderung – das habe ich mit den Zahlen, die ich vorhin genannt habe, glaube ich, gezeigt – nicht den Arbeitskräftebedarf, den die Unterneh­merinnen und Unternehmer in Österreich haben, abdecken kann.

Präsident Günter Kovacs: Danke schön.

Ich bitte um die nächste Zusatzfrage von Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte sehr.

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Viele Geflüchtete und Vertriebene sind dezentral im ländlichen Raum wohnhaft. – Wir beide kommen aus dem Bezirk Vöcklabruck, da ist es schon mitunter weit, um zum Beispiel von Straß im Attergau in die Stadt, nach Vöcklabruck, zu kommen.

Welche Schritte setzen Sie, um eben auch dort Angebote zur Integration zu setzen?

Präsident Günter Kovacs: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Wir haben grundsätzlich folgende Integrations­angebotsstruktur: Wir haben in jedem Bundesland ein Integrationszentrum, und zusätzlich haben wir mobile Integrationsangebote. Das heißt, wir haben Integrationsangebote in den Bezirksstädten, in denen es auch mobile Werte- und Orientierungskurse gibt. Das Deutschkurssystem ist absolut flächen­deckend, das heißt, Deutschkurse finden dort statt, wo es Deutschkursanbieter gibt.

Ja, es mag sein, dass es in einem kleinen Ort – in Vöcklabruck gibt es ja Deutschkurse – wie Ampflwang im Bezirk Vöcklabruck, von wo ich herkomme, keine Volkshochschule oder kein BFI gibt, über die man einen Deutschkurs anbieten kann. Die Deutschkurse werden aber flächendeckend angeboten, und das ist auch wichtig, damit es da nicht zu ewig langen Wegzeiten kommt. Ich denke aber auch, dass es zumutbar ist, dass man sich einmal in einen Bus oder in einen Zug setzt, um einen Deutschkurs zu absolvieren. Ich glaube, das ist absolut möglich und zumutbar, und so organisieren wir uns auch. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Darüber hinaus vielleicht noch ein Hinweis: Wir haben während der Coro­napandemie vielfach auch auf Onlinedeutschkurse umgestellt, was bei einem Klientel, das gewohnt ist, mit Digitalisierung zu arbeiten, möglich ist. Das ist nicht überall möglich, aber gerade dort, wo schon gewisse Sprachkenntnisse vorhanden sind, sind Onlinedeutschkurse eine Möglichkeit, um die Sprach­kenntnisse zu verbessern. Daher investieren wir auch intensiv in neue Online­deutschkurse.

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen somit zur 10. Anfrage. Der Anfragesteller ist Bundesrat Florian Krumböck. – Bitte.