Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 65. Sitzung / Seite 64

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Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

15.48

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Zunächst zum parlamentarischen Procedere.

Es ist zuvor kritisiert worden, auch die frühere rot-schwarze Bundesregierung hätte oftmals überfallsartig Gesetze ins Haus gebracht (Abg. Dr. Pumberger: Zwei Stück!), keine ordentliche Begutachtung zugelassen und umfangreiche Abänderungsanträge erst im Ausschuss präsentiert. – Ja, das stimmt, aber ein Novum ist es, dass Regierungsparteien selbst ein klassisches Oppositionsinstrument verwenden, nämlich den Fristsetzungsantrag – das ist schon peinlich genug, denn sie hätten sonst alle Möglichkeiten in diesem Haus, um einen eigenen Pfusch zu korrigieren –, dass sie dann offenbar dieser Frist nicht genügen können und dass am Freitag dann die Klubobleute der Regierungsparteien die Weisung an ihre VertreterInnen im Sozialausschuss ausgeben, es dürfe keinen Ausschussbericht geben. Das ist eine Kapitulation des Parlamentarismus und der Kniefall vor der Regierung! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es geht jetzt offenbar nicht mehr um "speed kills", sondern es geht darum, dass in diesem Haus überhaupt keine Debatte mehr erwünscht ist. Eine gute Empfehlung an die Damen und Herren von Blau-Schwarz wäre vielleicht: Machen Sie doch rückwirkende Fristsetzungen, dann gibt es überhaupt keine Ausschussberatungen mehr, und dann können Sie immer gleich alles so in dieser "Ambulanz-Tour" ins Haus bringen!

Zum Zweiten: Gerade bei der freiheitlichen Fraktion oder bei ihren SpitzenrepräsentantInnen habe ich nach der Wiener Wahl zunächst einmal verbal ein wenig an Zerknirschtheit aus den Statements gehört. Auch gestern im Fernsehen war da in einer recht denkwürdigen Debatte zu hören, Sie wollen nicht mehr auf Feindbilder setzen, nein, Sie wollen die eigenen Stärken und die eigenen Errungenschaften besser verkaufen, besser den "kleinen Leuten" nahe bringen.

In dieser Debatte habe ich davon ganz wenig wahrgenommen. Wir wissen zwar jetzt ganz genau, dass Abgeordneter Gusenbauer irgendwann einmal Champagner getrunken hat. Und was mögliche Anträge der sozialdemokratischen oder der grünen Fraktion betrifft – die mangels Mehrheit in diesem Haus nicht zum Tragen kommen –, so wissen wir jetzt, wie schrecklich die wären. Nur, meine Damen und Herren: Den Lehrlingen, den chronisch Kranken, die jetzt die Ambulanzgebühren zu zahlen haben werden, wird es ziemlich egal sein, wann und wo wer Champagner getrunken hat, sondern die müssen tief in die Geldbörse greifen. Das ist der Skandal! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zum Dritten, zu den Inhalten: Lenkungseffekte wollen Sie, meine Damen und Herren. Es fällt auf: Immer wenn Sie anfangen zu lenken, dann geht es in Richtung Bildungs- und Sozialabbau. Die Begründung ist immer die gleiche: Weil die Kindergärten etwas kosten, müssen auch die Universitäten etwas kosten – statt dass man beides endlich frei stellt! Weil gewisse Berufsgruppen schon bisher Selbstbehalte haben, müssen jetzt alle Selbstbehalte haben. Das heißt, die Lenkung geht im Sozialbereich immer in Richtung Abbau.

Meine Damen und Herren! Ich habe von Ihnen noch nicht gehört, dass Sie etwa eine Lenkung in Richtung einer Friedensordnung anstreben, dass Sie beispielsweise einen Abfangjägerbeitrag, einen "Panzer-Schilling" oder Ähnliches einheben. Nein, es geht immer gegen den Sozialbereich, es geht immer gegen den Bildungsbereich! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Zur Sache!)

In Richtung ökologischer Lenkung ist bei Ihnen ohnehin nichts zu erwarten gewesen.

Meine Damen und Herren! Sie lassen den "kleinen Leuten" die Wahl zwischen Pest und Cholera, und das ist gesundheitspolitisch jedenfalls eine schlechte Wahl! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.52


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