Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 158. Sitzung / Seite 110

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In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 74a iVm § 93 Abs. 2 GOG verlangt.“

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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich erteile nun Frau Abgeordneter Mag. Stoi­sits als Antragstellerin zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort.

Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit der Antragstellerin 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Brosz begibt sich zum Rednerpult und stellt dort eine Tafel mit der Aufschrift „Rechtsstaat – Pravna Država“ auf.)

 


14.59.13

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Poštovani gospod kancelar! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Die Leidensgeschichte der Minderheiten in Österreich hat nicht etwa vor eineinhalb Jahren oder vor einem halben Jahr begonnen, wie viele meinen, seit die Dinge so groß in Diskussion sind, sondern die Geschichte des Klein­krieges um Minderheitenrechte in Österreich ist eine sehr lange.

Im 20. Jahrhundert beginnt sie mit dem Staatsvertrag von Saint-Germain und mit der Tatsache der teilweise gänzlichen Ignorierung der Rechte, die sich daraus für Minder­heiten ergeben. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Herr Kollege da in der vorletzten Bank: beim Hineinrufen groß, beim Reden-Halten klein! (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Hochmut kommt vor dem Fall!)

Aber die wahre Leidensgeschichte des Minderheitenschutzes in Österreich beginnt mit dem Jahr 1955, nämlich jenem Jahr, in dem der Staatsvertrag von Wien unterzeichnet wurde, der in Artikel 7 die Rechte der Minderheiten in Österreich festlegt, und zwar die Rechte der Kroaten im Burgenland und die Rechte der slowenischsprachigen Bevölke­rung in Kärnten und der Steiermark. Die Steiermark erwähne ich extra, weil es vielfach so ist, dass selbst Abgeordnete des Nationalrates nicht wissen, dass auch die Rechte der steirischen Slowenen durch den Staatsvertrag von Wien gewährleistet sind.

Der nächste Schritt in dieser Leidensgeschichte war – und das möchte ich heute des­halb in Erinnerung rufen, weil es einmal in diesem Land so etwas wie einen physischen Ortstafelsturm gab –, dass einsprachige Kärntner unter Duldung der –damals noch – Gendarmerie zweisprachige Ortstafeln abmontiert haben, sie aus der Verankerung ge­rissen haben, um ihr Land rein Deutsch zu halten. – Das war nicht etwa in den vierzi­ger Jahren, meine Damen und Herren, das war 1972, das war der so genannte Orts­tafelsturm in Kärnten. (Abg. Scheibner: Und das wollen Sie jetzt alles wieder haben! Das ist der Hintergrund! Ihr wollt das wieder haben!)

Eine Reaktion der Politik darauf hat es gegeben. Der Versuch unter Bundeskanzler Kreisky damals, so etwas wie die Wahrheit des Staatsvertrages nach angemessener Frist gesetzlich und auch durch Taten umzusetzen, ist misslungen. Aber der nächste Versuch der Politik mit dem Volksgruppengesetz 1976 und mit der daraus resultieren­den so genannten Topographieverordnung für Kärnten, nämlich jener Verordnung des seinerzeitigen Bundeskanzlers – so wie Herr Dr. Schüssel jetzt –, die festgelegt hat, dass in Kärnten 91 Ortstafeln zweisprachig zu verfassen sind, ist gelungen. Die Topo­graphieverordnung ist 1977 in Kraft getreten, meine Damen und Herren!

Zwischen 1977 und dem Jahr 2006 ist es gerade einmal gelungen, auf Grund dieses Rechtsbestandes der Republik – das ist Recht und Gesetz! – 77 Tafeln in Kärnten auf­zustellen. Ein paar davon hat ja Herr Bundeskanzler Schüssel voriges Jahr mit großer


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