Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 89. Sitzung / Seite 114

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len als Denkfabriken verstanden werden, wo man die Kinder wie Arbeiter hineinschickt. Dann drehen sie an irgendwelchen Rädern – ich karikiere das jetzt natürlich – und dann kommen sie mit einem größeren Wissen heraus.

PISA testet ja gar nicht Wissen, PISA testet etwas anderes. PISA testet Verständnis. Und das ist etwas ganz anderes als Wissen. Hier wird die Anwendung von Wissen, die Interpretation, die Analysefähigkeit getestet, aber nicht Wissen an sich. Um diese Fähigkeiten zu verstärken, glaube ich, müssen wir viel mehr Gewicht auf die nicht unmittelbar kognitiven Fächer, auf die musischen Fächer, auf die Sprachausbildung legen. Als Ökonom sage ich das.

Es gibt ein sehr interessantes Projekt der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, das genau auf diese Fähigkeiten der Kinder abzielt. Ich meine, hier sind wirklich große Umwegrentabilitäten möglich, genauso wie in der sportlichen Erziehung, die über die Motorik und den Kameradschaftsgeist viel bewirken kann. Das ist auch Schu­le. Und wenn wir Schule so umfassend und ganzheitlich verstehen, dann werden beim nächsten Mal, bei PISA 3, die Testergebnisse, was die Gefühle der Demütigung, des Zurückgesetztseins, der Kränkung in der Schule betrifft, nicht so ausfallen, wie sie jetzt ausgefallen sind. Auch das ist ein Ergebnis, das man mindestens oder genau so ernst nehmen muss wie die Frage der Mathematik, der Lesekompetenz und der Naturwis­senschaften. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Frau Ministerin Gehrer! Wenn ich mich nicht irre, steht auf dem Briefkopf Ihres Ministe­riums „Das Zukunftsministerium“. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist ein Zynismus!) Ich hoffe, dass das kein Zynismus ist. Ich glaube, Sie haben nicht mehr viel Gelegenheit, ja ich glaube, es ist dies die letzte Gelegenheit, zu beweisen, dass Sie einem Zukunftsminis­terium vorstehen wollen, dass Sie sich so auch verstehen, dass Sie sich nicht verste­hen als Vertreterin, als Ministerin, als Repräsentantin einer verzopften Dogmatik oder einer dogmatischen Verzopftheit. Das ist die letzte Chance, Frau Bundesministerin Gehrer, die Sie haben. Wenn wir so weitermachen, dann kann ich mir nur zu gut vor­stellen, wie die PISA III-Ergebnisse lauten werden, und das darf und kann uns nicht egal sein – selbst wenn, Herr Kollege Molterer, unsere Kinder, Ihre, meine und von wem auch immer, vielleicht nicht davon so betroffen sind, denn die AHS-Schüler der fünften und sechsten Klasse haben nicht schlechter abgeschnitten als das letzte Mal. (Abg. Dr. Brinek: Eben!) Aber die Kinder aller anderen zählen genauso viel, und die­sen 20 Prozent, die wir jetzt sozusagen in die Welt entlassen, in die Arbeitswelt, mit völlig unzureichenden Kernkompetenzen, müssen wir uns mit jener Ernsthaftigkeit widmen, die diese Frage verdient. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

15.22

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer zu Wort gemeldet. Ihre Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Mi­nister.

 


15.22

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte zuerst meinem Vorredner dafür danken, dass er Ansätze gebracht hat, wohin wir gemeinsam weitergehen wollen. Es geht um die Ju­gend, es geht um die Zukunft, es geht um die Verbesserung der Unterrichtsqualität. Doch da zeigt sich eine etwas unterschiedliche Auffassung zwischen uns beiden. PISA überprüft Grundlagenwissen, das miteinander verknüpft wird zur Lösung von Aufga­ben. PISA überprüft keine musischen Fähigkeiten, PISA überprüft keine sozialen Kom­petenzen, PISA überprüft auch nicht all die anderen Bereiche, die zur Persönlichkeits-


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