Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Österreich, Europa, die Welt sind nicht von einer Krise, sondern vielmehr von multiplen Krisen be­troffen – ob das die Pandemie, die bei Weitem noch nicht überwunden ist, oder dieser fürchterliche Krieg in der Ukraine ist. Daraus resultiert dieses Schwächeln der Lieferket­ten, das dazu führt, dass wir eine massive Teuerung erleben. Die österreichische Bun­desregierung hat sich ja sehr früh und sehr schnell zu umfangreichen Hilfspaketen für die Menschen entschieden. Wenn man den Vergleich mit anderen Ländern, zum Beispiel Deutschland, hernimmt, dann sieht man, dass wir schnell und umfangreich geholfen haben. Es ist eben sehr wichtig gewesen, schnell zu helfen, denn wer schnell hilft, hilft doppelt. Auch die soziale Treffsicherheit war uns ein großes Anliegen.

Herr Bundeskanzler, meine Frage wäre:

200/M

„Wie werden sozial schwache Bevölkerungsgruppen wie z.B. Pensionisten, Familien und Alleinerzieher, die von der aktuellen Teuerung am stärksten betroffen sind, unterstützt und entlastet?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Herr Abgeordneter, ich weiß, dass Sie sich schon viele Jahre für die Interessen der Familien einsetzen, und da besonders für die der sozial schwachen. Danke für Ihren Einsatz, auch im Hinblick auf dieses Reformpa­ket. Damit ist es gelungen, Entlastungsschritte zu setzen, die breit aufgestellt sind.

Auf der einen Seite unterstützen wir Menschen, die von geringen Einkommen betroffen sind, wie beispielsweise Arbeitslose, Mindestpensionistinnen und -pensionisten durch 300 Euro Sofortentlastung. Dann gibt es 500 Euro für jede und jeden in einem Haushalt aufgrund des Antiteuerungsbonus und des Klimabonus. Darüber hinaus bekommen Fa­milien, die natürlich auch von all diesen Folgen betroffen sind, eine zusätzliche Familien­beihilfe in Höhe von 180 Euro zur bestehenden dazu, also eine 13. Familienbeihilfe, die erhöht ausgezahlt wird. Das Zusammenwirken dieser Maßnahmen soll erreichen, dass damit der schwierige Schulstart abgefedert wird.

Darüber hinaus: Der Familienbonus – schon von mir erwähnt – ist tatsächlich eine der stärksten familienpolitischen Entlastungsmaßnahmen für alle, die Lohnsteuer zahlen und damit zum Gesamtwohl im Staat beitragen. Das sind statt 1 500 Euro nun 2 000 Euro pro Jahr und pro Kind. Das ist echtes Geld, das den Eltern helfen soll. Darüber hinaus ist eine Erhöhung des Kindermehrbetrages auf 550 Euro vorgesehen, sie wird auf 2022, also auf dieses Jahr, vorgezogen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Herr Bundeskanzler, Österreich hat sich dazu entschieden, schnell und rasch zu helfen, monetär zu helfen. Das Geld kommt bei den Familien an. Als Familiensprecher möchte ich mich dafür bedanken, dass gerade für die Familien ein derart umfassendes Paket geschnürt worden ist.

Warum, Herr Bundeskanzler, haben Sie sich, haben wir uns dazu entschieden, nicht mit Preisobergrenzen und Mehrwertsteuersenkungen zu arbeiten?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen, Herr Abgeordneter, ist es total nach­vollziehbar, dass Preisdeckel, Preisobergrenzen verführerisch sind und als die beste Lösung erscheinen. Das wäre aber eine einfache Lösung für eine komplexe Frage, die nicht immer oder gar nicht funktioniert oder sogar zu einem Negativeffekt führt. Was meine ich damit? – Wenn wir zum Beispiel über Preisdeckel bei Lebensmitteln nachden­ken, so ist die Fragestellung in vielfacher Art und Weise komplex: Wie kann das so um­gesetzt werden, dass auf der einen Seite das Angebot nicht verknappt wird, dass die Bäckerei weiter wirtschaften kann und dass dann die Menschen tatsächlich etwas davon haben, eben die Ware beziehen können?

Warum ist das komplex? – Würde man zum Beispiel beim Brot einen Preisdeckel einfüh­ren und festlegen, dass 1 Kilo Brot so und so viel Euro kostet, und würden sich aber für den Bäcker die Produktionskosten – weil die Grundprodukte immer teurer werden – ver­ändern, käme es zu einer Angebotsverknappung, weil es irgendwann für den Bäcker nicht mehr wirtschaftlich ist, das Brot tatsächlich herzustellen.

Wenn das wiederum kommt, kommt es zu einem Umsatzrückgang. Durch den Umsatz­rückgang sind auch Arbeitsplätze in der Bäckerei gefährdet. Das ist das, was ich damit meine. Das Ziel muss immer sein, dass der Deckel den Konsumenten beim Kaufen der Ware entlastet, das Unternehmen aber gleichzeitig nicht in seinem Wirtschaften gefähr­det. Das ist der Grund, warum wir direkt helfen und derzeit nicht die Variante der Preis­deckel wählen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundeskanz­ler! Wer sofort hilft, hilft wirklich: Seit Anfang Juni ist diese angekündigte Hilfe die Bot­schaft an Familien, Pensionisten und Alleinerzieher. Es sind Milliarden ausgeschüttet werden, aber abgesehen von der zusätzlichen Familienbeihilfe im August fließt das Geld erst im Oktober, bei manchen noch später. Bis dahin kämpfen noch mehr Menschen ums finanzielle Überleben. Für viele wird die Soforthilfe zu spät kommen und nicht aus­reichen, um das Konto auszugleichen. Das heißt, es wird im November nichts übrig blei­ben.

Was können sich Familien, Pensionisten, Alleinerziehende von der Regierung erwarten, um über den Winter zu kommen, um die Nachzahlungen der Energie- und Heizkosten am Jahresende stemmen zu können? Gibt es abgesehen von der Indexierung der So­zialleistungen, die ab 1.1.2023 angekündigt ist, aber auch nur wenige Euro pro Monat ausmacht, weitere Maßnahmen zur Unterstützung in der weiter anhaltenden Teuerungs­spirale?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Frau Abgeordnete, vielen Dank für Ihre Frage. Weil die Auswirkungen tatsächlich sehr ernst zu nehmen sind, haben wir uns auch in­tensiv mit den Wirtschaftsforschern auseinandergesetzt, um dahin gehend eine Progno­se zu erhalten: Was bedeutet die Teuerung für die Menschen einerseits und was bringen die Entlastungsmaßnahmen, die hier im Hohen Haus beschlossen worden sind, tat­sächlich?

Das Ergebnis zeigt, testiert von den Wirtschaftsforschern, das wir es tatsächlich schaf­fen, die Steigerung der Kosten größtmöglich abzufedern und zu lindern. Es beginnt da­mit, dass wir schon zu Beginn des Jahres das Antiteuerungspaket eins geschnürt haben. Dann kam das Antiteuerungspaket zwei, weil wir gesehen haben, dass die Teuerung anhält. Die Erhöhung der Pendlerpauschale, die Abschaffung der Elektrizitäts- und der Gasabgabe: Das sind Maßnahmen, die jetzt spürbar sind. Sie werden dazu führen, dass dieser Schock aufgrund der Preissteigerungen, der da und nicht wegzureden ist, tat­sächlich abgemildert und abgefedert wird.

Wesentlich ist, dass wir sowohl durch die Steuerreform als auch durch die Abschaffung der schleichenden Steuererhöhung nächstes Jahr auch ein Paket für nächstes Jahr ge­schnürt haben. Die Frage wird sein: Wo braucht es weitere Unterstützung, um den Menschen in dieser Teuerungswelle zu helfen? Die Summe der Hilfen ist so berechnet, dass tatsächlich die größten Folgen abgemildert werden.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Holz­leitner. – Bitte.

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! 370 000 Kinder in Österreich leben in Armut, ihnen hilft der Familienbonus nicht. Die valorisierten Familienleistungen, zu denen noch kein Vorschlag hier im Haus liegt, werden nicht ausreichen, Einmalzahlungen verpuffen für diese Familien und auch die Kinder, und jetzt hat die Bundesregierung auch den Schulbonus für Kinder, deren Eltern Mindestsicherung beziehen, gekürzt.

Was tun Sie, um diese Kinder nachhaltig aus der Armut zu holen, langfristig abzusichern und vor allem um das Ziel, das im Regierungsprogramm festgehalten wurde, dass die Armut in Österreich halbiert werden soll, zu erreichen? Was tun Sie, damit diese Kinder in Österreich nicht mehr in Armut leben müssen? (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen, Frau Abgeordnete, unterstütze ich Sie voll in der Forderung, dass die Bekämpfung von Kinderarmut das vorrangige Ziel sein muss, weil jedes Kind, das Armut in lebt, eines zu viel ist. Ich bin selbst Vater von zwei Kindern. Eltern, die in so einer schwierigen Situation sind, gehören bestmöglich unterstützt. Das passiert aber in vielerlei Hinsicht.

Sie haben Recht, wir differenzieren. Es gibt Entlastungsmaßnahmen für Familien, in de­nen die Eltern arbeiten, Lohnsteuer zahlen und Sozialversicherungsbeiträge leisten. Durch ihren verstärkten Konsum durch die Entlastungsmaßnahmen tragen sie dazu bei, dass Familien, in denen die Eltern nicht erwerbstätig sind und keine Abgaben für die Gesellschaft leisten – außer die Konsum- und Massensteuern –, mittels Sozialleistungen besonders entlastet werden.

Es gibt eine Vielzahl von Maßnahmen. Um sie aufzuzählen, reicht jetzt die Zeit gar nicht. Das Entscheidende ist aber, dass das nicht nur Bundesmaßnahmen sind. Sie wissen das, Sie kommen selbst aus einem Bundesland, das engagiert in der Frage der Armuts­bekämpfung vorgeht (Abg. Holzleitner: Wo kein Teuerungspaket bisher aufgelegt worden ist – in Oberösterreich! Ganz schlechtes Beispiel!) und das Familien, die sozial schwach sind, gezielt hilft. Das kann vom Mietkostenzuschuss bis zum Heizkostenzu­schuss bis ganz konkret zur Schulstarthilfe gehen, die zusätzlich zu allen Bundesleis­tungen hinzukommen.

Also ja, Sie haben recht: Es ist notwendig, gegen die Armut vorzugehen, aber ich kann dem, dass all das, was da ist und schon besteht, negiert wird, wenig abgewinnen. Ich glaube, da lohnt sich ein Blick auf die Details. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Holzleitner: Wow!)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordneter Leicht­fried. – Bitte.