14.35
Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wenn man heute die Regierungsparteien so hört, glaubt man gar nicht, dass dieses Pflegereförmchen so dargestellt wird. (Abg. Disoski: Geh bitte! – Abg. Ribo: 1 Milliarde!)
Dieses Pflegereförmchen, dieses Pflänzchen wird jetzt von allen Seiten verteidigt, eine Flucht nach vorne. Sogar der Bundesminister rückt aus, verteidigt dieses Pflegereförmchen und meint, dass das der große Wurf wäre. (Abg. Ribo: 1 Milliarde! – Abg. Disoski: Das Reförmchen, das ihr nie geschafft habt!)
Das ist nicht der große Wurf – das ist ein kleiner Wurf, denn hören Sie zu, was die Menschen draußen erzählen, wenn es um Pflege und Betreuung geht! Hören Sie zu, was die Pflegebeschäftigten erzählen! Es herrscht überall Jammer, es ist überall, auch bei den pflegenden Angehörigen, nicht angekommen, was Sie tun. Ihre Politik kommt nicht an – Sie versprechen viel, aber halten nichts. Das ist Ihre Politik, die Sie aktuell im Pflegebereich betreiben!
Ich möchte das kurz skizzieren: August Wöginger ist gerade nicht im Saal, aber wenn er von Verstaatlichung im Burgenland spricht, wenn er von Zwangsanstellungen spricht, nehme ich ihn gerne an die Hand und nehme ihn mit ins Burgenland! Er soll sich anschauen, wie das Anstellungsmodell funktioniert, denn ich kenne nichts Besseres, das die ÖVP da machen würde.
Ich weiß auch nicht, wie es bei der Gemeinnützigkeit ist: Bei der ÖVP dürfte immer noch der Tenor sein, dass mit der Pflege schon auch Geschäft gemacht werden darf, denn es ist bis dato nicht umgesetzt worden, dass die Gemeinnützigkeit ins Gesetz hineinkommt. Das sind die Rahmenbedingungen, das spüren die Menschen in Österreich, und das merken sie auch.
Kollegin Ribo, Sie mögen vielleicht so eine selbst ernannte weibliche Robin Hood der Pflege sein. (Abg. Ribo: Was heißt „selbst ernannt“?) Ich möchte Ihnen sagen: Wenn Sie das sein wollen, dann müssen Sie aber auch entsprechend handeln und der Schwerarbeitspension für Pflege- und Betreuungspersonen zustimmen und diese nicht ablehnen. Was Sie gemacht haben, dass Sie sagen, viele Frauen erfüllten nicht die Voraussetzungen oder gehören nicht dazu, dass sie in die Schwerarbeitspension fallen: Das ist genau das, was draußen ankommt! (Abg. Ribo: Das sind Fakten! Fakten!)
Sie sind der Garant dafür, dass viele Frauen verzweifelt sind und nicht mehr wissen, ob sie in diesem Beruf weiterarbeiten können und wollen.
Sie behaupten auch, dass die Pflege- und Betreuungsarbeit keine besonders belastende Arbeit wäre (Abg. Ribo: Das stimmt nicht!), weil Sie ja damit auch unserem Antrag nicht zustimmen. Ich sage Ihnen offen und ehrlich: Das spüren die Menschen!
Ich möchte jetzt auch noch zur Nachtschwerarbeit kommen, weil diese angesprochen wurde: Herr Kollege Gödl, Sie bedanken sich bei Herrn Wöginger und auch beim Herrn Bundesminister – ich habe aber noch keinen Dank dafür gehört, dass diese Nachtgutstunden heute gemeinsam beschlossen werden, weil die Nachtgutstunden, die Zeitguthaben für die Pflege- und Betreuungskräfte, unsere Initiative sind! Nein, das wollen Sie nicht tun. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ich habe mich sogar ... bedankt! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Sie wollen sich mit fremden Federn schmücken, Sie wollen Ihr Pflegereförmchen verkaufen, und Sie denken dabei nur an sich selbst. Das ist momentan der Weg, den wir wahrnehmen. (Abg. Weidinger: Wir sind ja keine Sozis!)
Wir haben diese Nachtgutstunden angestoßen, wir wollten diese Lücke schließen, und wir werden auch die Schwerarbeitspension für Pflege- und Betreuungsfachkräfte durchbringen. (Zwischenruf der Abg. Ribo.)
Wir werden darum kämpfen, und eigentlich müsste normalerweise auch der ÖAAB Interesse daran haben, diesen Weg zu beschreiten, damit von der Schwerarbeitsverordnung neben den Polizisten, Justizwachebeamten und vielen anderen Berufen endlich auch die Betreuungs- und Pflegekräfte umfasst sind. Dazu werden wir auch kommen.
Wir haben aber eineinhalb Jahre gebraucht, bis wir die Nachtgutstunden hineingebracht haben: Kollege Wöginger hat gesagt, er müsse in Oberösterreich eine kleine Tour machen – die hat eineinhalb Jahre gedauert, hoffentlich dauert das bei der Schwerarbeitspension nicht so lange. Ich würde mich freuen, wenn es schneller geht.
Zum Pflegebonus: Ich meine, das ist ein Tohuwabohu, und, Herr Bundesminister, bei aller Wertschätzung für Ihre Person, aber das ist eine Spaltung. Das ist eine Differenzierung und sogar eine Diskriminierung, und ich glaube, das ist nicht richtig, was da passiert.
Ich bringe deshalb auch einen Entschließungsantrag ein, der folgenden Inhalt hat:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anerkennung für die Leistung der Gesundheitsberufe durch Auszahlung eines beitrags- und steuerfreien Entgeltbonus zum Ausdruck bringen“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, den Entgelterhöhungszuschuss für das Pflegepersonal für das Jahr 2022 – so wie es für den Teuerungsbonus vorgesehen ist, steuer- und beitragsfrei zur Auszahlung zu bringen und den Bezieher*innenkreis auf alle Gesundheitsberufsgruppen zu erweitern, die für den Behandlungsprozess erforderlich sind.“
*****
Liebe Kolleginnen und Kollegen, arbeiten wir endlich für jene Menschen in Österreich, die im Pflege- und Betreuungsbereich tätig oder auch pflegende Angehörige sind, zusammen! Tun wir nicht das, was Sie machen: Sie kupfern unsere Ideen ab, und die Grünen behaupten, die SPÖ hätte keine Arbeit im Pflegebereich geleistet – das ist unrichtig und das berichtige ich tatsächlich. – Danke schön für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)
14.39
*****
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Philip Kucher, Josef Muchitsch
Genossinnen und Genossen
betreffend Anerkennung für die Leistung der Gesundheitsberufe durch Auszahlung eines beitrags- und steuerfreien Entgeltbonus zum Ausdruck bringen
eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 2717/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1824 d.B.) – TOP 10
Die Regierung hat am 12. Mai des heurigen Jahres die angeblich „größte Pflegereform der vergangenen Jahrzehnte“ verkündet und hat 20 Maßnahmen angekündigt, die noch heuer umgesetzt werden sollten.
Wie so oft blieb es bei vielen dieser Maßnahmen bei der Ankündigung.
Insbesondere eine Maßnahme, die eigentlich für die Aufwertung und Anerkennung der Pflegeberufe gedacht war, ist bis heute nicht umgesetzt. Es handelt sich dabei um den Entgelterhöhungszuschuss, der den Angehörigen der Pflegeberufe mehr Einkommen sichern sollte. Nicht nur, dass dieser auf zwei Jahre befristet ist und niemand weiß, wie es nach diesen zwei Jahren weitergehen soll, ist der Zuschuss für 2022 noch gar nicht zur Auszahlung gekommen.
Bei der Präsentation der Pflegereform Mitte Mai stellte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) einen durchschnittlichen Bonus in Höhe eines Monatsgehaltes in Aussicht. Es solle sich um einen "spürbareren Nettoeffekt" handeln, sagte er damals.
Jetzt soll diese Gehaltserhöhung als Einmalzahlung von 2.000 Euro brutto (inklusive Arbeitgeberanteil) Ende Dezember zur Auszahlung gelangen, allerdings voll versteuert und beitragspflichtig. Damit bleibt den Betroffen maximal 60 Prozent davon, also 1.200 Euro.
Es gäbe aber die Möglichkeit, diesen Bonus zu 100 Prozent den Betroffenen zukommen zu lassen. Dazu müsste die Regierung nur ihr eigens für den Zweck der Teuerungsabgeltung beschlossenes Gesetz anwenden, wonach Arbeitsgeber ihren Mitarbeiter*innen einen Bonus bis zur Höhe von 3.000 Euro steuer- und beitragsfrei auszahlen können. Warum geschieht das gerade bei dem in den letzten drei Jahren so stark belasteten Pflegepersonal nicht?
Die Regierung hat aber auch bei dieser Maßnahme wieder einmal nicht verstanden, dass die Versorgung der Menschen im Gesundheitssystem nur durch einen Behandlungsprozess, an dem alle Gesundheitsberufe und alle zuarbeitenden Tätigen (Verwaltung, Reinigung, Küche etc.) beteiligt sind. Insbesondere bei den Gesundheitsberufen zeigt die Praxis, dass eine Abgrenzung von Tätigkeiten nicht möglich ist und die Berufsgruppen eng zusammenarbeiten. Nur dadurch ist eine erfolgreiche Behandlung gewährleistet. Eine Abgrenzung iS des Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetzes ist somit nicht gerechtfertigt.
Alle im Gesundheitssystem tätigen Berufsgruppen sind am Behandlungs- und Betreuungsprozess beteiligt, alle Berufsgruppen leiden unter Personalmangel, alle waren durch Corona von höherer Arbeitslast betroffen.
Was ebenfalls bei allen Berufsgruppen gleich vorkommt ist, dass sich die Tätigkeitsbereiche überschneiden, zB:
• Arbeit am und für den Menschen
• Kommunikations- und Beziehungsarbeit
• Erfolg für Patient:innen nur durch Zusammenarbeit möglich
• Verabreichung von Arzneimitteln
• Versorgung in Notfällen
An Hand einiger Beispiele sei das erläutert:
• OP-Assistenz und OP-Pflege zeichnen für überschneidende Aufgaben verantwortlich, wie etwa Lagerung oder Patientenidentifikation
• Physiotherapie und Pflege haben die Mobilisation oder die Wiedererlangung von Beweglichkeit gemeinsam
• Die Gemeinsamkeiten von Ergotherapie und Pflege finden sich in der Wiedererlangung und Förderung von Aktivitäten des täglichen Lebens
• Der Biomedizinische Analytik und der Pflege sind die Bestimmung von Laborparametern gemein
• Radiologietechnologie und Pflege vereint die Anwendung radiologisch-technischer Methoden
• Die Diabetesberatung ist die Gemeinsamkeit von Diätologie und Pflege
• Auch Hebammen üben pflegerische Tätigkeiten aus (gem. § 2 Abs 1 Z 9 und 10 Hebammengesetz)
Die Liste könnte noch fortgeführt werden, aber am bezeichnendsten ist die Regelung, die die Regierung selbst erlassen hat: Seit der Pandemie gibt es die Ausnahmeregelung, dass zur Unterstützung bei der Basisversorgung auch berufsfremde Personen eingesetzt werden können. So dürfen also z.B. MTD-Berufe, Hebammen, MAB-Berufe für pflegerische Tätigkeiten eingesetzt werden.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, den Entgelterhöhungszuschuss für das Pflegepersonal für das Jahr 2022 – so wie es für den Teuerungsbonus vorgesehen ist, steuer- und beitragsfrei zur Auszahlung zu bringen und den Bezieher*innenkreis auf alle Gesundheitsberufsgruppen zu erweitern, die für den Behandlungsprozess erforderlich sind.“
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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.
Zu Wort gelangt nun Herr Mag. Gerhard Kaniak. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.