17.34

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr ge­ehrte Damen und Herren hier im Haus und vor den Bildschirmen! Latcho dives, dober dan, del tuha! Wenn wir über einen nationalen Gedenktag für die Roma und Sinti sprechen, dann ist nicht nur – wie bereits in den Vorreden ja dargestellt – an den Nationalsozialismus zu erinnern und an den 2. August bis 3. August 1944, als im Lagerabschnitt B II e in Auschwitz-Birkenau 3 000 Ro­ma und Sinti ermordet worden sind, sondern es ist auch daran zu denken, wie Roma und Sinti nach 1945 in der Zweiten Republik behandelt worden sind.

Wenn man bedenkt, dass erst 1988 eine Gesetzesänderung dazu führte, dass diese Volksgruppe – damals war sie noch gar keine Volksgruppe – im Opferfürsorgegesetz als Opfer anerkannt wurde, kann man sich imaginieren und vorstellen, welchen Weg sie nach 1945 gehen musste. Erst 1988 wurde im Zuge der Novellierung des Opferfürsorgegesetzes das Lager Lackenbach der Na­tionalsozialisten im Sinne der Haft anerkannt.

Heuer im Dezember feiern wir 30 Jahre Anerkennung der Roma und Sinti als Volksgruppe – meine Vorrednerin hat das Attentat erwähnt. Im heurigen Jubiläumsjahr können wir am 2. August zum ersten Mal auch diesen nationalen Gedenktag feiern. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Ich freue mich besonders, dass wir im Ausschuss diesen Gedenktag einstimmig, auch mit den Stimmen der FPÖ, beschlossen haben, weil ich denke, das ist ein Zeichen für Österreich und seinen Umgang mit dem Gedenken. Aber es geht eben nicht nur um einen nationalen Gedenktag, es geht auch um einen nationalen Gedenkort. Es gibt da und dort in einzelnen Gemeinden Gedenk­steine, Gedenkmale, Mahnmale, aber es geht um einen zentralen Ort. Jetzt kann man immer wieder diskutieren, ob es nicht für alle Holocaustopfer einen gemeinsamen Ort geben soll, aber solange – wie bis dato – die einzelnen Grup­pen immer noch einzelne und für die Gruppen spezifische Orte haben, wird sich dieser gemeinsame Ort perspektivisch noch nicht ergeben. Also muss es so­zusagen, und wir haben ja dazu auch schon einen Antrag formuliert und einen Antrag beschlossen, eine nationale Gedenkstätte für die Volksgruppe der Roma und Sinti geben. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Berlakovich.)

Ich möchte, wie auch von meiner Vorrednerin angesprochen, darauf hinweisen, dass ich jetzt einen Unselbständigen Entschließungsantrag gemäß § 53 Abs. 1 GOG-NR der Abgeordneten Nikolaus Berlakovich, Sabine Schatz, Eva Blimlinger, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nationaler Gedenktag zum Gedenken an die während des Nationalsozialismus ermordeten Roma und Romnja, Sinti und Sintizze“ einbringe.

Es ist ein bisschen eine ungewöhnliche Vorgangsweise, aber es freut mich, dass wir das gemeinsam machen können.

Lassen Sie mich noch ein paar Sätze zum zweiten Tagesordnungspunkt, der jetzt debattiert wird, zu den Slowenen, Sloweninnen sagen – diesbezüglich wurde auch bereits vieles gesagt –: Vielleicht darf ich darauf hinweisen, was mir ein besonderes Anliegen ist: dass es eben diese schulische, vorschulische Erzie­hung nicht nur im Burgenland und in Kärnten gibt, sondern in ganz Öster­reich, dort, wo sich Angehörige der Volksgruppe ansiedeln, wo die Volksgruppe stark vertreten ist und es ganz im Sinne einer mobilen europäischen Gesell­schaft darum geht, dass man überall in Österreich diese zweite Sprache lernen kann, die ja auch die eigene Muttersprache ist.

Das heißt, das ist ein ganz zentraler Fokus, den wir darauf legen müssen.

Ein zweiter Punkt, der mir ganz wichtig ist – leider ist die Frau Bundesministerin nicht mehr hier –: die rasche Anerkennung der Jenischen als nächste Volks­gruppe. Sie ist in der Schweiz als Volksgruppe anerkannt, und auch da gilt es wirklich viel nachzuholen, was Entschädigungen, was das Gedenken, was überhaupt die Etablierung der Volksgruppe betrifft.

Ganz in diesem Sinne, im erinnerungspolitischen Sinne, sollte die Windisch-Kaserne endlich in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden. – Dober dan. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Stöger: Brauchts es nur beschließen!)

Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Blimlinger! Wenn dieser Entschlie­ßungsantrag ordnungsgemäß eingebracht werden soll, wovon ich ausgehe, dann müssen Sie den Text verlesen. (Abg. Blimlinger: Den gesamten Text?) – Nein, es sind ja nur fünf Zeilen. Wenn Sie wollen, stelle ich Ihnen die zur Verfü­gung, aber dieser Text muss für das Protokoll verlesen werden.

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (fortsetzend): Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

gemäß § 53 Abs. 1 GOG-NR

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, Sabine Schatz, Mag. Eva Blim­linger, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nationaler Gedenktag zum Gedenken an die während des Nationalsozialismus ermordeten Roma und Romnja, Sinti und Sintizze“

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7, Bericht des Verfassungsausschusses über - -

Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, auf der zweiten Seite, es beginnt mit „Der Nationalrat möge beschließen“! Sie müssen den Text aufmachen, Sie brauchen jetzt nicht die Begründung zu verlesen. (Abg. Belakowitsch: Sollte man als Abgeordnete können! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) So, und da beginnt es mit „Entschließungsantrag“, „Der Nationalrat möge beschließen“, und das müssen Sie uns mitteilen.

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (fortsetzend): Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für Kunst, Kultur, Öffentlichen Dienst und Sport, werden aufgefordert, den Völkermord an den Roma und Romnja, Sinti und Sintizze während des National­sozialismus als historische Tatsache anzuerkennen und den 2. August als nationalen Tag des Gedenkens an alle Opfer dieses Völkermords einzurichten.“

*****

(Beifall der Abg. Krisper.)

17.41

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Unselbstständiger Entschließungsantrag

gemäß § 53 Abs. 1 GOG-NR

der Abgeordneten Nikolaus Berlakovich, Sabine Schatz, Eva Blimlinger, Michael Bern­hard, Kolleginnen und Kollegen

Nationaler Gedenktag zum Gedenken an die während des Nationalsozialismus ermordeten Roma und Romnja, Sinti und Sintizze

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7 „Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2723/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Dipl.-Ing. Niko­laus Berlakovich, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung eines natio­nalen Gedenktages zum Gedenken an die während des Nationalsozialismus ermor­deten Roma und Romnja, Sinti und Sintizze“, in der 195. Sitzung des National­rates, XXVII. GP, am 31. Jänner 2023

Begründung

Der Völkermord an den Roma und Romnja sowie Sinti und Sintizze wurde lange Zeit in der Aufarbeitung der Geschichte des Zweiten Weltkriegs ausgeklammert und wird daher mitunter als „Vergessener Holocaust“ bezeichnet. Schätzungen zufolge wurden während des Nationalsozialismus rund 500.000 Männer, Frauen und Kinder aus der Roma und Sinti-Gemeinschaft in Europa als „Zigeuner“ oder „Asoziale“ ermordet. Lange Zeit gab es keine Form des offiziellen Gedenkens an die Opfer dieser rassistischen NS-Verfolgungs- und Vernichtungspolitik.

Erst am 15. April 2015, wurde der Völkermord an den Roma in einer Entschließung1 des Europäischen Parlaments als historische Tatsache anerkannt. In dieser Ent­schließung wurden alle EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, den Völkermord und andere Formen der Verfolgung der Roma und Sinti wie Deportation und Internierung während des Zweiten Weltkriegs offiziell anzuerkennen. In vielen EU-Mitgliedsstaa­ten gibt es eigene nationale Gedenktage.

Seither wird alljährlich am 2. August im Rahmen des europäischen Holocaust- Gedenktages der Opfer aus der Roma-Gemeinschaft während des Zweiten Weltkriegs gedacht. Der 2. August wurde dabei bewusst als Gedenktag gewählt: In einer ein­zigen Nacht wurden von 2. auf 3. August 1944 infolge der Liquidation des Lagerab­schnitts B II e, des sogenannten „Zigeunerlagers“, mindestens 3000 Roma und Romnja, Sinti und Sintizze, darunter Männer, Frauen und Kinder, im Konzentrations­lager Auschwitz- Birkenau ermordet.

Auch in Österreich wurden die grausame Verfolgung und Ermordung der Volksgruppe der Roma und Sinti während des Nationalsozialismus lange Zeit verschwiegen und verdrängt. Von den knapp 11.000 österreichischen Roma und Romnja sowie Sin­ti und Sintizze überlebte nur knapp jeder Zehnte den Roma-Holocaust (auf Ro­mani „Porajmos“).

Eine Kernaufgabe der Gedenkkultur ist es dazu beizutragen, dass sich Verfolgung und Ermordung sowie Hass und Hetze, wie dies während des Nationalsozialismus der Fall war, nie mehr wiederholen. Dazu braucht es eine würdige Gedenkkultur. Nationale Gedenktage können dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

Der während des Nationalsozialismus an Roma und Romnja sowie Sinti und Sintizze begangene Völkermord darf niemals in Vergessenheit geraten. Gleichzeitig soll auch daran erinnert werden, dass bereits zuvor, nämlich im Mai 1944, die Auflösung des Lagerabschnitts B II ein Auschwitz-Birkenau und die Ermordung der KZ-Häft­linge in den Gaskammern geplant war. Lediglich durch einen mutigen selbst­organisierten Aufstand der Roma und Romnja sowie Sinti und Sintizze konnte dies zunächst unterbunden werden. Dieser mutige Roma-Widerstand gegen die Ver­nichtung stellt einen der wenigen Aufstände überhaupt in der Geschichte des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau dar, wurde aber bislang historisch nicht hinreichend gewürdigt.

Das Gedenken an den Porajmos ist zentral, um das historische Bewusstsein dafür zu schärfen, dass sich solche fürchterlichen Verbrechen niemals wiederholen dür­fen. Die Anerkennung und Verurteilung der Verbrechen ist von großer symbolischer Bedeutung für die Opfer und deren Angehörige. Gleichzeitig stellen die Anerken­nung und Verurteilung des Völkermords aber auch einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung aller Formen von Diskriminierung, Roma-Feindlichkeit und Anti­ziganismus dar, mit welchen diese ethnische Minderheiten bis heute konfrontiert sind. Der 2. August soll dazu dienen, über die Entstehung und die Ursachen solcher Gräueltaten aufzuklären und Bewusstsein für Frieden und Menschenrech­te zu schaffen sowie den Respekt gegenüber ethnischen Minderheiten zu fördern.

Die Republik Österreich bekennt sich zu ihrer historischen Verantwortung für alle Opfer von Verfolgung und Ermordung während des Nationalsozialismus, ein­schließlich aller Opfer des Roma-Genozids. Die unterfertigenden Abgeordneten an­erkennen den Völkermord an den Roma und Romnja, Sinti und Sintizze wäh­rend des Nationalsozialismus, verurteilen diesen auf das Schärfste und erklären ent­schieden, dass solche Verbrechen nie wieder verübt werden dürfen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für Kunst, Kultur, Öffentlichen Dienst und Sport, werden aufgefordert, den Völker­mord an den Roma und Romnja, Sinti und Sintizze während des Nationalsozialismus als historische Tatsache anzuerkennen und den 2. August als nationalen Tag des Gedenkens an alle Opfer dieses Völkermords einzurichten.“

1      Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. April 2015 zum Internationalen Roma-Tag – Antiziganismus in Europa und Anerkennung durch die EU des Tags des Gedenkens an den Völkermord an den Roma während des Zweiten Weltkriegs (2015/2615(RSP)).

*****

Präsidentin Doris Bures: Vielen Dank. Jetzt ist dieser gemeinsame Entschlie­ßungsantrag ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nun gelangt Herr Abgeordneter Rudolf Taschner zu Wort. – Bitte.