15.54

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und werte Zuseher! Ich muss ehrlich sagen, ich bin sprachlos, was diese Sondersitzung betrifft. Das ist eine Sondersitzung, die von den Regierungsfraktionen eiligst beantragt wurde. Um Ihnen, werte Zuseherinnen und Zuseher, das auch zu erklären: Das ist eine Sitzung, die außerhalb des Normbetriebes des Parlaments stattfindet, also die ein Sonderinstrument ist, wenn man so möchte.

Diese wurde eiligst einberufen, und der Zweck war – entgegen dem, was wir heute gesagt haben –, ein Paket gegen Kinderarmut vorzulegen. Heute findet diese Sitzung statt, und was liegt nicht vor? – Ein Paket zur Bekämpfung von Kinderarmut. Was vorliegt, ist nur ein Bruchteil dessen, was Sie vorgeschlagen haben. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, so etwas wie hier und heute hat es überhaupt noch nie gegeben. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Michael Hammer: Ach, so was?! – Abg. Wöginger: Wie lang bist denn du da? Entschuldigung!)

Jeder Baumeister weiß, dass man, wenn die Schlüsselübergabe ansteht, das ganze Haus übergeben muss. Sie haben bei diesem Haus für die Bekämpfung von Kinderarmut nicht einmal die Wände errichtet und veranstalten heute diese Sondersitzung. Unfassbar! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Michael Hammer: So eine Empörung! Künstliche Empörung!) – Nein, Herr Kollege Hammer, das ist keine künstliche Empörung (Abg. Michael Hammer: Na, was denn sonst?!), weil es, auch wenn Sie das offenbar wahnsinnig lustig finden, um etwas sehr Ernstes geht: Bekämpfung von Kinderarmut.

In Ihrer Pressekonferenz (Ruf bei der ÖVP: Ich habe keine gemacht!) haben Sie 500 Millionen Euro zur Bekämpfung von Kinderarmut angekündigt und versprochen (Ruf bei der ÖVP: Der Initiativantrag liegt im Haus, Herr Kollege! Der ist da!) – für Alleinerzieherinnen und für Alleinerzieher, für Bezieherinnen und Bezieher von Notstandshilfe, Arbeitslosengeld, Ausgleichszulage und Sozialhilfe. Wir haben diese Ankündigung gelesen und haben uns gedacht: Gut, dass die Bundesregierung sich endlich dieses Themas annimmt (Abg. Leichtfried: Ja, aber das war auch sehr leichtgläubig!), dass sie erkennt, dass man gegen Kinderarmut etwas tun muss (Abg. Wöginger: ... Antrag erst einmal bringen! Das gibt’s ja nicht!) – und wir schauen uns, wenn dieser Vorschlag kommt, dann konkret an, wie wir uns dazu positionieren.

Jetzt liegt aber nicht einmal ein Vorschlag vor. Es ist ein Rumpfvorschlag (Abg. Zarits: Da ist er! Lesen! Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!), und das ist eine krachende Katastrophe und ein Armutszeugnis, der die unfassbare Unfähigkeit dieser Bundesregierung belegt. Sie helfen nicht jenen, die es brauchen, es gibt keine Treffsicherheit. Sie helfen nicht so, wie Sie sollten, Sie ermöglichen nämlich keine Sachleistungen, sondern Geldleistungen – und Sie halten nicht das, was Sie versprochen haben, weil hier heute nur ein Bruchteil dessen zur Beschlussfassung kommt, was Sie angekündigt haben. Statt Kindern in Not zu helfen, statt für die Österreicherinnen und für die Österreicher zu arbeiten, klebt sich diese Bundesregierung, das sieht man in allen möglichen Fragen, an die Sessel der Macht. Ich sage Ihnen, wie ich das finde: Ich finde, das ist verwerflich. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe der Abgeordneten Leichtfried und Wöginger.)

Es ist deswegen eine Katastrophe – Herr Kollege Hammer, weil Sie das zu Beginn so lustig fanden –, weil wahnsinnig viel zu tun ist. Kolleginnen und Kollegen haben das heute schon erwähnt: Über 100 000 Kinder leben in sogenannter manifester Armut. Das heißt, ihre Familien können sich Güter des täglichen Lebens nicht leisten. Ich glaube, gerade viele hier im ÖVP-Sektor können sich nicht vorstellen, was das für 40 000 Kinder, die in Wohnungen leben, die nicht warm gehalten werden können, und für 80 000 Kinder, deren Familien sich nicht jeden zweiten Tag Fleisch, Fisch oder eine vergleichbare vegetarische warme Speise leisten können, bedeutet. 120 000 Kinder leben in Familien, die massiv in Zahlungsrückstand sind. Sie versprechen in einer PK viel, hier im Parlament beschließen Sie wenig und lassen damit die betroffenen Kinder und ihre Familien im Stich. (Abg. Wöginger: Das ist ja ein Wahnsinn!)

Jetzt kommt das Verrückteste (Abg. Wöginger: Ja, das tut’s eh schon!): Man höre Ihrem Kollegen Sieber zu, der übrigens der Redner mit der meisten Redezeit in dieser Debatte ist und der nur über Wien redet. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Der besitzt die Dreistigkeit, obwohl Sie nichts zustande bekommen, just jene zu attackieren, die am meisten zur Bekämpfung der Kinderarmut beitragen. Ich finde das unverschämt! (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Der Herr Wiederkehr! Der Hobbystadtrat! Der Hobbystadtrat Wiederkehr, oder was?)

Ich finde das, was Sie da sagen, unverschämt und total faktenbefreit, weil gerade Christoph Wiederkehr diese Woche eine Initiative vorgestellt hat, die tatsächlich Kinderarmut bekämpft. Das kann man doch auch einmal anerkennen. Ich finde es wirklich ein großartiges Projekt für 50 000 Kinder und ihre Familien, dass ein gratis warmes Mittagessen für alle Kinder in Pflichtschulen, die in Ganztagesbetreuung sind, zur Verfügung gestellt wird. Da kann man doch einfach einmal sagen: Das ist großartig und das bringt etwas! (Abg. Stocker: Das ist ja wirklich das Verrückteste!) Ich verstehe das nicht, warum man alles schlechtmachen muss – gerade in dem Punkt, in dem man selber nichts zustande bekommt. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.)

Diese Initiative entlastet übrigens eine Familie mit zwei Kindern in Wien mit 2 000 Euro pro Jahr – und weil dieser Zugang, den wir in Wien wählen, dringend auf Bundesebene notwendig wäre, bringe ich abschließend folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Den Kindern helfen, die es wirklich brauchen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, die gezielte Sachleistungen für bedürftige Kinder vorsieht.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

15.59

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Den Kindern helfen, die es wirklich brauchen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 217. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 3427/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Ausgleich inflationsbedingt hoher Lebenshaltungs- und Wohnkosten (Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz-LWA-G) geändert wird (2052 d.B.) – TOP 3

Die Regierung hat am 17. Mai ein Maßnahmenpaket im Volumen von € 500 Millionen für bedürftige Kinder angekündigt. Die Minister Raab und Rauch erklärten publikumswirksam, dass vier Gruppen geholfen werden solle, nämlich Kindern von

1. Alleinerzieher:innen

2. Notstandshilfebezieher:innen

3. Arbeitslosengeldbezieher: innen

4. Ausgleichszulagenbezieher:innen

5. Sozialhilfebezieher:innen

Der vorliegende Antrag bezieht sich aber nur auf die Gruppe 5, und es fehlen die Gruppen 1 bis 4. Weil in vielen Fällen Bezieher von Notstandshilfe gleichzeitig auch Sozialhilfe beziehen (sogenannte "Aufstocker"), müssen diese Fragen gemeinsam behandelt werden. Der Antrag 3427/A ist daher bestenfalls Stückwerk. Die vollmundigen Versprechen der Minister Raab und Rauch werden damit nicht ansatzweise eingelöst.

Österreich ist international führend, wenn es um Geldtransfers an Familien geht. Im Bereich der Sachleistungen für Kinder liegen wir allerdings im internationalen Vergleich deutlich zurück. Um sicher zu stellen, dass die Steuermittel wirklich treffsicher bei den Kindern ankommen, die diese Hilfe unbedingt brauchen, ist daher verstärkt auf Sachleistungen zu setzen. Dazu würde zum Beispiel gehören, den Kindern ein warmes, gesundes Mittagessen zur Verfügung zu stellen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, die gezielte Sachleistungen für bedürftige Kinder vorsieht."

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte. (Abg. Wöginger: Barbara, sachlich bitte wie immer! Das war ein Wahnsinn!)