Abgeordneter Christian Oxonitsch (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! In den letzten Tagen hat es ja durchaus einiges an zumindest medialer Verwirrung rund um das Thema der Arbeitspflicht gegeben. Es hat ja schon mehrere negative Stellungnahmen zu diesem Thema gegeben. Das, was jetzt unter dem Motto grünes Licht präsentiert wurde, erweckt den Eindruck, als ob das Innenministerium die Möglichkeit zu irgendeiner Genehmigung der zumindest medial kolportierten Lösung hätte. Da es ja bisher schon einige negative Stellungnahmen – auch aus Ihrem Ministerium – gegeben hat, würde mich interessieren:

303/M

„Welche veränderten Parameter haben dazu geführt, dass die Prüfung der von Ihnen medial propagierten ‚Arbeitspflicht‘ für Asylsuchende, die bereits mehrfach als rechtlich problematisch eingeschätzt wurde, nun ein positives Ergebnis gebracht hat?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner: Da muss man kurz auf den September dieses Jahres zurückblicken, als es eine Landesflüchtlingsreferent:innenkonferenz in Kärnten in Faak am See gegeben hat, bei der die Flüchtlingsreferentinnen und -referenten über einen Antrag – ich denke – des Bundeslandes Oberösterreich beraten haben. Ich halte es prinzipiell für sinnvoll, über dieses Thema nachzudenken, dass nämlich jene, die in Österreich Schutz und Hilfe bekommen, unserem Land auch etwas zurückgeben sollen: Dieses Thema wurde bei der Landesflüchtlingsreferent:innenkonferenz sehr intensiv beraten, und nach dieser Beratung gab es einen einhelligen Beschluss darüber – einhellig, das heißt von allen im Parlament vertretenen Parteien außer den NEOS, die nicht Teil der Landesflüchtlingsreferent:innenkonferenz sind –, das Innenministerium aufzufordern, zu ersuchen – mit welchem Begriff auch immer Sie das in einem föderalen Staat bezeichnen wollen –, etwas dazu zu erstellen, wie es möglich wird, Asylwerber dazu zu verpflichten, dem Staat, der Ihnen hilft – im Konkreten Österreich –, auch etwas zurückzugeben.

Das war ein einhelliger Beschluss aller dort Vertretenen, und dieser Aufgabe kommt das Innenministerium natürlich nach. Da hat es dann eben ein Ergebnis gegeben, das ich bei der Landesflüchtlingsreferent:innenkonferenz zunächst mündlich präsentiert habe, das dann auch noch schriftlich ausgefolgt wird, damit die einzelnen Bundesländer diese Punkte in ihrer Verantwortung, im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch umsetzen können. Ein Vorschlag ist beispielsweise die Kürzung des Taschengeldes, wenn jemand nicht bereit ist, unterstützende Arbeit aufzunehmen. Es gibt unterschiedlichste Maßnahmen, und es liegt jetzt wiederum in der Verantwortung der Bundesländer – das war das Ersuchen –, solche Maßnahmen in ihrem Wirkungsbereich auch konkret umzusetzen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner (fortsetzend): Auch Sie wissen, davon bin ich überzeugt, dass die gesamte Materie Asyl und Grundversorgung eine sehr komplexe ist, die in einer 15a-Vereinbarung festgelegt ist und dass dementsprechend neun Länder und auch der Bund dabei sind. Wir haben da die rechtliche Expertise, um die wir gebeten wurden, geliefert.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?

Abgeordneter Christian Oxonitsch (SPÖ): Danke für die Information. Man sollte nicht vergessen, dass bei dieser Flüchtlingsreferentenkonferenz, glaube ich, nur fünf Länder anwesend waren, aber sei’s drum, ein Beschluss ist ein Beschluss. Es wundert mich nur, dass die Länder nicht wissen, dass sie das eigentlich bisher auch schon hätten umsetzen können, weil das ja nichts Neues ist. Also insofern: Wozu das grüne Licht?

Meine konkrete Zusatzfrage bezieht sich aber auf den Menschenrechtsbefund, der von der Liga für Menschenrechte präsentiert worden ist. Eine der Anmerkungen dazu betrifft die Situation der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in diesem Bereich: Es gibt ja die Initiative Gemeinsam für Kinderrechte, die sich um Beratung betreffend Obsorge bemüht, und eine der Anmerkungen war, dass diese Initiative keinen Zutritt zu den Bundeseinrichtungen bekommt, um ihre Beratungstätigkeit bei Kindern und Jugendlichen hinsichtlich der Obsorge durchführen zu können. Haben Sie vor, daran etwas zu ändern?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner: Zunächst: Sie haben recht, dass nicht alle Bundesländer anwesend waren, aber das habe ich auch nicht gesagt; ich habe gesagt, alle Parteien waren bei dieser Flüchtlingsreferent:innenkonferenz anwesend – nur um das klarzustellen. Wien war nicht dabei, da haben Sie recht, aber den Vorsitz hat beispielsweise Kärnten. Es wurde intensiv beraten, und daher habe ich das gemacht.

Was die Obsorge ab dem ersten Tag betrifft: Sie wissen, dass das nicht unmittelbar in meine direkte Zuständigkeit fällt, aber das Thema unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ist eines, das uns – auch wieder in diesem komplexen System der Grundversorgung – intensiv fordert. Dazu haben wir uns wiederum bei der letzten Konferenz beraten und beschlossen, dass wir die Tagsätze erhöhen, die ja die längste Zeit nicht erhöht wurden, nämlich von 95 Euro auf – so der Vorschlag, glaube ich – etwa um die 120 Euro. Das wird also erhöht, damit wir die Versorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge besserstellen können.

Obsorge ab dem ersten Tag – ich weiß, dass es diese Initiative gibt – ist eine Angelegenheit, die im Justizministerium liegt und über die dort beraten werden muss. (Abg. Oxonitsch: Zum Zutritt gibt’s nichts? Die Frage war zum Zutritt! – Abg. Krainer: So kann man Fragen auch nicht beantworten!)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte.

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister, ich komme wieder zum Thema Arbeitspflicht für Asylsuchende zurück: Die Ausdehnung des Einsatzes von Asylwerbern für gemeinnützige Arbeit ist in der Landesflüchtlingsreferentenkonferenz schon diskutiert worden, aber auch medial. Die Länder, wie Sie schon gesagt haben, waren dort vertreten.

Jetzt ist meine Frage: Wie sehen die derzeitige Situation in den Bundesländern und deren Vorhaben für die Umsetzung aus? Gibt es da schon etwas Näheres?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner: Derzeit ist mir bekannt, dass in dieser Frage unter dem Titel Arbeitspflicht für Asylsuchende – oder wenn jemand nicht bereit ist, gemeinnützige Arbeit zu erledigen – beispielsweise die Kürzung des Taschengeldes sozusagen die Sanktionsmöglichkeit ist, die die Bundesländer haben und die einzelne Bundesländer in Zukunft auch anwenden werden, wenn ich die Berichte oder das, was von der Konferenz mitgeteilt wurde, richtig sehe. Das wird möglicherweise in Vorarlberg und möglicherweise in Oberösterreich der Fall sein, auch Salzburg prüft da. Andere Bundesländer haben das bisher abgelehnt. Letztendlich aber liegt es wie gesagt in der Verantwortung und in der Möglichkeit der einzelnen Bundesländer, solche Schritte zu setzen. Ich glaube, das ist auch ein positives Zeichen für den lebendigen Föderalismus.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur nächsten Zusatzfrage ist Herr Abgeordneter Shetty zu Wort gemeldet. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Vielleicht einleitend: Wir NEOS sind ja der Meinung, dass es einen straffen Rahmen für alle, die zu uns kommen, braucht. Das ist im Sinne derer, die zu uns kommen – der Zugewanderten –, aber auch im Sinne unserer Gesellschaft. Wir fordern daher für alle Asylwerberinnen und Asylwerber ein verpflichtendes Integrationsjahr. Es beinhaltet verpflichtende Deutsch-, Werte- und Orientierungskurse. Das heißt aber auch, dass man sie zur Verfügung stellen muss, was derzeit ab Tag eins leider nicht der Fall ist. – Also fördern und fordern, aber halt wirklich.

Jetzt muss ich schon noch einmal zu dieser Forderung zurückkommen, die ja nicht, wie Sie es geschildert haben, von der Flüchtlingsreferentenkonferenz aufgestellt wurde, sondern von Ihrer Partei, der ÖVP. Sie fordern eine Arbeitspflicht, also quasi Zwangsarbeit für alle Asylwerberinnen und Asylwerber (Zwischenrufe bei der ÖVP), gleichzeitig aber verhängt die ÖVP seit Jahren ein Arbeitsverbot für alle Asylwerberinnen und Asylwerber. Das führt zu der Situation, dass eine gut ausgebildete Pflegekraft nicht als Pflegerin tätig sein darf, aber Sie wollen, dass sie zum Rasenmähen verpflichtet werden kann.

Deswegen ist meine konkrete Frage: Können Sie bitte konkret – und zwar auch für alle außerhalb der ÖVP verständlich – erklären, wie Sie diesen Widerspruch auflösen können?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner: Ich habe das bei einer Frage davor schon gesagt: Ich halte es für absolut notwendig, dass wir klar zwischen legaler Zuwanderung, natürlich verbunden mit dem Arbeitsmarkt, und Kampf gegen illegale Zuwanderung trennen. Wenn wir den Zugang zum Arbeitsmarkt über die Hintertür zulassen, werden wir noch mehr Menschen animieren, über den oft so todbringenden Weg – beispielsweise über das Mittelmeer – nach Europa und nach Österreich zu kommen. Das halte ich für falsch. Wir brauchen die klare und strikte Trennung zwischen legaler Zuwanderung – der Rot-Weiß-Rot-Karte, die wir brauchen, das ist beispielsweise im Pflegebereich notwendig, Sie haben es angesprochen – und dem Kampf gegen illegale Zuwanderung. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Während des Verfahrens halte ich es für sinnvoll, dass Asylwerber – sie bekommen ja auch Unterkunft und etwas zu essen, werden versorgt – dem Staat, in dem sie sind, auch etwas zurückgeben. Daher gibt es den Vorschlag der Kürzung des Taschengeldes – die Möglichkeit, dass die Bundesländer das tun.

Wenn jemand dann asylberechtigt ist, müssen wir sehr intensiv und sehr rasch in die Integration gehen – da bin ich völlig bei Ihnen. Das Ziel muss aber sein, die Verfahren rasch durchzuführen, während des Verfahrens möglicherweise dem Land, von dem man unterstützt wird, eine Gegenleistung zu geben und dann, wenn es die Asylberechtigung gibt, die Menschen rasch in den Arbeitsmarkt zu integrieren, damit sie auch die Möglichkeit haben, sich selbst zu versorgen. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Tomaselli. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Minister! Kollege Shetty hat es ja bereits ausgeführt: Die Diskussion, die um die Beschäftigung von Geflüchteten in Asylverfahren entbrannt ist, stammt ja nicht von der Landesflüchtlingsreferent:innenkonferenz, sondern aus Vorarlberg, angestoßen von der dortigen ÖVP. Tatsächlich – ich glaube, da sind wir uns einig – ist Arbeit, Teilhabe am gesellschaftlichen und sozialen Leben, einer der Schlüssel überhaupt zur Integration. Sie haben ja auch selber gesagt, dass alles, was Asylberechtigte in den Arbeitsmarkt und nicht in das Sozialsystem bringt, unterstützenswert sei und helfe. Da ist es aber schon fraglich, wie so ein Zwangsprogramm dem tatsächlich Rechnung tragen würde.

2016 musste leider das höchst erfolgreiche Programm der Nachbarschaftshilfe der Caritas Vorarlberg aufgrund eines Gesetzeskonfliktes eingestellt werden. In diesem Projekt geht es um gemeinnützige Arbeit, aber es ist ein Projekt auf Augenhöhe, bei dem vor allem die Integration und die Begegnung im Vordergrund stehen.

Jetzt wollte ich Sie fragen: Unterstützen Sie das einstimmig befürwortete Vorhaben des Vorarlberger Landtages, gemeinsam mit der Vorarlberger Caritas das langjährig bewährte Programm der Nachbarschaftshilfe für Asylwerber:innen wieder einzuführen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner: Frau Abgeordnete, ich muss nur noch eine Korrektur mitteilen: Ich habe gesagt, dass alle im Parlament vertretenen Parteien außer den NEOS bei der Landesflüchtlingsreferent:innenkonferenz dabei waren, aber die Grünen waren auch nicht dabei, weil sie nicht mehr Teil der Landesflüchtlingsreferent:innenkonferenz sind.

Der Beschluss, diesen Vorschlag vom Innenministerium zu prüfen, geht auf einen Beschluss der Landesflüchtlingsreferent:innenkonferenz – ich glaube, es war am 20. September – zurück. Vorarlberg hat neben Oberösterreich dieses Thema als Erstes aufgegriffen. Wenn es in Vorarlberg ein sinnvolles Projekt gibt, bei dem sich alle Parteien einig sind, dann begrüße ich das natürlich, aber es ist nicht meine Aufgabe, dieses Projekt durchzuführen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Hofinger. – Bitte.