17.59
Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kommen wir zur Mental-Health-Petition zurück.
Vorab möchte ich erwähnen, dass es sehr erfreulich ist, dass wir die Gelegenheit hatten, diese Petition vor allem im Familienausschuss zu diskutieren. Es ist ja eher eine Seltenheit – sagen wir es so –, dass Petitionen auch in die zuständigen Fachausschüsse verwiesen werden. In diesem Fall hatten wir im letzten Familienausschuss die Gelegenheit, das Thema Jugendgesundheit zu diskutieren.
Die Petition und auch die Stellungnahmen zeigen, dass der Bedarf an Ressourcen für die Jugendgesundheit, für die psychosoziale Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen sehr groß wäre. Durch die Covid-Pandemie ist vieles noch verstärkt worden, aber nichtsdestotrotz waren die Probleme auch davor schon sichtbar.
Wir müssen es ernst nehmen, wenn eine Studie der Donau-Universität Krems zeigt, dass 62 Prozent der Mädchen und 38 Prozent der Burschen an mittelgradigen Depressionen leiden. Das sind unsere Kinder und Jugendlichen, die depressive Symptome haben, die Angstzustände haben, die Schlafstörungen haben – es hat sich verfünffacht, in manchen Fällen sogar verzehnfacht.
Die aktuelle weltpolitische Lage mit täglichen Berichterstattungen über Kriege in unmittelbarer Nähe verunsichert Jugendliche noch zusätzlich. Der vermehrte Konsum von sozialen Medien prägt unsere Jugendlichen nachhaltig. Es steigt der Druck. Diese mit Filtern bearbeiteten Bilder – das verzerrte Körperbild – erzeugen viel Unsicherheit bei den Jugendlichen. Sie kommen unter Druck, auch da perfekt sein zu müssen, mitmachen zu müssen.
Das ist eine Vielzahl an Problemfeldern, und die führen in den schlimmsten Fällen zu wiederkehrenden Suizidgedanken. Für unsere Jugendlichen – oder besonders für diese – ist es wichtig, dass sie dann ganz rasch Hilfe bekommen. Das ist aber nicht immer gewährleistet, denn trotz des Ausbaus an Therapieplätzen sind kassenfinanzierte Therapieplätze immer noch eine Mangelware in Österreich.
Eine wichtige Rolle beim Erkennen von gesundheitlichen oder psychischen Problemen bei unseren Kindern und Jugendlichen spielt auch das schulische Umfeld. Dort halten sich Kinder und Jugendliche viele Stunden des Tages auf. Medizinische und schulpsychologische Versorgung, Schulsozialarbeit oder entsprechende Anlaufstellen fehlen allerdings vielerorts als professionelles Angebot. Auf rund 5 800 Schülerinnen und Schüler kommt genau eine Schulpsychologin oder ein Schulpsychologe. Sie können den Bedarf einfach nicht abdecken.
Wir fordern daher, dass unsere Schulen als Orte der Gesundheit gefördert werden, und stellen dazu einen Entschließungsantrag, den ich jetzt einbringen werde:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schulen als Orte der Gesundheit fördern“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Stärkung der Kinder- und Jugendgesundheit vorzulegen, mit welchem Schulen als Orte der Gesundheit gefördert werden, indem die medizinische und schulpsychologische Versorgung, aber auch die Schulsozialarbeit und sozialpädagogische Arbeit an Schulen ausgebaut wird, um eine gute Gesundheitsversorgung sicherzustellen und ein professionelles Auffangnetz für Kinder und Jugendliche zu etablieren.
Das Maßnahmenpaket hat zumindest folgende Punkte zu enthalten:
- Ausbau der finanziellen und personellen Ausstattung des Schulärzt:innensystems;
- Zurverfügungstellung und Finanzierung von Schulpsycholog:innen für jeden Schulstandort (analog dem Schulärzt:innensystem), um Schüler:innen regelmäßig betreuen zu können und präventiv tätig zu werden;
- Auf- und Ausbau multiprofessioneller Teams durch bundesweite Finanzierung an allen Schulen;
- Konzeptentwicklung zur flächendeckenden Ausrollung der von der EU finanzierten ‚School Nurses‘, als Teil der österreichischen Gesundheitsversorgung;
- Massive Aufstockung und österreichweit faire Verteilung der Studienplätze ‚Soziale Arbeit/Sozialpädagogik‘ und ein Schwerpunktausbau im Fachbereich ‚Schulsozialarbeit‘;“
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, es braucht diese Maßnahmen, damit es jeder Schule ermöglicht wird, die gesundheitliche Versorgung für Schülerinnen und Schüler so auszubauen, wie es notwendig wäre. Wir ersuchen um breite Zustimmung zu unserem Antrag. (Beifall bei der SPÖ.)
18.04
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Petra Wimmer, Maximilian Köllner, MA,
Genossinnen und Genossen
betreffend „Schulen als Orte der Gesundheit fördern“
eingebracht im Zuge der Debatte zum Ausschussberichts des Ausschusses für Familie und Jugend über die Petition betreffend ’’Mental Health Now - stärkt unsere Jugend!", überreicht von den Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Mag. Martina Künsberg Sarre und Fiona Fiedler, BEd (90/PET) 2467 d.B.
„Schulen sind mit vielfältigen gesundheitlichen Problemen von Schülerinnen und Schülern konfrontiert. Nicht selten werden gesundheitliche Probleme zuerst in der Schule auffällig. Schulärztinnen und Schulärzte haben einen gesetzlichen Beratungsauftrag in gesundheitlichen Fragen der Schülerinnen und Schüler, soweit Unterricht und Schulbesuch betroffen sind. Sie stehen der Schulleitung als medizinische Gutachter sowie den Lehrkräften und der ganzen Schulcommunity beratend zur Seite, führen jährliche Untersuchungen aller Schülerinnen und Schüler durch und begleiten deren Entwicklung oft über viele Jahre. Sie sind Schnittstelle zwischen Kind, Eltern, Schule, anderen schulischen Beratersystemen und externen Einrichtungen. Das österreichische Schularztwesen hat eine Tradition von etwa 150 Jahren seit den Anfängen dieser Einrichtung. Der Schulerhalter ist gesetzlich verpflichtet, eine Schulärztin beziehungsweise einen Schularzt bereitzustellen. Alle Schülerinnen und Schüler werden einmal jährlich schulärztlich untersucht. Die darüber hinaus gehenden, konkreten Aufgaben werden im Dienstvertrag mit dem Schulerhalter vereinbart. Dienstgeber der Schulärztinnen und Schulärzte an den Gymnasien und berufsbildenden mittleren und höheren Schulen ist der Bund, im Pflichtschulbereich sind es vor allem die Gemeinden, mit unterschiedlicher Unterstützung durch die Länder.“1
Um Schulen als Orte der Gesundheit zu fördern, braucht es ausreichend Schulärztinnen und Schulärzte. Auch die sogenannten „School nurses“, welche in einigen Bundesländern im Zuge von Pilotprojekten eingesetzt werden, gilt es in diesem Zusammenhang mitzudenken. Sie sind als Ressource und Expert:innen für Gesundheit an der Schule zu verstehen und sollten zur Unterstützung noch stärker herangezogen werden. Dabei geht es um die Früherkennung von Krankheiten, Fördernotwendigkeiten, Haltungsschäden, wichtige Impfungen, Bildung zu gesunder Ernährung etc. Zudem ist medizinisches Personal in der Schule eine "wichtige Drehscheibe" zwischen Schüler:innen, Eltern, Lehrer:innen und Ärzt:innen. Daraus ergibt sich im gesamten ein niederschwelliger Zugang zu medizinischer Betreuung und Versorgung, dessen Fehlen gerade in einem überlasteten Gesundheitssystem nicht durch andere Institutionen übernommen werden kann.
Besonders angesichts des aktuell schlechten Zustands der Kinder- und Jugendgesundheit werden Schulärzt:innen zu noch wichtigeren Bezugsperson für Kinder und Jugendliche, an die sich diese bei Bedarf vertrauensvoll wenden können. Ein echtes Vertrauensverhältnis kann jedoch nur aufgebaut werden, wenn routinemäßige Untersuchungen mehr als einmal im Jahr stattfinden. Aber nicht nur bei der Anzahl der Schulärzt:innen hinkt Österreich hinterher. Im Schuljahr 2022/23 standen für Österreichs Schulen mit 1,1 Millionen Schüler:innen rund 200 Schulpsycholog:innen zur Verfügung. Das ergibt einen unglaublichen Schnitt von 5.800 Schüler:innen pro Schulpsychologin oder Schulpsychologen. In einer Zeit, in welcher der Bedarf an psychologischer Betreuung immer weiter steigt, ist dies nicht zu argumentieren.
Eine flächendeckende Aufstockung von psychosozialem Unterstützungspersonal an Schulen wurde zwar im Regierungsprogramm angekündigt, ist aber nie umgesetzt worden. Der österreichweit bestehende Mangel an qualifizierten Fachkräften, die beschriebene Aufgaben übernehmen könnten, ist allseits bekannt, darf aber nicht länger als Ausrede verwendet werden, sondern ist als Auftrag die Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich der Schulsozialarbeit, Sozialpädagogik und Kinderpsychologie gezielt auszubauen, zu verstehen. Nur so können Kinder und Jugendliche regelmäßig an ihren Problemen arbeiten und dort Unterstützung erhalten, wo sie diese benötigen. Eine systematische Einbindung der Eltern, Erziehungsberechtigten und Familien ist dabei von entscheidender Bedeutung. Denn auch für diese Personengruppen stellt die Institution Schule eine besonders niederschwellige Anlaufstelle bei Problemen dar.
Von einer Aufstockung der Ressourcen in diesem Bereich würden alle Schülerinnen und Schüler profitieren, ganz besonders aber jene aus Familien, in denen die Mittel für eine gute Gesundheitsbetreuung fehlen. Aus diesem Grund ist es unabdingbar, dass die Bundesregierung Maßnahmen setzt und Mittel bereitstellt, die es jeder Schule ermöglicht, die gesundheitliche Versorgung für ihre Schülerinnen und Schüler auszubauen und Schulen so zu einem Ort werden, an dem die Gesundheit aller Kinder bestmöglich unterstützt werden kann.
Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Stärkung der Kinder- und Jugendgesundheit vorzulegen, mit welchem Schulen als Orte der Gesundheit gefördert werden, indem die medizinische und schulpsychologische Versorgung, aber auch die Schulsozialarbeit und sozialpädagogische Arbeit an Schulen ausgebaut wird, um eine gute Gesundheitsversorgung sicherzustellen und ein professionelles Auffangnetz für Kinder und Jugendliche zu etablieren.
Das Maßnahmenpaket hat zumindest folgende Punkte zu enthalten:
• Ausbau der finanziellen und personellen Ausstattung des Schulärzt:innensystems;
• Zurverfügungstellung und Finanzierung von Schulpsycholog:innen für jeden Schulstandort (analog dem Schulärzt:innensystem), um Schüler:innen regelmäßig betreuen zu können und präventiv tätig zu werden;
• Auf- und Ausbau multiprofessioneller Teams durch bundesweite Finanzierung an allen Schulen;
• Konzeptentwicklung zur flächendeckenden Ausrollung der von der EU finanzierten „School Nurses“, als Teil der österreichischen Gesundheitsversorgung;
• Massive Aufstockung und österreichweit faire Verteilung der Studienplätze „Soziale Arbeit/Sozialpädagogik“ und ein Schwerpunktausbau im Fachbereich „Schulsozialarbeit“;
1 https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/schulpraxis/schwerpunkte/gesund/schularzt.html
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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.
Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte.