09.14.58

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Herr Präsident! Zahlen lügen nie. (Der Fragesteller zeigt eine Tafel mit der Aufschrift „Bilanz ÖVP-Grün“, „Höchste Teuerung + geringstes Wachstum in Westeuropa“, „Teuerung: +22%“, „Wohlstand: -2,4% BIP/Kopf“, „10 Mrd. Euro fehlen im Budget“ in Richtung Bundeskanzler Nehammer.) Herr Bundeskanzler, erstmals in der Geschichte Österreichs wird der Wohlstand am Ende einer Regierungsperiode geringer sein als am Beginn, erstmals seit 1945, und kein Land in ganz West­europa hat in den letzten Jahren beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf eine ähn­lich schlechte Entwicklung wie Österreich. Österreich ist seit 2019 ärmer geworden, unser Volkseinkommen ist gesunken, das betrifft wirklich vom Baby bis zu den Großeltern alle Menschen in Österreich. Wir reden von einem Wohlstandsverlust von 1 300 Euro pro Mensch. Gabriel Felbermayr hat es auf den Punkt gebracht: Österreich hat mit sechs verlorenen Jahren zu kämpfen gehabt.

Meine Frage daher:

385/M

„Welche Gründe gibt es aus Ihrer Sicht dafür, dass Österreich in Zeiten der schwarz-grünen Regierung mit einem Wohlstandsverlust von 2,4% pro Kopf die schlechteste Wirtschaftsentwicklung in ganz Westeuropa – gemessen an den ursprünglichen EU-15 Ländern – aufweist?“ (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Bei allem Respekt, Herr Klubobmann, aber die Tatsache, dass Sie als Messwert die ursprünglichen EU-15-Länder heranziehen, also die Konstellation der Europäischen Union von vor 25 Jahren, zeigt, wie tief Sie da graben mussten, um die Arbeit der Bundesregierung in ein schlechtes Licht zu rücken. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Krainer: 19 Jahre! 19 Jahre! ..., das sollte man eigentlich wissen als Bundeskanzler!)

Der österreichische Wohlstand nach realem BIP pro Kopf liegt seit Jahren im EU-27-Vergleich gut, im vorigen Jahr waren wir auf Platz sechs hinter den Niederlanden, Schweden, Dänemark, Irland und Luxemburg. Der Wohlstand nach BIP pro Kopf im ersten Quartal 2024 liegt tatsächlich 2,4 Prozent unter jenem vom ersten Quartal 2019, das liegt aber eben auch daran, dass in Österreich wie auch weltweit eine durch Krisen ausgelöste wirtschaftliche Seitwärtsbewegung stattgefunden hat, während aber die Bevölkerung auch stetig gewachsen ist.

Fakt ist, dass die Mehrheit der Branchen im ersten Quartal 2024 weiter über Vor-Corona-Niveau liegt, genauso wie übrigens auch die Arbeitslosigkeit weit unter Vor-Corona-Niveau liegt und auch weiter unter jener in den vielen Jahren mit SPÖ-Kanzlerschaft. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kucher? – Bitte.

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Bundeskanzler, auch wenn Sie redlich versuchen, irgendwelche Zahlenspielereien zu machen: Die Situation wird weder für Sie noch für die Republik besser. (Rufe bei der ÖVP: Geh, geh! – Abg. Michael Hammer: Hast schlecht geschlafen, dass du so einen Blödsinn redest? Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Sie haben uns beim Wohnen, bei den Lebensmitteln, bei den Zinsen immer erzählt, wir brauchen in diesen Bereich nicht einzugreifen. Alle anderen Staaten haben reagiert und sind deutlich besser durch die Krise gekommen.

Gibt es nicht rückblickend wenigstens ein paar Punkte, die Sie vielleicht selbst­kritisch ansprechen möchten? Wenn man sich diese Bilanz ansieht, die ja vor allem für die Menschen in Österreich dramatisch ist, weil wir am schlechtesten in ganz Westeuropa durch diese Krise gekommen sind (Abg. Michael Hammer: So ein Blödsinn!), gibt es nicht ein paar Punkte, von denen Sie rückblickend sagen würden: Da hätten wir vielleicht doch deutlich besser agieren können?!

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen, Herr Klubobmann, ist es tatsächlich so, dass es immer gut ist, sich selbst zu hinterfragen und darüber nachzudenken, was man besser machen kann – also das verbindet uns.

Das, wo ich glaube, doch darauf hinweisen zu müssen, ist, dass Sie ja gerade auch in den letzten Monaten und auch im letzten Jahr besonders gerne Fallbeispiele von Staaten verwendet haben, die angeblich besser durch die Krise gekommen seien mit den Gegenmaßnahmen. Ziel der österreichischen Bundesregierung war immer, den Weg der Mitte zu gehen, auch in der Krisen­bekämpfung, das heißt, auf der einen Seite sowohl in die Preisgestaltung einzugreifen – denken Sie an den Strompreisdeckel, denken Sie an den Miet­preisdeckel (Abg. Holzleitner: Ein Schmähpreisdeckel!) – und gleichzeitig den Menschen aber auch mehr Geld zu geben, damit sie die Teuerung auch überwin­den können. Die Kaufkraft ist faktisch tatsächlich gestiegen, das ist eben auch von dem von Ihnen zitierten Wirtschaftsforscher bestätigt worden, und die Länder, die Sie oft gerne zitieren, sind jetzt in der Inflationsentwicklung schlechter – wenn ich an Italien denke oder auch an Spanien, in dem Fall oft von Ihnen als Musterbeispiel zitiert, und andere – als Österreich.

Es war eine hochdramatische Zeit letztes Jahr. Vor eineinhalb Jahren hatten wir eine Inflation von über 11,4 Prozent, jetzt ist es uns gelungen, die Inflation auf 3 Prozent zu drücken. Ich glaube, der österreichische Weg der Mitte und der Vernunft und der Ausgewogenheit in den Maßnahmen bewährt sich jetzt.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Singer. – Bitte sehr.

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Eigentum zu schaffen ist gerade auch für die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Menschen wichtig. Welche Maßnahmen planen Sie, um die Eigentumsquote der Menschen in Öster­reich zu erhöhen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Das ist eine sehr wichtige Frage, Herr Abgeordneter. Eigentum bedeutet tatsächlich auch Selbstständigkeit und Freiheit. Die gute Nachricht ist, dass wir schon entscheidende Schritte für den Eigentumserwerb der Menschen, zur Erleichterung des Eigentumserwerbs setzen: einerseits mit der Befreiung von Grundbuch- und Pfandeintragungs­gebühren bis zu einem Kaufpreis in der Höhe von 500 000 Euro; damit sparen sich Menschen, die sich Eigentum schaffen, 1 000 Euro.

Andererseits hat die Bundesregierung im Februar ein großes Wohnbaupaket beschlossen. In diesem Wohnbaupaket in Verbindung mit dem gemeinnützigen Wohnbau ist die Förderung von 10 000 Eigentumswohnungen, genauso wie von 10 000 geförderten Mietwohnungen und 5 000 Wohnungen, die saniert werden, vorgesehen. Auch das ist ein Anreiz dafür, dass Eigentum leistbar wird, weil die Preise kalkulierbarer sind und weil es auch eine Perspektive gibt, diese Wohnungen tatsächlich auch finanzieren zu können. Weiters stehen darin fast 400 Millionen Euro für neu gebaute Eigentumswohnungen – eben in dieser Frage, entweder Miete mit Kaufoption oder anderen Finanzierungsmöglich­keiten – zur Verfügung.

Mein Ziel ist klar – ich habe es auch im Österreichplan so festgeschrieben –: Ich möchte die Eigentumsquote bis 2030 von 48 auf 60 Prozent anheben. Es braucht daher diese Initiativen, damit die Menschen tatsächlich leichter zu Eigentum kommen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Petra Steger. – Bitte.