Der Rechnungshof (RH) legte am 30. Juni 2021 den Bundesrechnungsabschluss 2020 (BRA 2020) mit der konsolidierten Ergebnis-, Finanzierungs- und Vermögensrechnung des Bundes und den Voranschlagsvergleichsrechnungen (VVR) samt Erläuterungen vor. Zudem erfolgte die Berichterstattung über die Abschlüsse auf Untergliederungsebene (Segmentberichterstattung) und über die Ergebnisse der § 9-Prüfungen des RH (Ordnungsmäßigkeits- und Belegprüfung, Vorprüfung des COVID‑19-Krisenbewältigungsfonds).
Der durch die COVID‑19-Krise ausgelöste Einbruch der Wirtschaftsentwicklung und die zur Krisenbewältigung und zur Konjunkturbelebung ergriffenen Maßnahmen prägten im Jahr 2020 den Budgetvollzug und führten zu einer massiven Verschlechterung der gesamtstaatlichen Haushaltsentwicklung des Bundes.
Das gesamtstaatliche Maastricht-Defizit erreichte gemäß den vorläufigen Werten der Maastricht-Notifikation der Statistik Austria vom 1. April 2021 mit 8,9 % des BIP (33,2 Mrd. EUR) einen historisch hohen Wert. Der gesamtstaatliche Schuldenstand erhöhte sich 2020 um 13,4 %‑Punkte auf 83,9 % des BIP (315,2 Mrd. EUR). Auch 2021 ist ein deutliches Defizit und eine entsprechende Erhöhung des Schuldenstandes zu erwarten. Im EU Vergleich verzeichnete Spanien mit 11,0 % des BIP das höchste Defizit im Jahr 2020, während Dänemark lediglich ein Defizit iHv 1,1 % des BIP aufwies. Österreich befand sich beim Maastricht Defizit im oberen Drittel der 27 EU-Mitgliedstaaten. Dies ist auch auf im EU-Vergleich hohe COVID‑19-Unterstützungsmaßnahmen zurückzuführen. Beim Anstieg der Schuldenquote, die neben dem Defizit auch durch den BIP Nenner-Effekt (geringeres BIP, durch das der Schuldenstand dividiert wird) und das Stock-Flow-Adjustment beeinflusst wird, lag Österreich etwa im Mittelfeld der EU-Mitgliedstaaten.
Aufgrund der im März 2020 aktivierten allgemeinen Ausweichklausel können die EU-Mitgliedstaaten temporär von den Fiskalregeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes abweichen und die Europäische Kommission (EK) leitete trotz des hohen Defizits und der massiven Erhöhung der Schuldenquote kein Defizitverfahren ein.
Der Vollzug des Bundeshaushalts im Jahr 2020 brachte sowohl im Finanzierungs- als auch im Ergebnishaushalt ein schlechteres Gesamtergebnis als veranschlagt. Während die Mittelherkunftsseite (Einzahlungen, Erträge) in beiden Haushalten deutlich überschätzt wurde, konnten in beiden Haushalten die Mittelverwendungen (Auszahlungen, Aufwendungen) stark unterschritten werden.
Die periodengerecht abgegrenzten Erträge lagen im Erfolg mit 75,8 Mrd. EUR um 7,0 % unter dem Voranschlag und verringerten sich weniger stark als die Einzahlungen im Finanzierungshaushalt, die mit 73,6 Mrd. EUR den Voranschlag um 10 % unterschritten. Dies ist insbesondere durch die Gewährung von Steuerstundungen bedingt, die den Finanzierungshaushalt stärker belasten und sich im periodenabgegrenzten Ergebnishaushalt nicht niederschlagen.
Die periodengerecht abgegrenzten Aufwendungen waren 2020 mit 99,5 Mrd. EUR um 4,9 Mrd. EUR (‑4,7 %) niedriger als budgetiert. Die Auszahlungen im Finanzierungshaushalt lagen bei 96,1 Mrd. EUR und waren netto um 6,2 Mrd. EUR (‑6,1 %) geringer als der Voranschlag, wobei der Unterschiedsbetrag auf gegenläufige Effekte zurückzuführen war. Der mit 20,0 Mrd. EUR als pauschale Vorsorge für die Krisenbewältigungsmaßnahmen dotierte Krisenbewältigungsfonds wurde zu rd. 12,0 Mrd. EUR nicht ausgenutzt. Zu einer Erhöhung der Auszahlungen führten hingegen andere nicht budgetierte diskretionäre Maßnahmen zur COVID‑19-Pandemiebekämpfung von insgesamt 6,2 Mrd. EUR, der überwiegende Teil davon betraf die Kurzarbeit (+5,5 Mrd. EUR). Konjunkturbedingte Mehrauszahlungen (+737,5 Mio. EUR) resultierten insbesondere aus höheren Leistungen der Arbeitslosenversicherung und einem höheren Bundesbeitrag für Pensionen (aufgrund geringerer Beitragseinnahmen). Diesen höheren Aufwendungen stehen Minderauszahlungen, insbesondere durch niedrigere Refinanzierungskosten bei der Neuaufnahme von Finanzschulden (‑748,6 Mio. EUR), gegenüber.
Der Nettofinanzierungssaldo im Finanzierungshaushalt war im Jahr 2020 mit ‑ 22,5 Mrd. EUR deutlich negativ und verschlechterte sich damit gegenüber dem Jahr 2019 um 24,0 Mrd. EUR (Nettofinanzierungssaldo 2019: +1,5 Mrd. EUR). Die pandemiebedingten Krisenbewältigungsmaßnahmen im Finanzjahr 2020 auf der Ein- und Auszahlungsseite sowie ein konjunkturell bedingter Einzahlungsausfall belasteten den Nettofinanzierungssaldo massiv. Die Auszahlungen aus dem COVID‑19-Krisenbewältigungsfonds (8,5 Mrd. EUR) hatten einen Anteil von 37,7 % am negativen Saldo. Weitere COVID‑19-bedingte Mehrauszahlungen betrafen die Kurzarbeit (5,5 Mrd. EUR) und einzahlungsseitig die Steuererleichterungen (6,4 Mrd. EUR). Der Nettofinanzierungssaldo lag mit 1,9 Mrd. EUR über dem budgetierten Wert.
Auch der Ergebnishaushalt wies im Jahr 2020 ein negatives Nettoergebnis (23,6 Mrd. EUR) auf. Gegenüber dem Jahr 2019 kam es zu einer Verschlechterung um 24,5 Mrd. EUR. Dies war insbesondere auf die geringeren Nettoabgabenerträge einschließlich der abgabenähnlichen Erträge des Bundes (7,0 Mrd. EUR), die Maßnahmen des COVID‑19-Krisenbewältigungsfonds (7,9 Mrd. EUR), die höheren Kurzarbeitsbeihilfen (5,5 Mrd. EUR), die höhere Dotierung von Rückstellungen für Haftungen (1,7 Mrd. EUR), die höheren Bundesbeiträge für die Pensionsversicherungsträger (1,6 Mrd. EUR) und die höheren Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung (1,5 Mrd. EUR) zurückzuführen.
Die konsolidierte Vermögensrechnung zum 31. Dezember 2020 wies ein Vermögen (Aktiva) von 115,5 Mrd. EUR aus. Dies bedeutet eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr (2019: 103,6 Mrd. EUR) um 11,9 Mrd. EUR, die vor allem durch einen Anstieg bei den liquiden Mitteln aufgrund einer höheren Liquiditätshaltung für COVID‑19-Unterstützungsmaßnahmen und durch Forderungen aus Periodenabgrenzungen aufgrund der Steuerstundungen von öffentlichen Abgaben verursacht wurde. Die Fremdmittel (Passiva) betrugen 2020 290,9 Mrd. EUR und waren damit um 36,6 Mrd. EUR höher als im Vorjahr (2019: 254,4 Mrd. EUR), was vor allem auf den Anstieg der Finanzschulden zurückzuführen ist. Daraus ergibt sich ein negatives Nettovermögen („negatives Eigenkapital“) von ‑175,4 Mrd. EUR, das sich im Vergleich zum Vorjahr um 24,7 Mrd. EUR verschlechterte.
Der Stand der Rücklagen zum 31. Dezember 2020 betrug 16,8 Mrd. EUR, damit stiegen die Rücklagenbestände gegenüber dem Vorjahr um rd. 1,4 Mrd. EUR. Im Jahr 2020 wurden insgesamt 0,5 Mrd. EUR an Rücklagen entnommen und 2,0 Mrd. EUR neu zugeführt. Im Gegensatz zu den Vorjahren wurden die Rücklagen 2020 in jenen Untergliederungen verwendet, für die sie gebildet wurden. Die höchsten Rücklagenzuführungen erfolgten 2020, wie bereits im Vorjahr, in der UG 58‑Finanzierungen, Währungstauschverträge und in der UG 46‑Finanzmarktstabilität. Mehr als die Hälfte der Zuführungen erfolgten in Untergliederungen des BMF (1.155,8 Mio. EUR bzw. 57 %) Und betrafen vor allem spezielle vom BMF verwaltete Gebarungen, nicht jedoch die Finanzverwaltung selbst. Bei diesen Sachverhalten handelt es sich um Sondermaßnahmen bzw. vom Ressort nicht beeinflussbare Faktoren, sodass durch eine Rücklagenbildung keine Anreizwirkung erzielt werden kann.
Die Auszahlungen der Ressorts für aus dem Krisenbewältigungsfonds bedeckte COVID‑19-Maßnahmen betrugen im Jahr 2020 insgesamt rd. 8,5 Mrd. EUR. Damit lagen diese deutlich unter den 20 Mrd. EUR, die dafür pauschal im BVA 2020 in der UG 45‑Bundesvermögen für die Krisenbewältigung veranschlagt wurden. Der RH überprüfte die Gebarung des COVID‑19-Krisenbewältigungsfonds, wobei mehrere Empfehlungen auch Auswirkungen auf künftige Budgets haben. Die planbaren Auszahlungen für die Maßnahmen zur Bewältigung der COVID‑19-Pandemie sollten im Sinn der Transparenz bereits im Budget veranschlagt werden. Für die eingeräumten Haftungen sollte in regelmäßigen Abständen das Ausfallrisiko neu bewertet und die Haftungsrückstellung zum Bilanzstichtag entsprechend angepasst werden. Das Ausfallrisiko für die Haftungen sollte auch in aggregierter und aufbereiteter Form in die Berichterstattung an den Nationalrat aufgenommen werden. In einer Richtlinie zur Konteneröffnung sollten ein Prozess zur Konteneröffnung und ‑schließung sowie Qualitätssicherungsmaßnahmen definiert werden.