Budgetdienst - Bundesrechnungsabschluss 15.09.2022

Bundesrechnungsabschluss 2021

Analyse vom 15. September 2022

Überblick

Der Rechnungshof legte am 30. Juni 2022 den Bundesrechnungsabschluss 2021 vor. Der Budget­dienst behan­delte in seiner Analyse neben der konsolidierten Ergebnis-, Finanzierungs-, und Vermögens­rechnung insbesondere die Vor­anschlags­abweichungen und die Ergebnisse der Abschluss­prüfungen des Rechnungs­hofes. Der Netto­finanzierungs­bedarf lag 2021 mit 17,95 Mrd. EUR weiterhin beträchtlich über dem Vor­krisen­niveau, war aber geringer als im Jahr 2020. Das Maastricht-Defizit betrug 2021 gemäß vorläufiger Berechnung der Statistik Austria 5,9 % des BIP, die gesamt­staatliche Schuldenquote 82,8 % des BIP. Das Haushalts­recht des Bundes hat sich grund­sätzlich bewährt, die COVID‑19-Krise hat in einigen Bereichen jedoch auch Schwach­stellen aufgezeigt.

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Kurzfassung

Der Bundesrechnungsabschluss 2021 (BRA 2021) mit der konsolidierten Ergebnis-, Finanzierungs- und Vermögens­rechnung des Bundes und den Voranschlagsvergleichsrechnungen (VVR) samt Erläuterungen wurde vom Rechnungs­hof (RH) am 30. Juni 2022 vorgelegt. Ergänzend erfolgte eine Berichterstattung über die Abschlüsse auf Unter­gliederungs­ebene (Segment­bericht­erstattung) und über die Ergebnisse der § 9‑Prüfungen des RH (Ordnungs­mäßigkeits- und Beleg­prüfung, Schwerpunkt­prüfung Anlagen und Vorräte).

Der Beschluss des Bundesvoranschlags (BVA) 2021 war von hoher Unsicherheit geprägt und sah Einzahlungen iHv 75,2 Mrd. EUR und Auszahlungen iHv 97,8 Mrd. EUR sowie einen stark negativen Nettofinanzierungssaldo iHv ‑22,6 Mrd. EUR vor. Die sich ändernden Rah­menbedingungen führten im Mai 2021 zu einer Novelle des Bundesfinanzgesetzes (BFG) 2021 und des Bundesfinanzrahmengesetzes (BFRG) 2021‑2024. Zum einen wurden damit die veränderten Konjunktur­erwar­tungen berücksichtigt, die auf einem Lock­down-Prognoses­zenario des WIFO basierten und letztendlich deutlich übertroffen wurden. Zum anderen betrafen die Änderungen seit dem Budget­beschluss umgesetzte diskretionäre Maß­nahmen und in geringem Ausmaß den Österreichischen Aufbau- und Resilienz­plan (ARP). Die BFG-Novelle sah einen An­stieg der Auszahlungen um 5,5 Mrd. EUR auf 103,2 Mrd. EUR und einen Rückgang der Einzahlungen um 2,6 Mrd. EUR auf 72,5 Mrd. EUR vor. Dadurch verschlechterte sich der budgetierte Netto­finanzierungs­saldo um 8,1 Mrd. EUR auf ‑30,7 Mrd. EUR. Durch die BFG‑Novelle wurden die BFG‑Ermächti­gungen auf 9,0 Mrd. EUR aufgestockt, insbesondere für den COVID‑19-Krisen­bewältigungs­fonds und in geringem Umfang auch für die Aufbau- und Resilienz­fazilität (RRF).

Der Vollzug des Bundeshaushaltes brachte 2021 sowohl im Finanzierungs- als auch im Ergebnishaushalt ein insgesamt besseres Gesamtergebnis als veranschlagt. Während die Mit­telherkunftsseite (Einzahlungen, Erträge) im Budget in beiden Haushalten deutlich unter­schätzt wurde, wurden im Finanzierungshaushalt die Auszahlungen leicht überschritten, während sie im Ergebnishaushalt darunter lagen.

Die periodengerecht abgegrenzten und um bundesinterne Transfers aus dem COVID‑19-Krisenbewältigungsfonds berei­nigten Erträge lagen im Erfolg mit 85,14 Mrd. EUR um 16,9 % über dem Voranschlag und um 12,3 % über dem Vorjahr. Sie erhöhten sich damit weniger stark als die bereinigten Einzahlungen im Finanzierungshaushalt, die mit 86,02 Mrd. EUR den Voranschlag um 18,6 % und das Vorjahresergebnis um 16,8 % überschritten. Die starke Kon­junktur hat zu Mehr­ein­zahlungen im Bereich der öffentlichen Abgaben und der abgabenähn­lichen Erträge, der Justiz und beim Bundes­ver­mögen geführt. Die Unterschiede zwischen Erträgen und Einzahlungen liegen vor allem in „time adjustments“, mit denen die Erträge peri­odengerecht dargestellt werden.

Im Jahr 2021 waren die periodengerecht abgegrenzten Aufwendungen mit 104,78 Mrd. EUR um 1,16 Mrd. EUR (‑1,1 %) niedriger als budgetiert und um 5,3 Mrd. EUR (+5,4 %) höher als im Vorjahr. Die bereinigten Auszahlungen im Finan­zierungs­­haushalt lagen bei 103,97 Mrd. EUR, wobei der Unterschied zum Voranschlag 0,72 Mrd. EUR (+0,7 %) und zum Vorjahr 7,86 Mrd. EUR (+8,2 %) betrug. Aus dem Krisenbewältigungsfonds wurden den Ressorts Mittel iHv 5,14 Mrd. EUR für die Bedeckung von Mehrauszahlungen über die ursprünglich budgetierten Mittel iHv 9,9 Mrd. EUR hinaus zur Ver­fügung gestellt (insgesamt somit rd. 15 Mrd. EUR). Die größten Abweichungen betrafen die COFAG in der UG 45‑Bundes­vermögen (+2,30 Mrd. EUR), die Maßnahmen im Gesundheitsbereich in der UG 24‑Gesundheit (+1,89 Mrd. EUR) sowie den WKO Härtefallfonds in der UG 40‑Wirtschaft (+450,0 Mrd. EUR). Beim NPO-Fonds kam es hingegen zu einer Unter­schreitung iHv 231,9 Mrd. EUR. Weiters führte die Verwendung der Arbeits­markt­rücklage zu Mehr­aus­­zah­lungen (+297,0 Mio. EUR). Wesentliche Minder­auszahlungen zum Voranschlag betrafen ins­besondere die Investitions­­prämie (‑1,1 Mrd. EUR), niedrigere Refinanzierungs­kosten bei der Neuauf­nahme von Finanz­­schulden (‑706,4 Mio. EUR), die Digitalisierung des Schul­­unter­richts, den Lehrpersonal­­aufwand und Transfers für Landes­lehrer:innen (‑387,9 Mio. EUR), den Waldfonds und Breitband­förderungen (‑326,6 Mio. EUR) sowie die geringere Inanspruch­­nahme von Haftungen (‑248,6 Mio. EUR).

Der Nettofinanzierungssaldo im Finanzjahr 2021 betrug ‑17,95 Mrd. EUR. Der Netto­finan­zierungsbedarf lag damit weiter­hin beträchtlich über dem Vorkrisenniveau, war aber um 4,51 Mrd. EUR geringer als im Jahr 2020. Auch im Vergleich zum BVA 2021 war er deutlich um 12,78 Mrd. EUR geringer. Wesentlich dafür war die besser als angenommene Konjunk­tur­entwicklung, die zu höheren Einzahlungen führte. Bei den etwas höher als budgetierten Auszahlungen gab es gegen­läufige Effekte. Das Netto­ergebnis im Ergebnis­haushalt für 2021 beträgt ‑19,64 Mrd. EUR. Es ist ungünstiger als der Netto­finanzierungs­saldo, insbesondere aufgrund nicht finanzierungs­wirksamer Buchungen im betrieblichen Sach­aufwand (Ab­schrei­­bungen, Wert­berichtigungen, Rück­stellungen).

Das gesamtstaatliche Maastricht-Defizit war im Jahr 2021 gemäß vorläufiger Berech­nung der Statistik Austria mit 5,9 % des BIP zwar etwas niedriger als 2020 (8,0 % des BIP), blieb aber aufgrund der anhaltenden COVID‑19-Krise auf sehr hohem Niveau. Mit dem schritt­­weisen Auslaufen der COVID‑19-Maß­nahmen erwartet das BMF für die Jahre 2022 bis 2025 eine rückläufige Defizit­entwicklung. Die budgetäre Verbesserung wird jedoch 2022 durch die neu beschlossenen Maß­nahmen (v. a. Energie-Entlastungspakete, Gas­reserve) gebremst. Vor allem in Zusammen­hang mit dem Krieg in der Ukraine, der Lage auf den Energie- und Rohstoff­märkten, dem künftigen Verlauf der COVID‑19-Pandemie sowie noch nicht berück­sichtigter neuer Maß­nahmen (z. B. 3. Entlastungs­paket inkl. Abschaffung der Kalten Pro­gres­sion) bestehen beträchtliche Risiken für Abwei­chungen von der kurz- und mittel­fristigen Budget­planung.

Die konsolidierte Vermögensrechnung weist ein Vermögen (Aktiva) von 117,7 Mrd. EUR zum 31. Dezember 2021 aus. Das bedeutete gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg um 2,1 Mrd. EUR, der vor allem die Forderungen aus der Perioden­zuordnung der Abgaben­erträge (+2,2 Mrd. EUR), die Beteiligungen (+1,5 Mrd. EUR) aufgrund von Zu­schreibungen und die Sach­anlagen (+0,4 Mrd. EUR) vor allem aus militär­ischen Beschaffungen betraf. Gegenläufig erfolgte eine Reduktion der liquiden Mittel (‑2,0 Mrd. EUR) resultierend aus dem im Vor­jahr höheren Liquiditäts­bedarf im Zusammen­hang mit der COVID‑19-Pandemie. Die Fremd­mittel (Passiva) betrugen 311,1 Mrd. EUR und waren damit um 20,2 Mrd. EUR höher als im Vorjahr (290,9 Mrd. EUR), was vor allem auf den Anstieg der Finanz­schulden zurück­zuführen ist. Daraus ergibt sich ein negatives Netto­vermögen („negatives Eigen­kapital“) von ‑193,5 Mrd. EUR, das sich im Vergleich zum Vorjahr um 18,0 Mrd. EUR verschlechterte.

Der Stand der Rücklagen zum 31. Dezember 2021 belief sich auf 19,9 Mrd. EUR, damit stiegen die Rücklagen­bestände gegenüber dem Vorjahr um 3,1 Mrd. EUR. Die Zuführungen erfolgten zumeist in den Unter­gliederungen des BMF (1,9 Mrd. EUR) im Bereich der Finanzie­rungen und Währungs­tauschverträge, beim Bundesvermögen bzw. in der Kassen­verwaltung. In den anderen Unter­gliederungen wurden Rück­lagen insbesondere in der UG 41‑Mobilität (Klima­ticket, Investitionsprogramme), in der UG 42‑Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (Breiband­ausbau, Waldfonds) und in der UG 30‑Bildung (Digitalisierung Schulunterricht, Landeslehrer:innen) gebildet. Rücklagen­entnahmen iHv 1,2 Mrd. EUR erfolgten 2021 vor allem für die Investitions­prämie, den Breit­band­ausbau und Aus­zahlungen für den Struk­turfonds-Gemeinden. Insgesamt 170 Mio. EUR wurden dabei aus anderen Unter­gliederungen herangezogen. Dies betraf insbesondere Rücklagen­entnahmen für den Strukturfonds-Gemeinden in der UG 44‑Finanzausgleich (100 Mio. EUR), die ursprünglich für die UG 45‑Bundes­vermögen gebildet wurden.

In den jährlichen Überprüfungen der Abschlussrechnungen weist der RH auch immer wieder auf Problemlagen hin, die auch Anpassungen im Haushaltsrecht erforderlich machen würden. Viele Regelungen des neuen Haushaltsrechts haben sich grundsätzlich bewährt, in einigen wichtigen Bereichen besteht jedoch Nachschärfungs- oder Änderungsbedarf. Wesentliche Steuerungsinstrumente wie der Finanzrahmen haben an Bedeutung eingebüßt. Auch die COVID‑19-Krise hat deutlich gemacht, dass die Krisenbewältigungsmaßnahmen mit dem bestehenden haushaltsrechtlichen Instrumentarium zwar implementiert und abgebildet werden konnten, es zeigten sich im Zusammenhang mit der Krise aber in fast allen Bereichen des Budgetmanagements auch einige Schwachstellen. Insbesondere bei der Transparenz und der Risiko­bericht­erstattung besteht Verbesserungsbedarf.