Die Studie zur Anfrage der Abgeordneten Gabriele Heinisch‑Hosek untersucht die Entwicklungen im Bereich des Gender Budgeting und der Gleichstellung seit dem Inkrafttreten der zweiten Etappe der Haushaltsrechtsreform und gibt einen Überblick über die Fortschritte und Herausforderungen im internationalen Vergleich.
Im internationalen Vergleich zählt Österreich zu jenen 12 von 34 OECD-Staaten, die Gender Budgeting eingeführt und zudem ein umfassendes Gender Budgeting-Instrumentarium über den gesamten Budgetzyklus mit einer starken rechtlichen Verankerung entwickelt haben. Der Gleichstellungsaspekt ist die einzige Zielsetzung, die von allen Ressorts im gesamten Haushaltskreislauf und auf allen Ebenen der Wirkungsorientierung zu berücksichtigen ist. Eine systematische Verknüpfung der Wirkungsinformationen mit dem Budget ist dabei jedoch nicht vorgesehen und Budgetressourcen werden daher grundsätzlich nicht auf Frauen und Männer aufgeteilt. Der stark dezentrale Ansatz, bei dem sämtliche Ressorts und Obersten Organe für ihren Aufgabenbereich Gleichstellungsziele definieren, sorgt für eine systematische Anwendung in der gesamten Bundesverwaltung, gleichzeitig führt der bottom-up Ansatz zu einer strategischen Untersteuerung, einer unterschiedlichen Qualität der Wirkungsinformationen und einem erhöhten Koordinationsaufwand. Eine Gleichstellungsstrategie, die von der Bundesregierung in einem koordinierten Prozess unter Einbindung der Zivilgesellschaft erarbeitet und veröffentlicht wird, könnte als Ausgangspunkt für die Formulierung konkreter Maßnahmen und Indikatoren dienen und würde die Ex-ante- und Ex-post-Bewertung der Gendereffekte von staatlichen Programmen und Maßnahmen ermöglichen.
Eine Analyse der Gender Indikatoren zeigt die Herausforderungen, aber auch Verbesserungen beim Schließen von Genderlücken. So ist der Gender Pay Gap in Österreich in den letzten zehn Jahren zwar von 25,5 % (2007) auf 19,9 % (2017) gesunken, dennoch liegt er weiterhin deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 16,0 %. Die Analyse der Gründe zeigt ein differenzierteres Bild. Die Zunahme der in Österreich vergleichsweise hohen Frauenerwerbstätigkeit ist auf den deutlichen Anstieg der Teilzeitarbeit zurückzuführen, bei der Österreich deutlich über dem EU-Durchschnitt liegt. Der von den Frauen am häufigsten genannte Grund für Teilzeitbeschäftigung liegt in der Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Erwachsenen. Zudem ist der Arbeitsmarkt durch eine starke branchen- und berufsbezogene Segregation gekennzeichnet. Da Frauen im Schnitt niedrigere Erwerbseinkommen haben und ihre Versicherungsverläufe Lücken aufweisen, liegen die Alterspensionen der Frauen, bezogen auf die Daten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, je nach Art der Berechnung um rd. 40 % bis 50 % unter den Pensionen der Männer. 18 % der Frauen, aber nur 9 % der Männer über 65 Jahre sind armuts- und ausgrenzungsgefährdet.
Die Umsetzung von Gender Budgeting erfordert, dass einerseits umfassende verlässliche geschlechtsspezifische Datengrundlagen erhoben werden und dass andererseits ausreichende Analysekapazitäten mit entsprechendem Know‑how zur Verfügung stehen. Die Daten einer Zeitverwendungserhebung dienen als Grundlage für Untersuchungen im Bereich der Lebensqualitätsforschung und helfen, das Leben unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen besser zu beobachten. Die letzte österreichische Zeitverwendungsstudie 2008/09 wurde von der Statistik Austria im Auftrag des Frauenministeriums durchgeführt. Zeitverwendungsstudien werden EU-weit nach einheitlichen Richtlinien von EUROSTAT erstellt, sie sind jedoch nicht verpflichtend (2009 haben 18 Mitgliedstaaten, darunter Österreich teilgenommen). Die Ergebnisse einer neuen Zeitverwendungsstudie könnten die Evidenzbasis zur Definition und Beurteilung der Erreichung von Gleichstellungszielen erweitern, die Anwendungsgebiete gehen jedoch weit darüber hinaus.
Basierend auf den Ergebnissen dieser Analyse, die auch die Ergebnisse anderer Studien berücksichtigt, werden die folgenden Weiterentwicklungspotentiale, insbesondere zur Stärkung der Informationsbasis für Debatten des Budgetausschusses sowie des Nationalrats, abgeleitet:
- Ausgehend vom Regierungsprogramm könnte eine mehrjährige Gleichstellungsstrategie erarbeitet werden, aus der die Gleichstellungsziele abgeleitet werden können.
- Die Wirkungsinformationen zur Gleichstellung im Bundesvoranschlag sollten in einigen Verwaltungsbereichen stärker auf externe, gesellschaftspolitische Wirkungen abzielen und in ihrer Wirkung auf einen größeren Personenkreis ausgerichtet sein.
- Bei Regelungsvorhaben mit besonderer Gleichstellungsrelevanz sollten die im Bund nur begrenzt verfügbaren Fachkapazitäten nicht erst im Begutachtungsverfahren, sondern bereits in der Konzeption der WFA konzentriert eingesetzt werden.
- Eine stärkere Ex-ante-Koordination der Ressorts und eine gemeinsame Ausrichtung an übergeordneten strategischen Gleichstellungszielen könnte die Effizienz der Gleichstellungspolitik erhöhen.
- Eine Verknüpfung von wesentlichen Gleichstellungsmaßnahmen mit Ressourcen könnte die Aussagekraft der Wirkungsinformationen deutlich erhöhen.
- Ein Gender Budget Statement sollte auch quantitative Darstellungen über die für Gleichstellung aufgewendeten Ressourcen umfassen und die Auswirkungen gleichstellungsrelevanter Programme und Vorhaben (z. B. auch umfassende Konjunktur- bzw. Sparmaßnahmen) auf die Geschlechter gesamthaft analysieren.
- Neben der Schließung der Datenlücken sollte insbesondere auch die analytische Kompetenz der Ressorts gestärkt werden, um die verfügbaren Daten besser für Gleichstellungsanalysen nutzen zu können. Eine Zeitverwendungsstudie würde zur Verbesserung der Datengrundlage beitragen.
- Bei Spending Reviews sollte die Auswirkung auf relevante Gleichstellungsaspekte sowie eine Abschätzung, wie unterschiedlich Frauen und Männer von entsprechenden Maßnahmen betroffen sind, systematisch in den Ansatz integriert werden.