Budgetdienst - Anfragebeantwortungen 12.12.2018

Wirkung der automatischen Stabilisatoren

Anfragebeantwortung des Budgetdienstes

Überblick

Die Abgeordnete Karin Doppelbauer (NEOS) ersuchte den Budgetdienst um eine Kurz­studie zur Wirkung der automatischen Stabilisatoren (Stress­test Budget­politik). In der Anfrage­beantwortung wird sowohl die Höhe der im Steuer­ und Transfer­system integrierten automatischen Stabilisatoren als auch deren fiskalische Wirkung in einem hypothetischen Krisen­szenario näher untersucht.

Die vollständige Anfragebeantwortung zum Download:

BD - Anfragebeantwortung zur Wirkung der automatischen Stabilisatoren / PDF, 1 MB

Kurzfassung

Automatische Stabilisatoren sind Einnahmen- und Ausgaben­positionen der öffentlichen Haus­halte, die durch ihre antizyklische Wirkung zu einem glatteren Verlauf des Konjunktur­zyklus führen. Auf der Einnahmen­seite wirken sich insbesondere die Einkommen­steuer und die Sozial­versicherungs­beiträge stabilisierend auf den Konjunktur­verlauf aus, auf der Ausgaben­seite vor allem die Transfer­zahlungen aus der Arbeitslosen­versicherung.

In dieser Kurzstudie wird gemäß der Anfrage der Abgeordneten Karin Doppelbauer das Ausmaß der Einkommens­stabilisierung im österreichischen Steuer- und Transfer­system berechnet. Zudem wird die Auswirkung eines hypothetischen BIP-Schocks von 5 % bzw. 2 % auf das Budget­defizit und den öffentlichen Schulden­stand geschätzt, der sich unmittelbar aus der Wirkung der automatischen Stabilisatoren ergibt.

Die Auswirkung konjunktureller Schwankungen auf die verfügbaren Ein­kommen wird durch das Steuer- und Transfer­system abgefedert, wodurch sich eine stabilisierende Wirkung auf die Konsum­nachfrage der privaten Haushalte ergibt. Bei einem reinen Einkommens­schock, bei dem die Arbeits­losig­keit unverändert bleibt, beträgt der Einkommens­stabilisierungs­koeffizient 47,3 %, das heißt bei einem Rück­gang der Brutto­einkommen um 1.000 EUR würden die verfügbaren Einkommen nur um 527 EUR (=1.000‑473 EUR) zurückgehen. Der Groß­teil der Einkommens­stabilisierung resultiert dabei aus der Einkommen­steuer, auch die Sozial­versicherungs­beiträge tragen in dieser Variante maßgeblich zur Stabilisierung bei.

Wenn eine steigende Arbeits­losig­keit mit­ein­bezogen wird, ist der Einkommens­stabilisierungs­koeffizient mit 54,3 % deutlich höher. Die Bedeutung der Stabilisierungs­instrumente verlagert sich dabei deutlich von der Einkommen­steuer in Richtung der Sozial­transfers (v. a. Arbeitslosen­entgelte). Da die Zahl der Arbeitslosen in der Regel sehr stark auf geänderte wirtschaftliche Rahmen­bedingungen reagiert und die Löhne der Beschäftigten zumindest kurzfristig kaum reagieren, ist diese Variante für die unter­stellten Krisen­szenarien (BIP-Schock von 5 % bzw. 2 %) deutlich plausibler.

Bei einem Einbruch der Wirtschafts­entwicklung bewirken die automatischen Stabilisatoren eine Verschlechterung des Budget­saldos, in Hoch­konjunktur­phasen kommt es hingegen zu einem gegen­läufigen Effekt. Bei einem annähernd symmetrischen Konjunktur­zyklus ist die Defizit­wirkung der automatischen Stabilisatoren in einer länger­fristigen Betrachtung weitgehend neutral. Es besteht jedoch bei einem hohen Schulden­stand das Risiko, dass sich die Finanzierungs­bedingungen in Folge einer Krise verschlechtern und den Spiel­raum für fiskal­politische Maßnahmen einengen.

Die vorgenommene Abschätzung der Defizit­wirkung der automatischen Stabilisatoren infolge eines BIP-Schocks von 5 % zeigt, dass das öffentliche Defizit im Jahr der Krise um 1,7 % bis 2,3 % des BIP höher wäre. Die öffentliche Schulden­quote würde aufgrund des höheren Defizits und des sinkenden BIP um 5,2 bis 5,9 %-Punkte ansteigen. Bei einem BIP-Schock von 2 % sind die Aus­wirkungen entsprechend niedriger. Das Defizit würde im Jahr der Krise um 0,6 % bis 0,9 % des BIP, der Schulden­stand um 2,0 % bis 2,3 % des BIP ansteigen. Bei diesen Ergebnissen handelt es sich um den isolierten Effekt der automatischen Stabilisatoren. Insbesondere in tiefen Rezessionen werden häufig diskretionäre Maßnahmen zur Stabilisierung der Konjunktur beschlossen, die einen darüber hinausgehenden Anstieg des Defizits bewirken. Auch Rettungs­maßnahmen im Finanz­sektor oder die Stützung von großen Unternehmen können zusätzlich zu einem höheren Defizit führen.

Bei den angenommenen BIP-Schocks wäre die Defizit­wirkung der automatischen Stabilisatoren für die öffentlichen Haus­halte im derzeitigen Umfeld eines weit­gehend aus­geglichenen Staats­haushaltes grund­sätzlich verkraftbar. Da in einer länger­fristigen Betrachtung die Defizit­wirkung der automatischen Stabilisatoren weitgehen neutral ist, würde es auch zu keinem nachhaltigen Anstieg des Schulden­stands bzw. wieder zu einem Ausgleich kommen. Im Zusammen­spiel mit anderen Faktoren (z. B. diskretionäre Maßnahmen, Stabilisierung Finanzsektor), kann der Defizit­anstieg jedoch deutlich höher ausfallen und zu einer strukturellen Verschlechterung der Budget­lage führen.

Zur Überprüfung der Plausibilität der Ergebnisse werden diese mit der eingetretenen Entwicklung im Krisen­jahr 2009 verglichen, da der damalige Wirtschafts­einbruch mit dem unterstellten BIP-Schock von 5 % vergleichbar ist. Die unter­stellte Entwicklung maßgeblicher makroökonomischer Größen (z. B. Arbeits­losig­keit, Arbeit­nehmer­entgelte) stimmt gut mit der damaligen Entwicklung überein. Gegenüber der WIFO-Prognose vom Dezember 2007, als die Krise noch nicht absehbar war, stieg das Defizit um 3,8 %-Punkte auf 5,3 % des BIP zwar deutlich stärker an, allerdings entfielen 0,9 %-Punkte des Anstiegs auf das Banken­paket und ca. 1,4 %-Punkte (Planwert) auf Konjunktur­pakete (z. B. Steuer­reform 2009). Unter Berücksichtigung dieser beiden Faktoren bewirkten die automatischen Stabilisatoren im Jahr 2009 eine Verschlechterung des Budget­saldos von zumindest 1,5 %-Punkten, eine Größen­ordnung die mit den Ergebnissen in dieser Kurz­studie gut übereinstimmt.