Automatische Stabilisatoren sind Einnahmen- und Ausgabenpositionen der öffentlichen Haushalte, die durch ihre antizyklische Wirkung zu einem glatteren Verlauf des Konjunkturzyklus führen. Auf der Einnahmenseite wirken sich insbesondere die Einkommensteuer und die Sozialversicherungsbeiträge stabilisierend auf den Konjunkturverlauf aus, auf der Ausgabenseite vor allem die Transferzahlungen aus der Arbeitslosenversicherung.
In dieser Kurzstudie wird gemäß der Anfrage der Abgeordneten Karin Doppelbauer das Ausmaß der Einkommensstabilisierung im österreichischen Steuer- und Transfersystem berechnet. Zudem wird die Auswirkung eines hypothetischen BIP-Schocks von 5 % bzw. 2 % auf das Budgetdefizit und den öffentlichen Schuldenstand geschätzt, der sich unmittelbar aus der Wirkung der automatischen Stabilisatoren ergibt.
Die Auswirkung konjunktureller Schwankungen auf die verfügbaren Einkommen wird durch das Steuer- und Transfersystem abgefedert, wodurch sich eine stabilisierende Wirkung auf die Konsumnachfrage der privaten Haushalte ergibt. Bei einem reinen Einkommensschock, bei dem die Arbeitslosigkeit unverändert bleibt, beträgt der Einkommensstabilisierungskoeffizient 47,3 %, das heißt bei einem Rückgang der Bruttoeinkommen um 1.000 EUR würden die verfügbaren Einkommen nur um 527 EUR (=1.000‑473 EUR) zurückgehen. Der Großteil der Einkommensstabilisierung resultiert dabei aus der Einkommensteuer, auch die Sozialversicherungsbeiträge tragen in dieser Variante maßgeblich zur Stabilisierung bei.
Wenn eine steigende Arbeitslosigkeit miteinbezogen wird, ist der Einkommensstabilisierungskoeffizient mit 54,3 % deutlich höher. Die Bedeutung der Stabilisierungsinstrumente verlagert sich dabei deutlich von der Einkommensteuer in Richtung der Sozialtransfers (v. a. Arbeitslosenentgelte). Da die Zahl der Arbeitslosen in der Regel sehr stark auf geänderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen reagiert und die Löhne der Beschäftigten zumindest kurzfristig kaum reagieren, ist diese Variante für die unterstellten Krisenszenarien (BIP-Schock von 5 % bzw. 2 %) deutlich plausibler.
Bei einem Einbruch der Wirtschaftsentwicklung bewirken die automatischen Stabilisatoren eine Verschlechterung des Budgetsaldos, in Hochkonjunkturphasen kommt es hingegen zu einem gegenläufigen Effekt. Bei einem annähernd symmetrischen Konjunkturzyklus ist die Defizitwirkung der automatischen Stabilisatoren in einer längerfristigen Betrachtung weitgehend neutral. Es besteht jedoch bei einem hohen Schuldenstand das Risiko, dass sich die Finanzierungsbedingungen in Folge einer Krise verschlechtern und den Spielraum für fiskalpolitische Maßnahmen einengen.
Die vorgenommene Abschätzung der Defizitwirkung der automatischen Stabilisatoren infolge eines BIP-Schocks von 5 % zeigt, dass das öffentliche Defizit im Jahr der Krise um 1,7 % bis 2,3 % des BIP höher wäre. Die öffentliche Schuldenquote würde aufgrund des höheren Defizits und des sinkenden BIP um 5,2 bis 5,9 %-Punkte ansteigen. Bei einem BIP-Schock von 2 % sind die Auswirkungen entsprechend niedriger. Das Defizit würde im Jahr der Krise um 0,6 % bis 0,9 % des BIP, der Schuldenstand um 2,0 % bis 2,3 % des BIP ansteigen. Bei diesen Ergebnissen handelt es sich um den isolierten Effekt der automatischen Stabilisatoren. Insbesondere in tiefen Rezessionen werden häufig diskretionäre Maßnahmen zur Stabilisierung der Konjunktur beschlossen, die einen darüber hinausgehenden Anstieg des Defizits bewirken. Auch Rettungsmaßnahmen im Finanzsektor oder die Stützung von großen Unternehmen können zusätzlich zu einem höheren Defizit führen.
Bei den angenommenen BIP-Schocks wäre die Defizitwirkung der automatischen Stabilisatoren für die öffentlichen Haushalte im derzeitigen Umfeld eines weitgehend ausgeglichenen Staatshaushaltes grundsätzlich verkraftbar. Da in einer längerfristigen Betrachtung die Defizitwirkung der automatischen Stabilisatoren weitgehen neutral ist, würde es auch zu keinem nachhaltigen Anstieg des Schuldenstands bzw. wieder zu einem Ausgleich kommen. Im Zusammenspiel mit anderen Faktoren (z. B. diskretionäre Maßnahmen, Stabilisierung Finanzsektor), kann der Defizitanstieg jedoch deutlich höher ausfallen und zu einer strukturellen Verschlechterung der Budgetlage führen.
Zur Überprüfung der Plausibilität der Ergebnisse werden diese mit der eingetretenen Entwicklung im Krisenjahr 2009 verglichen, da der damalige Wirtschaftseinbruch mit dem unterstellten BIP-Schock von 5 % vergleichbar ist. Die unterstellte Entwicklung maßgeblicher makroökonomischer Größen (z. B. Arbeitslosigkeit, Arbeitnehmerentgelte) stimmt gut mit der damaligen Entwicklung überein. Gegenüber der WIFO-Prognose vom Dezember 2007, als die Krise noch nicht absehbar war, stieg das Defizit um 3,8 %-Punkte auf 5,3 % des BIP zwar deutlich stärker an, allerdings entfielen 0,9 %-Punkte des Anstiegs auf das Bankenpaket und ca. 1,4 %-Punkte (Planwert) auf Konjunkturpakete (z. B. Steuerreform 2009). Unter Berücksichtigung dieser beiden Faktoren bewirkten die automatischen Stabilisatoren im Jahr 2009 eine Verschlechterung des Budgetsaldos von zumindest 1,5 %-Punkten, eine Größenordnung die mit den Ergebnissen in dieser Kurzstudie gut übereinstimmt.