Fachinfos - Judikaturauswertungen 08.07.2021

Antrag auf Exekution durch Bundespräsidenten

Antrag auf Exekution eines VfGH-Erkenntnisses im Zusammenhang mit dem Ibiza Untersuchungsausschuss. VfGH 5.5.2021, UA 1/2021-39 (8. Juli 2022)

Sachverhalt

Am 3. März 2021 hatte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in seinem Erkenntnis im Verfahren UA 1/2021 festgestellt, der Bundesminister für Finanzen (BMF) sei verpflichtet, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss (UsA) die E‑Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherte Dateien näher bezeichneter Bediensteter des BMF sowie von Bediensteten empfangene E-Mails näher bezeichneter Personen aus dem Untersuchungszeitraum vorzulegen. Soweit sich der Antrag an den VfGH auf die Verpflichtung zur Vorlage rein privater Dateien und Kommunikation sowie von E-Mails und elektronischen Dateien, die bereits vorgelegt worden waren, bezogen hatte, war er vom VfGH gemäß Art. 138b Abs. 1 Z 4 B-VG zurückgewiesen worden.

Nachdem der BMF der sich daraus ergebenden Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unterlagen an den Ibiza-UsA nicht nachgekommen war, stellten die AntragstellerInnen aus dem Verfahren UA 1/2021 mit Schriftsatz vom 22. März 2021 einen auf Art. 146 Abs. 2 B-VG gestützten „Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge beim Bundespräsidenten die Exekution des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes (…) beantragen“.

Entscheidung des Verfassungs­gerichtshofes

Mit Beschluss vom 5. Mai 2021 stellte der VfGH gemäß Art. 146 Abs. 2 B-VG an den Bundespräsidenten den Antrag auf Exekution seines rechtskräftigen und vollstreckbaren Erkenntnisses vom 3. März 2021, das in Spruchpunkt I. den BMF verpflichte, dem Ibiza-UsA die E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherte Dateien näher bezeichneter Bediensteter des BMF sowie von Bediensteten empfangene E-Mails näher bezeichneter Personen aus dem Untersuchungszeitraum vorzulegen. Diese Verpflichtung betreffe, wie sich aus Spruchpunkt II. dieses Erkenntnisses ergebe, weder die „rein privaten“ Dateien und E-Mails noch jene Dateien, die dem Ibiza-UsA bereits vorgelegt wurden, weil diese keinen Gegenstand der Meinungsverschiedenheit bildeten.

In der Erläuterung zum Beschluss führt der VfGH begründend aus, dass die Exekution von Entscheidungen wie der hier vorliegenden gemäß Art. 138b Abs. 1 Z 4 B-VG grundsätzlich gemäß Art. 146 Abs. 2 B-VG dem Bundespräsidenten obliegt.

Im Sinne eines engen Exekutionsbegriffes seien aber nur solche Aussprüche einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung einer Exekution zugänglich, die eine zwangsweise Leistungsverpflichtung enthielten. Feststellende oder rechtsgestaltende Entscheidungen könnten nicht exekutiert werden. Mit seinem Erkenntnis vom 3. März 2021 habe der VfGH aber einen Leistungsausspruch getroffen. Wenngleich § 56f VfGG keine ausdrückliche Anordnung hinsichtlich der Rechtswirkungen einer meritorischen Entscheidung des VfGH enthalte, so ergebe sich aus einer systematischen Interpretation der Bestimmungen des VfGG, dass der Gesetzgeber die Rechtswirkungen bloß feststellender Erkenntnisse ausdrücklich geregelt habe. Unter anderem im Verfahren gemäß Art. 138b Abs. 1 Z 4 B-VG habe er es nicht für notwendig erachtet, die Rechtswirkungen zu normieren, weil stattgebende Erkenntnisse in diesem Verfahren ohnedies zu einer Leistung verpflichteten. Zudem treffe der VfGH in diesen Verfahren von Beginn an Leistungsaussprüche.

Da die Rechtslage bei Verfahren gemäß Art. 126a B-VG (Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit der Zuständigkeit des Rechnungshofes) nicht mit jener in Verfahren im Zusammenhang mit parlamentarischen Untersuchungsausschüssen vergleichbar sei, ergebe sich auch aus den für dieses Verfahren geltenden, anderslautenden Bestimmungen keine abweichende Beurteilung.

Für Erkenntnisse in Verfahren gemäß Art. 138b Abs. 1 Z 4 B-VG verbiete sich die Annahme eines Feststellungsurteils iSd ZPO. Die Erkenntnisse des VfGH in diesen Verfahren seien auch nicht bloß rechtsgestaltend, weil der Befehl enthalten sei, bestimmte Akten und Unterlagen an einen UsA vorzulegen. Diese Formulierung enthalte eine zwangsweise vollstreckbare Leistungsverpflichtung, die ihrem Wesen nach einer Exekution zugänglich sei.

Im Umfang umfasse die zu exekutierende Verpflichtung vor dem Hintergrund des Spruches und der Begründung des Erkenntnisses vom 3. März 2021 jedenfalls jene E-Mails, die der BMF im Rahmen des verfassungsgerichtlichen Vorverfahrens dem VfGH vorgelegt habe – abzüglich jener unter diesen, die dem UsA bereits vorgelegt worden seien – sowie sonstige Akten und Unterlagen, sollte der BMF dem VfGH im Vorverfahren nicht alle vom UsA angeforderten Akten und Unterlagen vorgelegt haben. Eine Eingrenzung bzw. Durchführung einer Strukturierung einer (elektronischen) Suche im Rahmen des Exekutionsverfahrens, die auf das Selektieren anderer als rein privater oder bereits vorgelegter Dateien abstelle, wie dies vom BMF vorgeschlagen worden sei, komme nicht (mehr) in Betracht.

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung sowie die Pressemitteilung zum weiteren Exekutionsverfahren.