Hinsichtlich des vom UsA gestellten Antrages, unbearbeitete Originalakten unter strengen Geheimhaltungsvorschriften vorzulegen, sprach der VfGH NRW eine Zurückweisung wegen Ablauf der Antragsfrist aus. Die Minister hätten die Vorlage insoweit bereits mehr als sechs Monate zurückliegend eindeutig und endgültig verweigert, das ließe sich ihrer Kommunikation mit dem UsA entnehmen.
Hinsichtlich der unzureichenden Vorlage jener Akten, die soweit erforderlich pseudonymisiert werden sollten, sah der VfGH NRW das Recht auf Aktenvorlage allerdings teilweise als verletzt an:
Das Recht auf Aktenvorlage sei Bestandteil des Kontrollrechts des Parlaments und gehöre zum Kern des Untersuchungsrechts. Ein UsA müsse sich nicht mit Aktenauskünften zufrieden geben oder sein Verlangen auf bestimmte Aktenteile beschränken. Vielmehr solle er sich anhand der vollständigen Akten selbst ein Bild vom Umfang ihrer Entscheidungserheblichkeit machen können. Der Vorlageanspruch beziehe sich grundsätzlich auf alle Akten, die mit dem Untersuchungsgegenstand in Zusammenhang stünden. Es müsse nicht bereits feststehen, dass die Unterlagen auch tatsächlich entscheidungserhebliches Material enthielten. Es reiche aus, wenn sie Hinweise hierauf geben könnten. Die Minister seien verpflichtet, die Akten ihres Geschäftsbereichs umfassend zu lokalisieren, zu sichten und unverzüglich vorzulegen.
Das Beweiserhebungsrecht sei allerdings nicht unbegrenzt, wobei Grenzen ihren Ursprung im Verfassungsrecht haben müssten. Der Schutz der Grundrechte – im konkreten Fall der grundrechtliche Datenschutz – sei eine solche mögliche Grenze. Es handle sich dabei allerdings nicht um eine absolute Grenze, es sei vielmehr ein Ausgleich der widerstreitenden Interessen – Untersuchungsrecht einerseits und grundrechtlicher Datenschutz andererseits – zu finden, sodass beide soweit wie möglich ihre Wirkungen entfalteten. Bei dieser Abwägung seien die Vorkehrungen zur Geheimhaltung im Parlament, aber auch die Bedeutung des Öffentlichkeitsprinzips in der Demokratie zu berücksichtigen. Eine Vorlageverweigerung zugunsten des grundrechtlichen Datenschutzes sei in der Regel nicht gestattet, wenn Parlament und Regierung Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen hätten und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sei. Eine Ausnahme hiervon gelte nur für solche Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar sei. Diese seien auch bei entsprechenden Geheimschutzvorschriften nicht herauszugeben. Welche Informationen darunter fielen sei eine Frage der Einzelfallbetrachtung. Eine Weitergabe solcher Akten komme nur in Betracht, wenn im Vorhinein datenschutzrechtliche Vorkehrungen getroffen würden, die die Kenntnisnahme der fraglichen persönlichen Informationen verhinderten, gleichzeitig aber dem Aktenvorlagerecht des UsA in möglichst effektiver Weise zur Durchsetzung verhelfen würden.
Umfang, Reichweite und Grenzen des Aktenvorlagerechts bedürften vor diesem Hintergrund einer verfahrensrechtlichen Konkretisierung, die die widerstreitenden verfassungsrechtlichen Positionen in einen Ausgleich bringe. Die Verfassungsorgane treffe eine Abwägungs- und Koordinierungsobliegenheit. Diese verlange Absprachen zwischen den Beteiligten und die hinreichende Dokumentation dieser Absprachen. Die Organisation der Aktenvorlage und der damit etwaig verbundenen Aufbereitung der vorzulegenden Akten liege in der Verantwortung des vorlagepflichtigen Organs. Dabei habe es externe Kräfte hinzuzuziehen, wenn dies wegen mangelnder eigener Ressourcen notwendig sei. Ein insoweit entstehender Verwaltungsaufwand könne die Ablehnung einer Aktenvorlage nur ausnahmsweise bei völliger Unvertretbarkeit (Unzumutbarkeit) rechtfertigen. Über die insoweit erfolgende Aufbereitung der Akten zur Vorlage und die konkrete Verfahrensgestaltung sowie etwaige Verzögerungen sei der UsA regelmäßig zu informieren. Gleichzeitig seien die Akten fortlaufend in Teilen an den UsA zu übermitteln. So sicherten fortlaufende prozedurale Obliegenheiten die Vorlagepflicht verfahrensmäßig ab. Der UsA sei verpflichtet, zeitlich und sachlich angemessen auf die Aktenvorlage zu reagieren, sollten sich hierbei aus seiner Sicht Probleme ergeben. Es bedürfe einer von gegenseitiger Rücksichtnahme getragenen Kommunikationsbeziehung zwischen UsA und aktenvorlegender Stelle. Die konkrete Ausgestaltung der Informationspflichten bestimme sich nach Maßgabe des Einzelfalles, auch besondere Umstände oder Krisensituationen könnten hier eine Rolle spielen.
Nehme eine aktenvorlagepflichtige Stelle das Recht für sich in Anspruch, einem Untersuchungsausschuss Beweismittel aus verfassungsrechtlichen Gründen vorzuenthalten, unterliege sie von Verfassungs wegen zudem einer Pflicht zu substantiierter Begründung. Sie müsse dem UsA die Berechtigung der Vorlageverweigerung plausibel und nachvollziehbar machen und ihm ermöglichen, zu prüfen, ob rechtliche Schritte angezeigt seien. Die Begründung müsse die wesentlichen Erwägungen der Entscheidung erkennen lassen und die Abwägung betroffener Belange nachvollziehbar aufzeigen. Eine formelhafte Begründung genüge nicht. Die Begründung sei nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn der Ablehnungsgrund evident sei. Eine Nachholung der Begründung im verfassungsgerichtlichen Verfahren sei ausgeschlossen. Die Prüfung durch den VfGH NRW sei auf die gegenüber dem UsA angegebenen Gründe beschränkt, ohne das Vorliegen weiterer, bislang nicht geltend gemachter Verweigerungsgründe von Amts wegen anhand der Akten zu prüfen.
Im vorliegenden Fall sei der eine vorlagepflichtige Landesminister der Begründungspflicht nicht hinreichend nachgekommen. Die Gründe der teilweisen Vorlageverweigerung würden in der gesamten Kommunikation, die in Form mehrerer Schreiben und mündlicher Aussagen stattgefunden habe, an keiner Stelle im Einzelnen dargelegt. Die Begründung sei auch nicht entbehrlich, denn es sei kein Ablehnungsgrund evident.
Der zweite vorlagepflichtige Landesminister habe seine Informationspflichten verletzt, weil die in seinem Verantwortungsbereich eingetretenen Verzögerungen der Aktenlieferung unzureichend gerechtfertigt und über die Verzögerungen und deren Folgen unzureichend informiert worden sei. Zwar seien zu recht und in zulässigem Umfang Pseudonymisierungen vorgenommen worden und auch die personelle und sachliche Organisationsplanung der Aktenbearbeitung sei frei von Verfassungsrechtsfehlern, aber es sei nicht hinreichend dargelegt worden, wie entstandenen Verzögerungen entgegengewirkt worden sei. Zudem sei der UsA über diese Verzögerungen unzureichend informiert worden. In Bezug auf die prognostisch veranschlagte Bearbeitungsdauer sei nicht hinreichend kommuniziert worden. Dem UsA wurde keine Möglichkeit gegeben, den Fortgang der weiteren Aktenvorlage in ihrer zeitlichen Dimension realitätsnah einzuschätzen.
Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung.