Fachinfos - Judikaturauswertungen 15.12.2022

U-Ausschuss: Anträge betreffend Aktenvorlage zurückgewiesen

Der Verfassungsgerichtshof wies zwei Anträge eines Viertels der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses betreffend die unverzügliche Auswertung und Vorlage von Chats aus formalen Gründen zurück (15. Dezember 2022)

VfGH 25.8.2022, UA 5-6/2022

Ein Viertel der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses (UsA) war der Ansicht, dass es erstens rechtswidrig sei, dass die Bundesministerin für Justiz (BMJ) sich weigerte, zwei ergänzenden Beweisanforderungen zu entsprechen, und dass sie zweitens unverzüglich die erforderlichen Erhebungen durchzuführen und deren Ergebnisse dem UsA zu übermitteln habe. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) erachtete beide Anträge für unzulässig.

Sachverhalt

Im Jänner 2022 wurden zwei an die BMJ adressierte Verlangen auf ergänzende Beweisanforderung betreffend die unverzügliche Auswertung und Vorlage von Chats an den UsA wirksam. Die BMJ teilte mit, dass die Auswertung der Akten einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand bedeuten würde und zur Frage der Reihenfolge der vorzunehmenden Auswertung dringender Konsultationsbedarf bestehe. Die daraufhin durchgeführten Sitzungen im Rahmen des Konsultationsverfahrens wurden ohne Ergebnis geschlossen. Im April wurde die BMJ gemäß § 27 Abs. 4 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA) aufgefordert, den ergänzenden Beweisanforderungen binnen zwei Wochen zu entsprechen. Mit Schreiben vom 25. April 2022 teilte die BMJ samt näherer Begründung mit, dass der Aufforderung nicht entsprochen werden könne.

Daraufhin stellte im Mai 2022 ein Viertel der Mitglieder des UsA den Antrag, der VfGH möge feststellen, dass die BMJ den beiden ergänzenden Beweisanforderungen unverzüglich nachzukommen und die Ergebnisse der beiden Beweiserhebungen dem UsA vollständig vorzulegen habe. Mit Erkenntnis vom 21.6.2022 (UA 1-2/2022) wies der VfGH diesen Antrag teilweise zurück, teilweise ab (siehe dazu Judikaturauswertung 2. Quartal 2022).

Das Viertel der Mitglieder des UsA forderte die BMJ in der Folge neuerlich auf, den ergänzenden Beweisanforderungen innerhalb von zwei Wochen zu entsprechen. Die BMJ erstattete eine Äußerung, in der sie die Ansicht vertrat, dass keine ihr vorwerfbare Säumnis vorliege und die Aufforderung nicht berechtigt sei.

Daraufhin brachten wiederum fünf Mitglieder des UsA gemäß Art. 138b Abs. 1 Z 4 B‑VG einen Antrag beim VfGH ein. Mit diesem begehrten sie erstens, der VfGH möge feststellen, dass die Weigerung der BMJ, den ergänzenden Beweisanforderungen zu entsprechen, rechtswidrig sei. Zweitens waren sie der Ansicht, dass die BMJ unverzüglich die Erhebungen gemäß der beiden Verlangen auf ergänzende Beweisanforderung durchzuführen und die Ergebnisse dem UsA zu übermitteln habe. 

Entscheidung des Verfassungs­gerichtshofs

Der VfGH wies beide Anträge als unzulässig zurück:

Der erste Antrag, mit dem die Einschreiter:innen begehrten, der VfGH möge feststellen, dass das Verhalten der BMJ rechtswidrig sei, finde in den einschlägigen Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes und des Verfassungsgerichtshofgesetzes keine Rechtsgrundlage (siehe dazu auch schon VfSlg. 19.973/2015).

Der zweite Antrag sei unzulässig, weil der Prozessgegenstand nicht hinreichend bestimmt sei: Die beiden im Antrag genannten Verlangen „vom 26.2.2022“, denen die BMJ nach Ansicht der Einschreiter:innen unverzüglich zu entsprechen habe, würden nämlich nicht existieren. Dem VfGH sei es auch verwehrt, den Antrag im Hinblick auf die Datumsangabe korrigierend zu interpretieren.

Da die Anträge unzulässig seien, könne dahinstehen, ob sich überhaupt eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem antragstellenden Viertel der Mitglieder des UsA und der BMJ ergebe.

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung.