Der EGMR habe in seiner Rechtsprechung zur rechtlichen Anerkennung des Geschlechts bereits festgestellt, dass von den Mitgliedstaaten erwartet wird, schnelle, transparente und zugängliche Verfahren zur Änderung des eingetragenen Geschlechts von Transgender-Personen bereitzustellen. Das Recht auf Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister in Georgien sei nicht nur gesetzlich verankert, sondern werde auch als Teil des verfassungsmäßigen Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Artikel 12 der Verfassung interpretiert. Obwohl ein solches Recht in Georgien seit 1998 bestehe, habe es offenbar keinen einzigen Fall einer erfolgreichen rechtlichen Geschlechtsanerkennung gegeben.
Dem EGMR zufolge liefert das innerstaatliche Recht und die Praxis keinen Hinweis auf die genaue Art der zu befolgenden medizinischen Verfahren. Zudem habe es im Fall des dritten Beschwerdeführers einen Widerspruch hinsichtlich der Hormonbehandlung gegeben: Nach dem Berufungsgericht habe der Abschluss einer Hormonbehandlung mit der daraus resultierenden Änderung der sekundären Geschlechtsmerkmale für eine rechtliche Geschlechtsanerkennung nicht ausgereicht. Der Oberste Gerichtshof habe das Gegenteil behauptet, insbesondere, dass ein ärztliches Attest ausreiche, das die „Unumkehrbarkeit“ der Hormonbehandlung bescheinigt.
Der EGMR stellte fest, dass die uneinheitliche Auslegung des innerstaatlichen Rechts durch die innerstaatlichen Gerichte zumindest teilweise dadurch bedingt war, dass das Gesetz selbst nicht ausreichend detailliert und präzise war. Die Ungenauigkeit der geltenden Rechtsvorschriften untergrabe die Verfügbarkeit der rechtlichen Geschlechtsanerkennung in der Praxis. Außerdem überlasse das Fehlen eines klaren Rechtsrahmens den innerstaatlichen Behörden einen übermäßigen Ermessensspielraum, der zu willkürlichen Entscheidungen führen könne. Eine solche Situation widerspreche grundsätzlich der Pflicht des Staates, schnelle, transparente und zugängliche Verfahren für die rechtliche Geschlechtsanerkennung bereitzustellen.
Der EGMR kam daher zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführer ihrem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt wurden.
Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung (jeweils in englischer Sprache).