Fachinfos - Fachdossiers 29.10.2024

Unvereinbarkeit und Transparenz – ein Überblick

Wieso gibt es Unvereinbarkeits- und Transparenzregelungen?

In Österreich ist es üblich, dass Abgeordnete des Nationalrates und Mitglieder des Bundesrates neben ihrer Tätigkeit als Mandatar:innen auch verschiedene andere Funktionen und einen "zivilen" Beruf ausüben. So können sie Wissen aus ihrer beruflichen Praxis in die parlamentarische Arbeit einbringen und eine Schnittstelle zu verschiedenen Lebensbereichen bilden. Gleichzeitig besteht aber eine besondere Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, welche Funktionen und Tätigkeiten die Mandatar:innen neben ihrem Mandat ausüben und dass in diesem Zusammenhang möglichst keine Interessenkonflikte entstehen. Es gibt verschiedene rechtliche Regelungen, welche Funktionen keinesfalls gleichzeitig mit einem Mandat ausgeübt werden können, welche Tätigkeiten genehmigt werden müssen und welche (nur) veröffentlicht werden müssen (siehe unten).

Wie haben sich die rechtlichen Regelungen entwickelt?

Schon das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) 1920 enthielt Regelungen zu Unvereinbarkeiten von Funktionen. Die erste Fassung eines Unvereinbarkeitsgesetzes stammt aus 1925 (BGBl. 294/1925). Novellen erfolgten vor allem seit den 1980er-Jahren anlassbezogen, wenn etwa Fälle von Korruption Lücken aufgezeigt und somit Anpassungen angestoßen haben. Auch Empfehlungen von GRECO, jener Staatengruppe im Rahmen des Europarats, die sich der Bekämpfung von Korruption widmet (siehe dazu auch das Fachdossier "Wer ist GRECO?"), haben zu Novellen im Bereich des Unvereinbarkeits- und Transparenzrechts geführt.

Eine wesentliche Erweiterung der Meldepflichten für Abgeordnete des Nationalrates und Mitglieder des Bundesrates erfolgte im Juni 2012 sowie Juli 2013 im Rahmen des sogenannten "Transparenzpakets". Seit damals werden die Meldungen der Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates zudem auf der Website des Parlaments weitgehend veröffentlicht (siehe dazu auch unten).

Welche Arten von Unvereinbarkeiten kann man unterscheiden?

Es werden drei Arten von Unvereinbarkeiten unterschieden:

Verfassungsrechtlich verankerte Unvereinbarkeiten

Das B-VG regelt, welche Funktionen gleichzeitig ausgeübt werden können oder einander ausschließen (man spricht auch von "politischen Unvereinbarkeiten"). Mitglieder des Nationalrates oder des Bundesrates können demnach kein Mitglied des jeweils anderen Vertretungskörpers oder des Europäischen Parlaments sein (Art. 59 BVG). Sie können weiters nicht Bundespräsident:in (Art. 61 Abs. 1B-VG), Präsident:in des Rechnungshofes (Art. 122 Abs. 5 B-VG), Mitglied der Volksanwaltschaft (Art. 148g Abs. 5 B-VG), des Obersten Gerichtshofes (Art. 92 Abs. 2 B-VG), des Verfassungsgerichthofes (Art. 147 Abs. 4 und 5 B-VG), eines Verwaltungsgerichtes (Anm.: es gibt neun Landesverwaltungsgerichte, ein Bundesverwaltungsgericht und ein Bundesfinanzgericht) sowie des Verwaltungsgerichtshofes (Art. 134 Abs. 5 B-VG) sein.

Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates können allerdings sehr wohl gleichzeitig auch Mitglieder der Bundesregierung oder Staatssekretär:innen sein. Seit den 1990er-Jahren ist es in der Praxis aber üblich, dass sie ihr Mandat für die Dauer einer solchen Funktion zurücklegen. Nach Ende ihrer Regierungstätigkeit haben sie erneut Anspruch auf das Mandat (Art. 56 Abs. 2 B-VG) .

Unvereinbarkeiten im Hinblick auf Mitgliedschaften im Landtag oder in der Landesregierung sind in den jeweiligen Landesverfassungen geregelt. Eine Unvereinbarkeit von Mitgliedern des Nationalrates und des Bundesrates mit jener in einem Landtag ist lediglich im Burgenland (Art. 25 Abs. 1 L-VG) und in Kärnten (Art. 10 K-LVG) vorgesehen. Doch auch in den anderen Bundesländern ist eine gleichzeitige Tätigkeit im Landtag und im Nationalrat oder Bundesrat nicht üblich.

Unvereinbarkeiten im Sinn des Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetzes

Während sich die Regelungen im B-VG oder in den Landesverfassungen auf Unvereinbarkeiten von Funktionen und Ämtern beziehen, enthält das Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz (Unv-Transparenz-G) Regelungen im Hinblick auf privatwirtschaftliche Tätigkeiten. Es ist dabei zwischen Unvereinbarkeits- und Transparenzregelungen zu unterscheiden. Über allfällige Unvereinbarkeiten hat der Unvereinbarkeitsausschuss des Nationalrates oder des Bundesrates zu entscheiden. Die Transparenzregelungen sollen aufzeigen, in welchen Bereichen die Mandatar:innen abgesehen von der parlamentarischen Tätigkeit aktiv sind (zu den konkreten Meldepflichten siehe gleich unten).

Unvereinbarkeiten aufgrund einzelner Bestimmungen in diversen anderen Gesetzen

Abgesehen von den zentralen Regelungen im B-VG, den Landesverfassungen und im Unv-Transparenz-G enthalten zahlreiche andere Gesetze ebenfalls einzelne Unvereinbarkeitsbestimmungen (z.B. das Datenschutzgesetz oder das Energie-Control-Gesetz). Es handelt sich dabei oft um Funktionen in Kuratorien, Vorständen, Beiräten o. Ä. , die mit einer Mitgliedschaft im Nationalrat oder Bundesrat nicht vereinbar sind.

Eine Sammlung von zentralen Unvereinbarkeits- und Transparenzbestimmungen für Mandatar:innen findet sich auch in den Verhaltensregeln und Praxisleitfaden für Parlamentarier:innen / PDF, 1 MB.

Welche konkreten Meldepflichten haben Mandatar:innen?

Das Unv-Transparenz-G (§ 6 Abs. 2) legt fest, dass Mandatar:innen innerhalb von einem Monat ab dem Eintritt in den Nationalrat oder den Bundesrat (bzw. ab der Aufnahme einer meldepflichtigen Tätigkeit) bestimmte leitende Stellungen und Tätigkeiten zu melden haben:

Leitende Stellungen in einer Aktiengesellschaft (AG), Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), Stiftung oder Sparkasse (Z 1)

Dazu zählen etwa: (stv.) Vorsitzende:r bzw. Mitglied eines Aufsichtsrates oder eines Vorstandes, Geschäftsführer:in

Bestimmte Aufsichtsratstätigkeiten dürfen zudem ausschließlich ehrenamtlich ausgeübt werden (§ 6 Abs. 3 Unv-Transparenz-G).

Sonstige Tätigkeiten, aus denen Vermögensvorteile erzielt werden (Z 2)

Es werden fünf Untergruppen unterschieden:

  • Tätigkeiten auf Grund eines Dienst- oder Beschäftigungsverhältnisses (z.B. Angestellte)
  • Tätigkeiten im selbstständigen oder freiberuflichen Rahmen (z.B. Landwirt:innen, Vortragende, Rechtsanwält:innen, Physiotherapeut:innen)
  • Tätigkeiten als in eine politische Funktion gewählte:r oder bestellte:r Amtsträger:in (z.B. Bürgermeister:innen)
  • Tätigkeiten als leitende:r Funktionär:in in einer gesetzlichen oder freiwilligen Interessensvertretung (z.B. Vorstandsmitglied der Arbeiterkammer, (Vize) Präsident:in der Wirtschaftskammer)
  • Sonstige Tätigkeiten mit Vermögensvorteilen (z.B. Aufsichtsratsmitglied in einer Genossenschaft, Beiratsmitglied bei einer Versicherung)

Leitende ehrenamtliche Tätigkeiten (Z 3)

Dazu zählen etwa leitende Vereinsfunktionen (Obmann/Obfrau, Kassier:in, Schriftführung) sowie leitende politische Funktionen (z.B. Bezirksparteiobmann/-obfrau, Mitglied des Parteipräsidiums oder Parteivorstandes) ohne Vermögensvorteil. 

Dienstverhältnisse zu Gebietskörperschaften

Weiters sind Dienstverhältnisse zu Bund, Land oder Gemeinde zu melden (§ 6a Unv-Transparenz-G). Umfasst sind sowohl Dienstverhältnisse von Beamt:innen als auch jene von Vertragsbediensteten.

Einkommenskategorie

Schließlich ist einmal jährlich, nämlich bis zum 30. Juni des Folgejahres eine Einkommenskategorie-Meldung abzugeben. Diese basiert auf den durchschnittlichen monatlichen Bruttobezügen aus den gemeldeten leitenden Stellungen und sonstigen Tätigkeiten (§ 6 Abs. 4 und 5 Unv-Transparenz-G). Der errechnete Betrag ist in eine der folgenden Kategorien einzuordnen:

  • Kategorie 1: 1 bis 1.150 Euro
  • Kategorie 2: 1.151 bis 4.000 Euro
  • Kategorie 3: 4.001 bis 8.000 Euro
  • Kategorie 4: 8.001 bis 12.000 Euro und
  • Kategorie 5: über 12.000 Euro

Details zu den Meldepflichten und zahlreiche weitere Praxisbeispiele finden sich im Leitfaden "Meldepflichten der Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates nach dem Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz". Dieser ist als Anlage zu den Verhaltensregeln und Praxisleitfaden für Parlamentarier:innen / PDF, 1 MB auf der Website des Parlaments allgemein abrufbar.

(Relatives) Berufsausübungsverbot

Mitglieder der Bundesregierung, Staatssekretär:innen, der:die Präsident:in des Nationalrates und die Obleute der Klubs im Nationalrat [u.a.] dürfen während ihrer Amtstätigkeit grundsätzlich keinen Beruf mit Erwerbsabsicht ausüben. Das bedeutet, dass sie grundsätzlich keiner (regelmäßigen) entgeltlichen Tätigkeit nachgehen dürfen (z.B. als Geschäftsführer:in eines Unternehmens oder Angestellte:r). Während der Amtstätigkeit darf eine Berufstätigkeit nur mit Genehmigung des Unvereinbarkeitsausschusses des Nationalrates begonnen werden. Leitende ehrenamtliche Tätigkeiten müssen gemeldet werden (§ 2 und § 6 Unv-Transparenz-G). 

Was passiert mit den übermittelten Meldungen?

Mandatar:innen geben ihre Meldungen gemäß Unv-Transparenz-G über die Parlaments-Personendatenbank ab. 

Veröffentlichung

Nach Übermittlung der Meldungen werden diese durch die Parlamentsdirektion zunächst formal geprüft und sind danach auf der Parlamentswebsite – bis zum Ausscheiden aus dem Nationalrat oder Bundesrat – allgemein abrufbar. Dies ist entweder über den Menüpunkt "Recherchieren" > "Personen" > "Nationalrat" bzw. "Bundesrat" bei den Einträgen der einzelnen Mandatar:innen (unter dem Punkt "Transparenz") möglich oder über eine Gesamtliste für alle Abgeordneten des Nationalrates bzw. alle Mitglieder des Bundesrates:

Gesamtliste gemäß § 9 BezBegrBVG - Nationalrat | Parlament Österreich

Gesamtliste gemäß § 9 BezBegrBVG - Bundesrat | Parlament Österreich

Die Veröffentlichungspflicht dient dem bereits oben erwähnten Transparenzgedanken. Wenige Detailinformationen werden nicht veröffentlicht, etwa die Beschreibungen der konkreten Aufgabenbereiche bei Meldungen von Beamt:innen und Vertragsbediensteten. Diese Informationen benötigt der jeweilige Unvereinbarkeitsausschuss zur Beurteilung, ob bei weiterer Ausübung der Tätigkeit eine objektive und unbeeinflusste Amtsführung sichergestellt ist (siehe dazu gleich unten).

Behandlung im Unvereinbarkeitsausschuss

Meldungen über leitende Stellungen in einer AG, GmbH, Stiftung oder Sparkasse sowie Meldungen über Dienstverhältnisse zu Bund, Land oder Gemeinde müssen vom Unvereinbarkeitsausschuss des Nationalrates bzw. jenem des Bundesrates behandelt, also geprüft werden. Dieser hat grundsätzlich innerhalb von drei Monaten einen Beschluss zu fassen.

Der Unvereinbarkeitsausschuss des Nationalrates berät zudem über die Meldungen von Mitgliedern der Bundesregierung und von Staatssekretär:innen.

Welche Möglichkeiten haben die Unvereinbarkeitsausschüsse?

Der jeweilige Unvereinbarkeitsausschuss hat folgende Möglichkeiten:

Leitende Stellungen in einer AG, GmbH, Stiftung oder Sparkasse

Die weitere Ausübung der gemeldeten leitenden Stellungen kann vom Unvereinbarkeitsausschuss des Nationalrates bzw. jenem des Bundesrates für zulässig erklärt oder untersagt, also verboten werden. Eine Untersagung der weiteren Ausübung ist in der parlamentarischen Praxis äußerst selten, da bereits im Vorfeld eine Lösung gesucht wird, wenn eine Stellung nicht mit dem Mandat vereinbar ist. Die besagte Stellung wird dann in der Regel bereits bis zur Ausschusssitzung zurückgelegt, sodass eine Untersagung nicht mehr notwendig ist. 

Dienstverhältnisse zu Bund, Land oder Gemeinde

Bei Dienstverhältnissen zu Bund, Land oder Gemeinden sind zwei Fälle zu unterscheiden:

  • Richter:innen, Staatsanwält:innen, Beamt:innen im Exekutivdienst sowie im übrigen öffentlichen Sicherheitsdienst, Beamt:innen im militärischen Dienst und Bedienstete im Finanz- oder Bodenschätzungsdienst

Diese Berufsgruppen dürfen ihren Beruf grundsätzlich nicht weiter ausüben. Der Unvereinbarkeitsausschuss kann aber im Einzelfall beschließen, dass aufgrund der konkreten Aufgaben eine weitere Ausübung der Tätigkeit zulässig ist, weil eine objektive und unbeeinflusste Amtsführung sichergestellt ist. Konkret bedeutet das, dass der Unvereinbarkeitsausschuss aufgrund einer näheren Tätigkeitsbeschreibung beurteilt, ob die Gefahr eines Interessenkonflikts besteht. So ist es in der Praxis in der Regel nicht zulässig, dass hoheitliche oder rechtsprechende Tätigkeiten ausgeübt werden. Ist eine Richterin aber etwa in der Justizverwaltung oder im Evidenzbüro eines Gerichts tätig oder ein Exekutivbeamter ausschließlich mit internen Schulungsaufgaben befasst, kann der zuständige Ausschuss zur Ansicht gelangen, dass die weitere Ausübung der Tätigkeit zulässig ist.

  • Alle anderen Bediensteten bei Bund, Land oder Gemeinde

Jene Bediensteten, die keiner der ausdrücklich im Gesetz genannten Berufsgruppen angehören, dürfen ihre Tätigkeit grundsätzlich weiter ausüben. Es wird angenommen, dass hier – sofern wiederum keine hoheitlichen Tätigkeiten ausgeübt werden (etwa das Ausstellen von Bescheiden) – in der Regel keine Interessenkonflikte bestehen. Sollte ein solcher dennoch möglich erscheinen, kann der Unvereinbarkeitsausschuss auch in diesem Fall die weitere Ausübung untersagen.

Nachfragebefugnis

Der jeweilige Unvereinbarkeitsausschuss kann Mitglieder des Nationalrates oder des Bundesrates sowie Mitglieder der Bundesregierung und Staatssekretär:innen zur Vorlage bestimmter Informationen oder Nachweise auffordern, soweit diesbezüglich eine Meldepflicht besteht (§ 7 Abs. 3 Unv-Transparenz-G). Von dieser Möglichkeit wurde seit Inkrafttreten der Bestimmung im April 2021 bislang erst einmal Gebrauch gemacht (vgl. 998/KOMM, XXVII. GP).

Was passiert, wenn sich jemand nicht an eine Entscheidung des Unvereinbarkeitsausschusses hält?

Sofern der Unvereinbarkeitsausschuss des Nationalrates oder des Bundesrates die weitere Ausübung einer Stellung oder einer Tätigkeit untersagt, ist der:die betreffende Mandatar:in darüber zu verständigen und aufzufordern, innerhalb von drei Monaten nachzuweisen, dass er:sie dem Beschluss des Ausschusses entsprochen hat (§ 7 Abs. 1 Unv-Transparenz-G).

Wird dem Beschluss des Unvereinbarkeitsausschusses nicht entsprochen, kann dieser beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Mandatsverlust stellen (§ 10 Unv-Transparenz-G). Dies war in der Praxis noch nie erforderlich.

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