Fachinfos - Judikaturauswertungen

Unwiederholbarkeit bei Minderheitsverlangen im U-Ausschuss

Ein und dasselbe Beweisverlangen kann nur einmal gestellt werden, wenn es dagegen einen Bestreitungsbeschluss gab und dieser nicht angefochten oder vom VfGH nicht aufgehoben wurde (07. Februar 2023)

VfGH 2.12.2022, UA 95/2022

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat einen Antrag von vier Abgeordneten nach Art. 138b Abs. 1 Z 3 B-VG in Teilen zurück- und in Teilen abgewiesen, weil er die Streitigkeit teilweise für beendet hielt, soweit der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss (UsA) bereits einen Mehrheitsbeschluss auf ergänzende Beweiserhebung gefasst hatte, der mit dem zugrundeliegenden Verlangen auf ergänzende Beweiserhebung deckungsgleich war. Soweit dasselbe Verlangen im UsA schon einmal gestellt worden war, der dagegen gefasste Bestreitungsbeschluss aber nicht angefochten oder vom VfGH aufgehoben worden war, hielt der VfGH den Antrag für unbegründet.

Sachverhalt

Am 15. September 2022 brachte ein Viertel der Mitglieder des UsA ein Verlangen auf ergänzende Beweisanforderung im UsA ein. Am selben Tag fasste der UsA den Beschluss, den sachlichen Zusammenhang dieses Verlangens mit dem Untersuchungsgegenstand zu bestreiten. Daraufhin stellte das Viertel der Mitglieder des UsA einen Antrag beim VfGH gemäß Art. 138b Abs. 1 Z 3 B-VG, den dieser wegen wiederholter Unterlassung der Beilage des Protokolls über die relevante Sitzung des UsA zurückwies (VfGH 5.10.2022, UA 91/2022). Am 20. Oktober 2022 wurde das Verlangen vom Viertel der Mitglieder des UsA erneut in diesem eingebracht. Es erfolgte wiederum am selben Tag ein Bestreitungsbeschluss der Mehrheit im UsA dagegen; daneben fasste der UsA allerdings auch einen Mehrheitsbeschluss auf ergänzende Beweisanforderung an die Bundesministerin für Justiz (BMJ), der in Teilen deckungsgleich mit dem bestrittenen Verlangen der Minderheit im UsA war. Gegen den am 20. Oktober 2022 gefassten Bestreitungsbeschluss der Mehrheit erhob das Viertel der Mitglieder des UsA wiederum einen Antrag gemäß Art. 138b Abs. 1 Z 3 B-VG an den VfGH.

Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs

Der VfGH wies den Antrag teilweise zurück und teilweise ab.

Die Zurückweisung erfolgte insoweit, als das dem Antrag zugrundeliegende Verlangen des Viertels der Mitglieder des UsA deckungsgleich mit dem am 20. Oktober 2022 gefassten (Mehrheits-)Beschluss des UsA auf ergänzende Beweisanforderung an die BMJ war. Die Anfechtung des Bestreitungsbeschlusses zur Gänze sei für die übereinstimmenden Teile nicht zulässig – so der VfGH –, weil die Streitigkeit beendet werde, soweit der UsA einen Beschluss fasse, der sich offenkundig der Sache nach mit dem Verlangen decke.

Die Abweisung der Anfechtung der übrigen Teile des Bestreitungsbeschlusses begründete der VfGH wie folgt:

Das bestrittene Verlangen der Minderheit im UsA stimme der Sache nach mit einem bereits am 15. September 2022 im UsA eingebrachten Verlangen der Minderheit auf ergänzende Beweisanforderungen an die BMJ überein. Ausgehend von dieser inhaltlichen Übereinstimmung erweise sich der Bestreitungsbeschluss des UsA als begründet. Es sei nämlich davon auszugehen, dass ein- und dasselbe Verlangen auf ergänzende Beweisanforderungen nicht deswegen neuerlich gestellt werden könne, weil bzw. wenn das erste Verlangen bereits rechtmäßig seitens des UsA bestritten worden sei. Für ein Verlangen, das einem nicht angefochtenen oder einem angefochtenen, aber letztlich vom VfGH nicht aufgehobenen Bestreitungsbeschluss des UsA zugrunde liegt, gelte der Grundsatz der Unwiederholbarkeit, sodass dasselbe Verlangen nicht neuerlich an den UsA herangetragen werden könne. Diese Unwiederholbarkeit werde aber nur dann bewirkt, wenn zwischen dem ersten und dem nachfolgenden (der Sache nach identen) Verlangen keine maßgeblichen Änderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Umstände eingetreten seien. Solche maßgeblichen Änderungen zwischen den beiden Verlangen habe das antragstellende Viertel im vorliegenden Fall nicht näher begründet und sie seien für den VfGH auch nicht erkennbar. Daher erweise sich der Bestreitungsbeschluss als rechtmäßig, soweit er im vorliegenden Verfahren zulässig angefochten worden sei.

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung.