Die Bundesregierung und ihre Mitglieder sind nicht nur vom Vertrauen des Bundespräsidenten sondern auch vom Vertrauen des Nationalrates abhängig. Der Nationalrat kann der gesamten Bundesregierung oder einem jeden Mitglied das Misstrauen aussprechen (Art. 74 B-VG).
Der Misstrauensantrag hat eine Entschließung zum Inhalt, mit der der Nationalrat der gesamten Bundesregierung oder einzelnen Mitgliedern das Vertrauen versagt. Ein solcher Antrag muss von fünf Abgeordneten schriftlich eingebracht werden. Das kann auch in Form eines unselbständigen Antrags im Zuge einer Plenardebatte geschehen. Er muss nicht begründet sein. Für die Abstimmung gelten besondere Beschlusserfordernisse: Die Hälfte der Mitglieder des Nationalrates (= 92 Abg.) muss anwesend sein. Für den Beschluss ist – wie sonst üblich – die unbedingte Mehrheit der Stimmen (Hälfte der Anwesenden + 1) erforderlich. Eine Stimmenthaltung ist nicht möglich. Im Unterschied zu anderen Abstimmungen im Nationalrat kann ein Fünftel der Abgeordneten (= 37 Abg.) schriftlich verlangen, dass die Abstimmung auf den zweitnächsten Werktag vertagt wird (§ 67 GOG-NR). Wenn der Nationalrat die Abstimmung noch einmal vertagen will, so geht das nur mit Beschluss (= Mehrheit).
Wenn ein Misstrauensantrag angenommen wird, muss der Bundespräsident die Bundesregierung oder das jeweilige Mitglied unverzüglich des Amts entheben, damit diese keine rechtsverbindlichen Akte mehr setzen kann.
Wenn der Nationalrat dem Bundeskanzler das Misstrauen ausspricht, ist nur dieser des Amtes zu entheben. Der Bundeskanzler hat zwar das Recht, die Mitglieder der Bundesregierung zur Ernennung oder Entlassung vorzuschlagen, er hat aber in allen anderen Belangen denselben rechtlichen Status wie die sonstigen Regierungsmitglieder. Wenn der Bundespräsident ein Mitglied der Bundesregierung des Amtes enthoben hat, muss er sofort für eine Fortführung der Amtsgeschäfte sorgen. Er hat dazu entweder einen neuen Bundeskanzler bzw. eine/n neue/n MinisterIn zu ernennen (Art. 70 B-VG) bzw. ein Mitglied der Bundesregierung mit der Fortführung des Ressorts zu betrauen (Art. 71 B-VG).
Wenn die gesamte Bundesregierung des Amtes enthoben wird, muss entweder ein neuer Bundeskanzler ernannt oder eine einstweilige Bundesregierung (Art. 71 B-VG) mit der Fortführung der Verwaltung betraut werden. Die einstweilige Bundesregierung kann nur aus Mitgliedern der scheidenden Bundesregierung sowie Staatssekretären bzw. Staatssekretärinnen oder leitenden Beamten bzw. Beamtinnen der betreffenden Bundesministerien bestehen. Auch die einstweilige Bundesregierung ist voll gegenüber dem Nationalrat verantwortlich und sie (oder einzelne ihrer Mitglieder) können Gegenstand eines Misstrauensantrags sein.