Geschäftsordnung des Nationalrates
Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975)
§ 1 [Wahlscheine und Legitimationen]
(1) Jedem Abgeordneten wird nach seiner Wahl oder nach seiner Berufung als Ersatzmann von der Bundeswahlbehörde ein Wahlschein ausgestellt, der in der Parlamentsdirektion zu hinterlegen ist.
(2) Die Parlamentsdirektion stellt jedem Abgeordneten, für den der Wahlschein hinterlegt ist, eine amtliche Legitimation mit seinem Lichtbild aus.
§ 2 [Verlust des Mandates]
(1) Ein Abgeordneter wird seines Mandates verlustig:
1. wenn er die Angelobung nicht in der im § 4 vorgeschriebenen Weise oder überhaupt nicht leistet oder sie unter Beschränkungen oder Vorbehalten leisten will;
2. wenn er durch 30 Tage den Eintritt in den Nationalrat verzögert hat oder 30 Tage ohne einen vom Nationalrat anerkannten triftigen Grund (§ 11 Abs. 4) von den Sitzungen des Nationalrates ausgeblieben ist und der nach Ablauf der 30 Tage an ihn öffentlich und im Nationalrat gerichteten Aufforderung des Präsidenten, binnen weiterer 30 Tage zu erscheinen oder seine Abwesenheit zu rechtfertigen, nicht Folge geleistet hat;
3. wenn er nach erfolgter Wahl die Wählbarkeit verliert;
4. in den Fällen der §§ 9 und 10 des Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetzes, BGBl. Nr. 330/1983.
(2) Wird einer der im Abs. 1 Z 1 und 2 vorgesehenen Fälle dem Präsidenten zur Kenntnis gebracht, so hat er dies dem Nationalrat bekanntzugeben, der mit einfacher Mehrheit über den im Art. 141 Abs. 1 B‑VG vorgesehenen Antrag beschließt. Dieser Beschluß ist durch den Hauptausschuß vorzubereiten.
(2a) Wird der in Abs. 1 Z 3 vorgesehene Fall dem Präsidenten zur Kenntnis gebracht, so hat der Präsident dies unverzüglich dem Zweiten und Dritten Präsidenten und dem Nationalrat in der nächsten Sitzung bekanntzugeben. Der Präsident hat anschließend nach Rücksprache mit den Mitgliedern der Präsidialkonferenz binnen vier Wochen einen Antrag gemäß Art. 141 Abs. 1 lit. c B-VG beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Ist der Präsident selbst betroffen, richtet sich die Vertretung nach § 15.
(2b) Kommt der Präsident seinen Verpflichtungen gemäß Abs. 2a nicht nach, so unterrichtet unverzüglich der Zweite oder Dritte Präsident den Nationalrat. Dieser beschließt mit einfacher Mehrheit binnen vier Wochen über den im Art. 141 Abs. 1 lit. c B-VG vorgesehenen Antrag. Dieser Beschluss ist durch den Hauptausschuss vorzubereiten. Der Präsident hat im Namen des Vertretungskörpers den Antrag beim Verfassungsgerichtshof einzubringen.
(2c) Fasst der Nationalrat keinen Beschluss gemäß Abs. 2b oder kommt der Präsident seiner Einbringungspflicht gemäß Abs. 2b nicht nach, kann ein Drittel der Abgeordneten einen Antrag gemäß Art. 141 Abs. 1 lit. c B-VG beim Verfassungsgerichtshof stellen.
(3) Wird ein Beschluß nach Abs. 2 vom Nationalrat gefaßt, so hat dessen Präsident den Antrag namens des Vertretungskörpers beim Verfassungsgerichtshof einzubringen.
(4) In den Fällen des Abs. 1 Z 4 finden die Vorschriften des § 10 des Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetzes, Anwendung.
(5) Nach Einlangen eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes beim Präsidenten des Nationalrates, mit dem der Verlust eines Mandates ausgesprochen wird, hat der Präsident jene Person, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ihres Mandates für verlustig erklärt worden ist, hievon zu verständigen. Der Verlust des Mandates tritt ein mit dem auf die Zustellung des diesen Ausspruch enthaltenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes an den Präsidenten des Nationalrates folgenden Tag. Der Präsident hat in der nächsten Sitzung des Nationalrates das Erkenntnis bekanntzugeben.
(6) Abs. 5 gilt sinngemäß auch für den Fall, daß der Verfassungsgerichtshof einer Wahlanfechtung stattgegeben hat, weil eine nicht wählbare Person für gewählt erklärt oder einer wählbaren Person die Wählbarkeit zu Unrecht aberkannt worden ist.
(7) Im Falle des Art. 141 Abs. 2 B‑VG verlieren die betroffenen Abgeordneten ihr Mandat erst mit dem Zeitpunkt der Hinterlegung der Wahlscheine der bei der Wiederholungswahl gewählten Abgeordneten in der Parlamentsdirektion.
(8) Auf die Verfahren gemäß Art. 141 Abs. 1 lit. e B-VG sind die Bestimmungen der Abs. 2, 3 und 5 sinngemäß anzuwenden.
(9) Richtet sich ein Verfahren gemäß Abs. 1 gegen einen der Präsidenten, darf dieser die Verhandlungen zu den betreffenden Gegenständen der Tagesordnung nicht führen. Die Vertretung des betroffenen Präsidenten richtet sich nach § 15.
(10) Verzichtet ein Abgeordneter auf die weitere Ausübung seines Mandates, so wird dieser Verzicht mit dem Einlangen der Mitteilung der Bundeswahlbehörde hierüber beim Präsidenten des Nationalrates rechtswirksam, sofern in der Verzichtserklärung nicht ein späterer Zeitpunkt angeführt ist.
§ 3 [Einberufung und Zusammentritt des neugewählten Nationalrates]
(1) Der neugewählte Nationalrat wird vom Bundespräsidenten innerhalb dreißig Tagen nach der Wahl einberufen.
(2) Der Präsident des früheren Nationalrates eröffnet die Sitzung und führt bis zur Wahl des neuen Präsidenten den Vorsitz.
(3) Er beruft vier Abgeordnete zur vorläufigen Besorgung der Geschäfte der Schriftführer.
§ 4 [Angelobung der Abgeordneten]
(1) Über Aufforderung des Vorsitzenden haben die Abgeordneten bei Namensaufruf durch die Worte "Ich gelobe" unverbrüchliche Treue der Republik, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung ihrer Pflichten zu geloben.
(2) Später eintretende Abgeordnete leisten die Angelobung bei ihrem Eintritt.
§ 5 [Wahl der Präsidenten, Schriftführer und Ordner]
§ 6 [Dauer des Amtes der Präsidenten und des Hauptausschusses; Verhinderung der gewählten Präsidenten]
(1) Die Präsidenten und der Hauptausschuss, an Stelle des letzteren im Falle der Auflösung des Nationalrates gemäß Art. 29 Abs. 1 B-VG der Ständige Unterausschuss des Hauptausschusses, bleiben im Amte, bis der neugewählte Nationalrat die Präsidenten und den Hauptausschuss neu gewählt hat.
(2) Wenn die gewählten Präsidenten an der Ausübung ihres Amtes verhindert oder ihre Ämter erledigt sind, führt der an Jahren älteste am Sitz des Nationalrates anwesende Abgeordnete den Vorsitz, sofern er an der Ausübung seiner Funktionen nicht gehindert ist und einer Partei angehört, die im Zeitpunkt der Verhinderung der Gewählten beziehungsweise der Erledigung der Ämter im Präsidium des Nationalrates vertreten war; dieser Abgeordnete hat den Nationalrat sofort einzuberufen und nach Eröffnung der Sitzung die Wahl von drei Vorsitzenden, welche die Funktionen der verhinderten Präsidenten übernehmen, oder im Falle der Erledigung der Ämter die Wahl des Präsidenten vornehmen zu lassen.
(3) Wenn er dieser Pflicht binnen acht Tagen, vom Eintritt der Verhinderung der Präsidenten beziehungsweise der Erledigung der Ämter an gerechnet, nicht nachkommt, gehen die vorher genannten Rechte an den nächsten jeweils ältesten Abgeordneten über, bei dem die vorstehend angeführten Voraussetzungen zutreffen.
(4) Die so gewählten Vorsitzenden bleiben im Amt, bis mindestens einer der an der Ausübung ihrer Funktionen verhinderten Präsidenten sein Amt wieder ausüben kann.
§ 7 [Bildung von Klubs]
(1) Abgeordnete derselben wahlwerbenden Partei haben zu Beginn einer Gesetzgebungsperiode, spätestens jedoch einen Monat vom Tag des ersten Zusammentrittes des Nationalrates an gerechnet, das Recht, sich in einem - einzigen - Klub zusammenzuschließen. Wird von Abgeordneten einer wahlwerbenden Partei dem Präsidenten mehr als ein Zusammenschluss mitgeteilt, so ist die zahlenmäßig größere Gruppe von Abgeordneten als Klub anzuerkennen. Bei gleicher Personenzahl ist jene Gruppe von Abgeordneten als Klub anzuerkennen, der der Listenerste des jeweiligen Bundeswahlvorschlages angehört.
(2) Abgeordnete, die nicht derselben wahlwerbenden Partei angehören, können sich zu Beginn einer Gesetzgebungsperiode, spätestens jedoch einen Monat vom Tag des ersten Zusammentrittes des Nationalrates an gerechnet, nur mit Zustimmung des Nationalrates in einem Klub zusammenschließen.
(3) Für den Zusammenschluss zu einem Klub und den Bestand eines Klubs ist die Zahl von mindestens fünf Mitgliedern erforderlich.
(4) Die Ergebnisse der Konstituierung eines Klubs sowie Veränderungen derselben sind dem Präsidenten unverzüglich schriftlich mitzuteilen.
§ 7a [Datenschutzbeauftragte]
Die parlamentarischen Klubs machen dem Präsidenten je einen Datenschutzbeauftragten namhaft; diese gelten damit für die Dauer der jeweiligen Gesetzgebungsperiode als zu gemeinsamen Datenschutzbeauftragten des Nationalrates und des Bundesrates gewählt.
§ 8 [Präsidialkonferenz]
(1) Die Präsidenten und die Obmänner der Klubs bilden die Präsidialkonferenz. Die Obmänner der Klubs können sich vertreten lassen.
(2) Die Präsidialkonferenz ist ein beratendes Organ. Sie erstattet insbesondere Vorschläge zur Durchführung der Arbeitspläne, zur Festlegung der Tagesordnungen und der Sitzungszeiten des Nationalrates, zur Zuweisung von Vorlagen an die Ausschüsse und zur Koordinierung der Sitzungszeiten derselben sowie bezüglich der Wahrnehmung internationaler parlamentarischer Beziehungen.
(3) Jedenfalls der vorherigen Beratung in der Präsidialkonferenz bedürfen:
1. die Erlassung der Hausordnung (§ 14 Abs. 1),
2. die Anwendung des Shapley‘schen Verfahrens (§ 32 Abs. 2),
3. die Erstellung einer Liste von Personen zur Wahl des Verfahrensrichters, des Verfahrensanwalts bzw. deren Stellvertreter gemäß § 7 Abs. 1 der Anlage 1: "Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse" (VO-UA),
4. die Vorschläge an den Geschäftsordnungsausschuss zur Wahl des Verfahrensrichters, des Verfahrensanwalts bzw. deren Stellvertreter gemäß § 7 Abs. 2 VO-UA.
5. die Erstellung einer Liste von Personen gemäß § 31g Abs. 1.
(4) Ebenso bedürfen die Verfügungen des Präsidenten hinsichtlich
1. der Liste der Abgeordneten (§ 14 Abs. 7),
2. der Anzahl der Verlangen gemäß § 28b Abs. 4, § 31c Abs. 13 und § 41a Abs. 1,
3. der Redezeitbeschränkung (§ 57 Abs. 2 Z 2 und Abs. 3),
4. der Redeordnung (§ 60 Abs. 8),
5. des Zeitpunktes der Debatte gemäß § 81 Abs. 2,
6. des Entfalls der Fragestunde (§ 94 Abs. 4),
7. der Entscheidungen gemäß § 6 Abs. 2, § 10 Abs. 1 und 3 sowie § 13 Abs. 1 Z 6 und Abs. 2 Z 2 des Bundesgesetzes über die Informationsordnung des Nationalrates und des Bundesrates (Informationsordnungsgesetz – InfOG), BGBl. I Nr. 102/2014,
8. der Regelungen gemäß der §§ 26 und 27 InfOG
der vorherigen Beratung in der Präsidialkonferenz.