Wichtige Elemente in der Entwicklung moderner Demokratien sind die Abschaffung von Zensur, der freie Zugang zu Informationen und das Recht auf freie Meinungsäußerung. Diese Rechte wurden im Bewusstsein garantiert, dass demokratische Institutionen und Debatten wahrhaftig und damit verlässlich geführt werden sollen. Parlamente wurden daher schon im 19. Jahrhundert als Wissensinstitutionen verstanden und werden als solche heute wiederentdeckt (Rizzoni 2024). Öffentliche Debatten müssen auf der Grundlage stattfinden, dass es als wahr anzusehende Zusammenhänge und richtige Überzeugungen geben kann. Wenn das nicht der Fall ist, können sie sinnlos und beliebig werden (Zürn 2023).
Daraus ergeben sich drei zentrale Diskussionspunkte:
- Die Digitalisierung des Alltags und deren Dominanz durch große kommerzielle Plattformen hat dazu geführt, dass jene, die Daten über menschliches Verhalten sammeln können, über große Macht verfügen. Die Auswertung und Nutzung dieser Daten ermöglicht es ihnen, Verhalten zu steuern und Handlungsautonomie einzuschränken (Zuboff 2019).
- Generative KI-Systeme ermöglichen die Imitation von Stimmen und Bildern (Deepfakes) und die massenhafte Produktion von Texten. Sie können Handeln und Meinungsäußerungen von Menschen vortäuschen und damit die Verlässlichkeit im Umgang miteinander untergraben (ITA-AIT 2022a / PDF, 189 KB).
- Der Umgang mit Digitalisierung setzt voraus, dass die dahinterstehenden Technologien in ihrer Funktion und in ihren Auswirkungen verstanden werden können. Eine davon ist, dass Digitalisierung den Zugang zu und das Angebot von Wissen verändert. Datensammlung und -auswertung kann zu erheblichen Verzerrungen führen, z. B. wenn Informationen in anderen Sprachen als Englisch unterdrückt werden oder Vorurteile gegenüber Geschlecht, Herkunft oder Religion in Analysen einfließen (Risse 2023).
In wissenschaftlichen Debatten nimmt die Aufmerksamkeit für epistemische Fragen zu. Das sind Fragen, die sich auf die Wissensgrundlagen menschlichen Handelns beziehen. Sie betreffen das Wissen über sich selbst, über andere und über das Zusammenleben. Damit Menschen in Freiheit ihr (Zusammen-)Leben gestalten können, wird gefordert, dass ihre Rechte als "epistemische Subjekte" geschützt werden. Das heißt, dass sie Zugang zum Lernen und zu verlässlichem Wissen haben, dass es klare Regeln über den Zugang zu Wissen über sie selbst gibt und dass Wissen für alle in gleicher Weise zugänglich bleibt (Risse 2023).