Im Regierungsprogramm 2020-24 wird im Bereich Pflege das Ziel formuliert, Palliativpflege und Hospiz in die Regelfinanzierung zu überführen und bei der Entwicklung einer Pflegeversicherung zu berücksichtigen. Am selben Tag, an dem der VfGH seine Entscheidung zu § 78 Strafgesetzbuch verkündete (siehe oben), nahm der Nationalrat einstimmig eine Entschließung an, mit der die Bundesregierung aufgefordert wird, ihr selbst formuliertes Ziel möglichst rasch umzusetzen.
Nach der Entscheidung des VfGH zum assistierten Suizid richtete das Bundesministerium für Justiz (BMJ) ein Dialogforum Sterbehilfe ein, um eine Neuregelung vorzubereiten. Neben Vertretern und Vertreterinnen des Bundesministeriums Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) und des Bundeskanzleramts (BKA) sowie Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, von denen der Großteil der Bioethikkommission angehörte, nahmen daran Organisationen aus dem Bereich Hospiz und Suizidprävention sowie VertreterInnen von Religionsgemeinschaften, Berufsvertretungen und Interessenvertretungen (von Menschen mit Behinderungen, Senioren und Seniorinnen und Patienten und Patientinnen) teil. Das Dialogforum veröffentlichte am 28. Juni 2021 einen Schlussbericht, in dem die diskutierten Fragen zusammengefasst werden. Im Zentrum standen demnach folgende Fragen:
- Wie kann die Verfügbarkeit von Palliativ- und Hospizversorgung ausgebaut werden? Diesbezüglich gab es einen breiten Konsens, demzufolge eine organisatorisch und strukturell gut ausgebaute Palliativ- und Hospizversorgung den Wunsch nach frühzeitiger Beendigung des Lebens reduzieren würde.
- Wie und von wem kann der freie selbstbestimmte Wille sichergestellt werden?
- Soll Sterbehilfe auf bestimmte Personengruppen beschränkt werden? Wenn Ja, wie kann der Zugang eingeschränkt werden, ohne den freien Willen des/der Einzelnen damit zu beschränken? Einzelne TeilnehmerInnen hielten eine Beschränkung grundsätzlich nicht mit der Entscheidung des VfGH vereinbar. Die meisten Stimmen plädierten für Entscheidungsfähigkeit sowie Volljährigkeit als Mindestvoraussetzung.
- Wie kann der Prozess der Sterbehilfe strukturiert werden?
- Wer soll Sterbehilfe leisten dürfen?
- In welcher Form soll/muss es Beratungsangebote geben?
Im Anschluss an die Zusammenfassung der erörterten Fragen und Positionen stellt der Bericht ergänzende Stellungnahmen der TeilnehmerInnen sowie von Privatpersonen, Organisationen und Einrichtungen zusammenfassend dar. Das zuständige BMJ hält dezidiert fest, dass der Bericht keine Empfehlungen für eine Neuregelung enthält, sondern dafür gedacht ist, „einen Überblick des Meinungsbildes zu verschaffen und als Grundlage für weitere Schritte in Umsetzung des VfGH-Erkenntnisses (G 139/2019-71) zu dienen.“