Es gibt keine gesetzliche Regelung des vorparlamentarischen Begutachtungsverfahrens auf Bundesebene (siehe Ausführungen zur seit 1999 in Kraft befindlichen Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus). Nur einzelne Bundesgesetze sehen vor, dass Gesetzentwürfe vor ihrer Einbringung in den Nationalrat bestimmten Institutionen – vor allem Kammern – zur Begutachtung vorzulegen sind. Beispiele sind etwa
§ 10 Wirtschaftskammergesetz: "(1) Gesetzentwürfe sind vor ihrer Einbringung in die gesetzgebende Körperschaft den jeweils zuständigen Kammern unter Einräumung einer angemessenen Frist zur Begutachtung zu übermitteln. [...]“
oder
§ 93 Arbeiterkammergesetz: "(2) Entwürfe von Gesetzen sind vor ihrer Einbringung in die jeweilige gesetzgebende Körperschaft der zuständigen Arbeiterkammer, wenn sie jedoch den Zuständigkeitsbereich einer Arbeiterkammer überschreiten, der Bundesarbeitskammer zur Stellungnahme, beziehungsweise Begutachtung, zu übermitteln. [...]“
Auch Standesvertretungen von freien Berufen werden für Entwürfe, die ihre Interessen berühren, auf gesetzlicher Ebene Begutachtungsrechte eingeräumt, etwa im Ärztegesetz (§§ 66c und 117e), in der Rechtsanwaltsordnung (§§ 28 und 36), der Notariatsordnung (§ 140a), dem Apothekerkammergesetz (§ 3) oder dem Tierärztekammergesetz (§ 3).
Begutachtungsrechte für Gesetzentwürfe, die die jeweiligen Interessen berühren, enthalten darüber hinaus auch so unterschiedliche Gesetze wie beispielsweise das Bundesgesetz vom 18. Juli 1924 betreffend das Verhältnis der land- und forstwirtschaftlichen Hauptkörperschaften zu den Bundesbehörden (§ 1), das Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz (§ 4), das Bundesgesetz vom 6. Juli 1961 über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche (§ 14), das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (§ 23, Begutachtungsrecht der Gleichbehandlungskommission), das Mediengesetz (§ 52, Begutachtungsrecht der kollektivvertragsfähigen Körperschaften der im Medienwesen tätigen Arbeitnehmer und Arbeitgeber) und das Kraftfahrgesetz (§ 130, Begutachtungsrecht des Kraftfahrbeirats).
Angemerkt sei dazu einerseits, dass in den gesetzlichen Bestimmungen jeweils generell von Gesetzesentwürfen (aber auch Verordnungsentwürfen) bzw. "Entwürfen von Gesetzen" die Rede ist. In der Praxis werden aber nur Gesetzentwürfe, die dem Nationalrat in der Folge von der Bundesregierung vorgelegt werden, zur vorparlamentarischen Begutachtung ausgesandt. Gesetzesanträge von Abgeordneten zum Nationalrat (Initiativanträge) oder Gesetzesanträge des Bundesrates werden nur in Ausnahmefällen in Begutachtung geschickt, allerdings erst nach ihrer Einbringung in den Nationalrat (siehe dazu die Ausführungen zum Thema Ausschussbegutachtung), bzw. seit August 2021 sind sie ja Gegenstand des parlamentarischen Begutachtungsverfahrens aufgrund von § 23b GOG-NR.