Stellungnahme zu Bürgerinitiative
Stellungnahme zu der Bürgerinitiative betreffend "Gemeinsam denken – Kindern helfen!" (67/BI)
Bei den Stellungnahmen handelt es sich nicht um die Meinung der Parlamentsdirektion, sondern um jene der einbringenden Person bzw. Institution. Mehr Informationen finden Sie in den Nutzungsbedingungen.
Inhalt
Sehr geehrte Damen und Herren
Schon seit Jahren kämpfen wir Eltern für die Einrichtung Kids Chance. Es fehlt es unserer Meinung nach an Verständnis für das, was beeinträchtigte Kinder (und ihre Familien) an stationärer Fördertherapie brauchen. Das zeigt sich schon daran, dass wir bei den Kassen um Rehabilitation ansuchen müssen, obwohl schon der Begriff für behinderte Kinder gar nicht zutreffend ist. Rehabilitation heißt doch, dass etwas wieder hergestellt wird, was mal vorhanden war und z.B. durch Unfall oder Krankheit abhanden gekommen ist. Dem ist bei unseren Kindern aber nicht so. Sie müssen sich in oft kleinsten Schritten Fähigkeiten erarbeiten, die sie noch nie hatten und oft auch nicht in vollem Ausmaß erlangen werden. Sie brauchen Habilitation und keine Rehabilitation. Ein Zentrum, das genau dies erfolgreich anbietet, ist die Kids Chance in Bad Radkersburg – und genau dieses Zentrum hat keinen Vertrag mit den Krankenkassen bekommen. Auch Kinder, die schon jahrelang dort bestens betreut und gefördert wurden, haben seit 2020 keine Chance mehr für diese Einrichtung eine Bewilligung zu bekommen.
Einzigartig an dem Programm der Kids Chance ist, dass mit den Kindern neben dem üblichen Trainingsprogramm und Einzeltherapien ganz viel an ihrer Selbständigkeit gearbeitet wird. Sie werden fit für den Alltag gemacht, üben täglich Nützliches für ein selbstbestimmtes Leben: Anziehen, Körperhygiene, Essen etc. Außerdem wird viel in einer Gruppe mit ähnlich gelagerten Kindern gearbeitet, was für die Kinder von besonderer Qualität ist. Wer hat zuhause im näheren Umkreis schon mehrere Kinder im Rollstuhl oder mit Bewegungsstörung, von denen man sich etwas abschauen, mit denen man sich austauschen kann, die einen motivieren?
Auch an die Eltern und Geschwister wird in der Kids Chance gedacht: der Aufenthalt dauert „nur“ 14 Tage und ist somit für berufstätige Eltern, schulpflichtige beeinträchtigte Kinder und auch für Geschwisterkinder machbar und emotional wie auch sozial bewältigbar. Überall sonst werden nur 4 Wochen am Stück bewilligt, was für viele Familien einfach nicht zu schaffen ist. Immerhin ist es nicht ein „once in a lifetime“ Aufenthalt nach einem Unfall oder einer Krankheit, sondern ein Konzept, das Jahr für Jahr, lebenslang für alle Beteiligten funktionieren muss.
Zudem glauben wir (und wir erfahren es ja auch), dass es bei unseren Kindern eben nicht stimmt, dass nur 4 Wochen am Stück Erfolge bringen. Unsere Kinder brauchen kürzere, intensive Aufenthalte und diese dafür in kleineren Abständen. Nur so kann auf die Entwicklung (Wachstum, Motivation, körperliche und mentale Veränderungen…) gut eingegangen werden und das Training entsprechend angepasst werden. Die Ärzte, die unsere Kinder seit Geburt betreuen, bestätigen die Erfolge von Bad Radkersburg und weisen auch explizit in diese Einrichtung zu. Leider werden die Empfehlungen nicht beherzigt – über die Zuweisung entscheidet der chefärztliche Dienst der Krankenkassen, der unsere Kinder nie gesehen hat.
Es kommt hinzu, dass die in der Kids Chance einzigartige Gruppentherapie nicht nur dem Kind gut tut, sondern dem begleitenden Elternteil auch etwas Luft verschafft. Um selber Sport zu machen, sich behandeln zu lassen oder auch mal einfach nichts zu tun. Nur Eltern, die bei Kräften bleiben, können ihre Kinder gut unterstützen. Und Eltern von beeinträchtigten Kindern haben viel kräftezehrendes zu bewältigen.
Fast alle Tipps, die das Bundesamt für Soziales in ihrer Publikation „Elternbriefe für Eltern von Kindern mit Behinderung“ veröffentlicht hat, berücksichtigt das Konzept der Kids Chance in Bad Radkersburg. Und trotzdem dürfen wir dort nicht mehr hinfahren. In den Vertragshäusern besteht man auf 4 Wochen am Stück (was Arbeitgeber nicht lustig finden, die zu therapierenden Kinder zu lange aus ihrem schulischen/ sozialen Umfeld reißt und für die Geschwisterkinder, die ohnehin oft zurückstecken müssen, und das Familienleben mehr als schwierig ist). Die Kinder haben dort zudem verhältnismässig wenig Therapie pro Tag (sonst würden sie 4 Wochen nämlich gar nicht durchstehen) – in unserem Fall würde sich der Aufenthalt therapeutisch dort gar nicht massgeblich von dem unterscheiden, was wir unserem Sohn zuhause ohnehin an Therapien zukommen lassen. Und das sollte es – sonst macht es keinen Sinn in ein Therapiezentrum zu fahren. Das Soziale, was letztendlich für die Integration der Kinder in ihrer Zukunft essentiell ist, wird in den Vertragshäusern nicht trainiert, da ausschließlich Einzeltherapien angelegt sind.
Es geht uns keineswegs darum, die anderen Zentren, für die wir eine Bewilligung bekämen, schlecht zu machen. Wir sind überzeugt, dass dort gute Arbeit gemacht wird. Wenn es z.B. um Ortho-Reha, um Long Covid, um Essstörungen, um psychische Erkrankungen etc geht. Wir wünschen uns nur, dass ein fortschrittliches, gut funktionierendes, ganzheitliches Therapiekonzept AUCH in Anspruch genommen werden darf. Nicht nur von Patienten aus dem Bundesland Steiermark (wo die Bewilligung über das Land und nicht über die Kassen läuft) oder von Selbstzahlern…. Es erschüttert uns, dass viele Kinder momentan um die so wichtige Therapie gebracht werden. Das, was bewilligt wird, passt vom Therapiekonzept und von der Lebbarkeit oft nicht und wird deshalb dann auch nicht in Anspruch genommen. Das, was aber nachweisbar schon Erfolge gebracht hat, darf nicht mehr sein…
Wir haben gemeinsam mit anderen Eltern vieles versucht, um die Krankenkassen dazu zu bewegen auch Radkersburg wieder in den Katalog aufzunehmen: den Kassen selbst und ihren Ombudsstellen, der Patientenanwaltschaft, dem Behindertenanwalt des Bundes, der Volksanwaltschaft, Herrn Vizekanzler Kogler – allen liegt das Thema vor. Auch in der Presse war es immer wieder (OE 1, NÖ heute, Kronenzeitung, Puls 24 und Puls 4).
Ganz persönlich haben wir uns gezwungen gesehen eine Klage gegen die Kasse, bei der wir versichert sind, einzureichen. Nicht, weil wir gerne streiten oder Zeit und Geld nicht gerne anderweitig nutzen würden, sondern, weil alle anderen Versuche nichts bewirkt haben… Von der vom Gericht bestellten Gutachterin wurde uns Recht darin gegeben, dass das, was bewilligt wird, für unseren Sohn nicht geeignet ist. Das Urteil steht noch aus.
Abschliessend noch folgendes: Wir fordern nichts, was einem unrealistischen Wunschdenken entspricht – für uns muss nichts neu kreiert oder geschaffen werden. Das, was wir brauchen, gibt es: die Kids Chance. Es muss nur für alle möglich sein dorthin fahren zu dürfen.
Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und Bemühungen,
Anja und Emmerich H. Knoll
Hier ein Video über die Kids Chance und unseren Sohn:
https://youtu.be/Yz4GX4ZxpwI
Und ein Text, der veranschaulicht, was wir in der Kids Chance gefunden haben:
https://radkersburgerhof.at/unser-winzerkoenig-emmerich/