Stellungnahme
Stellungnahme betreffend den Antrag 4125/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Justizbetreuungsagentur-Gesetz und das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 geändert werden (Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2024)
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Inhalt
Stellungnahme von RECHTSANWALT DR. ADRIAN HOLLAENDER zum Gesetzesentwurf "Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2024" betreffend die österreichische Strafprozessordnung und andere Bundesgesetze insbesondere im Hinblick auf die Neuregelung der Sicherstellung und Datenauswertung von Mobiltelefonen und anderen elektronischen Geräten (4125/A, Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Justizbetreuungsagentur-Gesetz und das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 geändert werden - Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2024):
1.) Gegenstand des Gesetzesentwurfs:
Laut dem vorliegenden Entwurf darf die Staatsanwaltschaft die Beschlagnahme von Mobiltelefonen, sogenannten Smartphones und anderen elektronischen Geräten künftig nur noch auf Grundlage einer gerichtlichen Bewilligung anordnen. Der vorliegende Gesetzesentwurf sieht überdies vor, dass bereits vorab festgelegt werden muss, welche Art von Daten und Inhalten für die Ermittlungen benötigt werden, und dass auch der betroffene Zeitraum schon vorab anzugeben ist. Bei Gefahr im Verzug hingegen ist eine vorläufige Sicherstellung des Datenträgers durch die Kriminalpolizei möglich, wobei es für einen Datenzugriff auch in solchen Fällen einer gerichtlichen Bewilligung bedarf. Des weiteren ist nach dem vorliegenden Entwurf die Staatsanwaltschaft verpflichtet, eine richterliche Genehmigung einzuholen, wenn neue Verdachtsmomente aufkommen und weitere Daten ausgewertet werden sollen. Zudem soll laut dem Entwurf den Personen, deren Datenträger und Daten beschlagnahmt wurden, ermöglicht werden, die Ergebnisse der Datenaufbereitung einzusehen und ergänzende Auswertungen zu veranlassen sowie zu beantragen, dass Daten aus dem Ergebnis der Datenaufbereitung vernichtet werden, wenn sie keine Beweismittel darstellen. Ohne richterliche Bewilligung soll hingegen die Sicherstellung von Daten möglich sein, die mittels Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten an öffentlichen oder öffentlich zugänglichen Orten aufgenommen wurden. Ebenso werden mit dem Gesetzentwurf Regelungen für die Beschlagnahme von Daten, die in anderen Speicherorten als einem Datenträger gespeichert sind – zum Beispiel Cloud-Services oder Server – getroffen.
2.) Juristische Bewertung:
Grundsätzlich ist die Neuregelung, dass die Staatsanwaltschaft die Beschlagnahme von Handys und anderer elektronischer Geräte künftig nur noch auf Grundlage einer gerichtlichen Bewilligung anordnen darf, zu begrüßen, da den Anforderungen der EMKR und des DSG nur durch das Bestehen einer vorherigen richterlichen Genehmigung hinreichend Rechnung getragen wird, zumal als Voraussetzung für die Verhältnismäßigkeit und damit die Zulässigkeit eines Eingriffes in das Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 DSG und in das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK die Erfüllung der Forderung ist, dass die Schwere des konkreten Eingriffes nicht das Gewicht und die Bedeutung der mit dem Eingriff verfolgten Ziele übersteigen darf, wobei im Hinblick auf besonders schutzwürdige Daten § 1 Abs 2 zweiter Satz DSG als weitere Eingriffsschranke normiert, dass die Verwendung solcher Daten nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorgesehen werden darf und dass das jeweilige Gesetz angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen muss. Angesichts dessen ist eine Neuregelung dahingehend, dass die Staatsanwaltschaft die Beschlagnahme von Handys und anderer elektronischer Geräte künftig nur noch auf Grundlage einer gerichtlichen Bewilligung anordnen darf, insbesondere vor dem Hintergrund des Urteils des Verfassungsgerichtshofes zu G 352/2021 (G 352/2021-46 vom 14.12.2023) unumgänglich.
Meines Erachtens besteht für den Gesetzgeber nunmehr der Handlungsauftrag zur Ausarbeitung einer Neuregelung, die für die Sicherstellung von Mobiltelefonen und die Auswertung von deren Inhalten erstens in formeller Hinsicht eine vorherige richterliche Genehmigung erfordert, zweitens in materieller Hinsicht genau festlegt, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen eine Sicherstellung zu genehmigen ist und vor allem auch, was Gegenstand der Auswertung sein darf und was nicht (wodurch der Schutz der Privatsphäre zu stärken wäre und im Übrigen auch die Verwertbarkeit von sogenannten Zufallsfunden in bestimmten Fällen begrenzt oder gar ausgeschlossen werden könnte, um „fishing expeditions“ hintanzuhalten). Drittens wird der Regelung des Rechtsschutzes (sowohl begleitend im Ermittlungsverfahren als auch nachfolgend im Hauptverfahren) Augenmerk zu schenken sein. Unter diesen zentralen Gesichtspunkten obliegt es nun dem Gesetzgeber, eine den verfassungsrechtlichen Vorgaben vollinhaltlich Rechnung tragende und zugleich funktionsfähige Regelung zu schaffen.
Der vorliegende Entwurf wird diesen Anforderungen leider (noch) nicht vollständig gerecht und bedürfte daher einer Überarbeitung, wobei ich dazu auf meine Glosse zur Entscheidung des VfGH zu G 352/2021 (G 352/2021-46 vom 14.12.2023) im Journal für Strafrecht 2024/Heft 1, S. 69 ff, mit rechtsdogmatischen Anmerkungen zum Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen in der StPO zur Sicherstellung von Mobiltelefonen verweise. Außerdem ist im Übrigen auch der von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen den Entwurf erhobene Einwand, dass eine bei der Polizei vorzusehende Trennung der Organisationseinheiten von Forensikern und Ermittlern einen großen personeller Mehrbedarf schafft, ebenso zutreffend wie der Einwand des Obersten Gerichtshofs, dass der Ausschluss der Staatsanwaltschaft von der Aufbereitung der sichergestellten Daten ihrer Leitungsfunktion als domina litis widerspricht und ihr Zugriffs-, Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten entzogen werden, hat doch die Staatsanwaltschaft nach dem System der sogenannten neuen Strafprozessordnung grundsätzlich das Recht, sich an allen Ermittlungen der Kriminalpolizei zu beteiligen und auch selbst Ermittlungen durchzuführen. Dies wäre ebenfalls im Zuge einer vertiefenden Überarbeitung des Gesetzesentwurfs zu berücksichtigen.
Abschließend ist der Vollständigkeit halber noch anzumerken, dass in der gegenständlichen Stellungnahme nicht auf die übrigen Neuerungen im Entwurf 4125/A eingegangen wird, da die Stellungnahme auf die Neuregelung der Sicherstellung und Datenauswertung von Mobiltelefonen und anderen elektronischen Geräten fokussiert ist.
MAG. DR. IUR. ADRIAN EUGEN H O L L A E N D E R
Rechtsanwalt (Wien, Österreich)
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