Sterbeverfügungsgesetz; Suchtmittelgesetz, Strafgesetzbuch, Änderung (125/SN-150/ME)

Stellungnahme zu Ministerialentwurf

Stellungnahme zu dem Ministerialentwurf betreffend Bundesgesetz, mit dem ein Sterbeverfügungsgesetz erlassen und das Suchtmittelgesetz sowie das Strafgesetzbuch geändert werden

Bei den Stellungnahmen handelt es sich nicht um die Meinung der Parlaments­direktion, sondern um jene der einbringenden Person bzw. Institution. Mehr Informationen finden Sie in den Nutzungsbedingungen.

Inhalt

Alter Orden vom St. Georg peter.stolberg@chello.at
c/o Stolberg-Stolberg
Frankenberggasse 13
1040 Wien

Wien, am 12. November 2021

Betreff: Stellungnahme zum Sterbeverfügungsgesetz

I. Im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11.12.2020 (G 139/2019-71), legte das Bundesministerium für Justiz mit dem Entwurf des Bundesgesetzes über die Errichtung von Sterbeverfügungen (Sterbeverfügungsgesetz – StVfG), mit dem die Voraussetzungen und die Wirksamkeit von Sterbeverfügungen zum Nachweis eines dauerhaften, freien und selbstbestimmten Entschlusses zur Selbsttötung geregelt werden sollen, vor. Diesbezüglich erlaubt sich der im 14. und 15. Jahrhundert von den vier römischen Kaiser aus dem Hause Luxemburg gegründete Alte Orden vom St. Georg sowie der Ordensgouverneur, Prinz Gundakar von und zu Liechtenstein nachstehende Stellungnahme, insbesondere zu § 8 (Errichtung der Sterbeverfügung) in vollem Respekt vor dem einschlägigen Erkenntnis des VfGH abzugeben:

II. Zu den Bestimmungen des Sterbeverfügungsgesetz bestehend folgende Bedenken:

Das Sterbeverfügungsgesetz behandelt die Voraussetzungen für eine wirksame Errichtung einer Sterbeverfügung.

Zusammenfassend ist eine missbräuchliche Anwendung der Beihilfe zum Suizid durch die relativ kurze Überlegungsfrist sowie die Möglichkeit der Auswahl von befangenen Ärzten, die im Interesse potentieller Erben hoher Vermögen handeln und der Fehlinterpretation des häufig von Depressiven und Kranken geäußerten – letztlich nicht ernstlich gemeinten Wunsches, sterben zu wollen, nicht völlig ausgeschlossen. Es muss bei einer derart weitreichenden gesellschaftlichen Neuausrichtung des Sterbens jedenfalls davon ausgegangen werden, dass bestimmte vulnerable Personengruppen in eine Art der fatalen Entscheidungs¬notlage hineingedrängt werden. Der Druck von Personengruppen, die insbesondere wegen schwerwiegender dauerhafter Funktionseinschränkungen und damit verbundenen Beeinträch-ti¬gungen bei der Führung eines selbstbestimmten Lebens auf Hilfe angewiesen sind, ist nicht von der Hand zu weisen. Weiters ist zu befürchten, dass auch andere über die Sterbehilfe hinausgehende gesetzliche Bestimmungen geschaffen oder weiterentwickelt werden.

Es sind schlussendlich wegen des besonderen Eingriffs in das Recht auf Leben rechtliche Grund¬lagen zu schaffen, die die freie Selbstbestimmung ermöglichen:

Persönliche Assistenz und andere personelle menschenrechtsbasierte Unterstützungsangebote, Zugang zu Hilfs- und Heilmitteln unabhängig von sozialem und sozialversicherungs¬recht-lichem Status, sowie barrierefreie medizinische Versorgung.

Dringlich unbeeinflusste medizinische Beurteilung unabhängiger und letztlich in objektivem Verfahren bestimmter, ohne Interessenskonflikt (wie der Bekanntschaft mit Erben und sonst letztwillig Begünstigten) ausgewählter Ärzte und einer zwingenden zweiten Meinung anderer Ärzte, die jede Einflussnahme von Erben und Begünstigten ausschließt

Zweijährige Überlegungsfrist und zwingend zweijährige palliativ-medizinische Versorgung vor dem Suizid.
Zeitliche Nähe der Ärztlichen Bestätigung (Verfallsfirst ein Monat)

Nachstehende Grundlagen sind komplementär zum Sterbeverfügungsgesetz sicherzustellen.


1. Ad § 8: Die Errichtung der Sterbeverfügung ist im Strafgesetzbuch keine Voraussetzung für die Straffreiheit der Beihilfe zum Suizid. Um Straffreiheit zu erlangen, würde es demnach genügen, dass die sterbewillige Person mit einer ärztlichen Aufklärung, welche zeitlich möglicherweise schon länger zurückliegt, die Beihilfe zum Suizid durchführt. Bedenkfrist, klarer Nachweis des Willens, fortgeschrittenes Stadium, sowie die Erstellung einer Sterbeverfügung sind nicht notwendig und der missbräuchlichen Anwendung der Suizidbeihilfe wären damit Tür und Tor geöffnet. Daher ist zwingend zu regeln, dass die Beihilfe zum Suizid bei Nichteinhaltung der Regelungen des StVfG ein Strafdelikt im StGB darstellt. Eine lex imperfecta wäre ein nicht gerechtfertigter Grundrechtseingriff

2. Ad § 6, § 8: Dauerhaftigkeit des Entschlusses zur Selbsttötung.

In § 6 Abs.3 werden zwei Lebenssituationen unterschieden, die der Errichtung einer Sterbeverfügung zugrunde liegen müssen:

(1) eine unheilbare zum Tode führende Krankheit.
(2) schwere dauerhafte Krankheit mit anhaltenden Symptomen, welche die gesamte Lebensführung beeinträchtigen. (hier müsste eine unerträgliche Lebensbeeinträchtigung normiert werden, sonst wäre jeder Alzheimerpatient oder Patient mit Gichtbeschwerden ein Todeskandidat!

§ 8 regelt die Errichtung der Sterbeverfügung aber nur für den Fall einer zum Tode führenden Erkrankung, bei der die terminale Phase eingetreten ist.

Es gibt keine Regelung zur Errichtung einer Sterbeverfügung für den unter § 6 Abs.3 Zif.2 beschriebenen Lebenssituation. Hier braucht es eine gesetzlich klare Regelung, bei der auch die „Dauerhaftigkeit“ und „Ernsthaftigkeit“ des Entschlusses und der unerträglichen Lebensbeeinträchtigung definiert wird. Die in § 8 Abs.1 genannten Fristen von 12 und dann 2 Wochen sind jedenfalls viel zu kurz, um die Dauerhaftigkeit und Ernsthaftigkeit der Willensbildung festzustellen.

3. Ad § 11: Das im Gesetz genannte Medikament kann laut Apothekern nicht oral eingenommen werden; denn dieses Mittel würde oral eingenommen zu einer Vergiftung und möglicherweise zu Erbrechen führen. Wenn es einer Infusion bedarf, dann hat die Beihilfehandlung nicht nur unterstützenden Charakter, sondern wäre eine Mitwirkung zur Selbsttötung (vergleiche Anmerkung zu Punkt 1 weiter oben).

4. Ad § 12: Das Werbeverbot und das Verbot, einen wirtschaftlichen Vorteil zu verlangen oder anzunehmen, gilt nur für die Beihilfe selbst, nicht aber für die Errichtung der Sterbeverfügung oder die Aufklärungsgespräche. Damit wird nicht ausgeschlossen, dass entsprechende Werbekampagnen durchgeführt und Geschäfte gemacht werden. Das Werbe-verbot sollte daher umfassender definiert werden. Auch sollte jeder wirtschaftliche Vorteil für Dritte ausgeschlossen werden, da dies sonst leicht umgangen werden kann !

5. Fehlendes Monitoring: Neben dem rechtlich-verfahrensmäßigen Monitoring ist im Gesetz auch ein Monitoring zum Ausgangsmotiv der sterbewilligen Person, zur Wirkweise der Aufklärungsarbeit auf die Entscheidungsfindung der Person, sowie eine Information zu den Lebensbedingungen, angebotenen Alternativen und Reaktion vorzusehen. Nur durch diese Motivforschung, im Rahmen einer anonymisierten Evaluierung, können wichtige Erkenntnisse zur besseren Suizidprävention gewonnen werden.

6. Fehlende Grundlage im Kontext der „helfenden Dritten“: Im Erkenntnis des VfGH (G 139/219-71, Seite 82, Punkt 10) ist festgehalten, dass der Gesetzgeber zu berücksichtigen hat, „dass der helfende Dritte eine hinreichende Grundlage dafür hat, dass der Suizidwillige tatsächlich eine auf freier Selbstbestimmung gegründete Entscheidung zur Selbsttötung gefasst hat“. Im vorliegenden Gesetzesentwurf wird diese Anforderung nicht hinreichend berücksichtigt. Daher sind Ergänzungen in der Form erforderlich, sodass notariell auch festgestellt werden muss, dass die Beihilfe zum Suizid - zum Beispiel durch Abholung des Medikamentes bei einer Apotheke - nicht durch Erbberechtigte erfolgen darf und eine medizinische Betreuung, die einen langen (2-Jährigen) Zeitraum vor dem Suizid einen ausreichenden Überlegungszeitraum und die Ausschaltung von Todessehnsucht aufgrund behandelbarer, bloßer Depression ermöglicht.

7. Empfohlen wird, eine Präambel voranzustellen. Aus dieser sollte die Intention des Gesetzgebers, der Vorrang für palliativmedizinische Maßnahmen sowie die Weiterent¬wick-lung in der Suizidprävention und im Bereich der persönlichen Assistenz zum Zwecke der selbstbestimmten Lebensführung hervorgehen.

8. Der, die Bestätigung ausstellende Arzt muß am Wohnort oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Sterbewilligen als Arzt zugelassen sein, um einen Sterbetourismus zu vermeiden.

Für weitere Auskünfte stehen wir gerne und jederzeit zu Verfügung,

mit freundlichen Grüßen

Peter Stolberg-Stolberg m.p. cc: Prinz Gundakar von und zu Liechtenstein
Ordenskanzler Ordensgouverneur

Stellungnahme von

Alter Orden vom St. Georg; Ordenskanzlei

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