Stellungnahme zu Ministerialentwurf
Stellungnahme zu dem Ministerialentwurf betreffend Bundesgesetz über die Impfpflicht gegen COVID-19 (COVID-19-Impfpflichtgesetz – COVID-19-IG)
Bei den Stellungnahmen handelt es sich nicht um die Meinung der Parlamentsdirektion, sondern um jene der einbringenden Person bzw. Institution. Mehr Informationen finden Sie in den Nutzungsbedingungen.
Inhalt
Ich sehe viele Probleme mit dem geplanten Gesetz zur Impfpflicht gegen Covid-19:
Aus meiner Sicht ist eine Pflicht, sich gegen eine Krankheit impfen zu lassen, nur dann gerechtfertigt, wenn sie bei einer realistisch hohen Impfquote und zumutbaren Impf-Intervallen einen merklichen Schutz des Durchschnittsbürgers vor einer gefährlichen Erkrankung bietet oder ggf. einer größeren vulnerablen Gruppe einen merklichen Schutz vor einer Ansteckung mit einer für sie gefährlichen Erkrankung bietet, wenn ein vergleichbarer Schutz dieser Personengruppe oder der allgemeinen Bevölkerung nicht auch durch gelindere Mittel erreicht werden könnte.
Wie sich aber gezeigt hat, schützen die derzeit verwendeten (und wohl auch die künftig verfügbaren) Impfstoffe generell nur so schlecht gegen eine Ansteckung, dass selbst bei einer nahezu hundertprozentigen Immunisierungsrate (siehe etwa Gibralta oder andere Staaten wie UK mit 95% Antikörperprävalenz in Bezug auf Sars-Cov-2) zu einer massenhaften, nicht mit einer Kombination auch nur irgendwelcher derzeit verfügbarer Mittel zu stoppenden Verbreitung von Sars-Cov-2 gibt, bei der vermutlich ein Großteil der Bevölkerung so oder so dem Virus ausgesetzt sein wird. Dieses Argument ist seit der Verbreitung der Omikron-Variante noch stärker geworden, da die Impfungen nur mehr einen geringfügigen Infektionsschutz bieten und somit die Bevölkerung bei einer sehr hohen Reproduktionsrate so gut wie gar nicht schützen und auch nicht geeignet sind, die Verbreitung des Virus merklich zu bremsen (bei exponentiellem Wachstum interessiert einen, ob man den Reproduktionsfaktor nahe 1 oder unter 1 bringen kann (was einen Unterschied in der Prävalenz und Durchseuchungsgeschwindigkeit, wie auch auf den Intensivstationen machen würde), bei einer sehr viel höheren Reproduktionsrate steigen jedoch die Coronazahlen so oder so derartig schnell theoretisch bis unendlich, dass die Erreichung des Peaks der Coronazahlen selbst durch eine hohe Impfquote nur so marginal bremst, dass es für praktische Zwecke nicht mehr relevant ist. Natürlich kann man dem entgegensetzen, dass der Impfstoff für Omikron angepasst werden könne. Dagegenzuhalten ist dem jedoch, dass es dann trotzdem nicht zuzumuten ist, die kaum gegen Ansteckung wirksamen Impfungen für eine Impfpflicht heranzuziehen, was einen massiven Grundrechtseingriff darstellt, der entsprechend gut zu rechtfertigen sein muss. Des Weiteren ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dieses schnell mutierende Virus nun, da es noch viel mehr Menschen als zuvor infiziert, noch schneller als in den Vergangenen Monaten mutieren wird und sich alsbald eine weitere Virusvariante, die noch ansteckender sein wird und noch mehr gegen das Virus Geimpfte infizieren wird, da dies dem Virus einen starken Selektionsvorteil verschafft und wir bereits in der Vergangenheit gesehen haben, dass es alle paar Monate eine neue, ansteckendere Virusvariante gibt. Da aber Impfstoffe zunächst einmal eine Vorlaufzeit, Produktionszeit etc. brauchen, ist es nicht realistisch, anzunehmen, dass die Impfungen nicht dem Virus wieder und wieder "hinerherhinken" werden und die letztliche Wirkung für die Ansteckung wiederum gering sein würde oder die Impfung unzumutbar oft (z. B. alle 3 Monate) verabreicht werden müsste.
Wenn also das Virus nicht in relevantem Ausmaß durch eine Impfpflicht einzudämmen ist, stellt sich die Frage, ob man Menschen zu ihrem eigenen Schutz zu einer medizinischen Behandlung zwingen kann. Das ist nur dann zu rechtfertigen, wenn 1. ein für die Person individuell eindeutig positives Risiko-Nutzen-Verhältnis der Impfung und Nebenwirkungen der Impfung besteht, 2. die Person ein relevantes Risiko hat, schwerwiegend an Covid-19 zu erkranken oder zu sterben und 3. dieses Risiko entweder sehr hoch ist oder relevant ist und eine Überlastung des Gesundheitssystems droht, die nicht mit gelinderen Mitteln verhindert werden kann.
Nun ist es aber so, dass es bei Covid-19 eine sehr eklatante Risikostratifikation gibt: Menschen über 70 mit relevanten Vorerkrankungen haben z. B. ein mehr als tausendfach höheres Risiko, an Covid-19 schwer zu erkranken wie jemand, der gesund und unter 30 ist. Ich würde meinen, dass in letzterem Fall nicht mit einer erheblichen Eigengefährdung über das normale, Menschen zugestandene Maß an Risiko für sich selbst argumentiert werden kann, bei Menschen über 70, aber schon. Daher müsste es eine differenziertere Verhängung der Impfpflicht geben, wenn man mit erzwungenem Eigenschutz aufgrund der hohen oder für das Gesundheitssystem relevanten Eigengefährdung eine Grundrechtseinschränkung plant, da Grundrechtseinschränkungen keinesfalls über das notwendige Maß hinaus verhängt werden dürfen, um den Bürger vor der Willkür und Verletzung durch Staat und Regierung zu schützen. Bei jungen Menschen unter 30 oder allenfalls auch bis 45 ist die Datenlage meines Erachtens so, dass das Myokarditisrisiko bei einer Impfung mit Pfizer und v. a. mit Moderna das Risiko bei einer Covid-19-Erkrankung übersteigt. Für die 3. Impfung gibt es hier noch keine Daten und es ist somit nicht abzusehen, wie viel höher das Risiko für Myokarditis bei einer Impfung ist. Sicherlich ist es jedoch so, dass es somit jungen Menschen nicht zuzumuten ist, sich alle 3 Monate gegen eine Krankheit impfen zu lassen, die sie im Wesentlichen kaum betrifft, obwohl ihr eigenes Risiko von der Impfung evtl. nach 3, 4, 5 oder 10 Impfungen irgendwann deutlich das für sie von Covid-19 ausgehende Risiko übertrifft und der Benefit für die Gemeinschaft vernachlässigbar sein dürfte. Es muss hier somit zumindest eine deutliche Einschränkung für Impfungen junger, gesunder Menschen gegen Covid-19 geben, die festlegt, dass man keine weiteren Impfungen für sie mehr verhängen kann, wenn ihnen dadurch ein merkliches, gesundheitliches Risiko entsteht ohne irgendjemandem großartig zu nutzen. Alles andere wäre bei einem Gesetz zur Förderung der nationalen Gesundheit absurd. Auch ist es Menschen mit geringem, persönlichem Risiko generell nicht zuzumuten, die dritte Impfung, solange sie nicht zugelassen ist, nehmen zu MÜSSEN. Das wäre etwa so, als würde jemand gezwungen, an einer Medikamentenstudie mitzumachen, obwohl er nicht krank ist.
Ein weiteres großes Problem mit dem derzeitigen Entwurf zur Impfpflicht ist, dass das festgehaltene Ziel eine „Erhöhung der Durchimpfungsrate“ ist. Für eine Grundrechtseinschränkung braucht es jedoch eine für die Willkür des Staates abgesicherte, klar definierte Zielsetzung, die sich auf den Nutzen dieser Impfung für die Gesellschaft bezieht. Mit der derzeitigen Begründung könnte man ja auch eine Impfpflicht für Ebola hierzulande beschließen, obwohl es die Krankheit bei uns defacto nicht gibt. Man könnte mit dieser Begründung auch die Bürger jede Woche bis zum Ende aller Tage impfen lassen, auch, wenn ihnen daraus weit mehr gesundheitlicher Schaden als Nutzen entstünde. Man müsste also festlegen, auf welches prozentuelle Ausmaß der Bevölkerung man die zu erwartende Übersterblichkeit aufgrund von Corona oder die Auslastung der Intensivkapazitäten mit der Impfpflicht verringern möchte und bei welcher Lage das Gesetz mit sofortiger Wirkung außer Kraft tritt (etwa, falls ein Jahr lang keine Sterblichkeit über das festgelegte Ausmaß mehr aufgetreten ist).
Darüber hinaus sind die gesellschaftlichen Konsequenzen der Verhängung einer Impfpflicht zu überdenken: Die Spaltung der Gesellschaft wird weiter befeuert, die Compliance der Bevölkerung aufgrund von Reaktanz möglicherweise sogar gesenkt und nicht erhöht, wenn ein derartiges Maß an Zwang angewandt wird. Außerdem ist zu bedenken, dass dieses Gesetz Menschen potenziell in den finanziellen Ruin treiben könnte – dann muss der Staat für die Verpflegung dieser Menschen aufkommen und wenn nicht, die anderen Bürger vor obdachlosen, wütenden, perspektivenlosen Menschen schützen. Dass das die Sicherheit in der Bevölkerung insgesamt erhöht, ist fraglich. Auch das Misstrauen, dass dadurch gegen die Regierung und die Schulmedizin geschürt werden könnte, führt höchstwahrscheinlich eher dazu, dass dann an anderen Erkrankungen mehr Menschen sterben und dass bei anderen Krisensituationen kein gesellschaftlicher Zusammenhalt mehr da ist. Auch die Traumatisierung von Menschen aufgrund der defacto körperlichen Gewalt. die hier angewandt wird, weil man sich Nicht-Impfen irgendwann nicht mehr leisten kann, gebe ich zu bedenken als gesundheitliche Schädigung, die möglicherweise in keinem Verhältnis zum Nutzen der Impfpflicht steht, v. a. nicht, wenn man jungen Erwachsenen, Jugendlichen oder Kindern, die kaum ein Risiko von Covid-19 haben, eine medizinische Behandlung gegen ihren Willen aufzwingt.
Ich finde es außerdem bedenklich, ein Impfpflichtgesetz zu beschließen, das der Regierung bzw. dem Gesundheitsministerium relativ einfach ermöglicht, die Umsetzung der Impfpflicht zu verändern. Wie können die Parlamentsabgeordneten etwa entscheiden, ob sie für eine Impfpflicht sind, wenn die Umsetzung entweder 3 Impfungen beinhalten könnte oder aber 11, wohlgemerkt, ohne dass es zu der Wirkung von weiteren Impfungen wissenschaftliche Daten gibt? Man müsste die Impfpflicht zunächst auf 2 oder 3 Impfungen beschränken, auch, um nicht das Misstrauen der Bevölkerung zu schüren, dass es jetzt um eine Dauerimpfung ohne Ende geht und nicht um eine sinnvoll überlegte, medizinische Intervention. Danach könnte man sich noch über weitere Impfungen beraten, allerdings wäre wieder sehr gut zu begründen, warum bereits grundimmunisierte Menschen immer weitere Impfungen brauchen, nur, um die Antikörpertiter kurzfristig zu erhöhen, so, wie es meiner Befürchtung nach angestrebt werden könnte.
Dann stellt sich noch die Frage, ob man eine Verringerung der Mortalität von Covid-19 nicht mit gelinderen, nachhaltigeren Mitteln erreichen könnte. Meine Antwort darauf ist: Ja. Erhöhung der Spitalskapazitäten, frühzeitige Behandlung, Lifestyle-kampagne zur Verminderung von Diabetes....