33. StVO-Novelle (61/SN-197/ME)

Stellungnahme zu Ministerialentwurf

Stellungnahme zu dem Ministerialentwurf betreffend Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (33. StVO-Novelle)

Bei den Stellungnahmen handelt es sich nicht um die Meinung der Parlaments­direktion, sondern um jene der einbringenden Person bzw. Institution. Mehr Informationen finden Sie in den Nutzungsbedingungen.

Inhalt

Stellungnahme zur StVO-Novelle Mai 2022

33. StVO Novelle

Anmerkungen von Wolfgang Kremser, einem blinden Fußgänger.

Definition der Barrierefreiheit:
Die Barrierefreiheit und Nutzungssicherheit des öffentlichen Raumes muss für Fußgänger:Innen in der Straßenverkehrsordnung festgeschrieben werden.

Barrierefreiheit
§ XX. Zu den baulichen Anforderungen des öffentlichen Raumes zählen auch Maßnahmen, welche es ermöglichen diesen sicher durch ältere Personen, Menschen mit Behinderung, Schwangere, Kinder und Menschen mit kleinen Kindern sowie sonstige in ihrer Mobilität eingeschränkten Personen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar im Sinne des Bundes- Behindertengleichstellungsgesetzes, BGBl. I
Nr. 82/2005 zu machen.


Definition der Schrittgeschwindigkeit:
In der StVO wird wiederholt der Begriff Schrittgeschwindigkeit genannt.
Es gibt dazu aber keinen Anhaltspunkt, ob es sich um menschliche Schrittgeschwindigkeit, (4 – 5 km/h) oder Schrittgeschwindigkeit von Pferden (8 – 10 km/h), woher der Begriff wahrscheinlich ursprünglich stammt, handelt.

In der StVO muss klar definiert werden, um welche Schrittgeschwindigkeit es sich handelt bzw. welcher Geschwindigkeitsbereich damit gemeint ist!


§ 17 (2) Vorbeifahrverbot an öffentlichen Verkehrsmitteln in Haltestellen

Kommentar:
Diese Bestimmung dient sicher der Erhöhung der Verkehrssicherheit von aus- und einsteigenden Fahrgästen der öffentlichen Verkehrsmittel, vor allem von Menschen mit Behinderung und ist daher sehr zu begrüßen.

Wenn nicht durch Haltestellenkaps die Länge der Haltestellen klar erkennbar ist, sollte die Länge der Haltestelle durch farbliche Markierungen am Gehsteig oder Bodenmarkierungen auf der Fahrbahn, ev. auch durch Hinweiszeichen Beginn- und Ende des Haltestellenbereichs angezeigt werden.
Die Abgrenzung des Haltestellenbereichs mit 15 Metern vor und nach der Haltestellentafel ist nicht mehr zeitgemäß, da bei Doppelstationen die Länge der Haltestelle unter Umständen unklar ist und die Haltestellentafeln nicht unbedingt als solche erkannt werden (neue Wiener Haltestellentafeln). Neuere Schienenfahrzeuge sind auch Länger als 30 m.

Zur deutlichen optischen Erkennung eines in einer Fahrbahnhaltestelle stehenden öffentlichen Verkehrsmittels und damit der erfordelrichen Einhaltung des Vorbeifahrverbotes sind an den Fahrzeugen Lichtzeichen während des Ein- und Aussteigevorganges zu aktivieren, z.B. Betätigen der rechten Blinker der öffentlichen Verkehrsmittel.


§ 20 Fahrgeschwindigkeit

Kommentar:
Generelle Reduzierung der Fahrgeschwindigkeiten der motorisierten Fahrzeuge:

• Tempo 30 innerorts (mit Ausnahme baulich geeigneter Haupt-verkehrsstraßen, z.B. Schienenstraßen, wobei sichere Querungsmöglichkeiten für Fußgänger ein wesentliches Kriterium sind)
• Tempo 80 auf Landstraßen außerhalb der Ortsgebiete (Ausnahme Straßenabschnitte ohne Querungen und Einmündungen und mit getrennten Nebenfahrbahnen für den landwirtschaftlichen Verkehr und Radfahrer und bei Bedarf auch mit Gehwegen


§ 21. Schrittgeschwindigkeit von Lkw bei Rechtsabbiegen im Ortsgebiet …
(3) Lenker von Kraftfahrzeugen mit einem höchst zulässigen Gesamtgewicht von über 3, 5 t haben innerhalb des Ortsgebietes beim Rechtsabbiegen mit Schrittgeschwindigkeit zu fahren, wenn mit geradeaus fahrendem Fahrradverkehr, in selber Fahrtrichtung rechts abbiegendem Fahrradverkehr oder im unmittelbaren Bereich des Einbiegens mit die Fahrbahn überquerendem Fußgängerverkehr zu rechnen ist.

Kommentar:
Für alle Fahrzeuge ist die Einbiegegeschwindigkeit zu reduzieren!!!
Die oben angeführte Bestimmung erhöht zwar grundsätzlich die Verkehrssicherheit, allerdings wäre die Verwendung von verlässlichen Abbiegeassistenz-Systemen wirksamer. Ob das Kriterium Fahrzeuggewicht über 3,5 Tonnen optimal ist, ist zu hinterfragen, da es auch Lieferfahrzeuge mit geringerem Gesamtgewicht gibt, bei denen trotz Rückspiegel die Sicht nach rechts hinten eingeschränkt ist.


§ 23. Halten und Parken, temporäre Hindernisse auf Gehsteigen
(1) Der Lenker hat das Fahrzeug zum Halten oder Parken unter Bedachtnahme auf die beste Ausnützung des vorhandenen Platzes so aufzustellen, dass kein Straßenbenützer gefährdet und kein Lenker eines anderen Fahrzeuges am Vorbeifahren oder am Wegfahren gehindert wird. Das Hineinragen von Teilen des aufgestellten Fahrzeuges auf Verkehrsflächen, die dem Fußgängerverkehr oder dem Fahrradverkehr vorbehalten sind, ist verboten. Ausgenommen davon ist im Falle von Verkehrsflächen des Fußgängerverkehrs ein Hineinragen in geringfügigem Ausmaß (z. B. Seitenspiegel, Stoßstange) sowie für Ladetätigkeiten bis zu 10 Minuten. In jedem Fall hat dabei der freibleibende Querschnitt mindestens 1, 5 m zu betragen. Weiters hat auf Verkehrsflächen des Fußgängerverkehrs ein Querschnitt von mindestens 1, 5 m in Fällen der Aufstellung oder Anbringung von Gegenständen und Einbauten freizubleiben; die Aufstellung von temporären Hindernissen wie Gerüsten oder Leitern zur Durchführung von zwingend notwendigen Bau- oder Reparaturmaßnahmen ist zulässig.

Kommentar:
Die Ausnahme für geringfügiges Hineinragen (Seitenspiegel, Stoßstange) hat zu entfallen, da der Begriff „geringfügige Ausnahme“ dehnbar ist und von den Lenkern größerer Fahrzeuge (z.B. SUV) zu Lasten von Fußgängern oft ungebührlich ausgenützt wird. Eine gewisse Toleranz gegenüber dem Lieferverkehr mit kurzen Ladezeiten ist verständlich.

Die Ausnahme für Gerüste sollte entfallen, da diese den Bewegungsraum für Fußgänger oft länger einschränken und durch heutige Gerüstbautechnik eine 1,5 Meter Durchgangsbreite technisch machbar ist (z.B. Brückenkonstruktionen über dem Gehsteig), siehe auch Überlegungen zum § 76 Fußverkehr.


§ 24 Halte- und Parkverbote
d) unbeschadet der Regelung des § 23 Abs. 3a im Bereich von weniger als 5 m vom nächsten Schnittpunkt aneinander grenzender Fahrbahnränder; wenn die Sichtbeziehungen in Relation zur zulässigen Fahrgeschwindigkeit nicht ausreichend sind, ist dieser Bereich mittels Sperrfläche oder baulichen Maßnahmen auf 8 m zu erweitern,

Kommentar:
Generell sollten immer ausreichende Sichtbeziehungen vorhanden sein.
Die Bestimmung ist grundsätzlich positiv zu sehen, um Sichtbeziehungen zu verbessern.
der Wert von 8 Meter darf jedoch eine fundierte Verkehrssicherheitsprüfung nicht ersetzen.


§ 38 Rechtsabbiegen bei Rot
(5a) Die Behörde kann durch Verordnung Kreuzungen bestimmen, an denen abweichend von Abs. 5 die Lenker von Fahrrädern trotz rotem Licht rechts abbiegen oder, bei T-Kreuzungen, geradeaus fahren dürfen, wenn
1. sie zuvor angehalten haben,
2. eine Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs in der freigegebenen Fahrtrichtung, nicht zu erwarten ist und
3. neben dem roten Lichtzeichen eine Zusatztafel gemäß § 54 Abs. 5 lit. n angebracht ist.
(5b) Eine Verordnung nach Abs. 5a darf nur erlassen werden, wenn hinsichtlich der dadurch bestimmten Kreuzungen aus Gründen der Verkehrssicherheit keine Bedenken bestehen; der jeweilige Stand der Technik ist dabei zu berücksichtigen. In der Verordnung ist die Fahrtroute anzugeben, für die die Erlaubnis, bei rotem Licht rechts abzubiegen oder geradeaus zu fahren, gilt. An den in der Verordnung genannten Kreuzungen ist neben dem roten Lichtzeichen eine Zusatztafel gemäß § 54 Abs. 5 lit. n anzubringen.

Kommentar:
Radfahrer dürfen durch die geplante Regelung nicht direkt eine rot zeigende Verkehrsampel überfahren, insbesondere wenn dort auch Fußgänger queren.

Für sehbeeinträchtigte Menschen sind Radfahrer akustisch nicht wahrnehmbar, es besteht bei unklaren Regelungen ein erhöhtes Sicherheitsrisiko.


§ 48 Anbringung von Straßenverkehrszeichen

Kommentar:
Auch in der 33. StVo Novelle fehlen Bestimmungen zum Schutz von Fußgängern, nämlich:
Wenn Parkspuren zur Verfügung stehen, sind Verkehrszeichen dort und nicht auf Gehsteigen aufzustellen, vor allem dann wenn keine Rest-Gehsteigbreite von 2 Metern erhalten bleibt.
Bei engen Platzverhältnissen sind Verkehrszeichen an Häusern bzw. an der der Fahrbahn abgewandten Gehsteigseite anzubringen.

Temporäre Verkehrszeichen dürfen nicht scharfkantig sein, um Verletzungsgefahren, vor allem für blinde und sehbehinderte Menschen zu vermeiden.
Siehe näheres RVS Fußgänger.


§ 76 Fußverkehr

Kommentar:
Für den Fußverkehr ist eine Regelung von Ersatzgehsteigen bei Bauarbeiten, z.B. in einem § 76 e erforderlich.

Die derzeitige Praxis, Fußgänger einfach auf die gegenüberliegende Straßenseite zu verweisen entspricht nicht einer barrierefreien Lösung.

Künftig ist die Einrichtung eines barrierefrei nutzbaren Ersatzgehsteigs verpflichtend vorzuschreiben, wenn der bestehende Gehsteig bedingt durch eine Baustelle nicht benützt werden kann.

Bei beengten Platzverhältnissen sind temporäre barrierefrei nutzbare Schutzwege zum Ausweichen auf den gegenüberliegenden Gehsteig anzulegen.


§ 88b. Rollerfahren

Kommentar:
In den Bestimmungen ist zu ergänzen, dass das Parken von E-Rollern auf Gehsteigen verboten ist.

Für Mietroller sind von den Anbietern Abstellanlagen (Docking-Stations), wie für Mietfahrräder verpflichtend anzubieten, um gefährdendes Abstellen und Ablegen der Fahrzeuge vor allem für sehbehinderte und blinde Fußgänger zu verhindern.

Die mögliche Freigabe von Gehsteigen für E-Roller beeinträchtigt die Verkehrssicherheit und stellt auch eine Ungleichbehandlung gegenüber Radfahrern dar, die Gehsteige nicht in Längsrichtung befahren dürfen.


Wolfgang Kremser
Neilreichgasse 99/9/12
1100 Wien
Österreich / Austria

E-Mail:
wolfgang.kremser@aon.at

Tel. Festnetz: +43 1 604 13 58 (Anrufbeantworter)
Tel. Mobil: +43 664 25 45 999

Skype: Verkehrswolferl
Facebook:
https://www.facebook.com/wolfgang.kremser.735


Stellungnahme von

Kremser, Wolfgang (1100 Wien)

Ähnliche Gegenstände