Stellungnahme zu Ministerialentwurf
Stellungnahme zu dem Ministerialentwurf betreffend Bundesgesetz über die Wiener Zeitung GmbH und Einrichtung einer elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes – WZEVI-Gesetz
Bei den Stellungnahmen handelt es sich nicht um die Meinung der Parlamentsdirektion, sondern um jene der einbringenden Person bzw. Institution. Mehr Informationen finden Sie in den Nutzungsbedingungen.
Inhalt
Sandra Fleck
Freie Wissenschafts- und Kulturjournalistin
fleck.journalismus@gmail.com
An das Bundeskanzleramt
Ballhausplatz 2
1010 Wien
Wien, 26. November 2022
Sehr geehrte Nationalratsabgeordnete!
anbei meine ausführliche Stellungnahme, die gleichermaßen an recht@bka.gv.at und begutachtungsverfahren@parlament.gv.at ergeht.
Mit freundlichen Grüßen,
Sandra Fleck
Stellungnahme von Sandra Fleck, freie Wissenschafts- und Kulturjournalistin,
zum Bundesgesetz über die Wiener Zeitung GmbH und Einrichtung einer elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes – WZEVI-Gesetz
Sandra Fleck lehnt das Bundesgesetz über die Wiener Zeitung GmbH und Einrichtung einer elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes – WZEVI-Gesetz in der vorliegenden Form als Ganzes ab. Sie begründet das wie folgt:
Der Ehrenkodex des österreichischen Presserats besagt in den folgenden Punkten:
Punkt 1 Freiheit
1.1. Die Freiheit in Berichterstattung und Kommentar in Wort und Bild ist integrierender Bestandteil der Pressefreiheit. Das Sammeln und Verbreiten von Nachrichten und Kommentaren darf nicht behindert werden.
Mit der Abschaffung einer tagesaktuellen Berichterstattung wird die Verbreitung von Neuigkeiten in einem massiven Maß eingeschränkt. Die Umstellung einer Tageszeitung auf ein unregelmäßig erscheinendes Magazin ist aus diesem Grund nicht zu befürworten. Gerade im Bereich tagesaktuelle Politik und Kultur, wird nur durch das regelmäßige Festhalten der Ereignisse eine langfristige Entwicklung in diesen Bereichen erkennbar. Ein Kommentar macht nur dann Sinn, wenn diese Entwicklung täglich begleitet werden. Ein breites Angebot an tagesaktuellen Meldung macht diese Bild rund. Jeder Verlust eines tagesaktuellen Mediums schränkt diesen Gesamtüberblick ein.
Punkt 3 Unterscheidbarkeit
3.1. Für die Leserinnen und Leser muss klar sein, ob es sich bei einer journalistischen Darstellung um einen Tatsachenbericht oder die Wiedergabe von Fremdmeinung(en) oder um einen Kommentar handelt.
3.2. Vor der Wiedergabe von Fremdmeinungen sollte deren Stichhaltigkeit überprüft werden, wenn gravierende Zweifel an der Richtigkeit eines Zitats bestehen.
Die Umwandlung der Wiener Zeitung in eine Online-Verlautbarungsplattform, setzt die nach dem Gesetzesbeschluss noch vorhandenen MitarbeiterInnen unter massiven Druck, politische Manipulation als Tatsache in die Bevölkerung zu tragen. Beziehungsweise ist davon auszugehen, dass durch politische Postenbesetzungen Tatsachen- zu Meinungsberichten werden. An regierungskritische Kommentare seitens der Redaktion ist dann nicht mehr zu denken.
Es ist daher fraglich, inwiefern – Online als auch als unregelmäßiges Medium – eine Abgrenzung zwischen Meinung und Tatsache erfolgen kann. Wie soll ein Curricula oder eine Ausbildungsstätte zu einem Verlautbarungsmedium aussehen? Ein solches Handeln widerspricht im massivsten dem journalistischen Ehrenkodex und gefährdet die Demokratie. Ein solches Agieren bleibt auch außerhalb der Republik Österreich nicht unbemerkt. Der Vergleich mit Ungarn wird noch lauter werden und Österreich wird im Ranking bei Reporter ohne Grenzen weiter abfallen.
Punkt 4 Einflussnahme
4.1. Eine Einflussnahme Außenstehender auf Inhalt oder Form eines redaktionellen Beitrags ist unzulässig.
4.4. Wirtschaftliche Interessen des Verlages dürfen redaktionelle Inhalte nicht in einer Weise beeinflussen, die Fehlinformationen oder Unterdrückung wesentlicher Informationen zur Folge haben könnte.
Durch die Umstellung der Wiener Zeitung und die Verstaatlichung der Journalistinnen- und Journalisten-Ausbildung wird direkt Einfluss auf die Erstellung von redaktionellen Beiträgen genommen. Dabei handelt es sich um PR, nicht um Journalismus. Eine solche Einrichtung ist daher abzulehnen. Bereits der Name „Content-Agentur Austria“ will verheißen, dass redaktionelle Inhalte gemäß des Qualitätsmediums Wiener Zeitung wegfallen werden.
Punkt 9 Redaktionelle Spezialbereiche
9.1. Reise- und Tourismusberichte sollen in geeigneter Weise auch auf soziale und politische Rahmenbedingungen und Hintergründe (z.B. gravierende Menschenrechtsverletzungen) verweisen.
9.2. Umwelt-, Verkehrs- und energiepolitischen Zusammenhängen soll auch im Autoteil Rechnung getragen werden.
9.3. Tourismus-, Auto- und Gastronomieberichte sollen wie alle Bewertungen von Konsumgütern und Dienstleistungen nachvollziehbaren Kriterien folgen sowie von journalistisch qualifizierten Personen verfasst werden.
Bereits jetzt zeigen sich durch die Inseratengeschäfte Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Medien und Politik, die durch die Umwandlung der Wiener Zeitung in eine Verlautbarungsplattform auf eine nächsthöhere Manipulationsstufe gehoben werden. Die Beurteilung redaktioneller Spezialbereiche soll daher auch weiterhin gemäß der heutigen Wiener Zeitung und dem Ehrenkodex entsprechend erfolgen.
Punkt 10 Öffentliches Interesse
10.2. Öffentliches Interesse im Sinn des Ehrenkodex für die österreichische Presse ist besonders dann gegeben, wenn es um die Aufklärung schwerer Verbrechen, den Schutz der öffentlichen Sicherheit oder Gesundheit oder um die Verhinderung einer Irreführung der Öffentlichkeit geht.
Jeder Mensch ist schutzwürdig. Im Sinne des öffentlichen Interesses kann es aber vonnöten sein, verbrecherisches Handeln von Politikern aufzudecken und darüber zu berichten. Dies ist nicht mehr gegeben, wenn die „Wiener Zeitung“ das Verlautbarungsmedium der Österreichischen Regierung wird.
Punkt 11 Interessen von Medienmitarbeitern
Die Presse wird ihrer besonderen Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit nur dann gerecht, wenn private und geschäftliche Interessen von Medienmitarbeitern keinen Einfluss auf redaktionelle Inhalte haben. Medienmitarbeiter verwenden Informationen, die sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit erfahren und die nicht öffentlich zugänglich sind, nur für publizistische Zwecke und nicht zum eigenen Vorteil oder zum Vorteil Dritter.
Der Gesetzesentwurf zur Wiener Zeitung und seine Folgen widerspricht im vollen Ausmaß Punkt 11 des Ehrenkodex für Journalisten. Bereits jetzt verwundert die Vernachlässigung und das Desinteresse am Erhalt und publizistischem Wert der Wiener Zeitung seitens der Geschäftsführung der Wiener Mediengruppe. Die Frage nach dem privaten und geschäftlichen Interesse des obersten Medienmitarbeiters macht sich breit.
Des Weiteren:
I
Zu allen genannten Widersprüchen den Ehrenkodex des Österreichischen Presserats betreffend kommt hinzu, dass eine weitere Ausbildungsstätte für Journalisten nicht vonnöten ist. Es gibt bereits zahlreiche Ausbildungsstätten in Wien und an anderen Orten, die gemäß dem Ehrenkodex agieren. Zudem ist es fragwürdig, weitere Journalisten auszubilden, wenn diese im Anschluss ohne Arbeit bleiben, da qualitätsjournalistische Medien immer weniger werden und PR-Agenturen zunehmen. PR widerspricht Journalismus. Beide haben miteinander nichts zu tun.
II
Anstatt die vierte Macht im Staat zu entkräften, müsste es von politischem Interesse sein, den Gegenpol zu stärken und somit in die eigene Glaubwürdigkeit zu investieren. Das geht nur mit dem Erhalt der Wiener Zeitung. Ganz im Gegenteil es braucht die Unterstützung von weiteren Zeitungen und die Bekräftigung des Lokalteils, damit sich das Volk wieder gehört fühlt und in Journalisten eine Instanz sieht, die ihnen zuhört und das bestmögliche tut ihr Anliegen zu überprüfen.
III
Es fällt auf, dass die genannten Ziele des ministerialen Gesetzesentwurfs auf hohe Zufriedenheit pochen, aber die geplanten Schritte nicht dazu führen. Es wäre zu hinterfragen, inwiefern die Ziele dann auch tatsächlich die Inhalte bedingen. Darüber hinaus wäre es gut, die Inhalte einmal großflächig zu hinterfragen, insbesondere mit der Redaktion der Wiener Zeitung Kontakt aufzunehmen und sich an einen gemeinsamen Tisch zu setzen. Es gilt ernsthaft zu überprüfen, wie die Redaktion der Wiener Zeitung weiter bestehen kann, auch dann, wenn die Regierung kein Interesse mehr an dieser Zeitung hat.
IV
Ganz davon abgesehen, handelt es sich um ein Kulturgut von Weltklasse. Die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt zu vernichten ist purer Frevel. Mit Gründung im Jahr 1703 ist die Wiener Zeitung älter als der älteste Zoo der Welt (Tiergarten Schönbrunn, 1752), bereits Prinz Eugen und Maria Theresia waren Zeitzeugen dieses Blattes. An die kulturellen Aushängeschilder Wolfgang Amadeus Mozart, Franz Schubert und Joseph Haydn war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht zu denken. Seitdem geschehene politische und kulturelle Ereignisse wurden darin auf immer und ewig festgehalten. Das soll auch weiterhin passieren.
Ich begrüße daher im Sinne der Demokratie den Erhalt der Wiener Zeitung als Tageszeitung im heutigen Stil und widerspreche dem aktuellen Gesetzesentwurf.
Sandra Fleck
Freie Wissenschafts- und Kulturjournalistin
Wien, 26. November 2022